Das duale System der Berufsausbildung ist zurückzuführen auf das frühe 19te Jahrhundert, wo der Schulbesuch, ein wesentlicher Bestandteil dieses Systems, noch nicht verpflichtend war. Im Jahr 1821 forderte dann das „Allgemeine Zunftgesetz“ von den Lehrherren ihrem Gesellen „Gelegenheit zu Schaffen, sich im Schreiben und Rechnen weiter auszubilden, ihn zum Besuche der öffentlichen Zeichenschule und in der Mathematik, wenn in dem Orte dergleichen vorhanden sind und gegeben werden, so wie der Sonntags- und etwa vorhandener Handwerksschule anzuhalten“. Damit waren die beiden Grundelemente der dualen Berufsausbildung vorhanden, wobei eine gesetzliche Verankerung erst viel später stattfand. Daran konnte auch die Industrialisierung im 19ten Jahrhundert nichts ändern. Der vorwiegende Teil der Jugendliche musste ohne eine betriebliche Ausbildung auskommen und diejenigen, die eine solche genossen haben waren eher die Ausnahme. Kerschensteiner, der zu Beginn des 20ten Jahrhunderts aus der bereits existierenden Fortbildungsschule (FBS), die Berufsschule einführte und den Besuch erstmals obligatorisch machte, ist ein in diesem Zusammenhang sehr wichtiger Zeitgenosse. Der Lehrling sollte sich jedoch nicht mehr fachliche Kenntnisse aneignen, sondern die „Verbesserung der staatsbürgerlichen Erziehung“ des Jugendlichen stand dabei im Vordergrund.
Inhaltsverzeichnis
1. Duales System – Entwicklung in Dekaden
1.1 Zeit bis zur Industrialisierung
1.2 Krisen- und Reformphasen des Dualen Systems
1.2.1 Reformmaßnahmen der 70er Jahre
1.2.2 Lehrstellenmangel und Jugendarbeitslosigkeit in den 80er Jahren
1.2.3 Die aktuelle Krise
2. Modularisierungskonzept
2.1 Definition
2.2 Umsetzungsvariationen am Beispiel europäischer Nachbarstaaten
2.2.1 Englisches NVQ-System
3. Mögliche Risiken für das deutsche Ausbildungssystem im Zuge eine Modularisierung
3.1 Modularisierung vs. Beruflichkeit
3.1.2 Ausbildung in den neuen IT-Berufen
4. Satellitenmodell
5. Schlussfolgerung
Literaturverzeichnis
1. Duales System – Entwicklung in Dekaden
1.1 Zeit bis zur Industrialisierung
Das duale System der Berufsausbildung ist zurückzuführen auf das frühe 19te Jahrhundert, wo der Schulbesuch, ein wesentlicher Bestandteil dieses Systems, noch nicht verpflichtend war. Im Jahr 1821 forderte dann das „Allgemeine Zunftgesetz“ von den Lehrherren ihrem Gesellen „Gelegenheit zu Schaffen, sich im Schreiben und Rechnen weiter auszubilden, ihn zum Besuche der öffentlichen Zeichenschule und in der Mathematik, wenn in dem Orte dergleichen vorhanden sind und gegeben werden, so wie der Sonntags- und etwa vorhandener Handwerksschule anzuhalten“[1]. Damit waren die beiden Grundelemente der dualen Berufsausbildung vorhanden, wobei eine gesetzliche Verankerung erst viel später stattfand. Daran konnte auch die Industrialisierung im 19ten Jahrhundert nichts ändern. Der vorwiegende Teil der Jugendliche musste ohne eine betriebliche Ausbildung auskommen und diejenigen, die eine solche genossen haben waren eher die Ausnahme. Kerschensteiner, der zu Beginn des 20ten Jahrhunderts aus der bereits existierenden Fortbildungsschule (FBS), die Berufsschule einführte und den Besuch erstmals obligatorisch machte, ist ein in diesem Zusammenhang sehr wichtiger Zeitgenosse. Der Lehrling sollte sich jedoch nicht mehr fachliche Kenntnisse aneignen, sondern die „Verbesserung der staatsbürgerlichen Erziehung“[2] des Jugendlichen stand dabei im Vordergrund.
1.2 Krisen- und Reformphasen des Dualen Systems
Viele Jahre des Krieges legten die Entwicklung in der Berufsausbildung lahm. Alle Kräfte mussten für militärische Zwecke mobilisiert werden. Es dauerte mehrere Jahrzehnte, bis eine gesetzliche Verankerung und eine Weiterentwicklung im Berufsausbildungswesen möglich wurden.
1969 erfolgte in der Bundesrepublik Deutschland die Einführung des Berufsbildungsgesetzes (BBiG), wodurch erstmals die gesetzliche Regelung der Lehrlingsausbildung reguliert wurde und der Ausdruck „Duales System“ offiziell Verwendung fand. Doch nicht nur eine Dualität der beiden Lernorte – die praktische Ausbildung soll im Betrieb und die theoretische in der Schule erworben werden – sondern auch eine Zweiteilung der Zuständigkeit und Verantwortung ist in diesem Zusammenhang zu benennen. Das Berufsbildungsgesetz (BBiG) ist dabei für die betriebliche Ausbildung zuständig, während die Länder für die Schulen verantwortlich sind.
1.2.1 Reformmaßnahmen der 70er Jahre
Bereits wenige Monate nachdem das BBiG verabschiedet wurde, begannen die ersten Diskussionen, an denen nicht nur die verantwortlichen Träger der Berufsbildungspolitik, der Erziehungswissenschaft und der Berufspädagogik, sondern auch die Lehrlinge selbst, teils über Jugendvertretungen und Gewerkschaften oder auch organisiert, in Form von Interessengruppen teilnahmen. Ein wesentlicher Aspekt der vorherrschenden Debatten war der technologische Wandel, der eine Veränderung der damaligen Verhältnisse forderte. Zudem war zu dieser Zeit die emanzipatorischen Erziehung in aller Munde und formulierte auch die „berufliche Mündigkeit, natürlich bei Weiterbestehen des traditionellen Zieles ‚Berufliche Tüchtigkeit’“[3]. Die nun mündigen Lehrlinge wussten es wie kaum eine andere Generation zuvor sich Gehör zu verschaffen. Sie waren mit ihrer Situation, als billige Arbeitskräfte ausgebeutet zu werden nicht einverstanden. Die damalige Ausbildung verstand es nicht Fähigkeiten in die Breite zu vermitteln, sondern konzentrierte sich auf die Ausführung einer spezifischen Aufgabe, die es dem Jugendlichen ermöglichte, eine schnell erlernbare Tätigkeit permanent auszuführen. Als Reaktion auf diese Kritik kreierte die Bundesregierung die „Ausbildereignungsordnung“ um die Qualität der Ausbilder zu erhöhen. Im Jahr 1976 verabschiedete die sozial-liberale Koalition „das Ausbildungsplatzförderungsgesetz, das den Unternehmen eine Ausbildungsplatzabgabe androhte, sollte das Angebot an Ausbildungsplätzen die Nachfrage nicht um mindestens 12,5% überschreiten.“[4] Zudem wurden die zu diesem Zeitpunkt mehr als 900 Ausbildungsberufe auf nur noch 376 im Jahr 1992 reduziert. Heute sind es 348. Durch die technische Entwicklung entstehen erste Grundberufe, die es dem Auszubildenden ermöglichen sollen eine breite Qualifizierung zu erfahren.
1.2.2 Lehrstellenmangel und Jugendarbeitslosigkeit in den 80er Jahren
1965 war das Jahr in dem die Geburtenrate ihre Gipfel erreichte[5]. 1,1 Millionen Neugeborene galt es in den nächsten Jahren ins Berufsleben zu integrieren. Bildungspolitisch versuchte man diesem Problem mit der Expansion berufsbildender Schulen und einem Ausbau bereits vorhandener beruflicher Vollzeitschulen zu begegnen. Eine weitere Idee bestand darin die Betriebe zu subventionieren, die Lehrlinge aufnahmen, und im nächsten Schritt eine Umfinanzierung, durch die nicht ausbildenden Betriebe auf die ausbildenden Betriebe vorzunehmen. Doch alle diese Versuche konnte im Bundestag keine Unterstützung erfahren, wodurch eine Umsetzung bereits im Keim zu ersticken drohte. Trotz dieser Unannehmlichkeiten seitens der Bildungspolitik gelang es diese drastische Nachfragensteigerung nach Ausbildungsstellen von über 60% zu bewältigen.[6] Der wirtschaftliche Sektor, insbesondere das Handwerk, leistete dabei Pionierarbeit, indem er die Berufsausbildung erheblich ausbaute. Des Weiteren wurde vom Staat selbst eine stufenweise Initiative auf drei Ebenen vorangetrieben. Dabei standen unter anderem so genannte „Benachteiligten-Programme“ im Vordergrund. Jugendliche, die ohne Ausbildungsstelle geblieben sind oder diese nicht zum Abschluss bringen konnten wurden dabei in den beruflichen Vollzeitschulen, die als eine Art Auffangbecken dienen sollte, gruppiert und auf ihrem Weg ins Berufsleben betreut, unterstützt und begleitet. Die zweite Ebene war die der finanziellen Anreizschaffung für die Betriebe. Man versprach sich dadurch ein größeres Angebot an Ausbildungsplätzen, wenn der Ausbilderbetrieb nicht die ganzen Kosten einer teueren Ausbildung tragen muss. Die letzte Ebene diente dem Abbau „ausbildungshemmender Vorschriften“, was durch die Veränderung der Ausbildereignungsverordnung und durch eine Veränderung im Jugendarbeitsschutz von Statten ging.
In den neunziger Jahren konnte man eine Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt beobachten, die sich durch ein Überangebot an freien Ausbildungsplätzen kennzeichnet. Erst 1997 war eine negative „Angebots-Nachfrage-Relation“[7] zu verzeichnen. Ausgehend von dieser Entwicklung soll nun die aktuelle Situation näher untersucht werden.
1.2.3 Die aktuelle Krise
Heute sieht es nach Angaben des Statistischen Budesamtes für Arbeit so aus, dass noch im September 2006 etwa 49.500 Jugendliche ohne Ausbildungsplatz geblieben sind, was ungefähr 6% der Gesamtzahl der Bewerber ausmacht. Würde man die Zahl derer miteinbeziehen, die aufgrund dieser „Versorgungslücke“ an Nach- oder Weiterqualifizierungsprojekten teilnehmen, so wären fast 50% der Jugendlichen ohne eine ihrem Alter angemessene Eingliederung in die Arbeitswelt.[8] Ein weiterer wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang, sind die vielen unbesetzten Ausbildungsplätze. Gründe dafür liegen teilweise in der Bewerberauslese der ausbildenden Betriebe, die sich bei dem großen Angebot nach den besten Bewerbern umsehen können, ohne das Risiko einzugehen, am Ende ohne Azubi da zu stehen. Viele Betriebe bemängeln die niedrige Qualität der Bewerber und wünschen sich eine breitere Basis an Grundwissen und Eigenständigkeit, die ihrer Meinung nach in der Schule nicht ausreichend Beachtung erfährt und die Jugendlichen dadurch auf dem Weg ins Erwerbsleben und auf der Suche nach einer geeigneten Ausbildungsstelle vor eine große Hürde stellt. Ein weiteres Problem heutzutage ist die Tatsache, dass einige - vorwiegend handwerkliche - Berufe bei den Bewerbern nicht mehr so begehrt sind. Jedes Jahr bleiben viele Betriebe auf ihren angebotenen Ausbildungsstellen sitzen, weil sich nicht die nötigen Interessenten finden. Doch das wohl größte Problem ist die große Zahl der Schulabgänger mit hohem Förderbedarf, aufgrund des schlechten oder sogar fehlenden Schulabschlusses. „Insbesondere die eher leistungsschwächeren Jugendlichen haben wachsende Probleme, im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, während bei den Leistungsstärkeren der Trend zu höheren allgemeinen Abschlüssen ungebrochen ist“[9]. Für diese Zielgruppen wurden so genannte Weiterbildungsprogramme, wie die betriebliche Vollzeitschule oder das Berufsvorbeitungsjahr (BVJ), auf das jedoch an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden soll. Nicht vergessen darf man die enge Abhängigkeit der Berufsausbildung von der Wirtschaft.[10] Damit meint BROSI „die Auswirkung von Konjunktur und wirtschaftlichen Wandel, die Auswirkungen des zunehmenden Wettbewerbdrucks (…) “[11] auf das Ausbildungswesen.
Des Weiteren ist eine Modularisierung in der Berufsausbildung ein zentrales Thema bei der aktuellen berufspolitischen Diskussion. Eine Fragmentierung in Module nach englischem Muster soll den so lange erwarteten Durchbruch im Beschäftigungssektor bringen. Ob dieses Konzept jedoch durchsetzbar und das passende Rezept für das deutsche Ausbildungssystem, das sich seit über hundert Jahren aufgrund seiner bereits beschriebenen Dualität von den anderen Ländern absetzt, ist, soll in den folgenden Ausführungen beleuchtet werden.
2. Modularisierungskonzept
Das Thema der modularen Qualifizierung ist ein weitläufiges und sehr schwer fassbares Element der aktuellen berufspolitischen Debatte. „Bisher gibt es keinen Konsens darüber, was unter Modularisierung in der beruflichen Ausbildung genau zu verstehen ist“[12], Kloas spricht in diesem Zusammenhang vom Modularisierungsbegriff als eine „Begriffshülse, die Modernität versprechen soll, aber keine neue Praxis bezeichnet und erkennen lässt, das ein bestimmter Veränderungswille bzw. ein Gestaltungsziel vorhanden ist“[13]. Nun soll diese Begriffshülse im Verlauf der folgenden Ausführungen mit Inhalt gefüllt werden, um sie fassbar zu machen.
2.1 Definition
Modularisierung wird in vielen Definitionen als ein „Teil des Ganzen“ bezeichnet. Die folgende Definition von Sloane könnte beim Einstieg in die Thematik hilfreich sein:
„Module sind in einer eher technischen Betrachtung vorgefertigte funktionsfähige Teile, die in einer größeren Einheit Verwendung finden. Es geht um das Verhältnis von Teil und Ganzes, wobei das Modul selbst als Teil ein Ganzes ist. Diese Ganzheit soll ‚Modul’ soll in ein ‚größeres’ Ganzes eingebettet werden.“[14]
Als ein Beispiel zum besseren Verständnis führt Sloane in seiner Ausführung eine „Teil-Ganzheit“ aus dem alltäglichen Leben, wie beim Auto, das Autoradio, den Motor etc. auf. Überträgt man dies auf die berufliche Ausbildung, sollen diese „Module Bausteine sein für ganz unterschiedliche Bildungsgänge“[15]. Dabei wird vom Lernenden erwartet, „eine bestimmte Anzahl von Modulen zu erwerben, um auf diese Weise seine berufliche Bildung ‚zusammenzubauen’ bzw. zu komplettieren.“[16] Sloane vergleicht dabei das zu schaffende Berufssystem mit einem „Baukasten“, aus dessen „Bausteinen“ (Modulen) „Bildungswege gebaut werden sollen“. Die Module werden dabei als Teilkompetenzen gesehen, die voneinander abgrenzbar und abprüfbar sind.[17] Wie dieses Konzept die nötige Umsetzung erfahren kann, soll am Beispiel europäischer Nachbarländer beleuchtet werden, in denen diese Modularisierung in der Berufsausbildung bereits seit Jahren gesetzlich verankert ist.
[...]
[1] Meinhard Stach, , 1998, S.5
[2] ebenda, S.5
[3] Lipsmeier, 1994 S. 17
[4] Schmidt, S.18
[5] vgl. http://www.bpb.de/wissen/0OBM9A,0,Entwicklung_der_Geburtenziffer.html
[6] Berufsbildungsbericht 1997
[7] vgl. Berufsbildungsbericht 2003
[8] Vgl. Ebner C., Engelbrech G., 27.12.2006
[9] Lorenz, K./Ebert, F./Krüger, M., 2005, S.167
[10] vgl. Brosi, 2005, S.42
[11] ebenda, S.42
[12] Herz, G./Jäger, A., 1998, S. 14.
[13] ebenda, S.17
[14] Sloane, P.F.E., 1997, S. 225
[15] ebenda S.226
[16] ebenda
[17] Vgl. Wiegand, 1996, S. 264
- Citation du texte
- Andreas Uffelman (Auteur), 2007, Ausbildungsberufe und „duales System“ in der Kritik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136478
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