Migrantenjugendselbstorganisationen (MJSO) leisten in Deutschland einen bedeutenden Beitrag zu Integrationsprozessen und werden als Brückenbauer zwischen der Mehrheitsgesellschaft und den jugendlichen Migranten gesehen. Dieses Essay stellt Migrantenjugendselbstorganisationen als Akteure der Jugendverbandsarbeit in Deutschland vor und erläutert, wie sie entstanden und was die Schwerpunkte ihrer Arbeit sind. Stellvertretend für eine Vielzahl von MJSOs mit den unterschiedlichsten Schwerpunkten wird in diesem Essay vor allem die Föderation Demokratischer Arbeitervereine - Jugend (DIDF-Jugend) vorgestellt.
Inhaltsverzeichnis
a) Einleitung (Bezug zum Modul bzw. aktueller thematischer Bezug als Hinführung zum Thema des Essays, Fragestellung bzw. Problem)
b) Hauptteil (Argumentation der Kernaussagen; Transferleistung themenabhängig; Ableitung und Begründung eigener Positionen)
c) Abschluss (Zusammenfassung der eingebrachten Perspektiven, Fazit)
d) Transferaufgabe
e) Literaturverzeichnis
a) Einleitung (Bezug zum Modul bzw. aktueller thematischer Bezug als Hinführung zum Thema des Essays, Fragestellung bzw. Problem)
Im Rahmen der interkulturellen Öffnung des Jugendverbandsystems in Deutschland erfuhr das jugendverbandliche Engagement von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in eigenen Vereinen Anerkennung.1 Migrantenjugendselbstorganisationen (MJSO) leisten in Deutschland einen bedeutenden Beitrag zu Integrationsprozessen und werden als Brückenbauer zwischen der Mehrheitsgesellschaft und den jugendlichen Migranten ge- sehen.2 Dieses Essay stellt Migrantenjugendselbstorganisationen als Akteure der Jugendverbandsarbeit in Deutschland vor und erläutert, wie sie entstanden und was die Schwerpunkte ihrer Arbeit sind. Stellvertretend für eine Vielzahl von MJSOs mit den unterschiedlichsten Schwerpunkten wird in diesem Essay vor allem die Föderation Demokratischer Arbeitervereine - Jugend (DIDF-Jugend) vorgestellt.
b) Hauptteil (Argumentation der Kernaussagen; Transferleistung themenabhängig; Ableitung und Begründung eigener Positionen)
Häufig entstehen MJSOs aus der Emanzipation ihrer Erwachsenen-Verbände heraus, richten sich an junge Menschen mit Migrationsgeschichte und wollen losgelöst von integrationsspezifischen Fragestellungen betrachtet werden.3 Ihre Schwerpunktthemen und Wirkungsfelder sind stark ausdifferenziert und behandeln Themen wie Religiosität, Bildungspolitik oder Sport-, Freizeit- und Ferienangebote. Im Jahr 2013 verzeichnete das Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismus e.V. 370 MJSOs in Deutschland mit steigender Tendenz.4 Zu nennen sind hier einige Beispiele wie der Bund der Alevitischen Jugendlichen in Deutschland (vertritt Jugendliche alevitischen Glaubens), Amaro Drom e.V. (Interkulturelle Jugendselbstorganisation von Roma und NichtRoma), der Bund Moslemischer Pfadfinder und Pfadfinderinnen Deutschlands, Bund der moslemischen Jugend, Föderation Demokratischer Arbeitervereine - Jugend (DIDF-Jugend) und viele mehr. Die Sozialwissenschaftlerin Yasmine Chehata erkennt in der Gründung von MJSOs eine hohe Bereitschaft für jugendverbandliches Engagement bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund.5 Auf Grundlage der Ergebnisse des Deutschen Freiwilligensurveys von 2009 stellt sie fest, dass die Engagement-Bereitschaft der Jugendlichen mit Migrationshintergrund zwar hoch ist und weiterhin steigt, aber zu wenige Möglichkeiten gesehen würden, sich aktiv einzubringen. Ausschlaggebend dafür sind Barrieren, die auf fehlende Teilhabemöglichkeiten oder soziokulturelle Hürden oder Rassismus-Erfahrungen zurückzuführen sind.6 Dies ist laut Yusuf As, Bildungsreferent bei der Föderation Demokratischer Arbeitervereine-Jugend (Demokratik i§gi Dernekleri Fe- derasyonu, kurz DIDF-Jugend) der Grund, weshalb es überhaupt zu Gründungen von Migrantenselbstorganisationen kam. Vielfach haben sich die Migranten von sozialer und politischer Teilhabe ausgegrenzt gefühlt und über Migrantenselbstorganisationen einen Weg gefunden in diesen Bereichen mitwirken zu können.7 Die Zugangshürden sind insbesondere in segregierten Stadtteilen sehr hoch. Der klassische Zugang zu jugendverbandlichen Angeboten über Freunde und Bekannte ist hier in der Regel nicht gegeben.8 Je niedriger die Zugangsbarrieren und je näher die Angebote an der Lebenswirklichkeit der jungen Migranten sind, desto eher könnten sie laut Chehata einen Zugang zu diesen Angeboten finden. So erfahren beispielsweise mobile Angebote der Offenen Jugendarbeit einen höheren Zulauf durch diese Zielgruppe als verbandliche Angebote.9 Verbandlich organisierte Migrantenjugendselbstorganisationen bieten darüber hinaus ein Netzwerk aus engagierten Jugendlichen und den vereinfachten Zugang zu ehrenamtlichem Engage- ment.10 Die Betätigungsfelder sind dabei ganz ähnlich zu denen deutscher Organisationen, die sich jedoch nicht ausreichend den jungen Migranten und ihren Bedürfnissen zuwenden könnten bzw. wollten. Daher ist eine Organisation in eigenen Verbänden auch nach 60 Jahren Arbeitsmigration in Deutschland nach wie vor noch notwendig, so Yusuf As.11
In der Öffentlichkeit sind Migrantenselbstorganisationen oftmals Ansprechpartner für Themen der Integration oder Religiosität und hätten Mühe, ihre Aktivitäten in der Jugendarbeit in den Fokus zu rücken, so Chehata.12 Auf jugendpolitischer Ebene wollen die Verbände als Player und Partner auf Augenhöhe wahrgenommen werden, sowie am Fördersystem der verbandlichen Jugendarbeit partizipieren.13 So sind sie auch Mitglied in den Jugendringen auf Stadt-, Landes- und Bundesebene oder auch anerkannte Träger der Kinder- und Jugendhilfe.14 Chehata sieht eine Schwierigkeit darin, die Zugangsvoraussetzungen für diese Gremien zu erfüllen. Diese bedürften einer fundierten Kenntnis des Jugendverbandssystems und damit einhergehend der Schaffung von Ressourcen, um sich damit zu befassen. Diese stehen nicht jedem Verband uneingeschränkt zur Verfügung, zumal sich die meisten ehrenamtlich organisieren.15 So hat nach Chehatas Auffassung die Anerkennung als Träger der Kinder- und Jugendhilfe oder die Mitgliedschaft in einem Jugendring sowohl einen Autonomiegewinn als auch einen Autonomieverlust zur Folge.16 Die schwache Ausstattung an Personal und Finanzen sorge dafür, dass die MJSOs insbesondere im Bereich der jugendpolitischen Beteiligung in Deutschland noch zu sehr unterrepräsentiert sind. Sie werden, so Chehata, noch immer zu sehr auf ihre Brückenfunktion reduziert und von Entscheidungsprozessen in Gremien ausgeschlossen. Der Aufbau hauptamtlicher Strukturen verlange den Organisationen viel ab. Oftmals könne das gar nicht geleistet werden.17
Im Jahr 1980 gründete sich die Föderation Demokratischer Arbeitervereine (Demokratik ¡sei Dernekleri Federasyonu, kurz DIDF) als Dachverband türkeistämmiger Arbeitervereine in Deutschland mit dem Ziel für Völkerverständigung einzutreten und um die türkeistämmigen Arbeiter, die in den Jahren zuvor nach Deutschland migrierten, zu organisieren und ihnen die Möglichkeit politischer Teilhabe einzuräumen. Der Verband steht für überparteiisches, interkonfessionelles und demokratisches Engagement und engagiert sich für die Integration seiner Mitglieder.18 1996 ging aus ihr der Jugendverband DIDFJugend hervor, der sich insbesondere mit den Interessen von türkeistämmigen Kindern- und Jugendlichen befasst.19 Sie organisieren Sommercamps, kulturelle Veranstaltungen, Workshops, Bildungsveranstaltungen, Netzwerktreffen und politische Vorträge. Sie kämpfen für Bildungsgerechtigkeit, setzen sich dabei für Demokratie ein und engagieren sich gegen Rassismus. Dabei arbeiten sie insbesondere mit den Gewerkschaftsjugenden in Deutschland zusammen.20 21 Yasmine Chehata bezieht sich in ihren Ausführungen auf Birgit Jagusch, die feststellte, dass eine Orientierung an den Herkunftsländern der jungen Migranten kaum mehr eine Rolle spiele in den MJSOs. Die DIDF-Jugend konzentriert sich beispielsweise in ihrer Arbeit auf gesellschaftliche Gerechtigkeit. Die Türkei spielt nur im Zusammenhang mit türkischem Nationalismus eine Rolle, der auf die jungen Migranten in Deutschland einwirke. Generell würden sich die MJSOs an den Jugendlichen in Deutschland orientieren und deren Interessen und Themen vertreten.22 Alle zwei Monate erscheint die verbandseigene Zeitschrift der DIDF, die „Junge Stimme“. Sie wird ausschließlich von jugendlichen Ehrenamtlichen erstellt. In ihr werden aktuelle politische Themen aufgegriffen. Aber auch Inhalte anderer Jugendverbände werden mit aufgenommen. Die Zeitschrift ist käuflich erwerblich, auch außerhalb des Verbandes.23 Bis zum Jahre 2007 wurde die DDIF vom Verfassungsschutz der Bundesrepublik Deutschland als linksextremistische türkische Organisation eingestuft, die jedoch keine Gewalt ausübe, nicht dazu aufrufe und vorwiegend publizistisch tätig sei. In diesem Bericht wird ebenfalls deren Jugendarbeit mit aufgeführt (Sommercamps und die Zeitschrift „Die junge Stimme“).24 Im aktuellen Bericht des Verfassungsschutzes aus 2018 wird die DIDF nicht mehr in der Liste der linksextremistischen türkischen Organisationen aufgeführt. Seit 2019 ist die DIDF-Jugend Mitglied im Landesjugendring Nordrhein-Westfalen und auch im Bundesjugendring. Yusuf As beschreibt die DIDF-Jugend als gut vernetzt mit anderen Jugendverbänden, insbesondere der Arbeiterjugendenden. Der Jugendring böte gute Möglichkeiten der Vernetzung und Bündnisbildung. Man sei hier gut verankert.25
Dennoch müsse sich die DIDF-Jugend oft den Vorwurf gefallen lassen, dass man sich separiere und mit der Gründung von eigenen Migranten(jugend)selbstorganisationen nicht zur Integration beitrage, so As.26 Auch Ludger Pries von der Bundeszentrale für Politische Bildung beschreibt, dass die Diskussion um die integrative oder aber isolierende Wirkung von Migranten(jugend)selbstorganisationen bereits seit den 1980er Jahren geführt wird. Die Organisationen könnten einen Beitrag zur Bildung von Gruppenidentitäten leisten und andererseits helfen, die Interessen dieser Gruppen in der Ankunftsgesellschaft zu vertreten und ihnen Gehör zu verschaffen. Die gegenteilige Position sei, dass Migranten(jugend)selbstorganisationen für eine Abschottung von der Ankunftsgesellschaft sorgten und den sozio-ökonomischen Aufstieg der Migranten in Deutschland verhindere.27 Yasmine Chehata stellt hingegen fest, dass diese Fragestellung dahingehend beantwortet werden könne, dass sich Migranten(jugend)selbstorganisationen aus den bereits zuvor genannten Aspekten positiv auf Integrationsprozesse auswirken.28
[...]
1 Vgl. Chehata, Y., Und sie engagieren sich doch., 2015, S. 156.
2 Vgl. Chehata, Y., Und sie engagieren sich doch., 2015, S. 155.
3 Vgl. Chehata, Y., Und sie engagieren sich doch., 2015, S. 160.
4 Vgl. Chehata, Y., Und sie engagieren sich doch., 2015, S. 160.
5 Vgl. Chehata, Y., Und sie engagieren sich doch., 2015, S. 157.
6 Vgl. Chehata, Y., Und sie engagieren sich doch., 2015, S. 157 f.
7 Vgl. Koku, U., Podcast Yalla Deutschland, 2020, 31. Minute ff.
8 Vgl. Chehata, Y., Und sie engagieren sich doch., 2015, S. 158 f.
9 Vgl. Chehata, Y., Und sie engagieren sich doch., 2015, S. 159.
10 Vgl. Chehata, Y., Und sie engagieren sich doch., 2015, S. 159.
11 Vgl. Koku, U., Podcast Yalla Deutschland, 2020, 34. Minute ff.
12 Vgl. Chehata, Y., Und sie engagieren sich doch., 2015, S. 162.
13 Vgl. Chehata, Y., Und sie engagieren sich doch., 2015, S. 161 f.
14 Vgl. Chehata, Y., Und sie engagieren sich doch., 2015, S. 163.
15 Vgl. Chehata, Y., Und sie engagieren sich doch., 2015, S. 163.
16 Vgl. Chehata, Y., Und sie engagieren sich doch., 2015, S. 161-163.
17 Vgl. Chehata, Y., Und sie engagieren sich doch., 2015, S. 165-167.
18 Vgl. Demokratik i.sci Dernekleri Federasyonu, DIDF, Über uns, 2021.
19 Vgl. Landesjugendring NRW e.V., #WEILWIRDASIND, 2019, S. 26.
20 Vgl. Landesjugendring NRW e.V., #WEILWIRDASIND, 2019, S. 26.
21 Vgl. Koku, U., Podcast Yalla Deutschland, 2020, 9. Minute.
22 Vgl. Chehata, Y., Und sie engagieren sich doch., 2015, S. 160 f.
23 Vgl. DIDF-Jugend, Die Junge Stimme, 2021.
24 Vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz, Türkische linksextremistische Organisationen in Deutschland, 2007, S. 14.
25 Vgl. Koku, U., Podcast Yalla Deutschland, 2020, 35. Minute ff.
26 Vgl. Koku, U., Podcast Yalla Deutschland, 2020, 31. Minute ff.
27 Vgl. Pries, L., Bedeutung von MSOs für gesellschaftliche Teilhabe, 2013.
28 Vgl. Chehata, Y., Und sie engagieren sich doch., 2015, S. 155.
- Citation du texte
- Saskia Junker (Auteur), 2021, Migrantenjugendselbstorganisationen als Akteure der Jugendverbandsarbeit in Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1368772
-
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X.