Die vorliegende Arbeit geht von der Idee aus, dass interkulturelle Kompetenz die Voraussetzung für den Erfolg im interkulturellen Austausch ist. In der genannten Arbeit geht es also darum, zu bewerten, was in der Ausbildung von Deutschlehrern in Bezug auf diese Kompetenz getan wird. Zu diesem Zweck versucht die Arbeit, das Niveau der interkulturellen Kompetenz bei den Absolventen des Fachbereichs Deutsch als Fremdsprache (DaF) der Ecole Normale Supérieure de Yaoundé zu beurteilen, um herauszufinden, ob die Ausbildung der Deutschlehrer diese Kompetenz fördert. Bei dieser Gelegenheit sollte auch der Beitrag des interkulturellen Lernens zur Förderung dieser Kompetenz ermittelt werden. Letztendlich implementiert diese Arbeit eine Form des interkulturellen Lernens anhand eines literarischen Werkes, die als Grundlage für die Einführung von Kursen oder Seminaren zum interkulturellen Lernen in die Ausbildung von Deutschlehrern an der Ecole Normale Supérieure de Yaoundé dienen kann.
INHALTSVERZEICHNIS
WIDMUNG
VORWORT
RÉSUMÉ
ABSTRACT
ABBILDUNGSLISTE
TABELLENVERZEICHNIS
0 EINFÜHRUNG
0.1 Zum Thema
0.2 Fragestellung und Hypothesen
0.3 Forschungsstand
0.4 Methodisches Vorgehen
0.5 Aufbau der Arbeit
1 BEGRIFFSBESTIMMUNG
1.1 Kultur
1.2 Kulturstandard
1.3 Interkulturalität
1.4 Interkulturelle Kompetenz
2 THEORETISCHE ÜBERLEGUNGEN ZUR FÖRDERUNG INTERKULTURELLER KOMPETENZ
2.1 Zur Relevanz interkultureller Kompetenz
2.1.1 Allgemeine Relevanz der interkulturellen Kompetenz
2.1.2 Interkulturelle Kompetenz für den (Fremdsprachen-)Lehrberuf
2.2 Interkulturelles Lernen bzw. Training
2.2.1 Definition
2.2.2 Allgemeine Ziele interkulturellen Lernens
2.2.3 Phasen interkulturellen Lernens
2.3 Interkulturelle Lernformen
2.3.1 Der „Culture Assimilator“
2.3.2 Die mediale Vorführung
2.3.3 Das Lehrtraining
2.3.4 Die Auseinandersetzung mit literarischen Texten
3 ZUR PROBLEMATIK DER INTERKULTURELLEN KOMPETENZ IN DER DEUTSCHLEHRERAUSBILDUNG AN DER ECOLE NORMALE SUPÉRIEURE YAOUNDÉ
3.1 Kurze Darstellung der Ecole Normale Supérieure Yaoundé
3.2 Schwerpunkte der Deutschehrerausbildung
3.2.1 Der theoretische Schwerpunkt
3.2.1.1 Das Grundmodul
3.2.1.1.1 Der Schwerpunkt Literaturwissenschaft und Landeskunde.
3.2.1.1.2 Der Schwerpunkt Sprachwissenschaft
3.2.1.2 Das Fachmodul
3.2.1.3 Das Modul bilingual training
3.2.2 Der praktische Schwerpunkt
3.2.2.1 Die Hospitation
3.2.2.2 Die DIPES-ARBEIT
3.3 Forschungsdesign
3.3.1 Zur Auswahl der Stichprobe
3.3.2 Methoden zur Datenerhebung
3.3.2.1 Die allgemeine Methode
3.3.2.2 Die Fachmethode
3.3.3 Datenaufbereitung
3.3.3.1 Zum Test
3.3.3.2 Darstellung der Probanden
3.3.4 Zur Datenauswertung und Datenanalyse
3.3.4.1 Die erste Kategorie von Probanden (K0 )
3.3.4.2 Die zweite Kategorie von Probanden (K1 )
3.3.4.1 Die dritte Kategorie von Probanden (K2 )
3.3.5 Interpretation von Ergebnissen und Hypothesenprüfung
4 ANSATZ ZUM EINSATZ INTERKULTURELLEN LERNENS IN DIE DEUTSCHLEHRERAUSBILDUNG
4.1 Zur interkulturellen Literatur
4.1.1 Definition
4.1.2 Hauptmerkmale interkultureller Literatur
4.2 Sombo, das Mädchen vom Fluss: Eine Erzählung als Grundlage interkulturellen Lernens
4.2.1 Kurze Biographie der Autorin
4.2.2 Die Handlung in Kürze
4.2.3 Interkulturelles Lernen im Werk
4.2.3.1 Interkulturelle Kompetenz mit Figuren
4.2.3.1.1 Sombo
4.2.3.1.2 Der Lehrer
4.2.3.1.3 Nyachisengo
4.2.3.2 Interkulturelle Kompetenz durch Motive
4.2.3.2.1 Der inszenierte Kulturbegriff zwecks interkultureller Kompetenz
4.2.3.2.2 Die erzählerische Interkulturalitätsauffassung zwecks interkultureller Kompetenz
SCHLUSSBEMERKUNG
LITERATURVERZEICHNIS
ANHANG
VORWORT
Die Kritik Bertin Nyembs, eines Dozenten an der Ecole Normale Supérieure Yaoundé, an der Tatsache, dass der interkulturellen Kompetenz keine Bedeutung in der Deutschlehrerausbildung in Yaoundé beigemessen wird, weckte mein Interesse an diesem Thema über die interkulturelle Kompetenz in der Deutschlehrerausbildung.
Auf große Schwierigkeiten bin ich bei der Abfassung dieser wissenschaftlichen Arbeit gestoßen. Dazu zählt vor allem der geringe Zeitabstand, über den ich verfügte, der auf die verspätete Findung eines Betreuers und vor allem auf den Verlust meines Computers mit einem Teil meiner Arbeit zurückzuführen ist, den ich wieder schnell schreiben musste. Die anstrengende Datenerhebung wegen meiner Unerfahrenheit war auch lähmend. Zudem kommen noch die Aufwendungen. Zum Glück habe ich die Arbeit dank dem Beistand vieler Personen, denen ich nun herzlich danken möchte, zustande bringen können.
Meinem Betreuer Dr. Bertin Nyemb bin ich für seine Empathie und Begutachtung zum Dank verpflichtet. Ich möchte an dieser Stelle hervorheben, dass mir Dr. Nyemb leicht zugänglich war und meine Arbeit stets zügig gelesen hat. All meinen Dozenten an der ENS und an der Fakultät bin ich für die Gesamtausbildung sehr dankbar. Für ihre konstruktiven Ratschläge und Kritik schulde ich Dr. Mbia und Dr. Pepouna einen besonderen Dank.
Für das zügige Korrekturlesen dieser Arbeit danke ich herzlich meinen Freunden Cedric Kana, Bernard Ntchaya, Ariane Djuitsa und Dimitri Simaleu.
Meiner Familie — ganz besonders meiner Tante Florence Kougha, meiner Schwester Carole Mokam, meinen Vormunden Gilbert und Nathalie Ktognang — bin ich für die finanzielle und materielle Unterstützung zum Dank verpflichtet. Für ihren finanziellen Beistand gilt auch Herrn Ebenezer Alenda und meinem lieben Freund Cedric Mbang mein Dank. Meiner Geliebten Pernelle Ngangmou und meinen Gefährten Valerie Tafre, Ibrahim Adamo, Yannick Timadji und Cornel Ngougnou bin ich für ihre Hilfe sehr dankbar. Bei meinen Jahrgangskollegen bedanke ich mich auch für die Mitarbeit. Herrn Tedga Bernard, meinem betreuenden Lehrer danke ich ebenfalls für die friedliche Zusammenarbeit im Gymnasium.
Abschließend möchte ich, da ich alle nicht namentlich erwähnen kann, allen danken, die mich in irgendeiner Weise unterstützt haben.
Yaoundé, im Juni 2016 Guilin Feugang S.
RÉSUMÉ
Le présent travail intitulé Compétence interculturelle dans la formation des enseignants d'allemand: Bilan et perspectives de l'apprentissage interculturel à l'Ecole Normale Supérieure de Yaoundé part de l‘idée selon laquelle la compétence interculturelle serait la condition sine qua non de la réussite dans les échanges interculturelles. Il est donc question dans ledit travail d'évaluer ce qui est fait dans la formation des enseignants d'allemand en rapport avec cette compétence. Pour cela, ce travail tente de juger le niveau de compétence interculturelle chez les étudiants finissants de la section Allemand du département des langues étrangères de l' Ecole Normale Supérieure de Yaoundé afin de savoir si la dite formation des enseignants d'allemand favorise cette compétence. Par cette même occasion, il s'agit aussi de déterminer l'apport de l'apprentissage interculturel dans la promotion de cette compétence. Au bout du compte, ce travail implémente une forme d'apprentissage interculturel à partir d'une œuvre littéraire pouvant ainsi constituer des jalons à l'introduction des cours ou alors des séminaires d'apprentissage interculturel dans la formation des professeurs d'allemand à l' Ecole Normale Supérieure de Yaoundé.
Concepts clés : compétence interculturelle, apprentissage interculturel, communication interculturelle, interculturalité.
ABSTRACT
This research paper, which is entitled Intercultural competence in the training of teachers of the German language: Overview and perspectives of the intercultural learning in the German teachers' training in Yaoundé, is based on the idea that intercultural competence could be the prerequisite for success in intercultural exchanges. Therefore, the aim of this work is to assess what is being done in the training of teachers of german language and to elaborate promoting Strategies as far as this competence is concerned. For this reason, the work assesses the level of intercultural competence of final year students of the section "German studies" of the Department of Foreign Languages of the Higher Teachers' Training College of Yaoundé, in a bid to confirm if their training as German teachers helps increase intercultural competence. The work also aims to determine the contribution of the intercultural learning in promoting this competence. This work finally implements a form of intercultural learning based on a literary work. This can hereby be the basis for an introduction to courses or seminaries on intercultural learning in the training of teachers of german language in the Higher Teachers' Training College of Yaoundé.
Key concepts: intercultural competence, intercultural learning, intercultural communication, interculturality.
ABBILDUNGSLISTE
Abbildung 1: Jaguschs Phasenmodell interkulturellen Lernens (Jagusch 2002, S. 5) 25
Abbildung 2: Graphische Darstellung der Ergebnisse über die interkulturelle Kompetenz von Probanden 53
TABELLENVERZEICHNIS
Tabelle 1 : Boltens Komponentenmodell interkultureller Kompetenz
Tabelle 2 : Die Bedeutung der interkulturellen Kompetenz der ersten Kategorie von Probanden (K0 )
Tabelle 3 : Die Bedeutung der interkulturellen Kompetenz der zweiten Kategorie von Probanden (K1 )
Tabelle 4 : Die Bedeutung der interkulturellen Kompetenz der dritten Kategorie von Probanden (K2 )
0 EINFÜHRUNG
0.1 Zum Thema
In einer zunehmend globalisierten Welt, wo Austausch zwischen verschiedenen Kulturen in verschiedenen Lebensbereichen fast unumgänglich wird, erweist sich die Fähigkeit, mit Menschen mit anderen Lebens- und Denkweisen effizient zu kommunizieren, als eine der wichtigsten Herausforderungen der Zeit. Diese Fähigkeit, die in Anlehnung an Bertin Nyemb (Nyemb 2014: 115) als interkulturelle Kompetenz betrachtet werden kann, lässt sich aber nicht leicht erwerben. Wie Wilhelm Von Humboldt in seinen sprachwissenschaftlichen Studien bereits herausgearbeitet hat, sind Sprachen mit spezifischen „Weltansichten“ und Handlungspotentialen verknüpft (Vgl. Straub et al. 2010: 20). So gehört zu den Aufgaben eines Fremdsprachenlehrers das Lehren interkulturellen Handelns. Dies ist aber nur unter einer Voraussetzung möglich; und zwar dass der Lehrer selbst auch interkulturell kompetent ist. Angesichts dieser Relevanz der interkulturellen Kompetenz in der heutigen Welt im Allgemeinen und für den Fremdsprachenlehrberuf im Besonderen hat mich Nyembs Kritik an der Tatsache, dass es bisher „trotz hochschuldidaktischer und interkultureller Kompetenz des Lehrkörpers kaum eine auf interkulturelles Lernen zugeschnittene Lehrveranstaltung [in der Deutschlehrerausbildung in Jaunde] gibt“ (Nyemb 2012: 119) zum Thema Interkulturelle Kompetenz in der Deutschlehrerausbildung: Bestandsaufnahme und Perspektiven des interkulturellen Lernens an der Ecole Normale Supérieure Yaoundé bewegt. So besteht das Hauptziel dieser Forschungsarbeit darin, hervorzuheben dass „es in Hinblick auf die [Deutsch] Lehrerausbildung [an der Ecole Normale Supérieure de Yaoundé ] empfehlenswert sei, die Verbindlichkeit von Angeboten [zum Erwerb und] zur Vermittlung interkultureller Kompetenz deutlich zu erhölien|.. (Andrea 2002: 230)1.
Der Begriff der „interkulturellen Kompetenz“, der als ein „Konstrukt“ und nicht nur als Lernziel anzusehen ist, bezeichnet einen Vorgang, bei dem viele Komponenten in Frage kommen. Dazu zählt man unter anderem kulturspezifisches Wissen, die fremdkulturelle Kompetenz2, fachliches, strategisches Handeln. (Vgl. Bolten 2007a: 7f). Im Allgemeinen geht es bei Forschungen zu interkultureller Kompetenz darum, zu wissen, was in interkulturellen Situationen handelnde Menschen wissen bzw. können. In dieser Hinsicht äußert sich der Pädagoge Alexander Dauner folgendermaßen: „interkulturelle Kompetenz möchte ergründen, was eine interkulturell kompetente Person weiß, was sie kann, welche Einstellungen und Motivation sie an den Tag legt“ (Dauner 2011: S. 26). In vorliegender Arbeit ist es vor allem die Rede von der interkulturellen Kompetenz in Bezug auf die Deutschlehrerausbildung an der École Normale Supérieure Yaoundé.
0.2 Fragestellung und Hypothesen
Wie es Jürgen Straub zu verstehen gibt, ist interkulturelle Kompetenz „eine mögliche Errungenschaft sozio-kultureller Praxis“ (Straub 2010: S. 32). Bedenkt man recht diese Auffassung, dann wird klar, dass bei interkultureller Kompetenz immer nur ein situationsspezifischer und adressatenbezogener Tatbestand in Frage kommt. So wäre nicht zu verleugnen, dass die interkulturelle Kompetenz erst in der alltagsweltlichen Praxis mit kultureller Differenz am besten trainiert bzw. erworben wird. Jedoch bleibt eines der Verdienste des formellen Lernens 3 die Möglichkeit, die aufgesuchten Situationen je nach der gezielten Absicht zu simulieren und systematisch zu untersuchen. Daher die Möglichkeit, sich an dieser Kompetenz in Schulen als unnatürlichen Kontexten zu arbeiten. Davon ausgehend versucht diese Forschungsarbeit herauszufinden, ob der interkulturellen Kompetenz in der Deutschlehrerausbildung an École Normale Supérieure Yaoundé eine Bedeutung beigemessen wird, wenn ja welche? Wenn nein: Wie kann man sie implementieren?
Die Arbeit beruht auf den folgenden Hypothesen:
- Der didaktischen Praxis in der Deutschlehrerausbildung an der École Normale Supérieure Yaoundé liegt keine interkulturelle4, sondern eine fremdkulturelle Kompetenz zugrunde.
- Die Teilnahme an einem interkulturellen Lernprogramm5 begünstigt den Erwerb der interkulturellen Kompetenz6
0.3 Forschungsstand
An wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit dem Phänomen der interkulturellen Kompetenz ist seit einigen Jahren besonders in Deutschland großes Interesse gezeigt worden. Deshalb wird in diesem Teil nur auf die relativ jüngsten eingegangen, wobei zuvor mit den Theorien angefangen wird. Dazu zählt man unter anderem den im Buch Wie lehrt man interkulturelle Kompetenz? Theorien, Methoden und Praxis in der Hochschulausbildung (2010) enthaltenen Beitrag von Jürgen Straub mit dem Titel Lerntheoretische Grundlagen, in dem sich der Autor mit den theoretischen Voraussetzungen interkulturellen Lernens auseinandersetzt und dabei auf die Notwendigkeit interkultureller Kompetenz in der heutigen Gesellschaft eingeht. Außerdem gibt er auch, sich an Bolten anlehnend zu verstehen, dass interkulturelle Kompetenz aus verschiedenen Dimensionen und Komponenten besteht und dass man sich beim Lernen und Lehren gezwungenerweise jeweils auf eine oder wenige dieser Dimensionen oder Komponenten beschränken muss.
In dem von Jürgen Bolten im Jahre 2007b veröffentlichten Buch Interkulturelle Kompetenz bietet der Autor eine theoretische Überlegung zu diesem Konzept an. Seine Auffassung der interkulturellen Kompetenz macht diese zu einem Konstrukt, bei dem auch viele Komponenten (Empathie, Rollendistanz, Ambiguitätstoleranz,
(Meta)Kommunikationsfähigkeit usw.) ins Spiel kommen. Bolten geht darüber hinaus und konzipiert einige Fragen zur Selbstprüfung der interkulturellen Kompetenz.7
So gesehen haben sich diese beiden Forscher in ihren Arbeiten auf einen völlig theoretischen Rahmen beschränkt. Daher entsteht die Notwendigkeit, weitere Arbeiten anzuführen, die sich mit Tatbeständen auseinandersetzen. Diesbezüglich werden zunächst akademische Untersuchungen herangezogen.
Zur Erlangung des DIPES II an der Ecole Normale Supérieure Yaoundé hat Bela Mbilong Seraphine im Jahre 2010 eine empirische Arbeit mit dem Thema Wie kann man im kamerunischen Deutschunterricht die interkulturelle Kompetenz fördern? Eine Analyse des Lehrwerks IHR und WIR Plus Band I unter interkulturellem Aspekt vorgelegt. In der Arbeit erarbeitet die Forscherin Strategien zur Förderung interkultureller Kompetenz im kamerunischen Deutschunterricht. Das Lehrwerk IHR und WIR Plus Band I ergibt sich aus der Untersuchung als Grundquelle zur Gestaltung interkulturellen Deutschunterrichts, wobei das interkulturelle Lernen durch die Schulung der Wahrnehmung, die Strategien zur Bedeutungserschließung und die Befähigung zum Kulturvergleich gemacht bzw. verbessert werden kann.
2013 versucht Roger Tsopouono immer im Rahmen einer DIPES-Arbeit der Lehrerschaft geeignete Lehrtechniken zur Verfügung zu stellen, die zur Förderung des interkulturellen Lernens beitragen und damit den interkulturellen Deutschunterrichtsvorgang erfolgreicher und wirksamer machen können. Aus seiner Untersuchung, deren Thema Die interkulturelle Kommunikationsstrategien im DaF-Unterricht in Kamerun: eine Untersuchung der Lehrtätigkeiten im Deutschunterricht in der Stadt Yaoundé lautet, stellt sich heraus, dass die Muttersprache im Prozess des interkulturellen Trainings eine wichtige Rolle spielt und sogar als Basis zur Förderung interkultureller Kompetenz gilt (Tsopouono 2013: 65). Die beiden Arbeiten übersehen aber die Voraussetzung, nach der der Lehrer vor allem auch über diese interkulturelle Kompetenz verfügen muss, bevor er die Lernenden dazu trainieren kann.
Mit dem Thema Interkulturelle Kompetenz als Schlüsselqualifikationen für Absolventen der Deutschlandstudien hat sich Albert Gouaffo auseinandergesetzt. Hauptziel seiner Arbeit besteht darin, wie bereits im Thema klar ausgedrückt, den Stellenwert interkultureller Kompetenz wegen der internationalisiert und globalisiert gewordenen Welt in der Ausbildung von Germanistikstudierenden in den Vordergrund zu rücken. So spricht er auf die interkulturelle Kompetenz im Kontext der Hochschulen an. Die Universität Dschang, sein Tätigkeitsfeld, zieht er dabei als Beispiel heran. Die interkulturelle Kompetenz fasst er in dieser Arbeit als eine Schlüsselqualifikation für Deutschlandstudienabsolventen auf, wobei als Schlüsselqualifikationen, „die Fertigkeiten, die dem Studierenden, der sie besitzt den Schlüssel an die Hand geben, im Studium und im späteren Leben viele Türen öffnen zu können“ (Gouaffo 2014: 247), anzusehen sind. Die Arbeit geht auf die Neuorientierung der Germanistik an der Universität Dschang ein und der Autor präzisiert, dass sie abhängig von den heutigen Umständen eher kulturraum- und anwendungsbezogene Deutschlandstudien anzeigt.
Auch in Zusammenhang mit interkultureller Kompetenz in Hochschulen steht der Beitrag Nyembs, « Ich muss aus diesem Dorf raus...« Feridun Zaimoglu im Germanistikstudium Kameruns, oder: Ansätze zur Förderung interkulturellen Bewusstseins im Literaturunterricht in Frage. Mit einem Drei Phasen-Projektunterricht in der Ausbildung von DaF-Lehrern versucht Nyemb zu zeigen, wie mit Hilfe eines literarischen Textes das interkulturelle Bewusstsein vermittelt werden kann. Als Mustertext wird Feridun Zaimoglus Erzählband Zwölf Gramm Glück (2004) herangezogen. Der Forscher bestätigt am Ende seines Projekts die Notwendigkeit des Einbezugs interkulturellen Lernens in Hochschulen, denn es ermögliche den Erwerb von Kompetenzen, die in der heutigen Welt von großem Belang sind (Nyemb 2014: 125). Diesbezüglich fügt er dazu hinzu, dass die germanistische Literaturwissenschaft dabei große Hilfe leisten kann.
Diese Vielfalt an Arbeiten in Bezug auf die interkulturelle Kompetenz hebt die Relevanz dieser Kompetenz in der heutigen Welt hervor. So entsteht die Notwendigkeit, eine Untersuchung durchzuführen, die sich im Gegensatz zu den oben erwähnten Arbeiten nicht nur darauf beschränkt, Strategien zur Förderung interkultureller Kompetenz anzubieten, sondern vorerst diese Kompetenz bei den angehenden Deutschlehrern zu messen, die selbst als angehende Vermittler interkultureller Kompetenz anzusehen sind. Außerdem zielt die vorliegende Arbeit darauf ab, die Ausbildung von Deutschlehrern kritisch zu sichten, damit die interkulturelle Perspektive darin einbezogen wird.
0.4 Methodisches Vorgehen
Wie eingangs angedeutet, zielt die vorliegende Arbeit darauf ab, systematisch herauszufinden, ob die Lehrpraxis in der Deutschlehrerausbildung an der École Normale Supérieure Yaoundé die interkulturelle Kompetenz fördert. Zu diesem Zweck wird eine Bestandsaufnahme in der Deutschlehrerausbildung gemacht. Auf der einen Seite handelt es sich bei der Bestandsaufnahme darum, das Curriculum der Deutschlehrerausbildung, das heißt die für die Ausbildung der Deutschlehrer vorgesehenen Lehr- und Lernaktivitäten zu analysieren. Auf der anderen Seite werden angehende Deutschlehrer erstens befragt, damit sie Informationen darüber liefern, ob sie während der Ausbildung interkulturell trainiert werden. Secundo werden sie getestet, um ihren Grad an interkultureller Kompetenz zu messen. Durch diese Messung kann herausgefunden werden, ob sie aus der Lehrpraxis während der Ausbildung die interkulturelle Kompetenz erwerben. Da eine genaue Messung der interkulturellen Kompetenz undenkbar ist (Vgl. Dauner 2011: 26/Straub 2010: 36), beschränkt sich diese Arbeit darauf nachzuprüfen, ob angehende Deutschlehrer über bestimmte Kenntnisse auf dem Gebiet der interkulturellen Kommunikation verfügen, die ein angemessenes Handeln in Zukunft legitimieren. So unterliegt vorliegender Forschungsarbeit eine Datenerhebung und - bearbeitung, die wegen der Komplexität des Gegenstandbereichs durch die Triangulation durchgeführt wird. Zuletzt werden verschiedene Perspektiven zur Förderung interkultureller Kompetenz in Nasrin Sieges Werkes Sombo, das Mädchen vom Fluss herausgearbeitet.
0.5 Aufbau der Arbeit
Die Arbeit gliedert sich in vier Kapitel. Das erste Kapitel setzt sich mit den Konzepten Kultur , Kulturstandard, Interkulturalität und interkulturelle Kompetenz auseinander, die als Kernbegriffe in der Forschungsliteratur fungieren. Das zweite Kapitel geht auf das interkulturelle Lernen als theoretische Grundlage zur Lehre der interkulturellen Kompetenz im Hochschulbereich ein, wobei einige Methoden besprochen werden. Was das dritte Kapitel anbelangt, wendet es sich der Problematik der interkulturellen Kompetenz in der Deutschlehrerausbildung an der École Normale Supérieure Yaoundé zu. Es geht darum, die didaktische Praxis in der Deutschlehrerausbildung zu untersuchen und die angehenden Deutschlehrer zu testen, um herauszufinden, welcher Stellenwert der interkulturellen Kompetenz in der Ausbildung beigemessen wird. Im vierten Kapitel wird ein Ansatz zur Förderung der interkulturellen Kompetenz in Nasrin Sieges Werk Sombo, das Mädchen vom Fluss herausgearbeitet.
1 BEGRIFFSBESTIMMUNG
1.1 Kultur
Auf die Frage, was Kultur ist, kann jeder je nach bestimmter Perspektive bzw. Bezug nehmend auf ein bestimmtes Phänomen eine Antwort geben. Aber über eine endgültige Antwort, die allgemeine Zustimmung finden kann, streiten sich die Gelehrten seit Jahrhunderten. So ist eine Überfülle von Bestimmungsversuchen des Begriffs „Kultur“ in wissenschaftlichen Auseinandersetzungen zu finden. Gerade das Wörterbuch DUDEN stellt die Mehrdeutigkeit dieses Begriffs heraus. Es definiert Kultur als die:
Gesamtheit der geistigen künstlerischen, gestaltenden Leistungen einer Gemeinschaft als Ausdruck menschlicher Höherentwicklung; b) Gesamtheit der von einer bestimmten Gemeinschaft auf einem bestimmten Gebiet während einer bestimmten Epoche geschaffenen, charakteristischen geistigen, künstlerischen, gestaltenden Leistungen; 2. a) Verfeinerung, Kultiviertheit einer menschlichen Betätigung, Äußerung, Hervorbringung; b) Kultiviertheit einer Person(DUDEN 2007: 1028).
Aber die gängigste und älteste Kulturauffassung stellt der Kultur die Natur gegenüber. In dieser Hinsicht äußert sich Marschall:
Will man die Welt beschreiben, so reichen dafür die Begriffe Natur und Kultur. Dabei umfasst Natur als Gegenüberstellung des Nachdenkens und Handelns alles, was an Materie vorhanden ist und was in dieser geschieht. Kultur hingegen umfasst alles menschliche Wissen und alle Haltungen, alles Handeln und alle Produkte dieses Handelns (Marschall 1993: 17).
Ebenso umfassend wie die Natur ist, so erscheint auch die Kultur in Marschalls Auffassung. So gehört alles, was von vornherein nicht dem Menschen entstammt, nicht zu der Kultur. Die Kultur ist in diesem Sinne an alle menschlichen Erzeugnisse gekoppelt. Obwohl Marschalls Kulturauffassung die Tatsache hervorhebt, dass die Kultur ein Produkt der Menschheit ist, bleibt indes zu bemängeln, dass sie, wie bereits erwähnt, zu umfassend ist und demzufolge keine Greifbarkeit des Begriffs erlaubt, insofern als sie dessen Eingrenzung erschwert. So könnte man beispielweise darauf schließen und behaupten, es bestehe eine universelle Kultur, die der ganzen Menschheit eigen ist, wo doch Menschen je nach verschiedenen Faktoren anders und unterschiedlich handeln.
Aus einer psychologischen Perspektive kann man in Anlehnung an den Amerikaner Hofstede, der den Kulturbegriff als „the collective programming of the mind“ (Hofstede 2001: 9) begreift, Kultur in der gemeinsamen Programmierung der Gedanken, Gefühle und des Handelns der Menschen zusammenfassen. Aber das Wort Programmierung in dieser Definition klingt sehr mechanistisch und deutet an, der Mensch funktioniere automatisch wie ein Computer oder einfach wie eine Maschine. Außerdem schließt solch eine Kulturauffassung die Tatsache aus, dass Kultur menschliches Handeln und eine Konstruktion des Menschen ist. So erscheint diese Vorstellung der Kultur in einer zunehmend globalisierten Welt, wo Austausch zwischen unterschiedlichen Kulturen in verschiedenen Lebensbereichen fast unumgänglich wird, eben verwerflich, denn Menschen, die eher vernunftbegabt sind, schaffen ihre eigene Kultur und können diese demzufolge nötigenfalls ändern. Solch eine Kulturkonzeption hat für eine wissenschaftliche Arbeit wie die vorliegende, die die Förderung angemessener Interaktionen zwischen Kulturen erstrebt, keinesfalls Bedeutung.
Eine weitere Auffassung der Kultur, die eher anwendungsbezogen ist, nimmt Bezug auf die Wahrnehmung bzw. (Welt)Anschauung, wobei diese den Mitgliedern einerselben Gemeinschaft eigen ist. Einer der Vertreter eines solchen Kulturkonzepts ist der englische Soziologe Stuart Hall. In einer seiner Stellungnahmen über den Begriff Kultur stellt er einige Kriterien dar, woran man Anhänger derselben Kultur erkennen und daher eine Idee darüber haben kann, was Kultur ist. Er äußert sich folgendermaßen:
to say that two people belong to the same culture is to say that they interpret the world in roughly the same ways and can express themselves, their thoughts and feelings about the world in ways which will be understood by each other (Hall 1997: 2)8.
Aus diesem Zitat ergibt sich, dass die Kultur im Verhalten bzw. Handeln kategorisiert werden kann. Gerade in dieser Kategorisierung der Kultur liegt die Relevanz von Halls Kulturauffassung für diese Arbeit. Außerdem lässt sich die Kultur erst im Handeln und Tun beobachten. In diesem Sinne kann man behaupten, dass die Kultur dem Menschen im Handeln und Tun unbewusst ist. Dies lässt sich dadurch erklären, dass man der eigenen Kultur bewusst wird, erst wenn man mit anderen und unterschiedlichen Handelsformen und Tun Kontakt aufnimmt (Vgl. Heringer 2014: 110). Mit dieser Auffassung pflichtet Hall dem afrikanischen Germanisten Kuma Ndumbe III bei, der einige Elemente darin hinzufügt, die für die vorliegende Arbeit als Bezugnahme gelten. Tatsächlich besteht der Begriff Kultur Kuma Ndumbe III zufolge aus der:
|.| Gesamtheit von Ausdrucksweisen und Sprache, von philosophischer und religiöser Anschauung, von virtuellen Gebräuchen und gesellschaftlichen Festen und Zeremonien, von bildender Kunst und Literatur, aber auch de[m] Aufbau und [den] Regeln innerhalb einer Gesellschaft, d[en] Regierungsformen eines Landes und schließlich d[en] Beziehungen zu anderen Staaten (K. Ndumbe III 2006)9.
Folgende Rückschlüsse lassen sich aus Kuma Ndumbes und Halls Kulturauffassung ziehen, die für das interkulturelle Lernen bzw. für eine wissenschaftliche Arbeit über interkulturelles Lernen von erheblicher Relevanz sind:
- Kultur stellt ein Orientierungssystem dar, das aus Normen besteht, die einer bestimmten Gruppe eigen ist.
- Das Verhalten bzw. das Handeln (eines Individuums) lässt sich von diesem System ableiten und verstehen.
- Kultur ist kategorisierbar; Diese Kategorisierung erlaubt das Bewusstwerden kultureller Unterschiede.
- Durch das Erlernen der Normen einer Kultur kann man sich in eine fremde integrieren (Vgl. Olbers 2009: 26).
- Die Zugehörigkeit zu einer Religion beeinflusst die Weltanschauung
- Erst durch den Kontakt mit anderen Kulturen, wird einem die seinige bewusst
- die verschiedenen Facetten bzw. Komponenten von Kultur sind miteinander verbunden d.h. sie überschneiden sich
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich die Kultur auf alles bezieht, was Menschen lernen bzw. wissen oder auch verkörpern müssen, um sich mit einer bestimmten Gruppe identifizieren zu können. Da Menschen unterschiedlicher Kulturen manchmal auszutauschen haben und der Begriff Kultur sehr breit ist, lohnt es sich zu wissen, wie bzw. wodurch sich Menschen fremder kulturspezifischer Normen bewusst werden.
1.2 Kulturstandard
Aus der Definition des Kulturbegriffs stellte sich heraus, dass die Kultur ein aus Normen bestehendes Orientierungssystem darstellt und trotz deren Mannigfaltigkeit erlernbar ist. Zwecks des Lernens/Lehrens werden Kulturen durch Vereinfachung und Standardisierung übersichtlich gemacht (Vgl. Heringer 2014: 190). Ein Versuch dieser Art sieht Jürgen Heringer als eine Ermittlung und Beschreibung von Kulturstandards an (Ebd.,:190). Alexander Thomas und Robert Markowsky verstehen unter Kulturstandards „Diejenigen Werte, Normen, Regeln und Einstellungen in einer Kultur, die sich gerade im zwischenmenschlichen Bereich umfassend auf Wahrnehmung, Denken, Urteilen und Handeln ihrer Mitglieder auswirken[...]“ (Thomas/Markowsky 1995: 7).10 Aus dieser Definition stellt sich heraus, dass der Kulturstandard als eine Art „Katalog“ der Kultur ist, der Informationen darüber liefert, wie in einer Kultur wahrgenommen und bewertet wird, wie Entscheidungen getroffen werden, was motiviert, welche Ziele verfolgt werden usw. Thomas und Markowsky sprechen in diesem Zusammenhang von „spezifischen Spielregeln des gesellschaftlichen Lebens in einer Kultur“ (Vgl. Ebd.: 190). Dass Kulturstandards als Spielregeln angesehen werden, besagt, dass sie das Verhalten in der eigenen Kultur regeln und somit dazu beitragen, dass man sich „richtig“ bzw. in einer erwünschten Art und Weise verhält, wobei sich die Mitglieder einer Kultur ihrer Standards unbewusst sind (Vgl. Zange 2007: 5). Bernhard Reisch macht dies deutlicher, wenn er Kulturstandard als „kulturspezifisch beschreibbare rollen- und situationsspezifische Verhaltenserwartungen [auffasst], welchen kulturspezifische Normen zugrunde liegen, deren Nichterfüllung zur Störung der Interaktion und ggf. Sanktion des/r Interaktionspartner/s führen“(Reisch: 12).
Es wird sehr oft die Gefahr gelaufen, Kulturstandards mit Stereotypen zu verwechseln, obwohl sich die beiden Begriffe bezüglich des Erarbeitungsverfahrens grundlegend voneinander unterscheiden lassen. Um diesen Unterschied zu veranschaulichen, soll nun auch der Begriff des Stereotyps kurz umrissen werden.
Ein Stereotyp ist der verbale Ausdruck einer auf soziale Gruppen oder einzelne Personen als deren Mitglieder gerichteten Überzeugung. Es hat die logische Form einer Aussage, die in ungerechtfertigt vereinfachender und generalisierender Weise, mit emotional-wertender Tendenz, einer Klasse von Personen bestimmte Eigenschaften oder Verhaltensweisen zu- oder abspricht( Quasthoff 1973: 31).
Hier wird deutlich, dass Stereotypen vereinfachte, unreflektierte Bemerkungen, Meinungen, und Einstellungen über eine Zielkultur widerspiegeln, die in der Regel auf keine überprüfte Grundlage gestützt sind aber generalisiert werden. In diesem Sinne stellen Stereotypen genauso wie Kulturstandards eine Art Kategorisierung und Verarbeitung bzw. Reduktion komplexer Phänomene dar. Sie sind zudem das Ergebnis von Selektion und Generalisierung.
Was die beiden Konzepte aber voneinander unterscheidet, ist, dass Kulturstandards im Gegensatz zu Stereotypen „|.| aus |einer| systematischen Analyse realer und alltäglich erlebter Handlungssituationen heraus konstruiert werden“ (Kammhuber/Schroll-Machl 2003: 21).
Im Prozess des interkulturellen Dialogs haben Kulturstandards viele Funktionen. Heringer fasst diese Funktionen zusammen, wenn er in Kulturstandards die vom interkulturellen Lernen verfolgten Hauptziele sieht11 (Heringer 2014: 190). Alexander Thomas zufolge sind Kulturstandards in dieser Hinsicht als Orientierungshilfe zur Deutung des Verhaltens in fremden Kulturen anzusehen (Thomas 2003: 29f)12. Dies wird insofern gerechtfertigt, als die Kenntnis fremder Kulturstandards unser Handeln beeinflusst. Sie eröffnen sowohl Handlungsmöglichkeiten als auch Handlungsgrenzen. Eine grundlegende Frage wäre dann zu wissen, wie sich unterschiedliche Kulturen oder Kulturstandards überschneiden, wenn deren Angehörige in Berührung kommen.
1.3 Interkulturalität
Ebenso wie der Begriff „Kultur“ ist auch „Interkulturalität“ ein Begriff, über dessen Definition es eine Vielfalt von Ansichten herrscht, die in irgendeiner Weise voneinander abweichen. Der Begriff fand Eintritt in wissenschaftliche Debatten vor allem in den 80er Jahren des 20 Jahrhunderts im Rahmen der Interkulturellen Germanistik (Vgl. Wierlacher 2003: 258). Ziel dieses Eintritts bestand in der Erforschung des Verhältnisses von Eigen-und Fremdperspektive (Vgl. Traore 2008: 74). So bildeten das Eigene und das Fremde die Hauptbestandteile bzw. Gegenstände, woran Interesse in wissenschaftlichen Untersuchungen zu Interkulturalität gezeigt wurde. Unternimmt man den Versuch, wissenschaftliche Arbeiten zum Begriff „Interkulturalität“ unter die Lupe zu nehmen, dann gelangt man zu der offensichtlichen Feststellung, dass die beiden Einheiten, nämlich das „Fremde“ und das „Eigene“ immer noch im Mittelpunkt stehen.
In einer der Definitionen des Begriffs Interkulturalität im Wörterbuch Duden bezeichnet er einen „Wissenschaftszweig, der sich mit den individuellen und gesellschaftlichen Lebensund Arbeitsbedingungen verschiedener Kulturen in der globalisierten Welt befasst“ (Duden: 2010). In dieser Definition werden die Begriffe „Fremde“ und „Eigene“ in dem Ausdruck „verschiedene Kulturen“ mit eingeschlossen. Dies ist insofern verständlich, als Menschen im Prozess interkulturellen Austauschs immer als Kulturträger angesehen werden. Außerdem wird der Begriff Interkulturalität in dieser Definition ausschließlich als eine Wissenschaft angesehen. Hamid Reza Yousefi und Ina Braun schließen sich dieser Auffassung an, indem sie unter Interkulturalität „de[n] Name[n] für eine Theorie und Praxis [verstehen], die sich mit dem historischen und gegenwärtigen Verhältnis aller Kulturen und den Menschen als ihren Trägern auf der Grundlage ihrer völligen Gleichwertigkeit beschäftigen“ (Reza/Braun 2010: 12). Interkulturalität als eine Wissenschaft anzusehen macht sie zu einem völlig präskriptiven Konzept, das den Anspruch erhebt, alles mithilfe von Theorien erklären bzw. in Ordnung bringen zu können. In Anbetracht der Tatsache, dass Kenntnisse über das Funktionieren von Kulturen keinen gelungenen Austauschprozess mit Angehörigen dieser Kulturen gewährleisten, kann eine solche Konzeption als einschränkend betrachtet werden. Es wird im interkulturellen Austauschprozess eher so sehr zu strategischen und individuellen Kompetenzen gegriffen. Yousefi und Braun kommt indessen das Verdienst zu, das Prinzip der Gleichwertigkei t zwischen den Beteiligten im interkulturellen Austausch in deren Definition hervorzuheben.
In einem Aufsatz über Interkulturalität bietet der Literaturwissenschaftler Alois Wierlacher eine Vielzahl an Definitionen dieses Begriffs . In einer dieser Definitionen misst er auch dem Prinzip der Gleichwertigkeit große Bedeutung bei. Für ihn verweist der Begriff Interkulturalität auf
den Zustand und Prozess der Überwindung von Ethnozentrismus13 durch wechselseitige Abhebung, die eine kulturelle Brückenstellung oder eine doppelte Optik schafft, Andere und Fremde ebenso wie Alternativen nicht nur stärker als bislang mitdenken, sondern bis zu einem gewissen Grade auch mit anderen Augen wahrnehmen lässt, so dass ein Miteinander-Begreifen überhaupt erst denkbar und die Voraussetzung für einen Dialog geschaffen wird, bei dem niemand von vornherein das letzte Wort hat (Wierlacher 2003: 259).
Dass im Dialog zwischen Partnern unterschiedlicher Kulturen keiner das letzte Wort von vornherein hat, heißt, dass der Begriff Interkulturalität immer als ein Prozess der Ergänzung zwischen Kulturen oder deren Angehörigen anzusehen ist, wobei jede Kultur etwas bringt. So ist es nicht zu verkennen, dass sich Wierlachers Auffassung stark gegen kulturtheoretische Ansätze auflehnt, die auf kulturbedingten Differenzen beruhen, um eine Leitkultur zu postulieren. Eine unmittelbare Implikation solch einer Auffassung für das interkulturelle Lernen ist, dass Kulturen gleichwertig sind.
Eine weitere Ansicht über die Definition des Begriffs Interkulturalität vertritt Wierlacher in demselben wissenschaftlichen Beitrag. Interkulturalität beruht in diesem Kontext auf einer „kooperativen Selbstaufklärung und wissenschaftlichen Partnerschaft“. Dies lässt sich dadurch erklären, dass wir uns besser verstehen, indem wir das Fremde zu verstehen versuchen. Eine solche Konzeption trifft somit zu, in dem Masse, dass die fremde Kultur erst durch den Filter der eigenen Kultur untersucht und verstanden wird. Dass das Verstehen des Anderen mit dem Selbstverstehen einhergeht, thematisiert Wierlacher, indem er unter dem Begriff „Interkulturalität“
die Handlungsqualität einer Reziprozität [versteht], die Übergänge und Zwischenräume im Rahmen eines Spannungsfeldes schafft, das Möglichkeiten eröffnet, sowohl zu teilnehmenden Beobachtern als auch zu Mitspielern zu werden, die sich in ihren Sehgewohnheiten wechselseitig stimulieren und korrigieren, indem das dem Einen Auffällige zu einer Quelle der Fragen des Anderen wird (Wierlacher 1985:11).14
So macht Wierlacher den Begriff Interkulturalität zu einer wissenschaftlichen und kooperativen Erkenntnisarbeit, bei der jeder Beteiligte untersucht und gleichzeitig auch untersucht wird. Es soll jedoch an dieser Stelle erwähnt werden, dass eine solche Kooperation erst zustande kommen kann, wenn sich die Menschen als Kulturträger lernbereit zeigen. Aus dieser Interkulturalitätskonzeption kann gefolgert werden, dass die Förderung der Lernbereitschaft zu den Aufgaben des interkulturellen Lernens gehört.
Jedoch ist man sich in der heutigen Weltkonstellation dessen bewusst, dass es zwischen Kulturen Differenzen und Gemeinsamkeiten bestehen. So weisen die Ergebnisse vieler Forschungen heutzutage einstimmig darauf hin, dass die im interkulturellen Austauschprozess Beteiligten über diese kulturbedingten Differenzen hinauswachsen sollen, um sich für die Suche nach einer Kultur des Zusammenlebens einzusetzen. Es geht dabei nicht darum, stark auf Normen und Prinzipien der eigenen oder fremden Kultur bezogen zu sein, sondern darum, Strategien und Mittel herauszuarbeiten, die ein gegenseitiges Verstehen zwischen dem Eigenen und dem Fremden ermöglichen, wobei diese auf keinen Fall von einer bestimmten Kultur durchgesetzt werden sollen. Braun und Yousefi betrachten Interkulturalität in dieser Hinsicht als „Voraussetzung einer dritten gemeinsamen Kultur“ (Reza/Braun 2010: 7). Wierlacher schließt sich dieser Meinung an, indem er Interkulturalität als einen „Interaktionsmodus [ansieht], „der eine Überschneidungsfläche schafft“ (Wierlacher 2010: 260). Diese gemeinsame Kultur, wie es Yousefi und Braun bezeichnen, oder Überschneidungsfläche bei Wierlacher wird in der Wirtschaftswissenschaft und von Jürgen Bolten jeweils als Dazwischen (Vgl. Ebd.: 260) und Interkultur bzw. dritte Kultur (J. Bolten 2007b: 22) bezeichnet. Bolten zufolge entspricht sie weder der Kultur des Eigenen noch der des Fremden vollkommen (Ebd.: 22).
Es soll allerdings darauf hingewiesen werden, dass diese dritte Kultur erst mithilfe einer Kompetenz zustande kommen kann, die man als interkulturelle Kompetenz bezeichnet.
1.4 Interkulturelle Kompetenz
Der Begriff „Kompetenz“ verweist auf ein Ensemble von (deklarativen) Wissen15, prozeduralen Fertigkeiten und individuellen Eigenschaften und Einstellungen, die einem ermöglichen, Handlungen zu vollziehen (Vgl. Europarat 2001: 21).16 Was aber die interkulturelle Kompetenz angeht, geht es um einen sehr komplexeren Begriff. Heutzutage wächst das Interesse an wissenschaftlichen Forschungen, die auf die interkulturelle Kompetenz eingehen. Aber es herrscht bis dahin keine noch gut feststehende Definition dieses Begriffs. In der großen Anzahl an Definitionen der interkulturellen Kompetenz geht es darum, sei es implizit oder explizit ausgedrückt, dass man damit, Effektivität und Angemessenheit im Austausch mit Fremden erreicht (Vgl. Straub 2010: 17). So besteht interkulturelle Kompetenz Barbara Hatzer und Gabriel Layes zufolge in der Beschreibung der Fähigkeit mit Angehörigen anderer Kulturen adäquat und effektiv zu interagieren; dies auf der Grundlage bestimmter Haltungen und Einstellungen (Hatzer/G. Layes 2005: 138)17. Aus dieser Konzeption ergibt sich folgendes: effektiv und adäquat bzw. angemessen im Interaktionsprozess zwischen zwei Partnern mit kultureller Differenz handeln, heißt, dass jeder je nach vorliegenden Umständen die kulturbedingten Begebenheiten seines Partners in großem Umfang in Kauf nehmen muss, damit kulturbedingte Missverständnisse und Konflikte vermieden oder überwunden werden können. Dies verlangt auch, dass man persönlich bezogene Fertigkeiten aufbringt und situationsbedingte Phänomene kritisch behandelt.
Bredella, Meißner, Nünning und Rösler sind sich dessen bewusst, dass der Kontakt zwischen dem Fremden und dem Eigenen zu Interferenzen18 führt. Sie stimmen demgemäß einer Definition der interkulturellen Kompetenz zu, die über die Fähigkeit, adäquat und flexibel gegenüber den Anderen zu handeln, hinausgeht und auf der Bewusstwerdung kultureller Differenzen beruht, wobei die kulturelle Herkunft aufrechterhalten bleibt (Vgl. Wierlacher 2003: 258).
In vielen wissenschaftlichen Arbeiten, die den Versuch unternehmen, den Begriff interkulturelle Kompetenz zu klären, wird die von Alexander Thomas, dem bekanntesten deutschen Wissenschaftler auf dem Gebiet der Psychologie interkulturellen Handelns, vorgelegte Definition immer herangezogen. Dies lässt sich dadurch erklären, dass seine Definition wesentliche Aspekte und Merkmale dieses Begriffs darstellt. Anders ausgedrückt, stellt Thomas Definition in großem Umfang die Komplexität des Begriffs interkulturelle Kompetenz heraus. Sie lautet:
Interkulturelle Kompetenz zeigt sich in der Fähigkeit, kulturelle Bedingungen und Einflussfaktoren im Wahrnehmen, Urteilen, Empfinden, und Handeln bei sich selbst und bei anderen Personen zu erfassen, zu respektieren, zu würdigen und produktiv zu nutzen im Sinne einer wechselseitigen Anpassung von Toleranz gegenüber Inkompatibilitäten und einer Entwicklung hin zu synergieträchtigen Formen der Zusammenarbeit, des Zusammenlebens und handlungswirksamer Orientierungsmuster in Bezug auf Weltinterpretation und Weltgestaltung (Thomas 2003: 39).19
Thomas‘ Auffassung der interkulturellen Kompetenz erhebt keinen Anspruch darauf, dass alles wie geschmiert laufen soll, das heißt interkulturelle Kompetenz „meint nicht alles und jedes gut zu heißen“ (Straub et al. 2010: 18). Manchmal gibt es Inkompatibilitäten, die eher durch Toleranz und Respekt überwunden werden sollen. Diese Inkompatibilitäten, als Konsequenz eines Kulturschocks, betonen somit den hohen Stellenwert, den Thomas im Interaktionsprozess der eigenen Kultur einräumt. Tatsächlich sei die interkulturelle Kompetenz ohne Kenntnis eigener Kultur nicht zu erreichen. Honnef-Becker stimmt dieser Meinung zu, indem sie den guten Umgang mit eigener Kultur als die wichtigste Teilkompetenz betrachtet, die im (interkulturellen) Lernprozess zu berücksichtigen sind. Sie äußert sich folgendermaßen: „Im [interkulturellen] Lernprozess sind dabei unterschiedliche Teilkompetenzen zu berücksichtigen; zum einen die Fähigkeit, in die eigene Kultur hineinzublicken und sich den eigenen Standort bewusst zu machen [.].“ (Honnef-Becker 2006: 47).
Es sei an dieser Stelle mithilfe verschiedener Auffassungen einiger Forscher auf dem Gebiet der interkulturellen Kommunikation eine Übersicht über das Konzept interkulturelle Kompetenz gegeben. Diese kann gerade ein Verständnis des Begriffs sichern. Ein theoretisches Modell zu einem so komplexeren Begriff, der sich als ein theoretisches Konstrukt ansehen und „aus vielerlei psychischen Dispositionen, Wissensbeständen, Fähigkeiten und Fertigkeiten zusammensetz[en]“ (Straub et al. 2010: 18) lässt, erweist sich nichtsdestoweniger von erheblicher Relevanz. Das Modell ermöglicht eine etwas konkretere und erheblich differenzierte Vorstellung von den anderen Dimensionen, die dabei ins Spiel kommen. Außerdem ist die Relevanz dieses Modells für die vorliegende Arbeit, die Anspruch auf die Förderung dieser Kompetenz erhebt, unbestritten. Zu diesem Zweck wird Boltens Modell herangezogen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1 : Boltens Komponentenmodell interkultureller Kompetenz (2006: 63)
Boltens Modell der interkulturellen Kompetenz macht sie nicht zu einem eigenständigen Kompetenzbereich, sondern zu einem Bündel von vielfältigen Anforderungen sowohl auf der affektiven, kognitiven sowie auf der verhaltensbezogenen Dimension, das jeweils eine Kombination aus Wissensbeständen, Fertigkeiten, Fähigkeiten und sogar auch Einstellungen und Dispositionen darstellt.
Die erste Ebene, nämlich die affektive oder emotionale Dimension geht in der Toleranz (Ambiguitäts- und Frustrationstoleranz) auf. Die Ambiguitätstoleranz ist hierbei wichtiger. Damit wird die Fähigkeit gemeint, das Spannungsverhältnis leiden zu können, das wegen der Verschiedenartigkeit entsteht (Bolten 2007b: 113). Dank dieser Toleranz kann der interkulturell kompetente Mensch Respekt vor anderen Lebensformen haben und infolgedessen die Empathie entwickeln, die auch relevant für diese Dimension ist. Außerdem muss sich der interkulturell kompetente Mensch flexibel zeigen und über die interkulturelle Lernbereitschaft verfügen, die ihm ermöglicht, interkulturelle Situationen nicht als Bedrohung oder Leid, sondern als Lernsituationen wahrzunehmen (Vgl. Ebd.: 113), damit er sich über
den anderen im Klaren ist. Vorurteile sind laut dieser Ebene verwerflich. Laurenz Volkmann zufolge manifestiert sich diese Dimension konkret in der gelebten Begegnung mit dem Fremden (Volkmann 2010: 333).
Was die kognitive Dimension angeht, „[.]fokussiert sie primär das Aneignen von Wissensbeständen der Zielkultur(en) [.]“(Ebd.: 332). Sie umfasst theoretisches Wissen über das Kulturphänomen und dessen Funktionieren. Dazu kommen fremd- und eigenkulturelle Kenntnisse, die mit der Fähigkeit verkoppelt sind, die zwischen den beiden Kulturen bestehenden Unterschiede zu verstehen, wobei dies die fremdkulturelle Kompetenz voraussetzt. Die fremdkulturelle Kompetenz nimmt in der Tabelle Bezug auf das bzw. befähigt zum Verständnis fremdkultureller Handlungszusammenhänge.
Die letzten Komponenten dieser Dimension beziehen sich sowohl auf die Fähigkeit, die Besonderheiten der interkulturellen Kommunikationsprozesse zu verstehen, sowie Metakommunikationsfähigkeit. Die Metakommunikationsfähigkeit verweist auf die Fähigkeit, über Kommunikationsprozesse zu reflektieren oder auf die „Probleme, die im interkulturellen Handeln auftreten mit allen Beteiligten früh genug und in angemessener Weise thematisieren können“ (Bolten 2007b: 113). Sie ist eine relevante Komponente dieser Dimension, insofern als sie auf einem Verarbeitungsprozess beruht, der die Kognition in großem Umfang evoziert. Es geht darum, die Handlungs- bzw. Verhaltensweisen und die Einstellungen des Interaktionspartners unter Bezugnahme auf die bereits erworbenen kulturspezifischen Kenntnisse angemessen zu erfassen.
Auf der verhaltensbezogenen oder konativen Ebene streben all die Komponenten demselben Ziel zu. Es handelt sich darum, den Willen, die Bereitschaft und die Fähigkeit zu haben, Beziehungen und Vertrauen zu dem Fremden aufzubauen. Die Kommunikationsfähigkeit, die die Kenntnisse der Fremdsprache und die Erklärungsfähigkeit in Bezug auf eigen-, ziel- und interkulturelle Interaktionszusammenhänge (Vgl. Bolten, 2007a: 7) umfasst, ist laut der kognitiven Dimension oder auch dem ganzen Modell nur als eine Disposition anzusehen, die in Kombination mit vielen anderen sein muss, um einen angemessenen Austausch mit dem Fremden zu garantieren. Sie ist auch als eine Fähigkeit bzw. eine Disposition aufzufassen, „[.] kommunikativ auf andere zuzugehen, Beziehungen aufbauen und Kommunikationsnetzwerke errichten zu können“ (Bolten 2007b: 113). So lässt sich ihr Wert dann vor allem in kritischen Situationen ermitteln, woraus man sich am liebsten zurückziehen würde (Vgl. Ebd.: 113). So gesehen erscheint die interkulturelle Kompetenz als eine Realität, die in großem Umfang nicht nur auf Kenntnisse über Kulturen oder Lebensformen, sondern vielmehr auf das Individuum selbst sehr bezogen ist, denn auch der kompetente Umgang mit eigenen Gefühlen, Bewertungen, Akzeptanzschwellen und Flexibilitätspotentialen spielt dabei eine unerlässliche Rolle (Friesenhahn 2006: 9). Außerdem impliziert die interkulturelle Kompetenz nicht, dass die drei erwähnten Dimensionen, aus denen sie besteht, unbedingt im Gleichgewicht gebraucht werden (Vgl. Ebd.: 7). Das Wichtigste besteht eher darin, dass der Verlauf interkultureller Begegnungs- und sogar auch kulturunabhängiger Situationen (Vgl. Ebd.: 7) angemessen und erfolgreich zuwege gebracht wird. Auf Grund der Komplexität interkultureller Kompetenz, wird im nächsten Teil vorangestellt, wie daran gearbeitet werden kann.
2 THEORETISCHE ÜBERLEGUNGEN ZUR FÖRDERUNG INTERKULTURELLER KOMPETENZ
Hauptziel vorliegenden Teils besteht darin, darauf einzugehen, wie interkulturelle Kompetenz erworben werden kann. Aber bevor das gemacht wird, ist es zunächst erforderlich, die Relevanz dieser Kompetenz zu rechtfertigen.
2.1 Zur Relevanz interkultureller Kompetenz
2.1.1 Allgemeine Relevanz der interkulturellen Kompetenz
Die heutzutage globalisiert gewordene und durch politische, wirtschaftliche sowie kulturelle Entwicklungen gekennzeichnete Welt, in der wir leben, führt immer mehr dazu, dass Kontakte zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen rasant zunehmen. Diese Kontakte können dann erfolgreich sein, wenn sich die Menschen gegenseitig verständigen und richtig miteinander umgehen können. Die interkulturelle Kompetenz, die Christoph Scher als Voraussetzung für die Entdeckung des Gemeinsamen in auftretenden Land- und Kulturunterschieden (Scher 2011: 10) ansieht, stellt sich in diesem Zusammenhang als eventuelles „Heilmittel“ gegen Konflikte heraus, die mit kultureller Differenz zusammenhängen. Dies lässt sich dadurch erklären, dass sie an der gegenseitigen Verständigung zwischen Menschen mitwirkt, indem sie über Kenntnisnahme der eigenen und fremden Kultur hinausgeht, um Überschneidungen zu finden.
Außerdem betonen Wolfgang Fritz und Antje Möllenberg die große Bedeutung der interkulturellen Kompetenz in der (Betrieb)Wirtschaft, wenn sie bekannt geben, „international engagierte deutsche Großunternehmen [sähen] in der interkulturellen Kompetenz von Managern eine wesentliche Vorbedingung für ihren Erfolg auf Auslandsmärkten“(Fritz/Möllenberg 1999: 4). Thomas Alexander pflichtet ihnen bei und sieht sogar den Mangel an interkultureller Kompetenz als eine Gefahr an. Dies rechfertigt er dadurch, dass man ohne diese Kompetenz Geschäfte verliert und sogar Schwierigkeiten mit ausländischen Mitarbeitern hat (Thomas 2003: 137).21 So gesehen wird die interkulturelle Kompetenz in der heutigen Welt in vielen anderen Lebensbereichen und Berufstätigkeiten zu einer Schlüsselqualifikation gemacht, ohne deren Unterstützung man im Dunkeln tappt.
[...]
1 Zitiert nach Honnef-Becker 2006: 13
2 Unter fremdkultureller Kompetenz versteht man die Fähigkeit zum Verstehen der Besonderheiten des jeweiligen anderen strategischen Vorgehens (Vgl. Bolten 2007a: 7f).
3 In seiner Unterscheidung zwischen formellem oder instruiertem und informellem oder inzidentellem Lernen weist Straub darauf hin, dass sich informelles Lernen dadurch charakterisiert, dass es außerhalb von selbst eingerichteten und demzufolge kontrollierbaren didaktischen Kontexten läuft, wobei man gern oder ungern an Erfahrungen gewinnt; im Gegensatz zum formellen Lernen, bei dem sich alles in eigens eingerichteten und institutionellen didaktischen Kontexten abspielt. (Vgl. Straub 2010: S. 38f)
4 Auch der Literaturwissenschaftler Gouaffo wirft der Universität Yaoundé I in einem seiner wissenschaftlichen Beiträge vor, dass sie bisher eine monolingual und monokulturell orientierte Germanistik fördert. Vgl. Gouaffo 2014: 246
5 Mit dem Begriff „interkulturelles Lernprogramm“ wird eine Lehrveranstaltung gemeint, deren Hauptziel die Auseinandersetzung mit theoretischen Konzepten und Überlegungen zur interkulturellen Kommunikation ist.
6 Selbst in Deutschland, wo Ausländer schon die Möglichkeit haben, diese interkulturelle Kompetenz im Alltag natürlich bzw. ungesteuert zu erwerben, werden sie im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts immer noch dazu trainiert. Diese fortdauernde Notwendigkeit zum interkulturelle Trainieren -die sich am Anfang in Deutschland durch den Kontext der Arbeitsmigration in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erklären lässt- hat sogar zu einem Forschungsfeld bzw. zur Entwicklung einer neuen Disziplin geführt, nämlich der interkulturellen Pädagogik. Auf die Leitmotive dieser relativ neuen Disziplin geht einer ihrer Hauptvertreter und zwar Georg Auernheimer in seiner Einführung in die interkulturelle Pädagogik(2008) ein. Diese bestehen ihm zufolge erstens in dem Eintreten für die Gleichheit aller, ungeachtet der Herkunft; zweitens in der Haltung des Respekts vor Andersheit; drittens in der Befähigung zum interkulturellen Verstehen und letzten Endes in der Befähigung zum interkulturellen Dialog (Vgl. Honnef-Becker 2006: 12).
7 Auf diese beiden theoretischen Überlegungen zum Begriff interkulturelle Kompetenz stützt sich im Besonderen der theoretische Rahmen vorliegender Forschungsarbeit.
8 Zitiert nach Traore 2008: 73
9 Zitiert nach Enama 2009: 7
10 Zitiert nach Heringer 2014: 190
11 Im zweiten Kapitel wird auf diese vom interkulturellen Lernen verfolgten Ziele eingegangen.
12 Zitiert nach Zange 2007: 6
13 In Anlehnung an Sumner lässt sich der Begriff Ethnozentrismus als jene Weltanschauung begreifen, nach der die eigene Gruppe das Zentrum aller Dinge ist und alle anderen im Hinblick auf sie einstuft und bewertet werden (http://www.transkulturellepsychiatrie.de/pdf/SM-Ethnozentrismus%20Svejda2-06.pdf, 14. 02. 16)
14 Zitiert nach Wierlacher 2003: S. 259
15 Als deklaratives Wissen gelten hier Faktenwissen bzw. Kenntnisse über bestimmte Sachen, die durch die Lernenden beschreibbar sind.
16 Zitiert nach Ende et al. 2013: 19
17 Zitiert nach Nyemb 2014: 117
18 In der Fremdsprachendidaktik wird als Interferenz die Tatsache gemeint, dass Elemente der Ausgangssprache einen negativen Einfluss auf den Erwerb der Zielsprache haben. Im Kontext der Interkulturalität kann man sagen, dass dieser Einfluss nicht mehr nur von Elementen der Ausgangssprache, sondern von der Ausgangskultur im Allgemeinen geübt wird und den Austausch mit dem Fremden erschwert.
19 Zitiert nach Straub et al. 2010: 18
21 Zitiert nach Bredella 2010: 100f
20 Zitiert nach Ebd.: 19
- Quote paper
- Guilin Feugang Siegni (Author), 2016, Interkulturelle Kompetenz in der Ausbildung von DaF-Lerhkräften. Bestandsaufnahme und Perspektiven zur Förderung interkulturellen Lernens, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1364575
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