Immanuel Kant entwarf in seiner ‚Grundlegung zur Metaphysik der Sitten’ ein Überprüfungskriterium, an dem im Idealfall kontrolliert werden kann, ob die Handlung oder der Gedanke hinter der Handlung moralisch gut ist.
In dieser Arbeit wird dieses Gerüst nachvollzogen. Die zentralen Begriffe werden sukzessive erklärt und in Beziehung zueinander gestellt. Am Ende kann aus den bis dahin erschlossenen Begriffen Kants Goldstück, der Kategorische Imperativ, entfaltet und verstanden werden – und damit die Frage beantwortet werden: Wann ist eine Handlung (oder der Gedanke dahinter) moralisch?
Inhaltsverzeichnis
0 Einleitung
1 Das Gesetz
2 Prinzipien
2.1 Das subjektive Prinzip
2.1.1 Durch den guten Willen gesteuerte Maximen
2.1.2 Durch Neigungen gesteuerte Maximen
2.2 Das objektiven Prinzip
2.2.1 Das objektive Prinzip als Gebot
2.2.1.1 Der Imperativ
2.2.1.1.1 Der hypothetische und der kategorische Imperativ
2.2.1.1.1.1 Der hypothetische Imperativ
2.2.1.1.1.2 Der kategorische Imperativ
3 Zusammenfassendes Schlusswort
Literaturverzeichnis
0 Einleitung
Der Mensch ist ein Naturwesen, voll von Trieben, Gelüsten, Gier, Herrschsucht, Habsucht, Besessenheit, Neid und Eitelkeit. Er ist erfüllt von Neigungen, um seine eigene Glückseligkeit zu erlangen. Oft getrieben von diesem Egozentrismus, bleibt der Mitmensch auf der Strecke. Homo homini lupus. Für die Gemeinschaft ist dies hemmend. Das soll nicht heißen, der Mensch sei prinzipiell von Natur aus schlecht – er ist aber auch nicht von Natur aus gut. Handelt er gut, dann ist dies noch lange nicht moralisch. Will er anderen nichts Böses, dann meist nur, weil er das mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann, weil er so Gutes auch zurückerwarten möchte, weil er Angst vor der Rache hat, weil er als ‚Liebemann’ dastehen will. Alles egoistische Gründe.
Der Mensch ist aber auch ein Vernunftwesen. Würde er seine Vernunft stets gebrauchen, so könnte es gut, harmonisch und gerecht in der Welt zugehen. Der Mensch würde ständig nur moralisch handeln.
Nun ist der Mensch aber sowohl Naturwesen als auch Vernunftwesen. Hinzu kommt, dass er ein Gemeinschaftswesen ist und der Interaktion mit seinen Mitmenschen bedarf. Eine Gemeinschaft funktioniert jedoch nur wenn der Einzelne die anderen Mitglieder als vollwertige Menschen akzeptiert und achtet, so wie er auch von ihnen geachtet werden möchte. Hier kommt es zu Diskrepanzen zwischen dem Natur- und dem Vernunftwesen im Menschen. Um ein friedliches und faires Zusammenleben zu sichern, bedarf es daher Regeln, die meist gesetzlich manifestiert werden müssen. Fakt ist: Je besser jeder Mensch ist und handelt, umso besser funktioniert die Gemeinschaft. Aber einfach nur gut zu sein und zu handeln, reicht nicht immer aus, wenn dieses zufällig und willkürlich ist. Man muss sich in einer Gemeinschaft, die funktionieren soll, auf das Gute verlassen können. Es muss unbedingt und absolut notwendig durch sich selbst gut sein. Es muss moralisch sein. Daher strebt der Mensch schon seit jeher nach dem moralisch Guten. Doch woran macht man das Moralische fest? Wie bestimmt man, was moralisch ist?
Dieser Frage ging u.a. Immanuel Kant nach. Er entwarf dazu ein Gerüst, das Gesetze und Prinzipien derart hinterfragte, inwieweit sie notwendig, unbedingt und gut sind. Es entstand ein Überprüfungskriterium, an dem im Idealfall kontrolliert werden kann, ob die Handlung oder der Gedanke hinter der Handlung moralisch gut ist.
In dieser Arbeit wird dieses Gerüst nachvollzogen, um ebenfalls am Ende zu wissen, was, nach Kant, moralisch ist.
1 Das Gesetz
Alles in der natürlichen Welt unterliegt Gesetzen.[1] Ein Apfel fällt nach unten und nicht nach oben. Mischt man Blau und Gelb, erhält man Grün. Schmilzt Eis, so wandelt es sich um in Wasser. Alles, was entsteht, vergeht auch irgendwann. Diese Naturgesetze gelten notwendig und unbedingt für jegliches natürliche Ding, egal ob es Vernunftvermögen hat oder nicht. Sich ihnen zu widersetzen, ist unmöglich.
Nun hat aber jedes Vernunftwesen – also auch der Mensch[2] – das Potential, selbst Gesetze zu manifestieren, die ihr Verhalten reglementieren. Auch sie haben den Anspruch, notwendig und für alle unbedingt zu gelten. Dies sind beispielsweise die Rechtsgesetze. Sie wirken als Zwang, da der Mensch durchaus in der Lage ist, diesen nicht zu folgen.[3] Es sind also meist schriftlich festgesetzte Reglementierungen, die das Verhalten der Menschen und ihr gemeinschaftliches Zusammenleben positiv beeinflussen sollen, beispielsweise um einen Staat bestmöglichst funktionieren zu lassen. Handelt jemand gegen ein Gesetz, wird er bestraft, als Zeichen dafür, dass dem Gesetz zu folgen sei.
Kant sagt, dass Gesetze stets „den Begriff einer unbedingten und zwar objektiven und mithin allgemein gültigen Notwendigkeit bei sich“[4] führen. Gesetze können den Menschen durchaus heteronom zwingen und bei Widersetzung Strafen implizieren. Im Optimalfall ist es jedoch so, dass der Mensch durch sich selbst, also als autonomes Wesen, keine andere Wahl haben dürfte, als diesen Gesetzen zu folgen. Dies lässt mutmaßen, dass dann Gesetze als Handlungsanleitung überflüssig wären. Dem könnte auch so sein, wäre der Mensch ein reines Vernunftwesen. Da er aber auch ein Naturwesen ist und nach subjektiver Befriedigung strebt, bedarf er Gesetze, die stets an seine Vernunft, also den guten Willen[5], als Antriebsfeder für seine Handlungen, appelliert.
2 Prinzipien
Das Prinzip ist ein Grundsatz, welcher das Handeln bestimmt, und das möglichst gemäß dem Gesetz sein sollte. So ein Prinzip kann subjektiv oder objektiv sein. Das objektive Prinzip soll für jedwedes Vernunftwesen gelten, das subjektive besteht nur für einen Einzelmenschen.
2.1 Das subjektive Prinzip
Das subjektive Prinzip, welches das Handeln bestimmt, ist der persönliche Grundsatz des einzelnen Menschen. „[D]as subjektive Prinzip des Wollens“[6] wird Maxime genannt. Oder spezieller ausgedrückt: „Die Maxime, das ist der subjektive Grundsatz, welcher Vorsatz und Tat mit dem Subjekt verbindet.“[7] Sie sollte derart sein, dass der Mensch „ nach der Vorstellung der Gesetze“[8] handelt. Ist dies der Fall kann das subjektive Prinzip sich durchaus mit dem objektiven decken. Mittels der „Maximen, d.i. sich selbst auferlegten Regeln“[9], ist der Wert der Handlungen auszumachen. Der Wert der Handlungen bzw. der Maximen ist für Kant ein dichotomer: entweder moralisch oder nichtmoralisch. Bestimmt wird dies durch die zugrundeliegende Triebfeder. Ist die Maxime moralisch, so ist ihre Triebfeder der gute Wille als solcher; ist sie nichtmoralisch, so liegen ihr Neigungen zugrunde.
2.1.1 Durch den guten Willen gesteuerte Maximen
Handlungen die auf Maximen des guten Willens basieren sind a priori gut. Eine derartige Maxime deckt sich mit dem objektiven Prinzip. Doch nicht immer notwendig hat der Mensch aus sich heraus solche Maximen. „Sind nun die Maximen mit diesem objektiven Prinzip der vernünftigen Wesen, als allgemein gesetzgebend, nicht durch ihre Natur schon notwendig einstimmig, so heißt die Notwendigkeit der Handlung nach jenem Prinzip praktische Nötigung, d.i. Pflicht.“[10] Hinzu kommt die Achtung vor dem objektiven Gesetz, also auch die Achtung vor allen vernünftigen Wesen als Zweck an sich selbst. Ist die Maxime des Einzelnen gleich dem objektiven Gesetz, so gilt der Mensch als autonom. Die Maxime und die ihr entspringende Handlung sind moralisch, da sie für alle Vernunftwesen gelten kann, sollte und muss. Die Konsequenz ist also, dass der Mensch, der durch die Vernunft determiniert wird, an sich gar keine andere Maxime wollen kann, als die moralisch gute – eben aus Achtung und Pflicht. Der Mensch hat also seine Maxime stets dem Prüfungskriterium zu unterziehen, indem er sich fragt, ob er wollen könne, dass sein Handeln zu einem allgemeinen Gesetz werde. Dies heißt aber nicht, dass ich erst eine Absicht habe und mich dann frage, ob ich wollen kann, dass alle genauso handeln, sondern die Maxime muss a priori derart sein, dass sie notwendig, unbedingt und intentionsunabhängig ist.
2.1.2 Durch Neigungen gesteuerte Maximen
Wenn diese Überprüfung der Maxime negativ ausfällt, dann ist die Maxime und die daraus resultierende Handlung nichtmoralisch. Sie unterliegt subjektiven Neigungen. „Die Neigungen sind nach Kant alle zurückzuführen auf die eine große Neigung zum Streben nach Glückseligkeit, darunter ist alles mögliche – Wohlergehen, Selbsterhaltung, Lust – gefasst. Ihr wird die Pflicht gegenübergestellt, die mit dieser Neigung zur Glückseligkeit durchaus im Konflikt geraten kann.“[11] Solch eine Maxime ist also nicht moralisch. Das heißt aber noch lange nicht, ein derartiges Prinzip sei schlecht. Es kann durchaus gut sein. „Bekanntlich hat Kant nie gesagt, das Gute eliminiere die Glückseligkeit, bzw. der sittliche Mensch solle unglücklich sein. So muß also das Gute zumindest teilweise mit den Glückseligkeitsstreben des Menschen verträglich sein.“[12] Sobald aber Handlungen nicht objektiv-notwendig und unbedingt sind, sowohl für mich, als auch für alle anderen Vernunftwesen – so basiert die Handlung nicht auf einer Maxime, die aus Pflicht und Achtung vor dem objektiven Gesetz geschieht. Sie erfolgt einer Intension wegen. Ist jedoch die Maxime aufgestellt, um eine Absicht zu verfolgen, so basiert sie nicht auf Pflicht. Also auch wenn die Handlung gut ist, ist sie nur pflichtgemäß, niemals aber moralisch. Natürlich können Handlungen auch pflichtwidrig sein, doch hier entfällt aus der Sache selbst die Frage nach der Moral.
2.2 Das objektiven Prinzip
Das subjektiv moralische und das objektive Prinzip sind praktische Prinzipien, also reine Grundsätze a priori, die auf der Vernunft basieren. Ihr Unterschied ist der, dass das subjektive Prinzip individuell ist, das objektive hingegen für alle Vernunftwesen gilt.[13] Somit kann man das objektive als Gesetz für alle Menschen betrachten.
[...]
[1] vgl.: „Ein jedes Ding der Natur wirkt nach Gesetzen.“ (Kant: GdMS. Reclam, S. 56.).
[2] Wenn im Folgenden vom Menschen gesprochen wird, gilt das pars pro toto für alle Vernunftwesen.
[3] Eine Widersetzung funktioniert bei den Naturgesetzen nicht.
[4] GdMS: S. 61.
[5] Der gute „Wille ist ein Vermögen, nur dasjenige zu wählen, was die Vernunft unabhängig von der Neigung als praktisch notwenig, d.i. als gut, erkennt.“ (Kant: GdMS. Reclam, S. 56.).
[6] GdMS: S.39 – FN.
[7] Dierksmeier, S. 219.
[8] GdMS: S.56.
[9] GdMS: S. 93.
[10] GdMS., S. 86.
[11] Dierksmeier, S. 216.
[12] Dierksmeier, S. 216. vgl. hierzu auch: „Da das Gute aber nicht anders als durch die Freiheit bestimmt wird, diese jedoch nichts anderes ist als die Selbstbestimmung der praktischen Vernunft, und die Vernunft wiederum rein aus sich wirken soll, kann das Gute allerdings nicht von der Glückseligkeit her bestimmt werden.“ (Dierksmeier, S. 216.).
[13] vgl. zum Vergleich von subjektivem und objektivem Prinzip auch: „Maxime ist das subjektive Prinzip zu handeln und muß vom objektiven Prinzip, nämlich dem praktischen Gesetze, unterschieden werden. Jene enthält die praktische Regel, die die Vernunft den Bedingungen des Subjekts gemäß (öfters der Unwissenheit oder auch den Neigungen desselben) bestimmt, und ist also der Grundsatz, nach welchem das Subjekt handelt, das Gesetz aber ist das objektive Prinzip, gültig für jedes vernünftige Wesen, und der Grundsatz, nach dem es handeln soll, d.i. ein Imperativ.“ (Kant: GdMS. Reclam., S. 67 in FN.).
- Quote paper
- Anne Skroblin (Author), 2004, Wann eine Maxime moralisch ist, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/137022
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