Das Zinsänderungsrisiko eines Unternehmens resultiert aus der Änderung von extern vorgegebenen Marktzinssätzen und wird von einem Großteil der deutschen Unternehmen systematisch durch den Einsatz von Zinsderivaten abgesichert. Bei der Abbildung dieser Sicherungszusammenhänge in ihren Abschlüssen sehen sich diese Unternehmen großen Umbrüchen ausgesetzt. Diese resultieren u. a. aus der zwingenden Anwendung internationaler Rechnungslegungsvorschriften für kapitalmarktorientierte Unternehmen seit dem Jahr 2005. In der vorliegenden Betrachtung werden Möglichkeiten aufgezeigt, Zinsänderungsrisiken abzusichern und Alternativen der bilanziellen Darstellung diskutiert. Dabei wird der Fokus auf dem Nichtbankensektor liegen, es sollen also Möglichkeiten von Industrie- und Handelsunternehmen beleuchtet werden, die ihren Hauptsitz in Deutschland haben. Das Zinsänderungsrisiko findet sich hier im Regelfall auf der Passivseite der Bilanz in Form von aktuellen oder zukünftigen fest oder variabel verzinslichen Fremdkapitalpositionen wieder. Bei der Darstellung der Bilanzierungs- und Bewertungsmöglichkeiten wird dabei nur auf die internationalen Rechnungslegungsstandards eingegangen, die Bilanzierung nach HGB wird nicht betrachtet.
Um diese Fragestellungen zu beleuchten, wird zunächst allgemein abgegrenzt, was unter dem Begriff des Risikos verstanden wird und welche Möglichkeiten des Risikomanagements generell offenstehen. Dabei soll auch auf die Anforderungen seitens des Gesetzgebers eingegangen werden. In diesem Zusammenhang wird auch das Zinsänderungsrisiko einer Nichtbank definiert und abgegrenzt.
Im nächsten Hauptpunkt soll dann das Hedging als Methode der Risikoüberwälzung auf Dritte vorgestellt und diskutiert werden. Dabei werden die am häufigsten angewendeten Instrumente in ihren Grundformen erläutert. Daran anschließend werden dann zunächst die Grundzüge der Bilanzierung nach internationalen Rechnungslegungsstandards erörtert, wobei der Fokus auf der Bilanzierung und Bewertung aktiver und passiver Finanzinstrumente liegt. Von dieser Darstellung ausgehend wird dann die Notwendigkeit spezieller Regelungen zur Abbildung von Sicherungszusammenhängen verdeutlicht. Diese sogenannten Hedge Accounting-Vorschriften werden dann ausführlich bei der Bilanzierung von zur Absicherung von Zinsänderungsrisiken eingesetzten Zinsderivaten erläutert. Abschließend wird auch noch auf die Möglichkeit des bewußten Verzichtes der Anwendung der Hedge Accounting-Regeln eingegangen.
INHALTSVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG
2. ZINSRISIKEN ALS TEIL DER BETRIEBLICHEN
RISIKOSPHÄRE
2.1. Definition und Klassifikation von Unternehmensrisiken
2.2. Der aktuelle rechtliche Rahmen des betrieblichen Risikomanagements
2.3. Grundlegende Aktionsparameter des Risikomanagements
2.4. Das Zinsänderungsrisiko als spezielles finanzielles Risiko
3. HEDGING -M ÖGLICHKEITEN VON ZINSÄNDERUNGSRISIKEN
3.1. Hedging-Geschäfte als Möglichkeit der Risikoreduktion
3.2. Unbedingte Hedge-Geschäfte
3.2.1. Swaps
3.2.2. Forward Rate Agreements (FRA)
3.3. Bedingte Hedge-Geschäfte
3.3.1. Optionen
3.3.2. Zinsbegrenzungsvereinbarungen: Caps / Floors /
Collars
4. DIE BEHANDLUNG VON HEDGING -GESCHÄFTEN INDER 17
IFRS-B ILANZ
4.1. Grundsätze der Bilanzierung nach IAS / IFRS
4.2. Der IAS 39 als Norm für die Bewertung von
Finanzinstrumenten
4.2.1. Klassifizierung und Bewertung der Aktiva
4.2.2. Klassifizierung und Bewertung der Passiva
Hedging-Möglichkeiten von Zinsänderungsrisiken in der IFRS-BilanzII
4.3. Die Regeln des IAS 39 zur Bewertung von
Sicherungsgeschäften
4.3.1. Asymmetrische Ergebnisabbildungen und Zielsetzung
des Normsetzers
4.3.2. Voraussetzungen der Anwendung der Hedge
Accounting-Regeln
4.3.2.1. Art der Hedging-Maßnahme
4.3.2.2. Voraussetzungen an das
Sicherungsinstrument
4.3.2.3. Voraussetzungen an das zu sichernde
Grundgeschäft
4.3.2.4. Anforderungen an die Sicherungsbeziehung
4.3.3. Fair Value Hedge
4.3.4. Cash Flow Hedge
4.3.5. Die Nichtanwendung der Hedge Accounting-Regeln als Hedging-Möglichkeit
5. SCHLUSSBETRACHTUNG
SUMMARY
QUELLENVERZEICHNIS
VERZEICHNIS DER VERWENDETEN GESETZESTEXTE
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. EINLEITUNG
Der Handel mit derivativen Finanzinstrumenten wurde erstmals 1973 an der Chicago Board Options Exchange (CBOE) aufgenommen und hat seither stetig zugenommen. Der börsenmäßige Handel wird im Volumen allerdings weit von direkt zwischen Marktteilnehmern „Over The Counter“ (OTC) abgeschlossenen Geschäften übertroffen1. Die Motive des Abschlusses derivativer Finanzinstrumente sind häufig spekulativer Art, allerdings werden solche Geschäfte auch immer häufiger zu Sicherungszwecken abgeschlossen. Als Gründe für die zunehmenden Absicherungsbestrebungen werden unter anderem die Herausforderungen des globalen Unternehmensumfeldes gesehen, in dem sich Preise, Wechselkurse und Zinssätze immer schneller und teilweise unvorhersehbar ändern2, wie unter anderem die jüngsten Verwerfungen des Herbstes 2008 an den internationalen Finanzmärkten zeigen. Weiterhin werden Unternehmen zunehmend durch Gesetze und internationale Normen verpflichtet, ein Risikomanagement einzurichten und umfangreiche Informationen über ergriffene Absicherungsmaßnahmen bereitzustellen, beispielhaft ist hier das oft zitierte Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) zu nennen3.
Das Risiko, das aus der Änderung von in der Regel extern vorgegebenen Marktzinssätzen resultiert, wird von einem Großteil der deutschen Unternehmen systematisch durch den Einsatz von Zinsderivaten abgesichert4. Bei der Abbildung dieser Sicherungszusammenhänge in ihren Abschlüssen sehen sich diese Unternehmen ebenfalls großen Umbrüchen ausgesetzt. Diese resultieren zum einen aus der zwingenden Anwendung internationaler Rechnungslegungsvorschriften für kapitalmarktorientierte Unternehmen seit dem Jahr 2005 5, aber auch Unternehmen, die ihre Abschlüsse weiterhin nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB) aufzustellen haben, stehen hier vor großen Umbrüchen durch die Annäherung der HGB-Regeln an internationale Standards6.
Vor diesem Hintergrund sollen im nachfolgenden Verlauf Möglichkeiten aufgezeigt werden, Zinsänderungsrisiken abzusichern und Alternativen der bilanziellen Darstellung diskutiert werden. Dabei wird der Fokus auf dem Nichtbankensektor liegen, es sollen also Möglichkeiten von Industrie- und Handelsunternehmen beleuchtet werden, die ihren Hauptsitz in Deutschland haben. Das Zinsänderungsrisiko, welchem sich diese Unternehmen ausgesetzt sehen, findet sich im Regelfall auf der Passivseite der Bilanz in Form von aktuellen oder zukünftigen fest oder variabel verzinslichen Fremdkapitalpositionen wieder. Bei der Darstellung der Bilanzierungs- und Bewertungsmöglichkeiten wird dabei nur auf die internationalen Rechnungslegungsstandards eingegangen, eine Darstellung der Regelungen nach dem HGB findet nicht statt.
Um diese Fragestellungen zu beleuchten, soll zunächst allgemein abgegrenzt werden, was unter dem Begriff des Risikos verstanden wird und welche Möglichkeiten des Risikomanagements generell offenstehen. Dabei soll auch auf die in Deutschland gültigen Anforderungen seitens des Gesetzgebers eingegangen werden. In diesem Zusammenhang wird auch das Zinsänderungsrisiko einer Nichtbank definiert und abgegrenzt.
Im nächsten Hauptpunkt soll dann das Hedging als Methode der Risikoüberwälzung auf Dritte vorgestellt und diskutiert werden. Dabei werden die am häufigsten angewendeten Instrumente in ihren Grundformen erläutert. Die Beschränkung auf eine Erläuterung der Grundformen ist aufgrund der Vielzahl der mittlerweile häufig maßgeschneiderten, OTC-gehandelten Lösungen unumgänglich.
Daran anschließend werden dann in Hauptpunkt 4 zunächst die Grundzüge der Bilanzierung nach internationalen Rechnungslegungsstandards erörtert, wobei der Fokus auf der Bilanzierung und Bewertung aktiver und passiver Finanzinstrumente liegt. Von dieser Darstellung ausgehend wird dann die Notwendigkeit spezieller Regelungen zur Abbildung von Sicherungszusammenhängen verdeutlicht. Diese sogenannten Hedge Accounting-Vorschriften werden dann ausführlich bei der Bilanzierung von zur Absicherung von Zinsänderungsrisiken eingesetzten Zinsderivaten erläutert. Abschließend wird auch noch auf die Möglichkeit des bewußten Verzichtes der Anwendung der Hedge Accounting-Regeln eingegangen.
Die Betrachtung endet mit einem Ausblick und einer resümierenden Zusammenfassung der Ergebnisse.
2. ZINSRISIKEN ALS TEIL DER BETRIEBLICHEN RISIKOSPHÄRE
2.1. DEFINITION UND KLASSIFIKATION VON UNTERNEHMENSRISIKEN
Über die Herkunft des Begriffes „Risiko“ scheint in der betriebswirtschaftlichen Literatur keine Einigkeit zu herrschen. Während beispielsweise DENK, EXNER-MERKELT und RUTHNER als Ursprung das frühitalienische Wort für „Klippe“ angeben7, führt MEYER den Begriff des Risikos auf vorromanische und griechische Quellen zurück8.
In der heutigen betriebswirtschaftlichen Anwendung und Forschung wird allgemein unter dem Begriff Risiko die Gefahr verstanden, dass ein tatsächlicher Ergebniswert aufgrund unvorhergesehener Veränderungen der Umweltbedingungen in negativer Weise vom erwarteten Wert abweicht9. HORVÁTH führt ergänzend aus, dass der Begriff des Risikos allerdings keineswegs einheitlich gebraucht wird10. Es ist insbesondere unklar, ob unerwartete positive Abweichungen ebenfalls als Risiko gelten. Teilweise wird in diesem Zusammenhang der Begriff „Chance“ verwendet und ein Risikobegriff im engeren Sinn (nur negative Abweichungen vom erwarteten Ergebniswert) sowie im weiteren Sinn (auch positive Abweichungen, also Risiko im engeren Sinn plus Chance) verwendet11.
Im Rahmen der nachfolgenden Ausführungen soll der Begriff des Risikos immer in der engeren Definition gelten, also eine negative Abweichung eines Ergebniswertes vom erwarteten Wert. Positive Abweichungen sollen als Chance bezeichnet werden.
Aus Unternehmenssicht lassen sich Risiken in drei große Bereiche eingruppieren: Strategische Risiken, operationelle Risiken sowie finanzwirtschaftliche Risiken12. Strategische und operationelle Risiken lassen sich weiterhin in interne und externe Risiken trennen13. Die Ursachen externer Risiken liegen außerhalb des Unternehmens, die Ursachen interner Risiken können durch das Unternehmen beeinflußt werden.
Im Kontext der vorliegenden Fragestellungen ist vor allem das finanzwirtschaftliche Risiko relevant. Dieses läßt sich untergliedern in
- Zinsänderungsrisiko,
- Wechselkursrisiko,
- Kreditrisiko und
- Rohstoffpreisrisiko14.
Diese Risiken entstehen durch Änderungen der jeweiligen Marktpreise und können zu Vermögensminderungen, zusätzlichen Kosten oder verminderten Umsätzen führen15.
Die Bewertung der einem Unternehmen gegenüberstehenden Risiken ist Grundaufgabe des Risikomanagements, auf das im nächsten Gliederungspunkt detailliert eingegangen wird.
2.2. DER AKTUELLE RECHTLICHE RAHMEN DES BETRIEBLICHEN RISIKOMANAGEMENTS
In Deutschland ansässige Unternehmen sehen sich einer Vielzahl von Gesetzen und Normen gegenüber, welche die Einrichtung eines betrieblichen Risikomanagements fordern16. Als wichtigste Grundnorm wird immer wieder das 1998 verabschiedete Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) genannt17. Das KonTraG ist zwar an Aktiengesellschaften adressiert, hat aber, wie DENK, EXNER-MERKELT und RUTHNER formulieren, „Austrahlungswirkungen“ auf andere Rechtsformen18.
Das KonTraG verpflichtet über § 91, Abs. 2 AktG insbesondere den Vorstand einer Aktiengesellschaft, geeignete Maßnahmen zu treffen und ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand des Unternehmens gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden können19. Die Verantwortung des Risikomanagements wird also direkt der Unternehmensleitung zugeordnet20.
Weiterhin enthält das KonTraG Vorschriften zu Offenlegungspflichten im Jahresabschluß eines Unternehmens21, und es verpflichtet die Abschlußprüfer, im Rahmen der Jahresabschlußprüfung zu beurteilen, ob der Vorstand ein geeignetes Risikomanagementsystem installiert hat22 und ob Chancen und Risiken der zukünftigen Unternehmensentwicklung im Lagebericht zutreffend dargestellt worden sind23.
Über das KonTraG hinaus existieren eine Vielzahl weiterer nationaler sowie internationaler Gesetze und Vorschriften, die Unternehmen zu Risikomanagementmaßnahmen verpflichten. Auch die im weiteren Verlauf der vorliegenden Betrachtung noch näher zu behandelnden International Accounting Standards (IAS) beinhalten Vorschriften zum Risikomanagement24. Eine Übersicht über alle gegenwärtig relevanten Vorschriften findet sich beispielsweise bei KALWEIT25.
Es läßt sich also festhalten, dass Unternehmen zunehmend durch eine Vielzahl von Gesetzen und Normen zu Risikomanagementmaßnahmen verpflichtet werden. Angaben zu Details der Ausgestaltung und eine Erläuterung, was in diesem Kontext als angemessen gelten kann, fehlen aber in der Regel26.
Von daher wird im nächsten Gliederungspunkt das Aktionsfeld des Risikomanagements näher untersucht.
2.3. GRUNDLEGENDE AKTIONSPARAMETER DES RISIKOMANAGEMENTS
Die Frage, was Risikomanagement eigentlich beinhaltet, wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet. Noch relativ übereinstimmend wird als erster Schritt des Risikomanagementprozesses die Risikoanalyse27 oder auch Risikoidentifikation28 genannt. Als nächster Schritt schließt sich die Bewertung der identifizierten Risiken an. Dies umfaßt zum einen die mögliche Schadenshöhe, also die Höhe der möglichen negativen Abweichung vom erwarteten Wert sowie die Eintrittswahrscheinlichkeit dieses Schadens29.
Anschließend muß sich das Risikomanagement je nach Bewertung für eine Art der Risikosteuerung entscheiden30. Hier bieten sich folgende Möglichkeiten an:
1. Risikovermeidung. Hierbei wird auf die risikobehaftete Maßnahme verzichtet. Dies ist natürlich nur möglich, wenn die Quelle des Risikos im Unternehmen selbst liegt.
2. Risikotragung. Schätzt das Unternehmen den möglichen Schaden und / oder dessen Eintrittswahrscheinlichkeit als relativ niedrig ein, so kann es sich bewußt entscheiden, einen möglicherweise eintretenden Schaden selbst zu tragen und die risikobehaftete Maßnahme ohne weitere Modifikation durchzuführen31.
3. Risikoverminderung. Hierbei wird durch eine Veränderung der zugrunde liegenden Maßnahme die Wahrscheinlichkeit des Verlusteintritts oder die zu erwartende Verlusthöhe reduziert.
4. Risikotransfer. Beim Risikotransfer wird nicht wie bei der Risikoverminderung die Ursache des Risikos modifiziert, sondern es werden zusätzliche Maßnahmen ergriffen, um bei Schadenseintritt den Vermögensverlust zumindest teilweise auf eine dritte Partei zu übertragen32.
Nach PIKE und NEALE gibt es drei grundlegende Möglichkeiten des Risikotransfers: Zum einen den Abschluß von Versicherungsverträgen, bei dem das Risiko gegen Zahlung einer Prämie auf einen Dritten abgewälzt wird. Weiterhin gibt es die Möglichkeiten der Diversifikation und des Hedgings33, welche nach Ansicht des Verfassers beide auf dem gleichen Grundprinzip aufbauen und in Kapitel 3 ausführlich erläutert werden.
Als letzter Schritt des Risikomanagementprozesses ist die Risikoüberwachung zu nennen. Hierunter wird die Kontrolle der zur Risikosteuerung ergriffenen Maßnahmen verstanden34. Führt diese Kontrolle zu der Erkenntnis, dass weiterhin substantielle Risiken bestehen, da zum Beispiel die ergriffenen Maßnahmen nicht effektiv sind, muß der Risikomanagementprozeß von neuem begonnen werden.
Resümierend läßt sich also feststellen, dass Risikomanagement ein Prozeß ist, welcher die Elemente Risikoidentifikation, Risikobewertung, Risikosteuerung sowie Risikokontrolle beinhaltet. Im Folgenden soll nun die Sphäre des allgemeinen Unternehmensrisikos verlassen werden und das Zinsänderungsrisiko als spezielles Risiko untersucht werden.
2.4. DAS ZINSÄNDERUNGSRISIKO ALS SPEZIELLES FINANZIELLES RISIKO
Das Zinsänderungsrisiko ist oben in die Kategorie der finanziellen Risiken einsortiert worden35. Es kann allgemein der obigen Definition folgend als die Gefahr einer von Marktzinssatzänderungen herbeigeführten Verringerung einer geplanten oder erwarteten Ergebnisgröße definiert werden36. Da ein Unternehmen in der Regel keinen Einfluß auf Marktzinssätze hat, kann das Zinsänderungsrisiko als externes Risiko verstanden werden.
Für die zu untersuchende Situation einer typischen Nichtbank ist in Gliederungspunkt 1 festgelegt worden, dass zinstragende Positionen ausschließlich auf der Passivseite der Bilanz zu finden sind, zinstragende Aktivposten wie Sichtguthaben oder ähnliches sollen im Folgenden vernachlässigt werden. Nur von diesen Passivpositionen geht demnach ein Zinsänderungsrisiko aus37.
Relativ einleuchtend ist dies beispielsweise bei variabel verzinslichen Darlehen. Bei diesen wird oft der von einem Unternehmen zu zahlende Zinssatz auf Basis eines Referenzzinssatzes wie dem EURIBOR38 oder LIBOR39 festgelegt. Steigt nun der zugrunde gelegte Referenzzinssatz, steigen analog die vom Unternehmen zu zahlenden Zinsen. Dies führt dann zu einer Verschlechterung des Unternehmensergebnisses40.
Aber auch in Situationen, in denen sich ein Unternehmen zu einem festen Zinssatz verschuldet hat und vermeintlich das Risiko steigender Zinsen abgewendet hat, besteht ein Zinsänderungsrisiko. Sinkt in einem solchen Fall das allgemeine Zinsniveau, hat sich das Unternehmen folglich zu teuer verschuldet und kann aufgrund der Festzinsvereinbarung nicht vom allgemein gesunkenen Zinsniveau profitieren41. Hier entstehen also Opportunitätskosten in Form von entgangenen Gewinnen durch mögliche niedrigere Zinszahlungen. Das Darlehen ist also „zu teuer“ eingekauft worden.
Um diese Risiken zu begrenzen, wird häufig auf das Instrument des Hedging zurückgegriffen, welches im nächsten Gliederungspunkt erläutert wird.
3. HEDGING -MÖGLICHKEITEN VON ZINSÄN - DERUNGSRISIKEN
3.1. HEDGING -GESCHÄFTE ALS MÖGLICHKEIT DER RISIKOREDUKTION
Bevor im Nachfolgenden auf konkrete Hedging-Möglichkeiten eingegangen werden kann, soll zunächst der Grundmechanismus erklärt werden. In Gliederungspunkt 2.3. wurden sowohl Hedging als auch Diversifikation als Möglichkeiten des Risikotransfers genannt.
Beide Ansätze gehen auf die Portfolio-Theorie von Markowitz zurück. Markowitz hat gezeigt, dass das Gesamtrisiko eines Wertpapierportfolios deutlich hinter der Summe der Einzelrisiken der enthaltenden Elemente zurückbleiben kann. Im Idealfall kann das Risiko sogar ganz ausgeschaltet werden. Das Ausmaß, in dem die Risikoreduktion gelingt, hängt dabei wesentlich von der Abhängigkeit der Ergebnisse der Einzelelemente voneinander ab, mathematisch ausgedrückt durch die Covarianz und den Korrelationskoeffizienten42.
Der Grundgedanke des Hedgings macht sich diese Erkenntnis zunutze. Der Ausgangspunkt ist aber nicht der Aufbau eines möglichst risikoarmen Wertpapierportfolios, sondern die Absicherung einer bereits im Unternehmen vorhandenen Risikoposition, wie zum Beispiel eines variabel verzinslichen Darlehens.
Will nun ein Unternehmen diese betrachtete Risikoposition absichern, versucht es, ein Sicherungsgeschäft abzuschließen, dass nach Möglichkeit der Risikostruktur des Grundgeschäftes vollständig entgegenläuft43, mathematisch betrachtet also einen Korrelationskoeffizient zum Grundgeschäft von minus eins besitzt. In der Praxis sind derartige perfekte Hedging-Geschäfte, die das Risiko vollkommen eliminieren, selten, meist verbleibt ein Restrisiko44.
Die Gegenpartei dieses Sicherungsgeschäftes kann aus spekulativen Motiven handeln oder aber ihrerseits eine eigene Risikoposition absichern. Einige Vertragstypen sehen dabei vor, dass sie für die Risikoübernahme eine Prämie erhält, unabhängig davon, ob das Risiko eintritt oder nicht45. HULL weist deshalb darauf hin, dass Hedging keineswegs zwangsläufig zu einem verbesserten Ergebnis führen muß46. Stellt sich beispielsweise keine für das Unternehmen nachteilige Umweltsituation ein, so war das Hedging überflüssig und die Kosten hierfür sind verloren. Darüber hinaus kann es bei unbedingten Geschäften47 zu deutlichen Nachteilen kommen, wenn sich das Unternehmen in Erwartung eines Risikos zu bestimmten Leistungen fest verpflichtet hat, die es in der tatsächlich vorliegenden Situation nicht hätte erbringen müssen48.
Das Hedging von Zinsänderungsrisiken erfolgt im allgemeinen durch derivative Finanzinstrumente, kurz Derivate49. Unter einem Derivat wird dabei ein Finanzinstrument verstanden, dessen Wert sich aus einem zugrunde liegenden Basisobjekt oder einer Referenzgröße ableitet50 (dem sogenannten „Underlying“51). Zur Absicherung von Zinsänderungsrisiken werden in der Regel Derivate eingesetzt, deren Basisobjekt ein Zinssatz ist.
Generell lassen sich Derivate dabei in bedingte und unbedingte Finanzinstrumente unterscheiden52. Bedingte Geschäfte räumen einer der beiden Vertragsparteien ein Recht ein, das je nach Marktsituation wahlweise wahrgenommen werden kann oder nicht (auch asymmetrisches Verlaufsprofil genannt). Unbedingte Geschäfte hingegen verpflichten beide Seiten zur Leistung, unabhängig vom Marktzustand (symmetrisches Verlaufsprofil)53. Aus der Vielzahl der am Markt gehandelten und zur Absicherung von Zinsänderungsrisiken eingesetzten Derivate sollen die wichtigsten nachfolgend erklärt werden.
3.2. UNBEDINGTE HEDGE -G ESCHÄFTE
Unbedingte Hedge-Geschäfte sind, wie oben kurz skizziert, Geschäfte, die beide Parteien zur Leistung verpflichten54. Gehandelt werden diese Zinsderivate sowohl an Terminbörsen, von denen die bekannteste sicherlich die Chicago Board of Trade (CBOT) ist, als auch „Over The Counter“ (OTC), also ohne Beteiligung einer Terminbörse zum Beispiel direkt zwischen einer Bank und ihrem Kunden55. Geschäfte, die an den Terminbörsen gehandelt werden, bezeichnet man üblicherweise als „Futures“, während OTC-Geschäfte als „Forwards“ bezeichnet werden, auch wenn die zugrunde liegende Struktur der Geschäfte identisch ist56. Zwei besonders häufig zum Hedging von Zinsänderungsrisiken eingesetzte Instrumente werden nachfolgend exemplarisch erläutert.
3.2.1. Swaps
Zinsswaps zählen zu den am häufigsten von deutschen Nichtbanken eingesetzten Instrumenten zur Absicherung von Zinsänderungsrisiken57. Ein Swap ist dabei eine bilaterale Vereinbarung über den Tausch von Zahlungsströmen. In der Standardvariante, die als „Plain Vanilla“ bezeichnet wird, bezahlt eine Seite einen festen Zinssatz und erhält einen variablen.
[...]
1 Vgl. NGUYEN (2007b), S. 1.
2 Vgl. GUSINDE / WITTIG (2007), S. 476.
3 Vgl. HOHNHORST (2002), S. 93.
4 Vgl. ROLFES (2002), S. 584.
5 Vgl. WERNER / PADBERG / KRIETE (2005), S. 1.
6 Vgl. SCHWARZ (2006), S. 1 f.
7 Vgl. DENK / EXNER-MERKELT / RUTHNER (2008), S. 29.
8 Vgl. MEYER (2008), S. 24.
9 Vgl. ROLFES (2002), S. 544.
10 Vgl. HORVÁTH (2003), S. 777.
11 Vgl. MEYER (2008), S. 27.
12 Vgl. MEYER (2008), S. 35.
13 Vgl. SCHELLENBERGER (2008), S. 365.
14 Vgl. BATTEN / FETHERSTON (2002), S. 3.
15 Vgl. MEYER (2008), S. 36.
16 Vgl. DENK / EXNER-MERKELT / RUTHNER (2008), S. 42.
17 Vgl. KALWAIT (2008), S. 95.
18 Vgl. DENK / EXNER-MERKELT / RUTHNER (2008), S. 43.
19 Vgl. HOHNHORST (2002), S. 94.
20 Vgl. KALWAIT (2008), S. 96.
21 Vgl. §§ 289 und 315 HGB.
22 Vgl. § 317, Absatz 4 HGB.
23 Vgl. § 317, Absatz 2, Satz 2 HGB.
24 Vgl. KALWAIT (2008), S. 115.
25 Vgl. KALWAIT (2008), S. 94.
26 Vgl. DENK / EXNER-MERKELT / RUTHNER (2008), S. 44.
27 Vgl. HORVÁTH (2003), S. 779.
28 Vgl. PIKE / NEALE (1999), S. 364.
29 Vgl. HORVÁTH (2003), S. 780.
30 Vgl. RUDOLPH / SCHÄFER (2005), S. 1.
31 Vgl. HORVÁTH (2003), S. 781.
32 Vgl. PIKE / NEALE (1999), S. 365.
33 Vgl. PIKE / NEALE (1999), S. 365.
34 Vgl. HORVÁTH (2003), S. 782.
35 Vgl. Gliederungspunkt 2.1.
36 Vgl. EICHHORN (2006), S. 769.
37 Vgl. HELD / FREIDL / KHUEN (2007), S. 385.
38 European Interbank Offered Rate, Zinssatz für Termingelder in Euro, die zwischen Banken gehandelt werden.
39 London Interbank Offered Rate, Durchschnittszinssatz für Termingelder im Interbankenhandel in London.
40 Vgl. WIEDEMANN / HAGER (2004), S. 726.
41 Vgl. NGUYEN (2007b), S. 16.
42 Vgl. PIKE / NEALE (1999), S. 263-265.
43 Vgl. WEIDENBACH-KOSCHNIKE (2008), S. 111.
44 Vgl. HULL (2008), S. 45.
45 Vgl. BRÖTZMANN (2004), S. 17.
46 Vgl. HULL (2008), S. 10.
47 Vgl. Gliederungspunkt 3.2.
48 Vgl. HULL (2008), S. 49-50.
49 Vgl. ROLFES (2002), S. 548.
50 Vgl. RUDOLPH / SCHÄFER (2005), S. 13-14.
51 Vgl. NGUYEN (2007b), S. 25.
52 Vgl. COENENBERG (2005), S. 257.
53 Vgl. PORTISCH (2008), S. 201.
54 Vgl. PORTISCH (2008), S. 201.
55 Vgl. BRANGER / SCHLAG (2004), S. 5.
56 Vgl. RUDOLPH / SCHÄFER (2005), S. 23.
57 Vgl. ROLFES (2002), S. 548.
- Citation du texte
- Dipl.-Kfm. Marcus Fliß (Auteur), 2009, Hedging-Möglichkeiten von Zinsänderungsrisiken in der IFRS Bilanz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136614
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