Diese Bachelor-Thesis befasst sich mit dem Thema Mobbing am Arbeitsplatz. Zuerst beschäftigt sie sich mit der Begriffsdefinition und dem Phasenprozess von Mobbing. Dazu werden die Ursachen auf beruflicher und persönlicher Ebene des Opfers und der Täter:innen dargestellt und anschließend die Verbindung zur Political Correctness. Des Weiteren werden die Formen und Ausmaße von Mobbing in ihrer Komplexität aufgezeigt und die daraus resultierenden Auswirkungen auf das Opfer, die Einrichtung, die Wirtschaft und auf das soziale Umfeld. Das darauffolgende Kapitel soll den Umgang mit den rechtlichen Aspekten aufzeigen. In den nächsten Kapiteln wird auf die Präventionsmaßnahmen und Interventionsmaßnahmen der Leitungsebene eingegangen. Abschließend sollen drei narrativ geführte Interviews mit betroffenen Personen von Mobbing das Alltagsgeschehen von Mobbing aufzeigen und parallel den Abgleich der Theorie. Das Ziel dieser Arbeit ist es, ein professionellen vorbeugenden Umgang der Leitungsebene gegenüber Mitarbeiter*innen in sozialen Einrichtungen zu vermitteln.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Psychokrieg am Arbeitsplatz - Ausgangspunkte von Mobbing
2.1 Begriffsbestimmung von Mobbing
2.2 Der Phasenmodell von Mobbing nach Leymann
2.3 Das Phasenmodell nach Glasl
2.3.1 Vergleich beider Modelle
2.4 Ursachen von Mobbing
2.4.1 Berufliche und organisatorische Ebene
2.4.2 Persönliche Ebene der Täter und Täterinnen
2.4.3 Persönliche Ebene der Opfer
2.4.4 Die Rolle der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
2.5 Political Correctness
2.6 Plattformen von Mobbing
2.6.1 Bossing - Wenn Vorgesetzte mobben
2.6.2 Bullying - Tyrannei am Arbeitsplatz
2.6.3 Staffing - Wenn MitarbeiterInnen die Vorgesetzten mobben
2.6.4 Cybermobbing
2.6.5 Sexuelle Belästigung
2.6.6 Die Ausdrucksformen von Mobbing
2.7 Auswirkungen von Mobbing
2.7.1 Folgen für das Mobbingopfer
2.7.2 Auswirkungen auf die Einrichtung
2.7.3 Konsequenzen für das private Umfeld
2.7.4 Folgen für die Wirtschaft
2.7.5 Folgen für die Täter/-innen
2.8 Rechtliche Hintergründe bei Mobbing
2.8.1 Rechtlicher Weg der Betroffenen
2.8.2 Rechtliche Betrachtungsweise der Vorgesetzten
3. Präventionsmöglichkeiten durch die Leitungsebene
3.1 Personalmanagement
3.1.1 Aufklärung
3.1.2 Schaffung einer Streitkultur
3.1.3 Mitarbeitergespräche
3.1.4 Personalauswahl
3.1.5 Personalentwicklung
3.1.6 Anlaufstelle für Betroffene
3.2 Führungscoaching
3.3 (Organisations-)Betriebsvereinbarung
4. Interventionsmöglichkeiten durch die Leitungsebene
4.1 Kommunikationspsychologische Betrachtungsweise
4.2 Beweise sichern
4.3 Eingriffe durch die Leitungsebene
4.3.1 Supervision
4.3.2 Abmahnung und Kündigung
4.3.3 Outplacement
4.4 Die Hilfestellung des Facharztes/der Fachärztin und einer Psycho-therapie
4.5.1 Selbsthilfegruppen
5. Mobbing in sozialen Berufsfeldern
5.1 Die Profession soziale Arbeit
5.2 Die Ursachen für soziale Berufe
6. Auswertung von narrativen Interviews
6.1 Qualitative Sozialforschung
6.2 Erster Interviewpartner - Herr H.
6.3 Zweite Interviewpartnerin - Frau K.
6.4 Dritter Interviewpartner - Herr M.
7. Resümee
8. Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang 1-3
Abstract
Diese Bachelor Thesis befasst sich mit dem Thema Mobbing am Arbeitsplatz. Zuerst beschäftigt sie sich mit der Begriffsdefinition und dem Phasenprozess von Mobbing. Dazu werden die Ursachen auf beruflicher und persönlicher Ebene des Opfers und der Täter*innen dargestellt und anschließend die Verbindung zur Political Correctness. Des Weiteren werden die Formen und Ausmaße von Mobbing in ihrer Komplexität aufgezeigt und die daraus resultierenden Auswirkungen auf das Opfer, die Einrichtung, die Wirtschaft und auf das soziale Umfeld. Das darauffolgende Kapitel soll den Umgang mit den rechtlichen Aspekten aufzeigen. In den nächsten Kapiteln wird auf die Präventionsmaßnahmen und Interventionsmaßnahmen der Leitungsebene eingegangen. Abschließend sollen drei narrativ geführte Interviews mit betroffenen Personen von Mobbing das Alltagsgeschehen von Mobbing aufzeigen und parallel den Abgleich der Theorie. Das Ziel dieser Arbeit ist es ein professionellen vorbeugenden Umgang der Leitungsebene gegenüber Mitarbeiter*innen in sozialen Einrichtungen vermitteln.
1. Einleitung
Die hier vorliegende Bachelorthesis befasst sich mit Mobbing am Arbeitsplatz, wobei die Schwerpunkte auf den Ursachen, den Folgen, den rechtlichen Aspekten und auf der Prävention sowie Intervention liegen. Das Phänomen des Mobbings tritt nicht nur an deutschen Schulen auf, sondern Mobbing ist ebenfalls am Arbeitsplatz ein großes Problem, das den Arbeitsablauf, das Arbeitsklima und die Kommunikation untereinander negativ beeinträchtigt. Das Wort Mobbing ist zu Beginn der 90er Jahre popularisiert worden und findet sich heute als Modewort wieder, das jedoch leider oft in falschen Kontexten Verwendung findet. Der Beginn des Mobbings nimmt mit alltäglichen Konflikten unter Kollegen und Kolleginnen seinen Lauf. Dazu gehören Meinungsverschiedenheiten, Feindseligkeiten, Differenzen unter Mitarbeitern, Mitarbeiterinnen und Vorgesetzten und verschiedene Problemstellungen mit Klienten und Klientinnen. Konflikte sind in erster Linie normal und gehören zum Alltag dazu, aber wenn gewisse Auseinandersetzungen unter Mitarbeitern, Mitarbeiterinnen und Vorgesetzten nicht geregelt und offengelegt werden, können sich daraus negative Impulse bilden. Jeder Mensch reagiert auf Konflikte unterschiedlich und zeigt eine individuelle Spanne von Resilienz auf, aber nicht jede Person besitzt eine hohe Resilienz.
Die Ursachen von Mobbinghandlungen sind laut Statistiken oft darin begründet, wenn die Leitungsebene und die Geschäftsführung unprofessionell mit den Geschehnissen umgehen. Da sich Mobbing auf eine unbestimmte Zeit ausbreiten kann und dabei die Intensität zunimmt, ist den Tätern bzw. Täterinnen oft unbewusst, welche Folgen und Konsequenzen ihnen selbst, dem Opfer und der Organisation bzw. Einrichtung drohen können. Selbst das soziale Umfeld der betroffenen Person bleibt von Mobbing nicht unberührt. Die Mobbingattacken können zu Kündigungen, Arbeitsunfähigkeit, Suchtverhalten bis hin zum Suizid des Opfers führen. Die Einrichtung ist ebenfalls davon betroffen; dies lässt sich daran erkennen, dass die Motivation, der Arbeitsaufwand, die Anwesenheitszeiten und das Arbeitsklima in ihrer ethischen Auffassung stetig abnehmen und somit der Einrichtung bzw. Organisation hohe Kosten drohen und somit auch das Image der jeweiligen Einrichtung negativ belastet werden kann.
Dass unsere momentane wirtschaftliche Lage extrem wankend ist, zeigt sich dadurch, dass immer mehr Menschen um ihre Arbeitsplätze kämpfen müssen, während viele Berufszweige sogar unterbesetzt sind. In sozialen Berufen ist der Pflegestand beispielsweise sehr gering bis nicht ausreichend. Dadurch entwickeln sich zudem vermehrt Probleme und Feindseligkeiten am Arbeitsplatz in unterschiedlichem Ausmaß. Der soziale Berufszweig ist gegenüber anderen Branchen von Mobbing am höchsten betroffen. (vgl. Meschkutat und Stackelbeck, 2002, S.30) Deswegen bleibt der Leitungsebene, die für ein geordnetes Arbeitsklima zuständig ist, keine andere Wahl, als sich dieser Herausforderung zu stellen. Insbesondere ist es gesetzlich verankert, dass die Vorgesetzten gegenüber ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen eine Fürsorgepflicht einhalten und ausüben müssen.
Um Mobbing im Allgemeinen zu verhindern, müssen alle Führungskräfte zu professionellen Präventionsmaßnahmen greifen, die Mitarbeiter/-innen- und Führungscoachings, regelmäßige Gespräche, Supervisionseinheiten, eine (Organisations-)Betriebsvereinbarung, Schaffung einer Streitkultur, Aufklärung von Mobbing, Anlaufstellen für Betroffene bis hin zu externen Hilfsangeboten reichen sollten. Wenn durch gewisse Gründe oder Undurchsichtigkeit keine Prävention möglich ist, muss die Leitungsebene zu Interventionsmaßnahmen greifen, um die jeweiligen Mobbingattacken zu entschärfen und auszuschalten. Daraus kristallisiert sich die Fragestellung: Wie ist ein professioneller Umgang der Leitungsebene mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in sozialen Einrichtungen möglich?
Das Ziel dieser Arbeit liegt darin, den Leser näher an das Phänomen „Mobbing am Arbeitsplatz“ zu bringen und ihm anhand geläufiger Begriffsdefinitionen den Prozess des Mobbings, die unterschiedlichen Formen und den derzeitigen Forschungsstand bzw. Statistiken näherzubringen. Anschließend wird die Profession der sozialen Arbeit aufgezeigt und wie diese mit dem Prozess des Mobbings in sozialen Einrichtungen zusammenhängt. Nach dem Aufzeigen der Präventions- und Interventionsmaßnahmen werden narrative Interviews analysiert und der Zusammenhang mit der Theorie aufgezeigt. Abschließend soll ein Resümee die wichtigsten Punkte der Erarbeitung und Ergebnisse der Arbeit aufzeigen und zeigen, welcher Ausblick sich durch den aktuellen Stand rund um die Bekämpfung von Mobbing ergibt. Im Anhang befindet sich ebenfalls eine erarbeitete Musterbetriebsvereinbarung, die in den Rahmen von Organisationen bzw. Einrichtungen gebracht wurde.
2. Psychokrieg am Arbeitsplatz - Ausgangspunkte von Mobbing
In diesem Kapitel wird die Herkunft des Begriffes aufgezeigt, dazu sollen zwei Phasenmodelle von Leymann und Glasl zu einem tieferen Verständnis des Mobbingprozesses führen. Anschließend wird auf die Ursachen, die Auswirkungen und die Rechtslage rund um Mobbing verwiesen. Da die Thematik dieser Thesis sich auf den Arbeitsplatz konzentriert, werden hauptsächlich die Begriffe Mobbing und Bossing verwendet.
2.1 Begriffsbestimmung von Mobbing
Der Begriff Mobbing stammt von dem englischen Wort „mob“ ab, das im 18. Jahrhundert im deutschen Sprachgebrauch seinen Platz fand. Die genaue Übersetzung hat mehrere Bedeutungen, wie unter anderem: „Gesindel, Bande, Sippschaft“ - „angreifen, bedrängen, anpöbeln, attackieren“. Den eigentlichen Ursprung findet das Wort aus der lateinischen Bezeichnung „mobile vulgus“ - „aufgewiegelte Volksmenge, Pöbel, soziale Massengruppierungen mit sehr geringem oder völlig fehlendem Organisationsgrad, in denen triebenthemmte, zumeist zerstörerisch wirkende Verhaltenspotenz vorherrscht“ (vgl. Zuschlag, 2001, S.3). Diese robuste und schlagfertige Bezeichnung verdeutlicht Passagen, die in der heutigen Zeit ähnlich zu dem Begriff Mobbing benutzt werden. Was sich jedoch heute umgangssprachlich zeigt, ist, dass das Wort Stress ähnlich gebraucht wird wie das Wort Mobbing. Die Folge daraus ist, dass das Problem des Mobbings verwässert und nicht als eigenständiges soziales Problem gesehen wird (vgl. Litzchke, 2013, S. 100.). Bei einzelnen Streitigkeiten, einfachen Krisen oder Konflikten, die kurz andauern, spricht man nicht unbedingt gleich von Mobbing. Die Dauer, die Intensität, die Auswirkungen und der gesamte Prozess sind grundlegend dafür, ob man von Mobbing sprechen kann oder nicht. Mobbing hält meistens mehrere Tage, über Wochen bis hin zu Jahren an und kann sich in verschiedensten Formen ausdrücken. Die Dauer von Mobbing kann sich über ein halbes Jahr oder länger und dabei mindestens einmal pro Woche erstrecken. Nach Leymann beschreibt „der Begriff Mobbing negative kommunikative Handlungen, die gegen eine Person gerichtet sind (von einer oder mehreren anderen) und die sehr oft und über einen längeren Zeitraum hinaus vorkommen und damit die Beziehung zwischen Täter und Opfer kennzeichnen“ (Zit. n. 2006, S. 21). Das ist eine von vielen heutigen existierenden Definitionen. Hinzu kommt, dass die Gefahr am Arbeitsplatz weitaus größer ist als in freiwilligen Verbünden, wie zum Beispiel in Vereinen bzw. Clubs. Im Arbeitsleben ist ein fester Rahmen vorgegeben, in dem alle Beteiligten nicht unbedingt gern zusammen Aufgaben lösen wollen, sondern in einer Zwangsgemeinschaft bzw. Arbeitsgruppe zusammen agieren müssen. Dabei können viele Streitigkeiten, Krisen, Konflikte und Stress entstehen. Aber damit Situationen in diesem Kontext klar und deutlich voneinander unterschieden werden können, muss gedeutet werden, was kein Mobbing auszeichnet; das zeigen Esser u. Wolmerath (2008), Resch (1997) und Teuschel (2010) in einigen Kernpunkten auf. Dazu gehören Streitigkeiten, Konflikte und Feindseligkeiten zwischen Abteilungen in einer sozialen Einrichtung sowie Gleichgültigkeit und Abneigung gegen Personen, die in keiner Form abwertend geäußert werden, sondern nur in Gedanken existieren. Des Weiteren ist auch eine Verweigerung von Arbeitsschritten, eines Grußes, eines Blickes, des Handschlags oder der anderen Person aus dem Weg zu gehen nicht unbedingt durch Mobbing gekennzeichnet. Die Gründe hierfür können eigene private Probleme oder Scham- und Scheugefühle sein (vgl. Litzchke, 2013, S. 101 f.).
2.2 Der Phasenmodell von Mobbing nach Leymann
Da gezeigt wurde, dass hinter Mobbing ein längerer Prozess steckt, muss demnach auf die Entstehung von Konflikten und die Ursachen hingewiesen werden. Da sich ein Mobbingfall je nach individuellen Eigenschaften und nach einrichtungsspezifischen Merkmalen von anderen unterscheidet, muss besonders für die Leitungsebene eine gewisse Grundstruktur ersichtlich sein, um rechtzeitig oder vorbeugend einzugreifen. Heinz Leymann erstellte 1981 ein 4-Phasen-Modell, das aufzeigt, welchen Verlauf Mobbing unter Vorgesetzten und Mitarbeitern bzw. Mitarbeiterinnen nehmen kann (vgl. Leymann, 2006, S. 59). Dieses Modell wurde später um eine weitere Phase erweitert, die die ärztlichen und psychologischen Fehldiagnosen exakter darstellt, da die Bedeutsamkeit diesbezüglich deutlicher hervortrat. Zu erläutern ist außerdem, dass die Reihenfolge dieses Modells fassungslos ist und nicht alle Phasen erfüllt sein müssen (vgl. Hermans, 2004, S. 78)
Phase 1: Eine unkonstruktive Konfliktbewältigung
Ein Konflikt kann in jeder Lebenslage entstehen: in der Familie, in der Schule und am Arbeitsplatz. In den meisten Fällen eines Vorfalls wird nicht nach einer gemeinsamen Lösung beider Parteien gesucht und somit kann sich ein neuer Konflikt entwickeln. Ein Konflikt muss jedoch nicht explizit etwas Schlechtes sein. Er ist sogar oft notwendig, um Veränderungen zu schaffen. Eine gänzlich konfliktfreie Arbeitsatmosphäre kann durchaus zu einem Stillstand in einer Einrichtung und somit zu keiner guten Weiterentwicklung führen (vgl. Hermans, 2004, S. 79). Ungelöste Konflikte, die unseriöse Inhalte, Diskriminierungen, Abwertungen, erpresserische, manipulative und zwiespältige Aussagen beinhalten, gipfeln häufig in Mobbing. Leymann zeigt für diese Phase deutlich: Wenn sich alle Menschen in einem Konflikt befinden und sich dabei sozialer und konstruktiver verhalten würden, könnten die Feindseligkeiten demokratischer gelöst werden. Gerade die Leitungsebene sollte in dieser Phase einschreiten, um spätere Phasen zu vermeiden (vgl. Leymann, 2006, S. 60).
Phase 2: Systematischer Psychoterror etabliert sich
Wenn diese Phase anläuft, dann hat es die Leitungsebene verpasst, professionell einzuschreiten. Ein Konflikt wurde offengelassen und es wurde nicht ausgiebig oder gar nicht darüber gesprochen. Man hat es zugelassen, dass sich ein Konflikt bildet und sich im Arbeitsklima verfestigt. Die Leitungsebene hat nicht nur ,das Zepter in der Hand‘, sondern muss es auch kontrolliert und neutral benutzen. Wenn der Chef oder die Chefin Konflikte nur beobachtet und nicht einschreitet, lässt er oder sie diese auch zu und wird zum ,Befürworter‘ bzw. zur ,Befürworterin‘. Die Täter und Täterinnen sehen diese Reaktion als eine Art Freibrief und können meist ungestört und systematisch das Opfer auf unbestimmte Zeit schädigen. Das Opfer verfällt dann oft in Angstzustände, steht enorm unter Druck und das Netz des Selbstbewusstseins reißt (vgl. Leymann, 2006, S. 61 f.).
Das kann so weit führen, dass Aufgaben und Informationen dem Opfer vorenthalten werden, weil der oder die Betroffene den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen immer mehr auffällt und als ungeeignet erscheint. Es entstehen bei den Außenstehenden willkürliche Gedanken und diese führen zu unfairen Handlungen. Die Eigendynamik nimmt in hohem Maß zu, das Opfer verfängt sich in einem unausweichlichen Zyklus und begeht unbeabsichtigt Fehler. Dies führt erst recht zu neuen Schikanen und 5
Feindseligkeiten. Die Konzentration kann dadurch ab- und die Fehlzeiten zunehmen (vgl. Döring, 2012, S. 37). Wenn aber der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin die nicht rechtzeitig eingreift und das Opfer inmitten der zweiten Phase steckt und diese nicht komplett durchläuft, springt das Opfer es automatisch in Phase 3 (vgl. Ausfelder, 1997, S. 35).
Phase 3: Unprofessionelle Personalverwaltung
Wenn diese Phase eintritt, zeigt sich dadurch, dass eine unprofessionelle Haltung der Leitungsebene in Bezug auf die Personalverwaltung eingenommen wurde. Ursachen dafür können sein, dass der oder die Vorgesetzte eine gewisse Feigheit besaß, die Situation nicht rechtzeitig erkannte oder gar falsch eingeschätzt hat. Die Lage, die sich nun ergeben hat, zeichnet das Opfer in all seiner Erscheinung. Wenn die Leitungsebene in Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung und eventuell dem Personalrat nach Lösungen sucht, wird das Geschehnis publik und das Opfer ist unter fast allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen als ,Außenseite^ gezeichnet. Die Täter bzw. Täterinnen gehen in die Blockadehaltung und versuchen, sich zu rechtfertigen. Zu diesem Zeitpunkt ist es bereits zu spät. Die Schuld wird oftmals bei den Betroffenen gesucht. Ihnen drohen Versetzungen oder gar Kündigungen, um die Täter und Täterinnen schadlos zu machen (vgl. Döring, 2012, S. 37 f.). Durch die unprofessionelle Handhabung und Umsetzung von allgemeinen Rechten wird dem bzw. der Betroffenen nur geschadet, anstatt den Fall neutral zu analysieren. Wenn - wie zu Beginn erwähnt - der oder die Arbeitgeber/-in, die Geschäftsführung und der Personalrat den Fall aufgreifen, wird er offiziell angesehen werden. Somit ist der Handlungsrahmen des oder der Betroffenen endgültig eingeschränkt und die Macht geht einzig und allein von der ,oberen Ebene‘ aus (vgl. Leymann, 2006, S. 62 f.).
Dadurch steigert sich die Souveränität der Täter bzw. Täterinnen und die Opfer hingegen versuchen in Folge dessen, sich zu rechtfertigen und zeichnen sich somit für andere mit Schuldgeständnissen aus. Die Folge von (Straf-)Versetzungen ist, dass die Betroffenen vergangene Geschehnisse zurechtbiegen wollen und somit die Gefahr übersehen, in der nächsten Einrichtung dasselbe Schicksal zu erfahren (vgl. Hermans, 2004, S. 80).
Rechtsbrüche der Leitungsebene
Laut Leymann (vgl. 2006, S. 64) gibt es eine Anzahl an Rechtsbrüchen, die die Leitungsebene sich zu Eigen machen sollte, um Mobbingvorfälle zu vermeiden:
> Verstöße gegen das Recht, gehört zu werden
Man sollte dem oder der Betroffenen Gehör schenken, bevor man Vorurteile stemmt. Der Person soll die Chance eingeräumt werden, ihre Sachlage offenzulegen.
> Fristen setzen
Das Opfer sollte die Möglichkeit haben, ohne Druck agieren zu können.
> Vereinbarungen hinter dem Rücken der Betroffenen
Entscheidungen, die die weitere Existenz des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin betreffen, sollten in Anwesenheit des Opfers getroffen werden.
> Keine Offenkundgabe der Rechtslage
Der oder die Betroffene muss über eigene Alternativen und eigenhändige Auswege Bescheid wissen.
> Vorsätzliche Verleumdung
Durch ein nicht ordnungsgemäß erstelltes Zeugnis, das Unwahrheiten beinhaltet, kann dem Opfer die Zukunft bei einem neuen Arbeitgeber verwehrt werden (vgl. Leymann, 2006, ebd.).
Phase 4: Ärztliche Fehldiagnosen
Diese Phase wurde erst später durch intensivere Forschung und das Sammeln von neuen Erkenntnissen in der Medizin dem Modell hinzugefügt. Es hat sich ergeben, dass den Betroffenen falsche Diagnosen gestellt werden. Die Ursachen liegen hauptsächlich darin, dass Ärzte und Ärztinnen bzw. Psychologen und Psychologinnen sehr wenige Kenntnisse über den Arbeitsalltag und die Routine aus Produktion und Büro haben. Das Augenmerk wird auf die Entwicklung des Menschen gelegt, anstatt auf die erschwerten Arbeitsbedingungen (vgl. Döring, 2012, S. 38). Die Betroffenen befinden sich in einem seelischen und körperlichen Zusammenbruch und finden kaum mehr Anschluss. Das Einzige, was jetzt noch helfen könnte, wäre eine angeordnete Therapie. Leymann nennt vier Fehldiagnosen, die den Betroffenen bzw. die Betroffene aus medizinscher Sicht krank machen. Dazu zählen diagnostizierte Charakterprobleme, depressives Verhalten, paranoide Einschläge bis hin zu Anpassungsproblemen. Die medizinische Versorgung sollte eigentlich als letzter Ausweg der Betroffenen dienen und nicht als weiterer Misstrauensbruch (vgl. Hermans, 2004, S. 80 f.).
Phase 5: Endgültiger Ausschluss aus der Einrichtung
Die letzte Phase beschreibt nicht den Ausschluss in der Hinsicht, dass der oder die Betroffene bis auf unbestimmte Zeit arbeitsunfähig ist, sondern von den Außenstehenden dazu gebracht wurde, selbst zugehen. Wenn aber der oder die Betroffene nicht eigenhändig geht, wird so lange Druck ausgeübt, bis ihm überhaupt nichts anderes übrigbleibt, als die Reißleine eigenständig zu ziehen. Das Opfer muss dann auf folgende Alternativen ausweichen:
> Kaltstellung: Das Opfer wird mit sinnloser Arbeit beschäftigt und bekommt Informationen vorenthalten. Er gerät in einen sogenannten „Leerlauf“, was die psychische Belastung auf das Maximum erhöht (vgl. Kolodej, 1999, S. 59).
> Sequentielle Versetzung: Das Opfer wird in eine andere Einrichtung versetzt - ohne, dass der eigene Wille erfragt wird. Das Ziel der Leitung ist es, durch mehrere Versetzungen das Opfer dazu zu bringen, selbst zu kündigen, damit für die Leitung das ,Personalproblem‘ nicht mehr unter die eigene Zuständigkeit fällt (vgl. Esser, 2015, S. 83).
> Krankschreibung: Der Prozess verläuft von kurzen bis zu langen Krankschreibungen. Durch diese Alternative wird dem Opfer kaum geholfen. Sie verlängert die Problemstellung schlicht. Die Entscheidungskraft für die Kündigung liegt jetzt vollständig auf der Seite des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin.
> Zwangseinweisung: In den schlimmsten Fällen von Mobbing kann es dazu kommen, dass der bzw. die Betroffene in eine Klinik oder Psychiatrie eingewiesen wird. Durch wahrscheinlich wochen-, monate- oder jahrelange Erniedrigung bleibt den Ärzten und Ärztinnen, die wissen, dass eine Rückkehr in das Arbeitsleben fast keine Chance mehr bietet, nur die Möglichkeit der Zwangseinweisung. Dies tritt aber in den seltensten Fällen ein und ist stark abhängig von den Diagnosen der Betroffenen und ihrem gesamten Umfeld (vgl. Hermans, 2004, S. 82).
2.3 Das Phasenmodell nach Glasl
Neben dem von Leymann gibt es noch weitere Phasenmodelle, die zur Aufklärung und einem tieferen Verständnis von Mobbing führen sollen. Eines davon entwickelte der Österreicher Friedrich Glasl. Das nach Friedrich Glasl benannte Konflikteskalationsmodell beschreibt in neun Phasen die Entwicklungsstufen eines nicht geklärten Konflikts. Im Schaubild (Anhang 5) ist zu erkennen, dass es drei Hauptstufen gibt. Glasl beschreibt, dass wenn eine nächsthöhere Stufe erreicht wurde, die vorherige nicht mehr zu erreichen sei. Die erste Phase, die „win-win“, besitzt drei Stufen (vgl. Hermans, 2004, S. 83). Die erste Stufe beschreibt eine anfängliche Diskussion bei Meinungsverschiedenheiten, die zu Unstimmigkeiten führen kann. Für die Beteiligten ist diese Stufe in erster Linie von Normalität geprägt und sie gehen davon aus, dass alle gemeinsam zu einem Konsens kommen. Die zweite Stufe beschreibt bereits eine erhöhte Konfrontation, in der eine Person Recht behalten will und der anderen Person Unrecht ausspricht. Beide Parteien greifen zu unfairen Mitteln, um ihre Macht zu verstärken. Bei der dritten und letzten Stufe der ersten Phase geht es weniger um verbale Auseinandersetzungen, sondern es wird auf nonverbale Handlungen zurückgegriffen. Durch verstellte Gestik und Mimik wird versucht, die andere Person nachzuahmen und aus der Fassung zu bringen. Wenn die ersten drei Stufen erreicht sind und der Übergang in die nächste Phase ansteht, steht die Situation laut Glasl kurz vor einer Eskalation. In der ersten Phase werden beidseitige Spannung erkenntlich, es werden beispielsweise die Standpunkte festgelegt, aber noch keine Meinung radikal durchgesetzt (vgl. Hermans, 2004, S. 84). Die vierte Stufe und somit der Beginn der zweiten Phase, „win-lose“ , bildet die Ebene des Sieges oder der Niederlage. Nun werden von beiden Seiten Verbündete gesucht, um die eigene Meinung dingfest zu machen und so das Machtverhältnis zu stärken. Dabei wird von beiden Seiten darauf geachtet, dem Gegner bzw. der Gegnerin Schaden zuzufügen. Die Förmlichkeit der Gewalt ist situationsabhängig und individuell. Die fünfte Stufe beschreibt den sogenannten Gesichtsverlust. Eine Person denkt, über die andere Person das wahre Gesicht zum Vorschein gebracht zu haben. Die angreifende Person ist davon überzeugt, die andere Person so zu offenbaren, wie sie es denkt, dass es richtig ist. Ein Gefühlsausbruch, der bei einem ununterbrochenen Angriff gezeigt wird, bestätigt den Angreifer oder die Angreiferin. Bei der sechsten und letzten Stufe der zweiten Phase wird von verbalen und non-verbalen Angriffen auf potenzielle physische Gewalt umgeschaltet und damit dem Gegner bzw. der Gegnerin gedroht, um die Ängste des Gegenübers zu steigern. Die zweite Phase tritt dann ein, wenn man sich selbst keine Schuld eingesteht und nur die Fehler bei dem Gegner bzw. der Gegnerin sucht (vgl. Hermans, 2004, S. 85). Die dritte Phase, „lose-lose“, beinhaltet ebenfalls drei Stufen und hat das Ziel, allgemeine Regeln endgültig zu brechen, um den eigenen Standpunkt und das Machtgefüge zu sichern; somit wird eine gewaltfreie Kommunikation komplett ausgeschlossen. Bei der siebten Stufe wird darauf abgezielt, den Gegner bzw. die Gegnerin nicht nur persönlich, sondern auch arbeitstechnisch zu deformieren und zu stören. Es wird unter anderem die Aufstiegschance durch den Angreifenden bzw. die Angreifende selbst, durch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und/oder Vorgesetzte verwehrt. Bei der achten Stufe ist das Maximum der Macht und Existenzgrundlage fast erreicht. Nun geht es dem Angreifer oder der Angreiferin nur noch darum, die Vertrauensbasis und die Resilienz des Gegners komplett auszuschalten. Bei der neunten und letzten Stufe der dritten Phase steht der sogenannte endgültige „Vernichtungskampf“ des Gegners bzw. der Gegnerin im Vordergrund. Ab hier gibt es kein Zurück mehr und es werden jegliche Formen und Angriffstechniken angewendet, die möglich sind. Schlussfolgernd ist zu sagen, dass bei der ersten Phase noch ein Sachkonflikt vorhanden war. Bei der zweiten Phase ist auf keine Problematik mehr eingegangen worden und bei der dritten und letzten Phase ging es einzig allein um Sieg oder Niederlage (vgl. Hermans, 2004, S. 86 f.).
2.3.1 Vergleich beider Modelle
Wenn man beide Modelle vergleicht, wird bei Glasl deutlich, dass sein Modell konkretisierter und detaillierter ist als das von Leymann. Glasl widmet sich jedoch in seinem Modell fast ausschließlich Konfliktsituation und keiner konkreten Mobbinghandlung. Konflikte bilden bei Leymann nur die Vorstufe zu Mobbing. Bei Glasl wird außerdem sichtbar, dass dort alle Beteiligten aktiv teilnehmen und nicht wie bei Leymann ein Opfer gesucht wird, das keine Wahl hat. Glasl erläutert, dass eine Abschwächung und ein Rücklauf in eine vorherige Phase ausgeschlossen seien, wenn die Leitungsebene nicht rechtzeitig in das Geschehen eingreift. Des Weiteren ist zu erwähnen, dass das Modell von Glasl gegenüber dem von Leymann stufenartig aufgebaut ist. Leymann kennzeichnet eher das Ausmaß, die Dauer und eine nicht definierte Reihenfolge. (vgl. Hermans, 2004, S. 87-90).
2.4 Ursachen von Mobbing
Viele Arbeitgeber stellen sich die Frage, wie es zu Mobbing kommen kann. Eine professionelle Aufdeckung der Ursachen kann bzw. muss über eine intensive und komplexe Nachforschung der jeweiligen Situation stattfinden.
Die fünf Phasen haben gezeigt, wie Mobbing entsteht, aber dass hinter der Entstehung eine Vielfalt an Risikofaktoren steckt, muss im folgenden Kapitel aufgeklärt werden. Es wird demnach zwischen der beruflichen und organisatorischen Ebene gegenüber der persönlichen Ebene des Opfers und der Täter und Täterinnen unterschieden.
2.4.1 Berufliche und organisatorische Ebene
Da laut Statistiken Mobbing am meisten von der Leitungsebene ausgeht, wird auch deutlich, weswegen viele Mobbingattacken nicht adäquat gelöst werden. Nach dem Mobbing-Report geht Mobbing von Vorgesetzten mit 51 % aus und von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mit 32,2 %. Die sozialen Berufe sind durch mangelnde organisatorische Regelungen am meisten betroffen. (vgl. Meschkutat und Stackelbeck, 2002, S.30) Für das Opfer bleibt durch einen solchen Kontext wenig Spielraum, sich zu wehren. Es gibt deshalb drei Kernursachen, die in sozialen Einrichtungen das Arbeitsklima und den Umgang von Vorgesetzten und Mitarbeiter/-innen untereinander dauerhaft stören können: die allgemeine Organisation der Arbeit, die Aufgabenstellung in der Arbeit und die Leitung der Arbeit selbst. Durch Defizite in den genannten Zweigen kann es dazu kommen, dass sich Unzufriedenheit, quantitative Überlastungen und qualitative Unterforderung herauskristallisieren und Mobbing entstehen kann (vgl. Hermans, 2004, S. 34). Es ist die Aufgabe der Leitungsebene und der Geschäftsführung, das gesamte Geschehen zu überblicken und zu leiten. Gerade weil in der heutigen Zeit ein Pflegenotstand in Deutschland (vgl. Sahmel, 2018, S.18-22) herrscht, führen die verbliebenen Mitarbeiter/-innen zur einen Arbeitsverdichtung und dadurch sinken die Motivation, Arbeitsmoral und Qualität der Arbeit Daraus resultiert, dass der Informationsfluss, die Zusammenarbeit, gegenseitige Akzeptanz, soziale Unterstützung, Entscheidungskompetenzen und viele andere Arbeitsbedingungen schlechter werden. (vgl. Esser, 2015, S. 75).
Die Integration von neuen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in das Gefüge von alten und erfahrenen Kollegen und Kolleginnen zu lenken, verläuft oft nicht nach vorgesehener Verantwortung seitens der Leitung. Sie überlässt in den meisten Fällen den Mitarbeiter/-innen, ob die neue Person auch motiviert und passend ist, weil die Vorgesetzten sich oft mit anderen Aufgaben beschäftigen (vgl. Hermans, 2004, S. 35). Wenn die Stellung einer Leitungsebene eingenommen wird, bedeutet das nicht nur, eine Lage in allen Facetten zu überblicken, sondern die Selbstreflexion ebenfalls zu integrieren.
2.4.2 Persönliche Ebene der Täter und Täterinnen
Die Motive der Täter/-innen hängen oft mit Existenzängsten, Angst vor den Vorgesetzten und Umstrukturierungsmaßnahmen zusammen. Die Ursachen dafür, dass Kollegen und Kolleginnen andere Kollegen bzw. Kolleginnen oder Neuankömmlinge mobben, liegen darin begründet, wenn Informationen vorenthalten werden, um den eigenen Arbeitsplatz zu sichern. Ärgernis gegenüber Mitarbeiter/-innen, die nur die Hälfte der Arbeit machen oder sich zu wenig um Klienten und Klientinnen kümmern, kann ebenso ein Grund sein. Weitere Motive, wie die Erstellung von persönlichen Feindbildern oder Unzufriedenheit des eigenen Selbstbildes, können Risikofaktoren für Täter/-innen sein (vgl. Schwickerath, 2012, S. 19). Die Motive hängen zudem sehr stark von der Geschlechter- und Altersverteilung in der Arbeitswelt ab. Da Männer (59 %) häufiger als Frauen (41 %) mobben, gilt es festzuhalten, dass Männer (80 %) häufiger von einem Mann gemobbt werden als Frauen (43 %). Daraus lässt sich ableiten, dass vor allem gleichgeschlechtlich gemobbt wird (vgl. Litzcke, 2013, S. 112).
Ältere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind häufiger betroffen als jüngere, wenn es um Führungspositionen geht. Vorgesetzte zeigen dadurch souveräne und narzisstische Tendenzen gegenüber den erfahrenen Untergebenen. Dass die Vorgesetzten sehr wenig handeln, zeigt, dass sie verunsichert sind. Die Entscheidungsbefugnisse und Informationswege sind für sie unklar. Gerade dann, wenn eine Machtvakuum in der Leitungsebene besteht, ist das für die Täter und Täterinnen der Freibrief für Missbräuche aller Art (vgl. Litzcke, 2013, S. 111).
2.4.3 Persönliche Ebene der Opfer
Zuallererst ist festzuhalten, dass es kein typisches Mobbingopfer gibt. Alle Menschen können betroffen sein. Mobbing ist also in erster Linie unabhängig von Geschlecht, Alter und von der Berufung. Es gibt gewisse Eigenschaften, die eher dazu führen, dass ein Mensch Opfer von Mobbing wird. Menschen, die hochsensibel sind, unter mangelnder Konfliktfähigkeit leiden, ein schwaches Selbstwertgefühl und mangelnde Resilienz besitzen, sind angreifbarer (vgl. Döring, 2012, S. 50). Bei Mobbingopfern sind es keine Eigenverschuldungen, sondern explizit nur Merkmale, die den Tätern und Täterinnen zum Angriff dienen. Dies gilt selbst dann, wenn später von allen Seiten eine Selbstverschuldung als Grund geteilt wird. Zu den Ursachen und Motiven, warum die Betroffenen zu Opfern werden, gehören unter anderem die Leistungsprobleme. Gerade bei jüngeren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen dient dies als ,guter‘ Angriffspunkt, weil in den meisten Fällen noch die Erfahrung und Fachkenntnisse fehlen. Aber auch der umgekehrte Weg kann Feindseligkeiten bilden, wenn jüngere Kollegen und Kolleginnen über mehr oder neuere Fachkenntnisse verfügen und somit den älteren Kollegen und Kolleginnen neue Wege zeigen möchten. Äußerliche Erscheinungsmerkmale wie zu groß, zu klein, zu dünn oder zu dick können ebenfalls dazu beitragen, dass Mobbing entsteht. Persönliche Probleme, die mit Alkohol- oder Drogensucht und Körperpflege zusammenhängen, oder auch Krankheiten und Behinderungen können Risikofaktoren sein (vgl. Litzcke, 2013, S. 114 f.).
Das zeigt bei den Betroffenen auch gesundheitliche Auswirkungen, die sich negativ auf das Gesamtbild des Opfers auswirken. Nach Schwickerath (2012, S. 23) zeigt sich: Die Fröhlichkeit lässt nach, es folgt ein Verlust der Konzentration, ebenfalls eine körperliche Erschöpfung bis hin zu Suizidgedanken. Auf genauere Folgen von Mobbing wird in Kapitel 2.7 eingegangen.
2.4.4 Die Rolle der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
Da im vorangegangenen Unterkapitel aufgezeigt wurde, dass bei einem Mobbinggeschehen ein oder mehrere Täter/-innen es auf ein Opfer abgesehen haben, wird das Arbeitsumfeld bzw. Mitläufer/-innen in den meisten Fällen automatisch miteinbezogen. Über 72,2 % der Befragten des Mobbing-Reports gaben ebenfalls an, dass sich nach einer längeren Zeitspanne mehrere Kollegen und Kolleginnen an dem Geschehnis beteiligten. (vgl. Meschkutat und Stackelbeck, 2002, S.59) Durch Lachen oder Zustimmen ermutigen sie die Täter und Täterinnen und verschärfen die Situation. Aber durch Einschreiten oder Verteidigung des Opfers können sie das Geschehen abrupt bzw. schneller beheben, als wenn das Mobbing nur zwischen einem oder einer Täter/-in und einem Opfer stattfindet. Der bzw. die Täter/-in kann durch die Zustimmung von aktiven Mitläufern und Mitläuferinnen seine oder ihre Taten als gerecht und sinnvoll betrachten und somit die Situation als einen normalen Streit oder Konflikt ansehen (vgl. Belkacem, 2012, S. 32). Der Grund, weswegen es aktive Mitläufer und Mitläuferinnen gibt, lässt sich dadurch erläutern, dass sie entweder selbst Angst haben, zum Opfer zu werden, oder nicht den gesamten Kontext für diese Auseinandersetzung kennen und nur die Seite des Täters bzw. der Täterin betrachten und somit keine Verteidigung für das Opfer sehen (vgl. Belkacem, 2012, ebd.).
Zu den Mitläufern und Mitläuferinnen zählen jedoch auch die Personen, die das Geschehen mitbekommen, aber sich passiv verhalten und nicht einschreiten. Das zeichnet sich als eine Art Überlebensstrategie für die passiven Mitläufer/-innen aus, denn durch die Abwägung von Zivilcourage können sich die Passiven am Ende eines Mobbinggeschehen auf die Seite stellen, die Recht bekommt, und sich somit der Gesamtsituation unbeteiligt entziehen (vgl. Brinkmann, 2013, S. 87).
2.5 Political Correctness
In der heutigen Gesellschaft und Arbeitswelt nimmt der Begriff Political Correctness (PC) eine ganz besondere Stellung ein, wenn es darum geht, sich adäquat und fachlich richtig gegenüber seinen Mitmenschen und Mitarbeiter/-innen auszudrücken. Der Hintergrund der PC ist es, dass die Sprache, das Denken und das Handeln dicht miteinander verbunden sind. Das Ziel ist es, die Vermeidung von diskriminierenden Aussagen und Begriffen gegenüber benachteiligten Gruppierungen und Minderheiten zu verfolgen. Dabei stellt sich die Frage, wann es angebracht ist, etwas zu sagen und wann nicht. Die negative Assoziation mit dem Begriff hat ihre Ursache in der Referenz auf die allgemeine Meinungsfreiheit und die Befürchtung einer kommenden Zensur im Sprachgebrauch. (vgl. Günter und Qinghuai, 2018, S.14)
Da das soziale Berufsfeld (Sozialarbeiter/-innen, Pflegekräfte etc.) gegenüber den anderen Berufsfeldern (Verwaltung, Techniker/-innen etc.) von Mobbing am meisten betroffen ist, muss sich die soziale Arbeit wiederrum einer hohen Anforderung gegenüber der PC stellen.(vgl. Meschkutat und Stackelbeck, 2002, S.31) Der Grund hierfür liegt darin, dass die Personen, die im sozialen Berufszweig arbeiten, versuchen müssen, ihre soziale Kompetenz zu 100 % gegenüber der Gesellschaft unter Beweis zu stellen. Sie geraten somit unter enormen Druck. Es wird oft verlangt, sich immer politisch und fachlich richtig auszudrücken. Der hohe Druck, der sich in sozialen Berufen ergibt, liegt auch darin begründet, dass sehr viel Unzufriedenheit, Personalmangel, enge Zeitpläne, wenig Lohnausgleich und Mangel in der Gleich- bzw. Geschlechterverteilung herrscht (vgl. Seithe, 2011, S. 31-35). Was zählt also zu den „No-Gos“ und welche Aussagen sind gestattet? Schuldzuweisungen, Rechthaberei, Bewertungen und Beurteilungen, Vorwürfe, Angriffe, Vortäuschen und Unwissenheit sind alles Punkte, die in erster Linie nicht geltend gemacht werden dürfen, wenn es direkt gegen den Menschen geht, das heißt, wenn seine Konfession, Hautfarbe, Kultur oder Selbst- und Weltanschauung angegriffen wird. Eine Kritik sollte man an der Leistung der Arbeit eines Mitarbeiters bzw. einer Mitarbeiterin so äußern, dass ein Mit- und Füreinander bestehen bleibt. Das Miteinander sollte im Fokus stehen. Die PC hat in erster Linie den Sinn, dass die Diskussion frei von Diskriminierungen bleiben soll. So will es ebenfalls das Grundgesetz nach Artikel 1 bis 5 (vgl. Statscheit, 2018, S. 16). Die PC legt sehr viel Wert auf Rücksicht und Empathie. Sie soll außerdem die Ansichten und Gefühle dadurch verdeutlichen, indem man sie wahrnimmt, aber nicht unbedingt persönlich teilt. Diese Umstellung in der Sprache, im Denken und im Handeln ist für die Menschheit nicht ganz einfach. In erster Linie wird nicht nur der Sprachgebrauch verändert, sondern es soll sich das Weltbild verändern. Diese Veränderung nimmt meist viele Jahre in Anspruch.(vgl. Tholl & Grau, 2018, S.1)
Es gibt viele Formen von Mobbing, die im Arbeitsalltag auftauchen und die von PC gekennzeichnet sind. Die Geschlechter- und Altersverteilung sind wichtige Faktoren, wenn es darum geht, Mobbing am Arbeitsplatz aufzuzeigen. Sexuelle Belästigung gehört zu den häufigsten Formen von Mobbing. Laut der Statistik der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sind Frauen mit 13 % gegenüber Männern mit 5 % aller Befragten am häufigsten betroffen. (vgl. AdB, 2020, S.25) Frauen sind im sozialen Kontext von Ausgrenzung, Isolierung, Beleidigungen sowie Sticheleien und Hänseleien betroffen, wohingegen Männer eher im fachlichen Kontext gemobbt werden, darunter fallen ungerechte Kritik an der Arbeit und Arbeitsentzug. (vgl.
Meschkutat und Stackelbeck, 2002, S.42f.) Das Alter ist demnach ebenfalls sehr entscheidend, weil jüngere Mitarbeiter/-innen häufiger auf die Probe gestellt werden als ältere. Der Grund hierfür ist, dass den jüngeren oft noch die Erfahrung und das Fachwissen fehlen. (vgl. Meschkutat und Stackelbeck, 2002, S.44)
2.6 Plattformen von Mobbing
Es wurden bereits der Prozess und die beteiligten Personen eines Mobbinggeschehens aufgezeigt. In diesem Kapitel soll verdeutlicht werden, welche Formen von Mobbing es gibt und welche Ausmaße diese nehmen können.
2.6.1 Bossing - Wenn Vorgesetzte mobben
Bei der Fragestellung dieser Thesis geht es darum, einen professionellen Umgang der Leitungsebene mit Mitarbeiter/-innen in sozialen Einrichtungen aufzuzeigen. Es stellt sich jedoch die Frage, was ist, wenn der oder die Vorgesetzte selbst zum Täter bzw. zur Täterin wird. Wenn die Leitungsebene eine respektlose und kontraproduktive Stellung über den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen einnimmt, ist in den meisten Fällen der komplette Arbeitsablauf gestört.
Der Begriff „Bossing“ wurde erstmals 1990 von dem norwegischen Mobbingforscher Svein Kile geprägt. Diese spezielle Form kommt ausschließlich zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern bzw. Mitarbeiterinnen vor (vgl. Brinkmann, 2011, S. 9). Bossing beschreibt ebenfalls eine konfliktbelastete Kommunikationsform. Hierbei wird in den meisten Fällen systematisch vorgegangen, das heißt, es gehen Feindseligkeiten oder sonstige vorerst unbegründete Anschuldigungen von der Leitung aus und verlaufen zielgerichtet auf einen Untergebenen bzw. eine Untergebene oder Mitarbeiter/-innen ab. Man spricht auch hier - wie bei Mobbing - nur von Bossing, wenn die Anfeindungen mehrmals und in einem längeren Zeitzyklus vorkommen. Nicht jede Zurechtweisung oder jeder Vorfall ist gleich eine Diskriminierung und führt zu Mobbing.
Der größte Unterschied zwischen Mobbing und Bossing besteht darin, dass bei dem Letzteren das Bossing-Opfer dem Mobber hierarchisch untergeordnet ist und somit weniger Macht hat. Hier lassen sich ebenfalls keine Ziele des Bossings deuten, die Motive und Absichten der Leitung bzw. des Chefs bzw. der Chefin beinhalten in den meisten Fällen Charakterschwächen, neurotisch begründete Einstellungen oder es kann sich um mangelnde persönliche und ethische Reife gegenüber den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen handeln (vgl. Fuchs, 2009, S. 47).
Die klassischen „Bossing-Instrumente“ sind Aggressivität, Arroganz, Verteidigung des Besitzstandes, Druckausübung, Missmut, Intoleranz, Konkurrenzängste, Langeweile, Machtgier (Herrschsucht bis zur Tyrannei - Parallelen zum Bullying (siehe Kapitel 2.6.2)), Missgunst, Neid, Zorn, Projektion und überhöhtes Kontrollbedürfnis bis hin zu Perfektionismus (vgl. Fuchs, 2009, S. 54).
Ein Anzeichen von Bossing kann z.B. sein, wenn sich die Aufgabenverteilung und Zustellung von Aufträgen gegenüber von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen verringern sollte. Es ist individuell von der psychischen und physischen Stabilität eines Menschen abhängig, wie und wann ein Betroffener bzw. eine Betroffene einen gewissen Leistungsabfall zeigt und somit Angriffspunkte jeglicher Art entstehen können (vgl. Litzchke, 2013, S. 102).
2.6.2 Bullying - Tyrannei am Arbeitsplatz
Ein ähnlicher Begriff, der aus dem angelsächsischen Sprachraum stammt, ist „Bullying“. Er bedeutet so viel wie tyrannisieren, schikanieren, einschüchtern und piesacken. Der Ursprung stammt von dem Wort „bully“ und bedeutet übersetzt „brutaler Mensch“ oder „Tyrann“. Dieser Begriff wird in der Literatur fast synonym zu Mobbing benutzt. In Amerika werden verwandte Begrifflichkeiten wie „(sexual) harassment“ verwendet, was so viel bedeutet wie „quälen, dauerhaftes Belästigen und Beunruhigen“. Bezüglich der hier vorliegenden Thematik wird in den USA zudem von „(employee) abuse“ gesprochen; dies bezeichnet eine grausame Behandlung unter und von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die Beleidigungen und Feindseligkeiten beinhalten (Brinkmann, 2011, S. 9). Was der Begriff „Bullying“ ebenfalls innehält, ist das Machtungleichgewicht zwischen Opfer und Täter/-in.
Hierbei wird eine beabsichtigte Schädigung in einem länger bestehenden Arbeitsverhältnis unter Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen vollzogen, diese geht von einem ungleichen Kräfte- oder Machtverhältnis des Täters bzw. der Täterin aus. Das bedeutet, dass Bullying eine offensichtlichere, physische, aggressivere Form ist als Mobbing. Mobbing verläuft hingegen verbaler, subtiler in der Kommunikation ab (vgl.
Volk, 2004, S. 12). Trotz Nachforschungen und nach heutigem Wissenstand wird in der vorbeugenden und psychotherapeutischen Versorgung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen Bullying fast nie erfragt (vgl. Schneider, 2019, S. 979-995).
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- Quote paper
- Marc Eickmeier (Author), 2021, Mobbing am Arbeitsplatz. Ein professioneller Umgang der Leitungsebene mit Mitarbeitenden in sozialen Einrichtungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1362724
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