In der Geschichte Nordamerikas haben Ideen und Ideale immer eine zentrale Rolle gespielt. Von den ersten puritanischen Siedlern mit ihrer Vorstellung einer city upon a hill bis zu George W. Bushs Krieg gegen den Terrorismus lässt sich der amerikanische Missionsgedanke – der Glaube an eine besondere, vom Schicksal vorbestimmte und der übrigen Welt als Vorbild dienende Rolle - ausmachen. Damit zusammenhängend existiert ein distinkt amerikanisches Konzept von Gesellschaft und Regierung, das sich an Idealen wie Freiheit, Konstitutionalismus, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Individualität und der Teilung von Kirche und Staat misst.
Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 fasst diese Ideale am deutlichsten zusammen und machte sie weltweit bekannt. Ihre überzeugende, klare Argumentationslinie wurde erst durch die Entwicklung, Verbreitung und intensive Rezeption der großen Ideen des 17. und 18. Jahrhunderts, welche von Locke aufgegriffen worden waren, ermöglicht.
„How should the colonists not accept a philosophy, however clumsily argued, which assured them that their own governments, with which they were all content, were just the kind that God had designed men by nature to have!” So diente Lockes anlässlich der Glorious Revolution verfasste Begründung einer rechtmäßigen, sogar gottgewollten Auflehnung gegen eine dem Willen und den Rechten der Regierten entgegengesetzte Herrschaft ein Jahrhundert später in Verbindung mit anderen Ideen als Grundlage für die Legitimation der amerikanischen Revolution.
Schon bevor die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten verfasst wurde, hatte dieses Konzept in den nordamerikanischen Kolonien Verwendung gefunden, so in der Declaration of Rights for Virginia, die im Wortlaut große Ähnlichkeiten mit der Declaration aufweist. Unabhängig von unterschiedlichen Auffassungen über die realen Hintergründe der Unabhängigkeitsbewegung, konstituieren die in der Unabhängigkeitserklärung festgehaltenen Ideale seitdem sowohl die amerikanische Nationalmythologie als auch außerhalb der USA die Grundprinzipien freiheitlich-demokratischer, rechtsstaatlicher Gesellschaftssysteme.
Der ideengeschichtliche Einfluss der politischen Philosophie Lockes auf die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika
In der Geschichte Nordamerikas haben Ideen und Ideale immer eine zentrale Rolle gespielt. Von den ersten puritanischen Siedlern mit ihrer Vorstellung einer city upon a hill bis zu George W. Bushs Krieg gegen den Terrorismus1 lässt sich der amerikanische Missionsgedanke – der Glaube an eine besondere, vom Schicksal vorbestimmte und der übrigen Welt als Vorbild dienende Rolle - ausmachen. Damit zusammenhängend existiert ein distinkt amerikanisches Konzept von Gesellschaft und Regierung, das sich an Idealen wie Freiheit, Konstitutionalismus, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Individualität und der Teilung von Kirche und Staat misst. Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 fasst diese Ideale am deutlichsten zusammen und machte sie weltweit bekannt.
Die Declaration of Independence – deren offizieller Titel „The Unanimous Declaration of the Thirteen United States of America“ lautet; im Folgenden kurz Declaration - ist das Dokument, mit dem dreizehn nordamerikanische Kolonien ihre Loslösung vom britischen Empire rechtfertigten, die am 2. Juli 1776 durch eine von Richard Henry Lee aus Virginia verfasste Resolution erfolgt war. In dieser war erklärt worden, „These United Colonies are, and of right ought to be, free and independent states”2.
Diesem Entschluss waren lange Jahre der Auseinandersetzung zwischen Großbritannien und seinen Kolonien in Nordamerika vorausgegangen, die 1775 im bis 1783 währenden Unabhängigkeitskrieg mündeten. Im Kern der Auseinandersetzung stand die Praxis des britischen Parlaments, ohne Mitbestimmung der Kolonisten Steuern in den Kolonien zu erheben, was die an weitreichende politische Selbstbestimmung gewohnten amerikanischen Siedler als ungerecht und ungesetzmäßig empfanden. Ab 1775 tagte in Philadelphia der Zweite Kontinentalkongress, eine Versammlung von Abgesandten der dreizehn Kolonien von Neuengland bis Georgia, dessen Ziel zunächst in Verhandlungen mit Großbritannien bestand. Anfang 1776 erschien das Pamphlet „Common Sense“, in dem öffentlich die Unabhängigkeit der Kolonien gefordert wurde, was nun auch zum vorrangigen Ziel des Kongresses wurde.
Schließlich wurde einem vom Kongress ernannten Komitee der Entwurf einer die Lee-Resolution rechtfertigenden und erklärenden Declaration übertragen.3 Diese Rechtfertigung war vorrangig an die europäischen Großmächte, die ehemaligen englischen Landsleute und diejenigen Amerikaner, die auch 1776 noch eine Wiederversöhnung mit England anstrebten,4 gerichtet. Als erste europäische Großmacht erkannte Frankreich 1778 die Unabhängigkeit der Kolonien an und erklärte - wie Spanien 1779 und die Niederlande 1780 - dem britischen Empire den Krieg. 5 Als Verfasser der Declaration bestimmte das Komitee den aus Virginia stammenden Juristen Thomas Jefferson, Mitglied des Kontinentalkongresses und von 17691776 Mitglied des House of Burgesses, der gesetzgebenden Versammlung Virginias.6
Der Declaration of Independence kommt sowohl in der amerikanischen aus auch der Weltgeschichte eine außerordentliche Bedeutung in Hinblick auf Ideengeschichte, Rechtsprechung, politische Theorie und Philosophie zu. Sie proklamiert die grundlegenden rechtlichen, politischen und sozialen Prinzipien und damit die einigende nationale Ideologie der Vereinigten Staaten. Zudem dient sie als Interpretationshilfe für die Verfassung der USA7.
Dabei waren die Ideen, auf denen die Argumentation der Declaration aufbaut, zum Zeitpunkt der Unabhängigkeitserklärung keineswegs neu. Im Gegenteil liegt die Überzeugungskraft der Declaration gerade darin, dass sie bereits weithin bekannte Ideenkonzepte der europäischen Aufklärung sowie republikanisches und liberales Gedankengut zu einem überzeugenden Plädoyer für die Sache der amerikanischen Kolonien zusammenfasst. Wie Carl L. Becker es formuliert: „the strenght of the Declaration was precisely that it said what everyone was thinking. Nothing could have been more futile than to attempt to justify a revolution on principles which no one had ever heard before.”8 Jefferson selbst erklärte in einem Brief von 1825 an Lee, sein Ziel sei gewesen, den „common sense of the subject“ 9 verständlich zu machen, und nicht, neue Argumente anzuführen.
Welche Ideen waren im 18. Jahrhundert so verbreitet und anerkannt, dass sie die logische Rechtfertigung einer Revolution erlaubten? Wie sieht diese Rechtfertigung im Einzelnen aus, und inwiefern wurde sie auf die Situation der Kolonien angewendet? Diese Fragen sollen hier in bezug auf die politische Philosophie Lockes, dessen Einfluss Becker, Gerber, Jayne und andere als für die liberale Argumentation der Declaration ausschlaggebend ansehen10, beantwortet werden.
Dazu folgt zunächst ein Überblick über die Naturrechts- und Vertragslehre Lockes, welcher sich hauptsächlich auf Lockes The Second Treatise of Government von 1690 und die ausführliche Darstellung stützt, die Carl L. Becker in seiner vielbeachteten Studie The Declaration of Independence. A Study in the History of Political Ideas, zuerst erschienen 1922, über die Entwicklung der von Locke verwendeten Ideen gibt.11 Im Anschluss wird der Wortlaut des ersten Teils der Declaration12 bezüglich der Argumentation zur Rechtfertigung der Revolution betrachtet und der Zusammenhang mit dem Konzept Lockes aufgezeigt.
Wie der Herausgeber des Second Treatise anmerkt, war Locke eine wichtige Quelle für die Ideen der amerikanischen Revolution, jedoch „this was not because Locke was original in his political ideas, but rather because he gave clear and reasonable expression to beliefs that were the product of centuries of political experience and the stock-in-trade of liberty-loving Englishmen and Americans in the seventeenth and eighteenth centuries.”13
Becker zufolge griff Locke vornehmlich auf die Naturrechtslehre zurück, die bereits Thomas von Aquin im 13. Jahrhundert formulierte hatte, sowie auf die Vertragslehre, die im Mittelalter aufkam, 1620 im Mayflower Compact der frühen puritanischen Siedler Ausdruck fand und als „Vorstellung vom Gesellschafts- und Herrschaftsvertrag unter gleichberechtigten Bürgern“14 zusammengefasst werden kann.
Ausgehend von diesen Vorstellungen entwickelte Locke ein politisch-philosophisches Gesellschaftskonzept, welches die Auflehnung gegen den englischen König in der Glorious Revolution von 1688/89 rechtfertigt. Dieses Konzept beruht auf der Prämisse, dass Gott den Menschen gewisse grundlegende Rechte und Pflichten verleiht, die unveräußerlich sind. Dazu gehören das Recht auf Leben, Freiheit und Besitz sowie die damit korrespondierende Pflicht, die eigenen Rechte zu schützen und die anderer zu respektieren. Besitz bedeutet im engeren Sinne Grundbesitz (estate) und die Früchte der eigenen Arbeit15, während property im weiten Sinne auch den nicht materiellen Besitz umfasst, „that property which men have in their persons as well as goods“.16
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1 In einer Address to a Joint Session of Congress and the American People vom 20. September 2001 sprach Bush von „the fight of all who believe in progress and pluralism, tolerance and freedom” und stellte fest, „the course of this conflict is not known, yet its outcome is certain. Freedom and fear, justice and cruelty, have always been at war, and we know that God is not neutral between them. (...) Fellow citizens, we'll meet violence with patient justice -- assured of the rightness of our cause, and confident of the victories to come.” Zit. n. Office of the Press Secretary, http://www.whitehouse.gov/news/releases/2001/09/20010920-8.html (20.03.2005)
2 Zit. n. Gerber, Douglas Scott: To Secure These Rights. The Declaration of Independence and Constitutional Interpretation, New York/London 1995, S. 20
3 Dumbauld, Edward: The Declaration of Independence And What It Means Today, Norman 1950, S. 7
4 Dazu siehe Upton, Leslie F.S.: Revolutionary Versus Loyalist. The First American Civil War 1774-1784, Massachusetts/Toronto/London 1968.
5 Für diese Staaten, die von vornherein ein politisches Interesse daran hatten, die Kolonien gegen Großbritannien zu unterstützen, bot die Declaration eine politische und moralische Rechtfertigung.
6 Wasser, Hartmut: Thomas Jefferson. Historische Bedeutung und politische Aktualität, Paderborn u.a. 1995, S. 88-89
7 Zur Bedeutung der Declaration für die amerikanische Verfassung siehe Gerber.
8 Becker, Carl L.: The Declaration of Independence. A Study in the History of Political Ideas, New York 1942, S. 24-25
9 The Writings of Jefferson, zit. n. Becker, S. 25
10 Garry Wills und andere führen an, eine Rezeption der Werke Lockes durch Jefferson sei nicht nachweisbar. Bei einem Vergleich der Declaration mit Lockes Werken, wie er hier durchgeführt wird, und wie ihn u.a. Becker, Gerber, und Jayne sehr viel detaillierter ausführen, erscheint diese Behauptung jedoch als kaum haltbar. Siehe Becker, besonders S. 27-30; Gerber S. 40, und Jayne, Allen: Jefferson's Declaration of Independence. Origins, Philosophy and Theology, Lexington 1998 S. 41-61
11 Zur Übersicht über die Naturrechts- und Vertragslehre siehe Becker S. 24-79
12 Zitate aus der endgültigen, gedruckten Fassung der Declaration z itiert nach Becker, S. 185-187
13 Peardon, Thomas P. (ed.): John Locke. The Second Treatise of Government, New York 1952, Vorwort des Herausgebers, S. vii
14 Anderlik, Heidemarie (Redaktion): Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika, 4. Juli 1776, hrsg. von der Kulturstiftung der Länder i.V.m. dem Deutschen Historischen Museum, Berlin 1994, S. 43
15 „ The labor of his [a man’s] body and the work of his hands”, Peardon S. 17
16 Peardon S. 98-99
- Arbeit zitieren
- Magister Artium Martina Göttsching (Autor:in), 2005, Der ideengeschichtliche Einfluss der politischen Philosophie Lockes auf die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136772
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