Fragt man nach der Lehrhaftigkeit eines literarischen Werkes, könnte die Stirn des Lesers sofort in Unmuts-Falten geraten: Grauenhafter Deutsch-Unterricht mag in Erinnerung geraten, in dem bis zum tiefsten schülerischen Unwillen jeder Gedichtstrophe, jeder Dramenzeile, jeder Kurzgeschichte die Intention des jeweiligen Autors ent(w)rungen werden sollte: „Was will uns der Autor damit sagen?“ gilt als eine bei Lehrern überaus beliebte, bei Schülern hingegen arg gefürchtete Frage. Fragt man nach der Lehrhaftigkeit eines spätmittelalterlichen Schwankromans, der „Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel“1 überschrieben ist, könnte das unkundige Publikum hingegen ins Erstaunen geraten. Zeigt nicht der Titel des Textes „Kurzweil“ an, mithin das Gegenteil didaktischer Langeweile? Und: Ist nicht Till Eulenspiegel eine Type, die sich bestens zum Volkshelden eignet, ein überaus witziger Geselle, der zwar mitunter seine Mitmenschen narrt, sich doch aber ansonsten eher harmlos geriert? Das fachkundigere Publikum wird vor allem die letzte Frage negieren: Denn im 1515 gedruckten Volksbuch ist Eulenspiegel noch nicht der spaßige Sonderling, der er durch spätere Literarisierungen werden sollte. Statt dessen zeigt er sich als ein boshafter Schalk, seine Streiche sind wenig harmlos. Auch ist er ein Narr, dessen Bosheit scheinbar nicht bestraft wird. Was will uns der Autor damit sagen? Um dem Problem der Lehrhaftigkeit des Volksbuches um Till Eulenspiegel auf die Spur zu kommen, wird in der folgenden Arbeit schrittweise vorgegangen. Das erste Kapitel „Hermen Bote und sein Publikum“ nähert sich der Frage, wer mit diesem Stück Literatur wen lehren wollte. Der Braunschweiger Zollschreiber und Autor Hermen Bote2 rückt in den Mittelpunkt des Interesses, bedeutsam erscheinende biographische Details sowie Grundtendenzen seiner Schriften werden reflektiert. Anschließend gerät das von Bote anvisierte Publikum in den Blick.
Im zweiten Kapitel „Didaktik durch eine negative Figur“ wird zunächst ein kurzer Nachweis erbracht, daß es sich bei der Eulenspiegel-Figur des Volksbuches tatsächlich um eine negative Figur handelt. Im Anschluß daran wird untersucht, wie Autor Hermen Bote trotz gegenteiliger Anzeige in der Vorrede auch in diesem Schwankroman didaktische Zwecke verfolgt. Dabei wird insbesondere auf die Möglichkeiten der Negativ-Didaxe verwiesen. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Zur Einführung
- Hermen Bote und sein Publikum
- Didaktik durch eine negative Figur
- Eulenspiegel als Repräsentant einer „verkehrten Welt"
- Eulenspiegel als Gegenspieler einer „verkehrten Welt"
- Verzeichnis der verwendeten Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit „Der Segen der Bosheit — Negativdidaxe im Eulenspiegel" von Volker Tzschucke befasst sich mit der Lehrhaftigkeit des spätmittelalterlichen Schwankromans „Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel". Ziel ist es, die didaktische Intention des Autors Hermen Bote zu ergründen und die Rolle der Negativ-Didaxe im Werk zu analysieren.
- Die Rolle des Autors Hermen Bote und seines Publikums
- Die Darstellung von Till Eulenspiegel als negative Figur
- Eulenspiegels Streiche als Spiegelbild einer „verkehrten Welt"
- Die Kritik an familiären, dörflichen und zünftigen Strukturen
- Der Verfall der spätmittelalterlichen Gesellschaftsordnung
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel „Hermen Bote und sein Publikum" beleuchtet die Biographie des Autors Hermen Bote, seinen sozialen Hintergrund und seine Schriften. Dabei wird deutlich, dass Bote ein entschiedener Verfechter der Ständegesellschaft war und mit seinen Werken die städtische Ordnung stabilisieren wollte. Das Kapitel untersucht auch das anvisierte Publikum des „Eulenspiegel" und die Bedeutung der Hochdeutschen Übersetzung für die Verbreitung des Textes.
Das zweite Kapitel „Didaktik durch eine negative Figur" stellt die negative Natur der Eulenspiegel-Figur im Volksbuch heraus. Es wird untersucht, wie Bote trotz der Unterhaltungsfunktion des Textes moralisch-didaktische Ziele verfolgt. Dabei wird insbesondere auf die Möglichkeiten der Negativ-Didaxe verwiesen, die durch die Darstellung einer negativen Figur moralische Lehren vermittelt.
Das dritte Kapitel „Eulenspiegel als Repräsentant einer ,verkehrten Welt'" untersucht die Streiche des Narren und deren Auswirkungen auf seine Umgebung. Eulenspiegels Bosheiten werden als Spiegelbild einer gottesfernen Welt interpretiert, die von Egoismus, Gier und Verfall geprägt ist. Das Kapitel zeigt auf, wie Eulenspiegels Streiche ihm selbst ökonomischen Gewinn und Anerkennung bringen, während seine Opfer Schaden erleiden.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Negativdidaxe, den Schwankroman „Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel", den Autor Hermen Bote, Till Eulenspiegel als negative Figur, die „verkehrte Welt", den Verfall der spätmittelalterlichen Gesellschaftsordnung, familiäre, dörfliche und zünftige Strukturen sowie die Kritik an gesellschaftlichen Missständen.
- Quote paper
- Volker Tzschucke (Author), 2003, Der Segen der Bosheit - Negativdidaxe im Eulenspiegel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13655
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