Die Finanzmarktkrise im Jahr 2007/2008 verdeutlicht die negativen Auswirkungen, die eine inkorrekte Bilanzierung von Wertpapieren mit sich bringen kann. In Zeiten der weltweiten Coronapandemie ist die Zeitwertbilanzierung erneut präsent. Mit der vorliegenden Arbeit wurde die Zeitwertbilanzierung von Wertpapieren einer Gesamtbeurteilung unterzogen.
Durch eine Literaturarbeit wurden die Unterschiede sowie die Stärken und Schwächen der Zeitwertbilanzierung nach HGB und IFRS, unter besonderer Berücksichtigung des IFRS 9, gründlich herausgearbeitet. Zudem wird die inhärente Frage beantwortet, ob die jeweiligen Regelungen im Hinblick auf deren Zielsetzungen zweckmäßig sind.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Permanente Herausforderung des Zeitwerts in der Bilanzierungspraxis...
2 Zugrunde liegende Zwecksetzungen
2.1 Grundlagen der Bilanzierung nach HGB
2.2 Grundlagen der Bilanzierung nach IFRS
3 Wertpapiere
4 Zeitwert als Wertmaßstab
4.1 HGB
4.2 IFRS
5 Zeitwertbilanzierung von Wertpapieren nach HGB
5.1 Ansatz und Ausweis
5.2 Bewertung
5.2.1 Zugangsbewertung
5.2.2 Folgebewertung
5.2.3 Sonderfall: Finanzinstrumente des Handelsbestands bei Banken
5.3 Kritische Würdigung der bestehenden handelsrechtlichen Regelungen ...
6 Zeitwertbilanzierung von Wertpapieren nach IFRS
6.1 Zielsetzung und Anwendungsbereich
6.2 Zugangsbewertung und relevante Bewertungsmaßstäbe
6.3 Folgebewertung und die Klassifizierungen
6.3.1 Klassifizierung
6.3.2 Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten (amortised cost)
6.3.3 Erfolgsneutrale Bewertung zum beizulegenden Zeitwert (fair value through other comprehensive income)
6.3.4 Erfolgswirksame Bewertung zum beizulegenden Zeitwert (fair value through profit and loss)
6.4 Wertminderung nach IFRS 9
6.5 Kritische Würdigung der bestehenden IFRS-Regelungen
7 Zusammenfassung der Ergebnisse mit einem kurzen Au s b l i ck
Literaturverzeichnis
Gesetzesverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Bemessungshierarchie zur Ermittlung des fair value nach IFRS
Abbildung 2: Niederstwertprinzip im Rahmen der außerplanmäßigen Abschreibung
Abbildung 3: Klassifizierungen nach IFRS 9
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Permanente Herausforderung des Zeitwerts in der Bilanzierungspraxis
Eine Kombination aus unterschiedlichen Ursachen wird als Auslöser für die Finanzkrise im Jahre 2007/2008 gesehen.1 Darunter zählt das ausgeprägte Prestigedenken der Amerikaner in Verbindung mit der hohen Bereitschaft, Kredite aufzunehmen.2 Aufgrund des damaligen Niedrigzinsniveaus war es selbst Bürgern mit geringem Eigenkapital möglich, Kredite in Anspruch zu nehmen. Die Immobiliennachfrage sowie die Immobilienpreise stiegen. Die Forderungen der Kreditnehmer wurden als verbrieftes Finanzprodukt zunächst gebündelt und schließlich als Wertpapiere weiterver- kauft.3 Bei einer Zahlungsunfähigkeit der Kunden würden die hohen Immobilienpreise genug Sicherheit bieten.4 Deshalb schätzten Ratingagenturen im Rahmen einer Risikobewertung das Wagnis der Wertpapiere zu optimistisch ein und versahen diese mit erheblich überschätzten Bewertungen. Am boomenden Wertpapiergeschäft wollten viele Banken weltweit teilhaben, denn die Kreditinstitute konnten durch den Bilanzausweis der Wertpapiere eine äußerst positive Eigenkapitalquote aufweisen. Doch die US-Notenbank beendete die Niedrigzinsphase und erhöhte den Leitzins. Da die Hausbesitzer einen variablen Zins der aufgenommenen Kredite vereinbart hatten, konnten diese ihre Schulden nicht mehr begleichen. Daraufhin wurden die Immobilien von den Banken zwangsversteigert. Der Angebotsüberschuss führte zu einem extremen Wertverlust der Hypotheken. Da die Privatpersonen zu wenig Eigenkapital hatten, erwiesen sich auch die forderungsbesicherten Wertpapiere als wertlos. Die hohen Eigenkapitalquoten der Banken waren nur eine künstliche Aufblähung durch Scheingewinne. Viele Banken mussten Abschreibungen in Milliardenhöhe durchführen und brachen ein. Mit der Insolvenzanmeldung der Investmentbank Lehman Brothers im Jahre 2008 wurden die weitreichenden Auswirkungen erkannt. Bis heute werden die mächtig überbewerteten - zum fair value bilanzierten - Wertpapiere als Brandbeschleuniger für die Bankenkrise in Europa gesehen.5
Das Beispiel der Finanzmarktkrise verdeutlicht die negativen Auswirkungen, die eine inkorrekte Bilanzierung von Wertpapieren mit sich bringen kann. Heute, in Zeiten der weltweiten Coronapandemie, ist die Zeitwertbilanzierung erneut präsent.6 Daher rührt die Intention, die Zeitwertbilanzierung von Wertpapieren einer Gesamtbeurteilung zu unterziehen.
Die vorliegende Bachelorthesis soll durch eine Literaturarbeit die Unterschiede der Zeitwertbilanzierung am Beispiel von Wertpapieren nach Handelsgesetzbuch (HGB) und international financial reporting standards (IFRS), unter besonderer Berücksichtigung des IFRS 9, herausarbeiten. Zudem wird die inhärente Frage beantwortet, ob die jeweiligen Regelungen im Hinblick auf deren Zielsetzungen zweckmäßig sind. Hierfür wird der Leser zunächst in die jeweiligen Zwecksetzungen nach HGB und IFRS eingeführt. Darauf folgt eine Definition von Wertpapieren, um ein grundlegendes Verständnis für alle weiteren Kapitel der vorliegenden Arbeit zu gewährleisten. Die Erklärung, inwiefern der Zeitwert als Wertmaßstab gesehen wird, soll eine Brücke zu den nachfolgenden Hauptkapiteln fünf und sechs schlagen. Hierin liegt der Kern der Arbeit. Die Zeitwertbilanzierung nach HGB und IFRS wird zunächst erläutert. Dann werden Stärken sowie Schwächen der bestehenden Regelungen in den Kapiteln 5.3 und 6.5 kritisch gewürdigt. Die Bachelorthesis endet abschließend mit einer Zusammenfassung der gewonnen Erkenntnisse und liefert einen kurzen Zukunftsausblick.
Es ist ausdrücklich anzumerken, dass die vorliegende Arbeit eine kritische Analyse der Zeitwertbilanzierung nach HGB und IFRS am Beispiel von Wertpapieren darstellt und sich alle Ausführungen ausschließlich auf die Aktivseite begrenzen. Um eine vollumfängliche Kritik der Regelwerke darlegen zu können, wäre eine zusätzliche Erörterung von sonstigen Unterschieden anhand anderer Beispiele vonnöten. Insbesondere nicht thematisiert wird das Regelwerk der Amerikaner (united states generally accepted accounting principles (US-GAAP)) und die Rechnungslegungspraxis in Großbritannien (united kingdom generally accepted accounting principles (UK- GAAP)). Diese Punkte werden außer Acht gelassen, da es den Rahmen der Bachelorthesis übersteigen würde.
2 Zugrunde liegende Zwecksetzungen
2.1 Grundlagen der Bilanzierung nach HGB
Grundsätzlich ist laut HGB jeder Kaufmann dazu verpflichtet, Bücher zu führen.7 Die Handelsgeschäfte und die Vermögenslage sollen dadurch ersichtlich gemacht werden. Die Dokumentation des Jahresabschlusses ist die primäre Grundlage und Voraussetzung für alle weiteren Jahresabschlussfunktionen.8 Im Falle von Rechtsstreitigkeiten ist diese Dokumentation ein bedeutsames Beweismittel, womit sich ein Unternehmen verteidigen kann, denn durch die Dokumentation können alle getätigten Geschäftsvorfälle nachvollzogen werden.9 Somit hat die Erstellung eines Jahresabschlusses eine unentbehrliche Dokumentationsfunktion. Als Grundlage für die jährliche Gewinnausschüttung an die Eigentümer sowie für die Besteuerung eines Unternehmens wird der Jahresabschluss herangezogen und hat daher eine wichtige Zahlungsbemessungsfunktion. Des Weiteren hat eine Jahresabschlusserstellung die Funktion der Rechenschaft.10 Das Management muss Rechenschaft gegenüber sich selbst und gegenüber Dritten ablegen. Der handelsrechtliche Jahresabschluss soll ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens vermitteln.11 Somit wird der Kaufmann dazu gezwungen, sich regelmäßig mit den finanziellen Verhältnissen seines Unternehmens auseinander zu setzen.12 Außerdem soll es verschiedenen Interessengruppen möglich sein, allein auf der Grundlage der objektiv gegebenen Informationen, Entscheidungen in Bezug auf das Unternehmen rational zu treffen.13 Beispielsweise legen Geschäftspartner dadurch ihre Konditionen fest oder Banken beurteilen, ob eine risikoarme Kreditvergabe möglich ist.
Um ein realistisches Bild über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens darstellen zu können, wurden die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchfüh- rung festgelegt. Diese sind von allen Kaufleuten gleichermaßen zu beachten und stellen Ergänzungen zu dem schriftlich fixierten Gesetz dar.14 Nachfolgend werden ausgewählte Grundsätze beschrieben, die für das weitere Verständnis der Bachelorthesis von großer Bedeutung sind. Dazu gehört der Grundsatz der Vorsicht, der Realisationsgrundsatz sowie der Imparitätsgrundsatz. Keinesfalls sind die genannten Grundsätze eine vollständige Liste aller relevanten Vorschriften. Eine vollständige Ausführung würde den Rahmen dieser Arbeit überschreiten.15
Der Grundsatz der Vorsicht spielt im Handelsrecht eine überragende Rolle und wird ferner im Realisations- und Imparitätsgrundsatz deutlich.16 Allerhöchste Priorität im Handelsrecht hat der Gläubigerschutzgedanke.17 Damit in Verbindung stehend soll der Grundsatz der Vorsicht gewährleisten, dass ein Unternehmen in der Lage ist, Schulden zurückzuzahlen - auch im Falle einer Insolvenz. Durch eine vorsichtige Bewertung von Vermögensgegenständen wird das Vorsichtsprinzip umgesetzt. Der Kaufmann darf sich nicht reicher machen, als er eigentlich ist. Des Weiteren darf mit noch nicht veräußerten Vermögensgegenständen kein bilanzieller Gewinn verbunden sein.18 Sobald eine Veräußerung mit zusätzlichem Ertrag stattfindet, darf dieser erst bilanziert werden, wenn er durch den zugehörigen Umsatz verwirklicht worden ist.19 Die bloße Annahme eines Ertrags ist als Anlass für die Aufnahme in der Bilanz nicht ausreichend. Dieser Grundsatz wird im Handelsrecht Realisationsprinzip genannt. Doch bei zu erwarteten Ausfällen gilt das Realisationsprinzip nicht. Stattdessen greift das Imparitätsprinzip. Wertminderungen im Sinne künftiger Verluste werden nicht erst bei deren Entstehung erfasst, sondern sobald diese absehbar sind. Im Vordergrund steht wieder, dass ein zu hoher Gewinnausweis vermieden und das Vorsichtsprinzip erfüllt wird.
2.2 Grundlagen der Bilanzierung nach IFRS
Der Sinn und Zweck des Jahresabschlusses nach IFRS besteht darin, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie deren Veränderung im Zeitablauf zu vermitteln und somit entscheidungsnützliche Informationen bereit zu stellen.20 Im Vordergrund stehen die Informationsbedürfnisse der Investoren. Den Kapitalgebern soll es möglich gemacht werden, eine Prognose über die künftige Leistungsfähigkeit des Unternehmens abzugeben. Daraus abgeleitet entscheiden diese über Erwerb, Halten und Veräußerung von Un- ternehmensanteilen.21 Um die künftigen Zahlungen des Unternehmens korrekt beurteilen zu können, muss eine Informationsvergleichbarkeit in Kombination mit einer hohen Transparenz bestehen.22 Keine Aufgabe eines Jahresabschlusses nach IFRS ist es, den exakten Wert eines Unternehmens widerzuspiegeln. Er hat somit auch keine Ausschüttungs- oder Steuerbemessungsfunktion.23
Die zugrundeliegende Annahme der internationalen Rechnungslegung ist die der Unternehmensfortführung in Verbindung mit dem Konzept der Periodenabgrenzung.24 Die Annahme der Unternehmensfortführung drückt aus, dass davon ausgegangen wird, dass das bilanzierende Unternehmen seine Geschäftstätigkeit in der absehbaren Zukunft fortführen wird.25 Das Konzept der Periodenabgrenzung bedeutet, dass im Jahresabschluss Aufwendungen und Erträge unabhängig von ihren Zahlungszeitpunkten in der entsprechenden Periode, die sie betreffen, berücksichtigt werden.26 Ausschlaggebend ist der wirtschaftliche Entstehungszeitpunkt. Abschlüsse, die nach dem Konzept der Periodenabgrenzung erstellt werden, liefern den Adressaten zusätzlich zu den Informationen über vergangene Geschäftsvorfälle inklusive deren Zahlungen auch solche über künftige Zahlungsverpflichtungen. Außerdem werden Ressourcen aufgezeigt, welche in der Zukunft zu Zahlungsmittelzuflüssen führen. Das sind Auskünfte, die für die Adressaten wichtige Entscheidungshilfen darstellen.
3 Wertpapiere
Da die vorliegende Arbeit die Zeitwertbilanzierung am Beispiel von Wertpapieren analysiert, wird durch das folgende Kapitel ein grundlegendes Verständnis gewonnen. Es wird beschrieben, was Wertpapiere sind und was sie implizieren, wie der Börsenkurs zustande kommt und es werden konkrete praxisrelevante Beispiele genannt.
Wertpapiere sind Urkunden, die private Vermögensrechte verbriefen.27 Durch die Urkunden können Anteils-, Mitsprache- und Bezugsrechte oder Forderungsrechte ausgeübt werden. Wobei die Rechte an den Besitzer der Urkunde gebunden sind. Der Gläubiger ist dazu befähigt, durch Vorlegen der Urkunde sein Recht geltend zu machen. Der Schuldner ist nur bei Vorlage der Urkunde zur Leistung verpflichtet. Allerdings wird heutzutage die Besitzurkunde nicht mehr in gedruckter Form ausgehändigt, sondern digital im Wertpapierdepot hinterlegt.28
Nach BAETGE/KIRSCH und THIELE sind typische Beispiele für Wertpapiere Aktien, Anleihen, Obligationen oder auch Schuldverschreibungen.29 KÜHN und KÜHN sind der Meinung, dass unter den Begriff der Wertpapiere Aktien, Anleihen, Schecks und Wechsel zählen.30 KREUZER reduziert sich hingegen nur auf Aktien und Anleihen.31 Die größte Schnittmenge der unterschiedlichen Autorenmeinungen, welche Beispiele unter den Begriff der Wertpapiere fallen, sind Aktien und Anleihen. Weshalb sich die vorliegende Arbeit auf jene begrenzt.
Der Börsenkurs definiert den an der Börse festgelegten Preis für eine Aktie.32 Durch Computersysteme der Börse werden in der heutigen Zeit Angebot und Nachfrage zusammengeführt. Der Kurs steht niemals still und ist ständigen Schwankungen ausgesetzt. In einem Augenblick kann der Aktienkurs eines Unternehmens steigen.33 Andererseits kann es auch passieren, dass die Aktie eines Unternehmens von der Anlegermasse falsch eingeschätzt wird. Somit könnten viele Investoren ihre Anteile verkaufen und der tatsächliche Wert bricht ein.
Aus der Sicht eines Unternehmens sind Aktien Eigenkapitalanteile in Form eines Wertpapiers.34 Ein Aktienkäufer stellt einer Aktiengesellschaft Kapital zur Verfügung und erhält dafür Anteile und Anteilsrechte am Grundkapital des Unternehmens und ist somit Miteigentümer. Dadurch haben Aktionäre ein Mitsprache- und Abstimmungsrecht bei der jährlichen Hauptversammlung.35 Hier erteilt der Vorstand Auskunft über die Unternehmensentwicklung, die Planung und die Verwendung des Geschäftsergebnisses. Bei einem einvernehmlichen Beschluss der Kapitalerhöhung hat der Aktionär ein Bezugsrecht auf die jungen Aktien. So soll sichergestellt werden, dass deren Gesamtanteil am Unternehmen derselbe bleiben kann wie vor der Kaitalerhöhung. Insofern das Unternehmen einen Jahresgewinn ausweist, werden die Aktionäre in Form von Dividendenausschüttungen am Gewinn beteiligt. Das finanzielle Risiko ist dabei ohne persönliche Haftung auf den jeweiligen Einsatz begrenzt. Bei einer Unternehmensauflösung oder bei dem Verkauf von Vermögenswerten, haben Aktionäre entsprechend ihres Aktienanteils Anspruch auf einen Teil des Liquidationserlöses.
Anleihen sind festverzinsliche Wertpapiere, die eine fixe Laufzeit haben.36 Sie werden von Banken, Unternehmen oder auch von Einrichtungen der öffentlichen Hand herausgegeben und an der Börse gehandelt. Im Unterschied zu Aktien werden Anleihekäufer zum Gläubiger und leihen dem Staat oder einem Unternehmen Geld.37 Aufgrund des Forderungsrechts erhält der Anleger am Ende der Laufzeit sein Geld zuzüglich Zinsen zurück. In den Anleihebedingungen ist der Zinssatz festgelegt. Durch den handelsrechtlichen Gläubigerschutz werden bei einem Konkurs des Unternehmens die Anleihekäufer als Kreditgeber vorrangig behandelt.38 Im Gegensatz zu den Aktien haben Anleiheinhaber kein Stimmrecht bei der Hauptversammlung, da diese keine Mitinhaber des Unternehmens sind.39
4 Zeitwert als Wertmaßstab
4.1 HGB
Im Handelsrecht ist eine Unterscheidung zwischen dem beizulegenden Wert und dem beizulegenden Zeitwert unerlässlich.40 Während der beizulegende Wert als Hilfestellung für die Bewertungskorrektur dient, ist Letzterer ein eigenständiger Bewertungsmaßstab.
Im Handelsrecht ist von einem niedrigeren Wert die Rede.41 Hiermit ist der sogenannte beizulegende Wert gemeint.42 Eine Anwendung ist nach dem handelsrechtlichen Gesetz nur unterhalb der (fortgeführten) Anschaffungs- und Herstellungskosten möglich. Somit stellt dieser einen reinen Korrekturwert zur Erfassung von Wertminderungen dar.43 Diese imparitätische Handhabung wird auch asymmetrisches Konzept genannt.44 Ob ein niedrigerer Wert am Bilanzstichtag anzusetzen ist, muss aus dem Grundsatz der Vorsicht45 bis zum Ausscheiden eines Bilanzierungsobjektes geprüft werden.46
Bei der Wertermittlung des beizulegenden Werts empfiehlt sich eine Differenzierung zwischen dem Umlauf- und Anlagevermögen.47
Im Umlaufvermögen wird nach § 253 Absatz 4 Satz 1 HGB zum Abschlussstichtag der Börsen- oder Marktpreis präferiert. Bei einem Börsenpreis ist diejenige Börse von Relevanz, an der die Wertpapiere oder Waren gemeinhin ge- und verkauft werden.48 Ein Markt liegt dann vor, wenn an einem abgrenzbaren Ort Waren gleicher Gattung und durchschnittlicher Art und Güte gehandelt werden.49 Der Marktpreis ist jener Preis, der für die Ware an einem naheliegenden Zeitpunkt zum relevanten Stichtag durchschnittlich bezahlt wurde. Falls kein Börsen- oder Marktpreis feststellbar ist, orientiert sich der beizulegende Wert am Beschaffungs- und/oder Absatzmarkt.50 Bei Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen ist ein Beschaffungsmarkt anzunehmen, wohingegen bei Wertpapieren des Umlaufvermögens der Absatzmarkt als Wertmaßstab zur eventuellen Bewertungskorrektur maßgeblich ist.
Bei einem betriebsnotwendigen Vermögensgegenstand des Anlagevermögens wird der Wiederbeschaffungswert am Markt für ein gebrauchtes Anlagegut gleichen Alters und Zustands als beizulegender Wert herangezogen.51 Falls der Vermögensgegenstand selbst erstellt wurde und somit kein Beschaffungsmarkt existiert, kommt der Wiederherstellungswert als Vergleichswert in Betracht.52 Bei nicht mehr betriebsnotwendigen Vermögensgegenständen, die beispielsweise stillgelegt wurden und voraussichtlich nicht mehr in Betrieb genommen werden, wird der vorsichtig bewertete Einzelveräußerungspreis als beizulegender Wert verwendet.53 Der Gesetzgeber betont nicht explizit, dass für den beizulegenden Wert auch im Anlagevermögen der Börsen- oder Marktpreis von Relevanz ist.54 Das liegt daran, dass für das Anlagevermögen äußerst selten ein solcher Preis vorliegt. Explizit für die im Anlagevermögen ausgewiesenen börsennotierten Wertpapiere ist dies manchmal der Fall und somit können diese objektiv mit diesem Wert ermittelt werden.
Nachdem der beizulegende Wert für jegliche Vermögensgegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens herangezogen wird, ist im Handelsrecht die Anwendung des beizulegenden Zeitwerts auf wenige Sachverhalte beschränkt:55 In erster Linie werden Vermögensgegenstände, die ausschließlich der Erfüllung von Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen oder vergleichbaren langfristig fälligen Verpflichtungen dienen (sogenanntes Deckungsvermögen), zu ihrem beizulegenden Zeitwert angesetzt. Außerdem sind Rückstellungen zu wertpapiergebundenen Altersversor- gungsverpflichtungen mit dem beizulegenden Zeitwert dieser Wertpapiere zu berücksichtigen, soweit dieser einen garantierten Mindestbetrag übersteigt.56 Zu guter Letzt werden Finanzinstrumente des Handelsbestands von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten zum beizulegenden Zeitwert bewertet.57
Die zuvor genannten Bewertungsbeispiele stellen eine Ausnahme zur imparitätischen Handhabung dar.58 Weil der beizulegende Zeitwert im Gegensatz zum beizulegenden Wert nicht nach oben begrenzt ist.59
Zur Bestimmung des beizulegenden Zeitwerts hat der Gesetzgeber nach § 255 Absatz 4 HGB eine Art Prioritätensetzung festgelegt. Grundsätzlich hat bei der Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts der Preis Vorrang, welcher sich an einem aktiven Markt bildet.60 Immer wenn von homogenen Gütern ausreichende Transaktionen zwischen unabhängigen Dritten mit einer fortlaufenden Preisfindung gegeben sind und die Informationen für das Unternehmen am Bewertungsstichtag zugänglich sind, liegt ein aktiver Markt vor.61 Marktpreise an einer Börse, von einem Händler oder von einer Aufsichtsbehörde sind leicht und regelmäßig ersichtlich und deshalb zutreffende Beispiele. Falls bei einem bestimmten Bilanzierungsobjekt kein aktiver Markt vorliegt, muss laut § 255 Absatz 4 Satz 2 HGB der beizulegende Zeitwert mit Hilfe allgemein anerkannter Bewertungsmethoden bestimmt werden. Hierfür eignet sich beispielsweise die sogenannte Discounted-Cashflow-Methode.62 Dazu werden die mit dem Bewertungsobjekt in direktem Zusammenhang erwarteten Zahlungsströme auf den Bilanzstichtag abgezinst. Lässt sich der beizulegende Zeitwert weder dem aktiven
Markt entnehmen noch durch allgemein anerkannte Bewertungsmethoden bestimmen, wird der zuletzt auf einem der beiden zulässigen Wege ermittelte Zeitwert her- angezogen.63 Soweit eine verlässliche Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts immer noch nicht möglich ist, sind laut § 255 Absatz 4 Satz 3 HGB die Anschaffungs- und Herstellungskosten fortzuführen.64
4.2 IFRS
Im IFRS 13.9 ist eine Begriffsbestimmung des beizulegenden Zeitwerts gegeben: „... der beizulegende Zeitwert [wird] als der Preis definiert, der in einem geordneten Geschäftsvorfall zwischen Marktteilnehmern am Bemessungsstichtag für den Verkauf eines Vermögenswerts eingenommen [.] [werden] würde.“65 VON EITZEN und ZIMMERMANN ergänzen die Definition des IFRS, indem sie die Marktteilnehmer als sachverständige, vertragswillige und voneinander unabhängige Parteien präzisie- ren.66 Des Weiteren wird im IFRS 13.15 spezifiziert, dass zwischen den Marktteilnehmern am Bemessungsstichtag aktuelle Marktbedingungen herrschen sollen.
Das englische Wort fair value hat im deutschen Sprachgebrauch mittlerweile Akzeptanz gefunden und wird auch in der Literatur äquivalent zu dem deutschen Begriff beizulegender Zeitwert verwendet.67 Deshalb wird fortan der Begriff auch in der vorliegenden Arbeit äquivalent verwendet, wenn es um den beizulegenden Zeitwert nach der internationalen Rechnungslegungsvorschrift geht. Für die Ermittlung des fair value nach IFRS 13 besteht eine hierarchische dreistufige Vorgehensweise.68 Die sogenannte Bemessungshierarchie,69 welche in Abbildung 1 verdeutlicht wird.
[...]
1 Vgl. LIEVEN (2009), S. 116.
2 Vgl., auch im Folgenden, CZAYKOWSKI/WINK/THEISELMANN/GEHRING (2009), S. 43.
3 Vgl. KRASSIN/MAI YEN TRAN/LIEVEN (2009), S. 70.
4 Vgl., auch im Folgenden, KRASSIN/MAI YEN TRAN/LIEVEN (2009), S. 86-92.
5 Vgl. PELLENS/FÜLBIER/GASSEN/SELLHORN (2017), S. 633.
6 Vgl. BÄR/GOEKE/ISELBORN/SCHRIEVER (2020), S. 1179. Neben gesundheitlichen Folgen blieb auch die Wirtschaft von der Coronapandemie nicht unverschont. Die gesamtwirtschaftliche Wirtschaftslage ist getrübt. Positive wie negative Auswirkungen auf die Börse sind noch nicht in vollem Umfang vorhersehbar.
7 Vgl., auch im Folgenden, § 238 Absatz 1 Satz 1 HGB.
8 Vgl. BAETGE/KIRSCH/THIELE (2017), S. 95.
9 Vgl., auch im Folgenden, KREUZER (2013), S. 272.
10 Vgl., auch im Folgenden, BAETGE/KIRSCH/THIELE (2017), S. 98.
11 Vgl. VON EITZEN/ZIMMERMANN (2013), S. 12 f.
12 Vgl. BAETGE/KIRSCH/THIELE (2017), S. 98.
13 Vgl., auch im Folgenden, VON EITZEN/ZIMMERMANN (2013), S. 13.
14 Vgl. COENENBERG/HALLER/MATTNER/SCHULTZE (2018), S. 54.
15 Zu weiteren Grundsätzen der ordnungsmäßigen Buchführung vgl. hierzu ferner auch § 252 Absatz 1 HGB, KREUZER (2013), S. 270 f., BAETGE/KIRSCH/THIELE (2017), S. 144.
16 Vgl. SCHILDBACH/STOBBE/BRÖSEL (2013), S. 156.
17 Vgl., auch im Folgenden, SCHILDBACH/STOBBE/BRÖSEL (2013), S. 156, VON EITZEN/ZIMMERMANN (2013), S. 29.
18 Vgl. VON EITZEN/ZIMMERMANN (2013), S. 30.
19 Vgl., auch im Folgenden, EISELE/KNOBLOCH (2011), S.35.
20 Vgl., auch im Folgenden, ZÜLCH/HENDLER (2017), S. 58 f.
21 Vgl. OLBRICH/NIKOLIS (2012), S. 119.
22 Vgl. LÜDENBACH/CHRISTIAN (2019), S. 1.
23 Vgl. GRÜNBERGER (2019), S. 28.
24 Vgl. ZÜLCH/HENDLER (2017), S. 57, IAS 1.25-1.28.
25 Vgl. ZÜLCH/HENDLER (2017), S. 63.
26 Vgl., auch im Folgenden, ZÜLCH/HENDLER (2017), S. 58 f.
27 Vgl., auch im Folgenden, EISELE/KNOBLOCH (2011), S. 207.
28 Vgl. NDAC INVEST (O. J.).
29 Vgl. BAETGE/KIRSCH/THIELE (2017), S. 322.
30 Vgl. KÜHN/KÜHN (2017), S. 409.
31 Vgl. KREUZER (2013), S. 389.
32 Vgl., auch im Folgenden, KÜHN/KÜHN (2017), S. 132.
33 Vgl., auch im Folgenden, KÜHN/KÜHN (2017), S. 123 f.
34 Vgl., auch im Folgenden, KREUZER (2013), S. 394, KÜHN/KÜHN (2017), S. 122.
35 Vgl., auch im Folgenden, KREUZER (2013), S. 394 f.
36 Vgl., auch im Folgenden, KÜHN/KÜHN (2017), S. 402.
37 Vgl., auch im Folgenden, KÜHN/KÜHN (2017), S. 72 f.
38 Vgl. KREUZER (2013), S. 406.
39 Vgl. DITTRICH (2017), S. 169.
40 Vgl., auch im Folgenden, RICHTER/KÜNKELE/ZWIRNER, Rn. 294.
41 Vgl. §§ 253 Absatz 3 Satz 5 und 253 Absatz 4 Satz 1 HGB.
42 Vgl., auch im Folgenden, FEDERMANN/MÜLLER (2018), S. 424.
43 Vgl. KÜTING/PFITZER/WEBER (2013), S. 217.
44 Vgl. HOMFELDT (2013), S. 104 f.
45 Vgl. hierzu Kapitel 2.1, in welchem die Bedeutsamkeit des Vorsichtsprinzips beigemessen wird.
46 Vgl. SCHILDBACH/STOBBE/BRÖSEL (2013), S. 328 f.
47 Vgl. FEDERMANN/MÜLLER (2018), S. 424.
48 Vgl. BRÖSEL/FREICHEL/WASMUTH, Rn. 115.
49 Vgl., auch im Folgenden, BRÖSEL/FREICHEL/WASMUTH, Rn. 116.
50 Vgl., auch im Folgenden, FEDERMANN/MÜLLER (2018), S. 425 f., BRÖSEL/FREICHEL/WASMUTH, Rn. 118.
51 Vgl. BRÖSEL/FREICHEL/WASMUTH, Rn. 90 f.
52 Vgl. BRÖSEL/FREICHEL/WASMUTH, Rn. 92.
53 Vgl. BRÖSEL/FREICHEL/WASMUTH, Rn. 93.
54 Vgl., auch im Folgenden, HOMFELDT (2013) S. 157.
55 Vgl., auch im Folgenden, BRINKMANN, Rn. 214. In Verbindung mit §§ 253 Absatz 1 Satz 4 und 246 Absatz 2 Satz 2 HGB.
56 Vgl. § 253 Absatz 1 Satz 3 HGB, BRINKMANN, Rn. 214. Zur Erklärung von wertpapiergebundenen Altersversorgungsverpflichtungen vgl. BERTRAM, Rn. 99-102: Jene haben in der Praxis vermehrt Zuspruch gewonnen, da hierfür unter anderem keine kostenpflichtige Pensionsgutachten einzuholen sind. Zu den wertpapiergebundenen Pensionszusagen zählen Versorgungszusagen, deren Höhe dem beizulegenden Zeitwert der Wertpapiere entspricht. Ist die Pensionszusage mit einem garantierten Mindestbetrag verbunden, ist dieser anzusetzen, wenn er höher als der beizulegende Zeitwert ist. Die Mindestleistung wird nach den allgemeinen Vorschriften zur Pensionsverpflichtungsbewertung bestimmt. Der Betrag unterliegt dem Abzinsungsgebot. Als Referenzobjekt für wertpapiergebundene Leistungszusagen zählen alle Wertpapiere, die unter dem Posten Wertpapiere des Anlagevermögens (§ 266 Absatz 2 Buchstabe A. III. 5 HGB) auszuweisen sind.
57 Vgl. § 340e Absatz 3 Satz 1 HGB, BRINKMANN, Rn. 214. In Kapitel 5.2.3 wird genauer auf die Bilanzierungsvorschriften für Banken eingegangen.
58 Vgl. BIEG/KUßMAUL/PETERSEN/WASCHBUSCH/ZWIRNER (2009), S. 77, HOMFELDT (2013) S. 207.
59 Vgl. BRÖSEL/FREICHEL/WASMUTH, Rn. 6.
60 Vgl. FEDERMANN/MÜLLER (2018), S. 456. In der Wirtschaftsprüfung gelten Bestätigungen Dritter als objektiv und somit wird ihnen eine äußerst hohe Wertschätzung entgegengebracht. So wird auch den aktiven Märkten die Fähigkeit zugeschrieben, in unparteiischer Form die Marktpreise zu kalkulieren. Hierzu siehe auch BALLWIESER/KÜTING/SCHILDBACH (2004), S.535.
61 Vgl., auch im Folgenden, BRINKMANN, Rn. 223.
62 Vgl., auch im Folgenden, FEDERMANN/MÜLLER (2018), S. 456. Weiterführender Literaturhinweis, zur ausführlichen Beschreibung der Discounted-Cashflow-Methode, SCHULTZE (2003), S. 89-95.
63 Vgl. SCHILDBACH/STOBBE/BRÖSEL (2013), S. 337 f.
64 Vgl. BRINKMANN, Rn. 205.
65 IFRS 13.9. Weitere sinngleiche Definitionen des fair value sind zudem auch in den Standards IAS 16.6, IAS 36.6, IAS 38.8, IAS 40.5 und IAS 41.8 aufgeführt. Wobei alle Begriffserklärungen auf IFRS 13.9 verweisen. Vgl. OLBRICH/NIKOLIS (2012), S. 121.
66 Vgl. VON EITZEN/ZIMMERMANN (2013), S. 178.
67 Vgl. GRÜNBERGER (2019), S. 34.
68 Vgl. RUHNKE/SIMONS (2018), S. 270.
69 Ab IFRS 13.72 bis einschließlich IFRS 13.90 wird die Bemessungshierarchie dargelegt.
- Citar trabajo
- Debora Wirth (Autor), 2021, Zeitwertbilanzierung von Wertpapieren. Vergleich HGB und IFRS unter besonderer Berücksichtigung des IFRS 9, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1364519
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