Ziel der Arbeit ist es, erstens darüber Aufschluss zu geben, ob und inwiefern sich DMO bereits über den Nutzen des Instruments Influencer im Kontext der Thematik des Overtourism bewusst sind. Zweitens soll erörtert werden, wie DMO aus praktischer Sicht die mögliche Wirkung des Instruments einschätzen. Zur Erhebung dieser Daten wurden zehn Experteninterviews mit Vertretern verschiedener Destinationen geführt. Aus den Ergebnissen der Untersuchung ergibt sich, dass bei DMO ein generelles Bewusstsein über die Anwendungsmöglichkeiten von Influencern gegen Herausforderungen des Overtourism herrscht. Wie in vorherigen wissenschaftlichen Arbeiten bereits angenommen wurde, sehen sie die Wirkung des Instruments besonders im Bereich der Besucherlenkung und -sensibilisierung.
Die Thematik des Overtourism beschäftigt die Tourismusbranche bereits seit einigen Jahren. Dabei stehen besonders Destinationsmanagementorganisationen (DMO) vor der Herausforderung, durch die Auswahl passender Maßnahmen gegen diesen vorzugehen. In jüngster Vergangenheit wurde in ersten wissenschaftlichen Arbeiten über den möglichen Nutzen von Influencern als Instrument im Umgang mit Overtourism diskutiert. Bisher gibt es jedoch noch keine Daten über die praktische Wirkung dieser theoretischen Erkenntnisse. Auch scheinen bislang wenige DMO Gebrauch von Influencern im Rahmen des Umgangs mit Overtourism zu machen.
Inhaltsverzeichnis
Kurzfassung
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Bisheriger Forschungsstand und Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Aufbau der Arbeit
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Overtourism als Herausforderung für Destinationen
2.1.1 Definition von Destinationsmanagementorganisation (DMO)
2.1.2 Herleitung und Abgrenzung des Begriffs Overtourism
2.1.3 Entwicklung und Treiberdes Overtourism
2.1.4 Herausforderungen des Overtourism
2.2 InfluencerMarketing
2.2.1 Abgrenzung und Definition des Begriffs Influencer
2.2.2 Influencerals Marketinginstrument
2.2.3 Influencer Marketing im Tourismus
2.3 Influencer und Overtourism
2.3.1 Social Media und Influencer als Treiber des Overtourism
2.3.2 Influencer als mögliches Instrument gegen Herausforderungen des Overtourism
3 Methodik
3.1 FragestellungundZiele
3.2 Erhebungsmethode - Experteninterview
3.3 Datenerhebung
3.3.1 Interviewleitfaden
3.3.2. AuswahlderExperten
3.4 Datenaufbereitung und -auswertung
4 Darstellung der Ergebnisse
4.1 Overtourism Situation der Destinationen
4.2 Soziale Medien und Influencer als treibende Kräfte
4.3 Bisherige Nutzung von Influencer Kooperationen
4.4 Kommunikationsmaßnahmen zurVermeidung von Overtourism
4.5 Nutzen von Influence™ als Instrument gegen Overtourism
4.6 Bewusstsein und Kooperationsbereitschaftvon Influence™
4.7 Mögliche Umsetzungsprobleme
4.8 Nachfrage nach wissenschaftlichen Erkenntnissen
4.9 Ansätze zur Umsetzung
4.10 Zukunftsaussichten
5 Diskussion
5.1 Interpretation der Ergebnisse
5.2 Handlungsempfehlungen für DMO
5.3 Limitationen und Empfehlungen fürzukünftige Forschungen
6 FazitundAusblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Anhang 1 Interviewleitfaden
Anhang 1.1 Interviewleitfaden Deutsch
Anhang 1.2 Interviewleitfaden Englisch
Anhang 2 Thematischer Überblick des Leitfadens
Anhang 2.1 Thematischer Überblick des Leitfadens Deutsch
Anhang 2.2 Thematischer Überblick des Leitfadens Englisch
Anhang 4 Deduktives Kategoriensystem
Anm. der Red.: Die Transkripte im Anhang 3 wurden entfernt.
Kurzfassung
Die Thematik des Overtourism beschäftigt die Tourismusbranche bereits seit einigen Jahren. Dabei stehen besonders Destinationsmanagementorganisationen (DMO) vor der Herausforderung, durch die Auswahl passender Maßnahmen gegen diesen vorzugehen. In jüngster Vergangenheit wurde in ersten wissenschaftlichen Arbeiten über den möglichen Nutzen von Influence™ als Instrument im Umgang mit Overtourism diskutiert. Bisher gibt es jedoch noch keine Daten über die praktische Wirkung dieser theoretischen Erkenntnisse. Auch scheinen bislang wenige DMO Gebrauch von Influence™ im Rahmen des Umgangs mit Overtourism zu machen. Ziel der Arbeit ist es, erstens darüber Aufschluss zu geben, ob und inwiefern sich DMO bereits über den Nutzen des Instruments Influencer im Kontext der Thematik des Overtourism bewusst sind. Zweitens soll erörtert werden, wie DMO aus praktischer Sicht die mögliche Wirkung des Instruments einschätzen. Zur Erhebung dieser Daten wurden zehn Experteninterviews mit Vertretern verschiedener Destinationen geführt. Aus den Ergebnissen der Untersuchung ergibt sich, dass bei DMO ein generelles Bewusstsein über die Anwendungsmöglichkeiten von Influence™ gegen Herausforderungen des Overtourism herrscht. Wie in vorherigen wissenschaftlichen Arbeiten bereits angenommen wurde, sehen sie die Wirkung des Instruments besonders im Bereich der Besucherlenkung und -Sensibilisierung.
Schlagwörter: Influencer Marketing, Overtourism, Destinationsmanagement, Destinationsmarketing, Besucherlenkung, Social Media, Influencer
Abstract
The topic of overtourism has been a concern of the tourism industry for several years already. Destination management organizations (DMOs) in particular are faced with the challenge of combating it by selecting suitable measures. Recently, initial scientific work has discussed the possible benefits of influencers as a tool in dealing with overtourism. So far, however, there is no data on the practical impact of these theoretical findings. Also, it seems that so far, few DMOs make use of influencers in the context of dealing with overtourism. The aim of this paper is firstly to shed light on whether and to what extent DMOs are already aware of the benefits of influencers as a tool in the context ofdealing with overtourism. Second, to discuss how DMOs assess the potential impact of the instrument from a practical perspective. To collect this data, ten expert-interviews were conducted with representatives of different destinations. From the results of the research, it appears that there is a general awareness among DMOs about the possible usage of influencers against challenges of overtourism. As assumed in previous scientific work, they see the possible impact of the tool especially in the area ofvisitor guidance and awareness.
Keywords: Influencer Marketing, Overtourism, Destinationmanagement, Destinationmarketing, Visitor guidiance, Social Media, Influencer
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Anzahl internationalerTouristenankünfte weltweit von 1950 bis 2020 ...7
Abbildung 2: Kaufentscheidungsprozess nach Kotier (Eigene Darstellung nach Kotier etal., 2019, S. 214)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Influencer Kategorien (Eigene Darstellung in Anlehnung an Deutsches Institutfür Marketing, 2021; Santora, 2021)
Tabelle 2: Fragen 2.1. bis 2.4. des Interviewleitfadens mit Begründung
Tabelle 3: Fragen 3.1. bis 4. des Interviewleitfadens mit Begründung
Tabelle 4: Übersicht über die im Rahmen der Experteninterviews befragten Interviewpartner
Tabelle 5: Auswahlgründe für die verschiedenen Destinationen
Tabelle 6: Kategorien- bzw. Codesystem der Untersuchung
Abkürzungsverzeichnis
DMO = Destinationsmanagementorganisation
1 Einleitung
In den vergangenen Jahren wurde besonders eine die Tourismusbranche betreffende Thematik sowohl von Medien, Wissenschaft als auch Politik vielseitig und häufig diskutiert - Overtourism. Unter dem Begriff ist vereinfacht ausgedrückt die Problematik zu verstehen, dass eine zu hohe Anzahl an Touristen eine Destination besucht, was unerwünschte Auswirkungen mit sich ziehen kann (vgl. Lexico, 2021). In Zeiten der Corona Pandemie, daraus resultierenden Reisebeschränkungen und einem Einbruch der Tourismusindustrie mag es erst einmal widersprüchlich erscheinen, von Overtourism zu sprechen. Wirft man jedoch einen Blick auf Berichterstattungen der vergangenen Monate lassen sich einige aktuelle Beispiele ausfindig machen, wie beispielsweise der Besucheransturm auf die Region Berchtesgaden (vgl. Stern, 2021). Dort musste erst kürzlich ein Touristenhotspot am Königssee für mehrere Jahre gesperrt werden, weil der hohe Touristenandrang starke Schäden an der Umwelt verursachte (vgl. Demmelhuber & Haberlander, 2021). Overtourism scheint also keinesfalls „over“ zu sein. In der Diskussion um mögliche Ursachen dieses herrscht in der Wissenschaft Einigkeit darüber, dass es keinen alleinigen Auslöserfür Overtourism gibt (vgl. Dodds & Butler, 2019a). Vielmehr können verschiedene Faktoren als treibende oder die Entstehung begünstigende Kräfte wirken, weshalb von Treibern nicht Auslösern gesprochen werden sollte. Trotz allem werden besonders im medialen Diskurs über die Thematik gerne soziale Medien und Influencer als Auslöser des Overtourism betitelt (vgl. Stern, 2021). Durch ihren Einfluss auf das Reiseverhalten von Menschen können sie tatsächlich begünstigend als Treiber auf eine Entstehung des Phänomens einwirken (vgl. Dodds & Butler, 2019b, S. 14; Gretzel, 2019, S. 70). Bei der Frage nach dem Umgang mit Overtourism stehen besonders Destinationsmanagementorganisationen (DMO) vor der Herausforderung, Ursachen auszumachen und mit passenden Maßnahmen gegenzusteuern. Auf der Suche nach Gegenmaßnahmen wurden in wissenschaftlichen Arbeiten der jüngsten Zeit soziale Medien und Influencer als ein mögliches Instrument der Besucherlenkung identifiziert (vgl. Gretzel, 2019, S. 71). Dabei wird einerseits von der Möglichkeit gesprochen, alternative Orte zu Hotspots bei einer spezifischen Zielgruppe zu bewerben und damit Einfluss auf die Lenkung der Touristenströme zu nehmen (vgl. Gretzel, 2019, S. 71). Andererseits kann über sie ein Umdenken angestoßen werden, durch die Verbreitung von Informations- und Bildungsbotschaften (vgl. Deutscher Tourismusverband e.V., 2021, S.18). Besonders Influencer können auf dieser Grundlage und ihrer Eigenschaften als Meinungsführer und einflussreiche Werbebotschafter ein interessantes und geeignetes Instrument für DMO darstellen, um die neuen Erkenntnisse umzusetzen.
1.1 Bisheriger Forschungsstand und Problemstellung
Der Einsatz von Influence™ als Maßnahme gegen Herausforderungen des Overtourism wurde in der bisher vorhandenen Literatur erst wenig diskutiert. 2019 veröffentlichte Ulrike Gretzel den Artikel „The Role of Social Media in Creating and Addressing Overtourism”. In diesem geht sie abschließend kurz auf die aus ihrer Sicht existenten möglichen Wirkungsweisen von sozialen Medien und Influence™ im Einsatz gegen Herausforderungen des Overtourism ein. Sie nennt dabei insbesondere die Einflussnahme auf die Lenkung von Touristenströmen und die Möglichkeit, ein Umdenken bei Reisenden anzustoßen, indem über Treiber und Konsequenzen des Overtourism Aufklärung betrieben wird. Ähnlichkeiten dazu lassen sich in einem 2021 durch den Deutschen Tourismusverband publizierten Handlungsleitfaden zur Besucherlenkung finden. In diesem können Influencer als Teil der indirekten Besucherlenkungsmaßnahmen identifiziert werden. Eine umfangreiche Erläuterung zu den Erkenntnissen beider Publikationen lässt sich in Kapitel 2.3.2. finden. Die bisherigen Veröffentlichungen liefern zwartheoretischeAnnahmen zurWirkungsweise von Influence™ im Umgang mit Herausforderungen des Overtourism, jedoch fehlt eine Belegung dieser durch konkrete Daten, sowie ein Einbezug der praktischen Sicht und Einschätzung durch DMO gänzlich. Auch lassen sich bislang nur wenige Beispiele für eine Umsetzung der Theorie finden. Eines ist die Kampagne „Rücksichtsvoll durch Bayern“ welche von Bayern Tourismus in Kooperation mit dem Komödianten Harry G ins Leben gerufen wurde (vgl. Bayern Tourismus, 2020). In kurzen komödiantischen Videos wird das korrekte Verhalten in der bayrischen Natur thematisiert. Wobei es Auslegungssache ist ob Harry G in die Kategorie des Influencers fällt. Auch Schweiz Tourismus wagt sich an die Thematik heran. Seit einiger Zeit laden sie gezielt passende Influencer aus aller Welt ein und veranstalten mit ihnen im Rahmen einer Konferenz auch Inforeisen an bisher unbekanntere Ziele innerhalb der Schweiz (vgl. Schweiz Tourismus, 2019a, 2019b). Neben diesen Beispielen lassen sich bislang nur wenige andere ausmachen. Es stellt sich also die Frage ob sich DMO überhaupt über die Anwendungsmöglichkeit von Influence™ im Kontext des Overtourism bewusst sind und ob diese für sie von Relevanz ist. Hier soll die vorliegende Bachelorarbeit ansetzen.
1.2 Zielsetzung
Aufgrund des bisherigen Forschungsstandes zu der Thematik und den identifizierten Informationslücken, wurde die folgende Fragestellung der vorliegenden empirischen Untersuchung zugrunde gelegt:
Inwieweit sind sich Destinationsmanagementorganisationen überden vielseitigen Nutzen von Influence™ als Instrument gegen Problematiken des Overtourism bewusst, um diese sinnvoll in ihre Kommunikationsstrategie einzubeziehen?
Ziel der Arbeit ist es, durch die Beantwortung der Forschungsfrage erstens darüber Aufschluss zu geben, ob und inwiefern sich DMO bereits über den möglichen Nutzen des Instruments Influencer im Kontext der Thematik des Overtourism bewusst sind. Zweitens soll erörtert werden, wie DMO aus praktischer Sicht die mögliche Wirkung des Instruments einschätzen und welche Umsetzungsmöglichkeiten, aber auch Schwierigkeiten sie dabei sehen. Mit Hilfe der im Rahmen dieser Arbeit erhobenen Daten soll deshalb die Forschungslücke zur praktischen (bisherigen) Umsetzung, Einschätzung und Relevanz des Themas aus Sicht der DMO bearbeitet werden. Dazu wurden Experteninterviews mit Vertretern verschiedener Destinationen durchgeführt.
1.3 Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit unterteilt sich in sechs Kapitel. Nach den einleitenden Abschnitten wird in Kapitel 2 anhand der aktuellen Literatur und den thematischen Grundlagen ein theoretischer Rahmen gebildet. Innerhalb dieses wird zuerst in die Thematik des Overtourism eingeführt und daraus resultierende Herausforderungen für Destinationen erörtert. Anschließend wird der Begriff des Influencers definiert und die Wirkung des Influencer Marketings, auch aus touristischer Sicht vorgestellt. Als Abschluss der Theorie wird auf soziale Medien und Influencer im Kontext des Overtourism eingegangen. Dabei werden die bisherigen Erkenntnisse zum Einsatz von Influence™ als mögliches Instrument gegen Herausforderungen des Overtourism erläutert. Auf Grundlage dieses theoretischen Rahmens folgt der empirische Teil der Arbeit. In Kapitel 3 wird die der Forschung zu Grunde liegende Methodik beschrieben. Im nachfolgenden Kapitel erfolgt die Darstellung der Ergebnisse, welche im anschließenden Diskussionsteil zusammengefasst und interpretiert werden. Abschließend werden auf Grundlage der Forschungsergebnisse Handlungsempfehlungen für DMO formuliert, etwaige Limitationen der Untersuchung beschrieben und weiterführenden Überlegungen aufgezeigt. Die Arbeit schließt mit einem Fazit und Ausblick.
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Overtourism als Herausforderung für Destinationen
2.1.1 Definition von Destinationsmanagementorganisation (DMO)
Unter Destinationsmanagementorganisationen (DMO) versteht man privatrechtliche Unternehmen oder öffentlich-rechtliche Organisationseinheiten, welche die Aufgabe haben, das gesamte Produkt Destination zu verwalten und koordinieren (vgl. Scherhag, 2018). Zu ihren Aufgaben zählt es, ein Tourismuskonzept für die gesamte Destination aufzustellen, welches meist auch an die Erfüllung öffentlicher Interessen, wie der Förderung des Tourismus, geknüpft ist (vgl. Scherhag, 2018). Auch die Vermarktung der Destination fällt in ihren Aufgabenbereich. DMO sind außerdem für die Verwaltung der verschiedenen Leistungsträger innerhalb ihrer Strukturen verantwortlich in Form von Förderung gemeinsamer Kooperationen, Verfolgung gemeinsamer übergeordneter Ziele sowie der Gleichbehandlung der Stakeholder.
2.1.2 Herleitung und Abgrenzung des Begriffs Overtourism
Wie eingangs bereits erläutert wurde, beschäftigt die Thematik Overtourism in den vergangenen Jahren nicht nur die Tourismusbranche, sondern auch Politik, Medien und Gesellschaft. Betrachtet man die zeitliche Entwicklung des Suchbegriffs „Overtourism“ auf Google lässt sich erkennen, dass dieser erstmals 2016 in der Suchmaschine auftauchte und ab 2017 rasch an Interesse gewann, welches jedoch mit Einsetzen der Corona Pandemie wieder abnahm (vgl. Google Trends, 2021). Betrachtet man diesen ungewöhnlich schnellen Interessensanstieg, im Jahr 2018 wurde der Begriff bereits zum Wort des Jahres nominiert (vgl. OxfordLanguages, 2018), mag die Frage aufkommen, was unter dem die Gesellschaft scheinbar so umtreibenden Ausdruck zu verstehen ist. Bei der Suche nach einer Definition stößt man jedoch auf ähnlich viele Definitionsansätze, wie Zeitungsartikel zu Overtourism. Das Wort selbst ist eigentlich klar verständlich und erlaubt es jedem sich etwas darunter vorzustellen (vgl. Goodwin, 2019, S. 110). Trotzdem oder gerade deshalb gibt es keine einheitliche Definition des Begriffs.
Wann oder wo die Bezeichnung Overtourism ihren Ursprung fand, ist nicht sicher geklärt, aber in sozialen Netzwerken tauchte sie bereits vor 2016 als Hashtag auf (vgl. Goodwin, 2017, S. 1). Das touristische Marketing- und Forschungsunternehmen Skift schreibt sich selbst die „Erfindung“ des Ausdrucks zu, da dieser 2016 erstmals im wissenschaftlichen Kontext in einer Veröffentlichung des Unternehmens zum isländischen Tourismus erwähnt wurde (vgl. Ali, 2018). In dieser wird Overtourism als mögliche Gefahr für Destinationen gesehen, welche durch zu viele Touristen hervorgerufen wird und bei fehlendem Management negative Folgen für Wirtschaft, Umwelt und Soziokultur, und damit auch für die lokale Bevölkerung nach sich ziehen kann oder sogar zu einem Rückgang des Tourismus führen könnte (vgl. Sheivachman, 2016). Die Quintessenz dieser Aussage lässt sich auch in vielen Definitionsversuchen wiederfinden, wie beispielsweise dem des Tourismus- und Nachhaltigkeitsforschers Harold Goodwin:
„Overtourism describes destinations where hosts or guests, locals or visitors, feel that there are too many visitors and that the quality of life in the area or the quality ofthe experience has deteriorated unacceptably.” (Goodwin, 2017, S. 1)
Die daraus resultierende Verschlechterung wird nach seiner Aussage meist sowohl von Besuchern, als auch Bewohnern wahrgenommen, weshalb diese sich gegen ihn zu wehren beginnen (vgl. Goodwin, 2017, S. 1). Overtourism bildet deshalb das Gegenteil des nachhaltigen Tourismus (vgl. Goodwin, 2017, S. 1). Goodwin macht die Frage nach dem „Wann ist es zu voll?“ in seiner Definition von der Wahrnehmung der Menschen abhängig, was eine Messbarkeit natürlich erschwert. Dazu argumentieren Koens et al. (2018) jedoch, dass man sich von dem Gedanken verabschieden sollte, dass Overtourism einfach und objektiv messbar wäre (vgl. Koens et al., 2018, S. 9f). Sie üben deshalb auch Kritik an dem Begriff, da dieser ihrer Einschätzung nach eine falsche Einheitlichkeit für ein komplexes Konstrukt vermittelt und der Anschein erweckt würde, es gäbe einen allgemein gültigen Punkt des „zu viel“ (vgl. Koens et al., 2018, S. 9). Die Komplexität der Thematik lässt sich auch an den im Rahmen des Overtourism wieder aufgeflammten Diskussionen um Tragfähigkeitsgrenzen von Destinationen erkennen. Diese werden nach der UNWTO wie folgt definiert:
„the maximum number of people that may visit a tourist destination at the same time, without causing destruction of the physical, economic, and sociocultural environment and an unacceptable decrease in the quality of visitors’ satisfaction“ (UNWTO, 2018, S. 5)
Tragfähigkeitsgrenzen und wie sie zu bestimmen sind, beschäftigen die Tourismusindustrie bereits viele Jahrzehnte. Dabei hat sich herauskristallisiert, dass es nicht möglich ist diese an einzelnen Zahlen zu messen (vgl. Kagermeier & Erdmenger, 2019, S. 81f). Auch deshalb, weil wie auch aus Goodwins Definition erkenntlich wurde, die Tragfähigkeit ein soziales Konstrukt und von subjektiver Wahrnehmung abhängig ist, sind komplexe Tragfähigkeitsanalysen zu deren Bestimmung notwendig (vgl. Kagermeier & Erdmenger, 2019, S. 81f). Daraus lässt sich schließen, dass auch Overtourism nicht an der Überschreitung physischer Tragfähigkeitsgrenzen und daraus resultierenden negativen Effekten festgemacht werden darf, sondern zu einem großen Teil auch ein soziales Phänomen ist (vgl. Kagermeier & Erdmenger, 2019, S. 88). Die folgende, im Rahmen einer Studie des Europäischen Parlaments aufgestellte Definition von Overtourism die bringt Komplexität des Konstrukts ebenfalls gut zum Ausdruck:
“Overtourism describes the situation in which the impact of tourism, at certain times and in certain locations, exceeds physical, ecological, social, economic, psychological, and/orpoliticalcapacitythresholds.”(Peeters etal., 2018, S. 22)
Overtourism kann also als neues Label für die vielschichtige und komplexe Diskussion um die Tragfähigkeitsgrenzen und das Engpassmanagement von Destinationen betrachtetwerden (vgl. UNWTO, 2018, S. 7). Dem Begriff wird deshalb häufig unterstellt, lediglich „alter Wein in neuen Schläuchen“ zu sein (vgl. Bauer et al., 2020, S. 91). Bauer et al. (2020) argumentieren dazu, dass die jahrzehntelange Auseinandersetzung mit der Thematik, durch das Phänomen Overtourism ein neues Momentum erhalten habe (vgl. Bauer et al., 2020, S. 91). Denn es stellt die Tourismuswelt heute intensiver denn je vor die Herausforderung, mit ihm umzugehen (vgl. Koens et al., 2018, S. 9). Overtourism ist dabei keinesfalls, wie manchmal angenommen, ausschließlich ein Problem urbaner Räume, sondern betrifft genauso ländliche Räume (vgl. Bauer et al., 2020, S. 95; Koens et al., 2018, S. 9f). In dem Versuch den Ausdruck abzugrenzen und zu definieren, stellt sich auch die Frage, ob es sich dabei nicht einfach um Massentourismus handelt. Diese beiden Begrifflichkeiten sind jedoch klar voneinander abzugrenzen (vgl. Koens et al., 2018, S. 9). Hohe Besucherzahlen können zwar einen möglichen Auslöser des Overtourism darstellen, jedoch definiert dieser Begriff mehr die Wahrnehmung der Tourismussituation und die Auswirkungen auf die Destinationsumwelt und alle ihre Teilnehmer (vgl. Koens et al., 2018, S. 9). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es sich bei Overtourism um ein vielseitiges und komplexes Phänomen handelt, welches nicht so einfach einzugrenzen ist. Es gibt der Diskussion um die Tragfähigkeit von Destinationen ein neues Gesicht und stellt diese vor viele Herausforderungen (siehe. 2.1.4.).
2.1.3 Entwicklung und Treiber des Overtourism
Nachdem in den vergangenen Jahren scheinbar immer mehr Destinationen mit Overtourism und seinen Folgen zu kämpfen haben mag sich vielleicht die Frage stellen, warum Overtourism plötzlich so ein häufiges Problem darstellt und welche Treiber ihn begünstigen. Hierbei muss jedoch angemerkt werden, dass es für Overtourism keinen alleinigen Auslöser gibt, sondern viel mehr ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren begünstigende Bedingungen für die Entstehung dieses Phänomens schafft. Mittlerweile wurde in der Literatur eine Vielzahl an verschiedenen Treibern identifiziert und diskutiert. In diesem Kapitel soll jedoch nur eine kleine übergeordnete Auswahl dargestellt werden.
Betrachtet man die historische Entwicklung des Tourismus, hat dieser seit Ende des Zweiten Weltkriegs bis zur Corona Pandemie im Jahr 2020 einen immensen Wandel und Wachstum vollzogen. In Zeiten vor der Corona Pandemie bewegten sich nie da gewesene Zahlen an Touristen durch die Welt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Anzahl internationalerTouristenankünfte weltweit von 1950 bis 2020 (Eigene Darstellung in Anlehnung an Statista Research Department, 2021; UNWTO, 2021, S. 4)
Im Jahr 2019 verzeichnete die UNWTO 1.46 Milliarden internationale Ankünfte (vgl. UNWTO, 2021, S. 4). Im Vergleich dazu gab es in den 70er Jahren, als sich erstmals mit den negativen Effekten des Tourismus beschäftigt wurde, gerade einmal 165 Millionen Ankünfte (vgl. Dodds & Butler, 2019b, S. 7). Daran ist zu erkennen, welchen schnellen und immensen Wandel derTourismus in den vergangenen Jahrzehnten erlebt hat. Infolgedessen sehen sich Destinationen heute mit mehr Touristen denn je konfrontiert, welche innerhalb dieser gemanagt werden müssen. Doch es stellt sich die Frage, weshalb derTourismus in den vergangenen Jahrzehnten solch ein immenses Wachstum verzeichnen konnte. Ein wichtiger Faktor ist dabei, dass sich seit den 1950er Jahren immer mehr Menschen Reisen leisten können (vgl. Dodds & Butler, 2019b, S. 7f) und dieses immer günstiger wird (vgl. Goodwin, 2017, S. 5). Dies resultiert einerseits daraus, dass die Mittelschicht immer stärker wächst und damit einhergehend der allgemeine Wohlstand, andererseits sind die Kosten für eine Reise stark gesunken (vgl. Dodds & Butler, 2019b, S. 7; Garcia, 2017). Besonders durch das erschwinglicher werden von Flugreisen konnten plötzlich auch neue Reiseziele schnell und bezahlbar von einer größeren Zahl an Touristen erreicht werden. Heute bieten besonders Low Cost Airlines Reisenden die Möglichkeit so billig wie nie zu verreisen (vgl. Dodds & Butler, 2019b, S. 8; Goodwin, 2017, S. 5). Als Folge der gesunkenen Preise reisen jedoch nicht nur mehr Menschen, sondern sie reisen auch öfter (vgl. Goodwin, 2017, S. 5). Dadurch ist weltweit ein regelrechtes Reisefieber entstanden und es zieht immer mehr Menschen immer öfter in die Ferne. Ein zweiter wichtiger Grund für die steigenden Touristenzahlen ist, dass im Zuge der Globalisierung auch immer mehr Länder über vereinfachte Visa- und Einreiseabkommen verfügen, was einerseits das Reisen generell vereinfacht, aber andererseits auch gänzlich neuen Touristengruppen den Zugang zum Reisemarkt ermöglicht (vgl. Dodds & Butler, 2019b, S. 9f). Ein Beispiel sind hier besonders chinesische Touristen. Eine immer stärkere Vereinfachung der Reisebedingungen durch Visaabkommen, führte weltweit zu einem enormen Anstieg an chinesischen Besuchern (vgl. Dodds & Butler, 2019b, S. 9f). Die steigende Zahl an Reisenden und das Vordringen in neue Märkte mag grundsätzlich erst einmal positiv für die Tourismusbranche klingen, jedoch stehen Destinationen und ihre Stakeholder vor der schwierigen Aufgabe auf diese passend zu reagieren und ihnen mit einem geeigneten Management gegenüberzutreten, um Overtourism zu verhindern. Dies geschieht aufgrund der schnellen Entwicklungen oft zu spät.
Neben den steigenden Zahlen an Reisenden wird Overtourism auch durch Irrtümer des Destinationsmanagements begünstigt. Ein häufig genannter Kritikpunkt ist hier der zu starke und kurzfristige Fokus der Tourismusbranche auf Wachstum (vgl. Dodds & Butler, 2019b, S. 10). In Prognosen wurden rosige Aussichten aufWachstumschancen und Einnahmen gestellt, während negative Auswirkungen und eine nachhaltige und auch sozial verträgliche Entwicklung außer Acht gelassen wurden (vgl. Dodds & Butler, 2019b, S. 12). Statt die Leistung von DMO anhand der erbrachten Rendite durch die Besucher zu bemessen, wurde diese häufig lediglich anhand des Zuwachses von Reisenden betrachtet (vgl. Dodds & Butler, 2019b, S. 10; Goodwin, 2017, S. 6). Dies könnten Gründe dafür sein, dass DMO sich lange hauptsächlich auf die Vermarktung der Destinationen fokussierten, und nun in der Kritik stehen, Touristenmagneten deshalb immer weiter beworben zu haben, um die an sie gestellten Erwartungen zu erfüllen (vgl. Dodds & Butler, 2019b, S. 11; Goodwin, 2017, S. 6). Die negativen Folgen dieser kurzfristigen Planungen äußeren sich heute in Overtourism. Einen weiteren möglichen Treiber stellt die Beteiligung vieler verschiedener Stakeholder innerhalb der Destination dar. DMO sind nicht alleine für die Entwicklung der Destination verantwortlich, sondern von weiteren Akteuren abhängig und haben wenig bis keine Kontrolle über deren Handeln. Ein aktuelles Beispiel für eine mögliche Diskrepanz in diesem Bereich ist Prag. Die Ziele von Prague City Tourism fokussieren sich unteranderem auf einen nachhaltigeren und wertigeren Tourismus in der Stadt indem gegen das Bild von Prag als günstige Partydestination vorgegangen wird und Touristen mit dem Interesse an längeren Aufenthalten angesprochen werden sollen (vgl. Prague City Tourism, 2020, S. 21ff). Gleichzeitig richtet sich die Billigfluggesellschaft Eurowings ab Winter 2021 einen neuen Hub am Prager Flughafen ein (vgl. Airliners, 2021) und bewirbt die neuen günstigen Verbindungen in die tschechische Hauptstadt (vgl. Eurowings Twitter, 2021). Um zu verhindern, dass Managementirrtümer oder -diskrepanzen der Destination schaden, ist es also wichtig, dass alle Akteure bei der Entwicklung einer gemeinsamen, langfristigen und nachhaltigen Tourismusstrategie miteinbezogen werden und „an einem Strang ziehen“, um gemeinsam festgesetzte Ziele und Visionen zu verwirklichen.
Ein weiterer, häufig genannter und den Overtourism begünstigender Aspekt ist die erweiterte Zugangsmöglichkeit zu Medien und Informationen (vgl. Dodds & Butler, 2019b, S. 13). Besonders in Zeiten des Web 2.0 haben Reisende heute nicht nur die Möglichkeit im Internet nach Informationen zu suchen, sondern können selbst zum Ersteller von Inhalten für andere Reisende werden (vgl. Dodds & Butler, 2019b, S. 13f). Diese Inhalte können heute in nie dagewesener Schnelligkeit große Gruppen erreichen, die dem Verhalten des Erstellers nacheifern könnten. In Kapitel 2.3.1. wird der Einfluss sozialer Medien und Influencer auf die Entstehung von Overtourism detaillierter erläutert. Aber auch bereits vor den Zeiten sozialer Medien konnten mediale Formate einen hohen Einfluss auf das Reiseverhalten von Menschen aufweisen (vgl. Dodds & Butler, 2019b, S. 13). Ein bekanntes Beispiel ist der Film „The Beach“ aus dem Jahr 2000 mit Leonardo DiCaprio, der in der Maya Bay auf der Insel Phi Phi Leh gedreht wurde. Durch die traumhafte Szenerie, die im Film gezeigt wurde, zog die Insel in den vergangenen Jahren Massen an Touristen an, bis im Jahr 2018 zum Schutz der Insel ein Besuchsverbot in Kraft trat (vgl. Clark, 2018).
Die in diesem Kapitel herausgearbeiteten Faktoren, welche einen Nährboden für Overtourism bilden können, sind, wie zu Beginn bereits erwähnt, lediglich als Auswahl, nicht als Gesamtbild zu verstehen. Keiner dieser Faktoren alleine, aber auch nicht nur diese Faktoren, sind Auslöser des Overtourism, vielmehr können sie lediglich begünstigend wirken.
2.1.4 Herausforderungen des Overtourism
Nach der Darstellung verschiedener Treiber des Overtourism im vorangegangenen Kapitel soll nun näher erläutert werden, wie Overtourism sich äußern kann und mit welchen Herausforderungen sich Destinationen infolgedessen auseinandersetzen müssen. Betrachtet man populäre Beispiele, welche im Rahmen dieses Themas in den Medien diskutiert werden, sieht man, dass dieser viele Gesichterhaben kann. In einem 2019 publizierten Artikel nutzt Harold Goodwin den Begriff Symptome des Overtourism (vgl. Goodwin, 2019, S. 112), was als durchaus passend gewertet werden kann, da ähnlich wie bei einer Krankheit, verschiedene an Overtourism leidende Destinationen sich sowohl mit ähnlichen als auch verschiedenen Herausforderungen (=Symptome) konfrontiert sehen.
Mit den Protesten von Einheimischen, welche 2017 der Thematik Overtourism eine neue Dimension verliehen, wurden besonders die Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung in den Fokus gesetzt (vgl. Coldwell, 2017; Milano et al., 2018). Ein dabei oft diskutiertes Thema ist der Wettbewerb von Bewohnern und Besuchern um Raum, Annehmlichkeiten und Dienstleistungen (vgl. Dodds & Butler, 2019b, S. 12). Touristen dringen heute verstärkt in Räume vor, welche in der Vergangenheit Einheimischen vorbehalten waren, was sich unter anderem auch auf die Wohnsituation innerhalb der Destination auswirken kann. Viele Reisende möchten die Destination möglichst authentisch erleben (vgl. Milano et al., 2018). Plattformen wie AirBnB unterstützen dies, indem sie durch die Vermietung von Wohnungen in normalen Wohnvierteln die Illusion erwecken wie ein Einheimischer zu leben (vgl. Dodds & Butler, 2019b, S. 13). Das Angebot an Wohnraum zur Kurzzeitmiete hat durch diese Plattformen stark zugenommen, was die Wohnungssituation vielerorts verschärfte (vgl. Koens et al., 2018, S. 5f) und auch zu einem Anstieg des Mietspiegels führte (vgl. Postma & Schmuecker, 2017, S. 153). Einige Städte wie Amsterdam sahen sich deshalb bereits in der Not, die Vermietung über AirBnB und ähnliche Plattformen zu verbieten oder stark zu reglementieren (vgl. Spiegel Wirtschaft, 2020). Aber die Auswirkungen beschränken sich nicht nur auf den Wohnungsmarkt, auch kann es durch das Eindringen der Touristen zu Störungen des alltäglichen Lebens in der Destination und der Privatsphäre kommen (vgl. Kagermeier, 2021, S. 38ff). Einerseits können Bewohner sich durch die neue Nähe beispielsweise durch feiernde Touristen, welche Lärm und Verschmutzungen verursachen, gestört fühlen, wie es unter anderem in Amsterdam der Fall war (vgl. van der Zee, 2017). Andererseits können Bewohner und ihr Wohnraum unfreiwillig selbst zu Touristenattraktionen werden. Im Oberösterreichischen Hallstatt drangen Touristen sogar in Gärten und Wohnhäuser ein, besonders um Fotos oder Videos des malerischen Dorfes zu schießen (vgl. Baldwin, 2021). Dies sind nur zwei Beispiele für die Störung des einheimischen Lebens durch Overtourism. Global gibt es eine Vielzahl solcher Beispiele und infolgedessen auch immer mehr lauter werdende Rufe nach Maßnahmen gegen diesen. Eine weitere Herausforderung können die Auswirkungen des Overtourism auf die Infrastruktur einer Destination darstellen (vgl. Kagermeier, 2021, S. 38; McKinsey, 2017, S. 18). Wenn Destinationen die Schwelle des Overtourism erreichen, ist häufig auch die Infrastruktur nicht auf die Massen an Touristen ausgelegt, die sie beanspruchen (vgl. Dodds & Butler, 2019b, S. 12). Die Überbeanspruchung der Infrastruktur zieht dabei häufig nicht nur soziale Folgen mit sich, sondern wirkt sich auch negativ auf Umwelt und Natur aus (vgl. McKinsey, 2017, S. 18f). Ein aktuelles Beispiel für die Überlastung der Infrastruktur einer Destination zeigt sich auf den hawaiianischen Inseln. Als Folge eines unerwarteten „After-Covid“ Touristenbooms sehen sich diese mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert (vgl. Winner, 2021). Das erhöhte Verkehrsaufkommen aufdem berühmten Hana Highway, welcher sich entlang einer malerischen Szenerie schlängelt, führt zu Staus und dichtem Verkehr sowie der Missachtung von Parkverboten (vgl. Winner, 2021). Dies kann einerseits zu Luft- und Umweltverschmutzungen führen, bereitet aber den Einheimischen auch Sorgen, dass überlebenswichtige Einrichtungen wie das Krankenhaus Hanas nicht schnell genug erreicht werden können (vgl. Winner, 2021). Auch die Lebensrnittel- und Wasserversorgung vieler Orte ist nicht auf die neuen Massen an Touristen ausgelegt. In lokalen Supermärkten stehen Regale leer und Einheimische kommen nicht an die gewünschten Produkte (vgl. Winner, 2021). Darüber hinaus leidet die Inselgruppe unter Wasserknappheit, die nun weiter verstärkt wird. Ein Problem, das zu Diskrepanzen mit der Bevölkerung führt, da Touristen der Zugang zu Wasser nahezu uneingeschränkt ermöglicht wird und Hotels ihre Pools füllen, während die Wassernutzung für die Bewohner stark reguliert und mit hohen Strafen auch geahndet wird (vgl. Leonard, 2021). Das Beispiel Hawaiis zeigt die Vielschichtigkeit der Herausforderungen, vor weiche Overtourism Destinationen stellt.
Diese Symptome und Auswirkungen stellen die DMO, aber auch die lokale Politik vor die anspruchsvolle Ausgabe passende Maßnahmen zu treffen, um einerseits die eigene Destination zu schützen aber andererseits Touristen nicht zu vergraulen, um weiter von den Einnahmen des Tourismus profitieren zu können. Sie befinden sich dabei regelrecht auf einer Gratwanderung. Aufgrund der Neuheit des Themas Overtourism ist es oft nicht möglich sich an Erfahrungen und Maßnahmen anderer Destinationen zu orientieren, sondern es müssen neue innovative Möglichkeiten gefunden werden, um gegen diesen vorzugehen.
2.2 Influencer Marketing
2.2.1 Abgrenzung und Definition des Begriffs Influencer
Der Begriff des Influencers ist heutzutage in aller Munde und beschäftigt besonders das Marketing. Doch was genau ist unter einem Influencer zu verstehen und wann ist ein Influencer ein Influencer? Ähnlich wie bei der Definition von Overtourism gibt es hier keine klare Antwort, sondern eine Vielzahl von Definitionsansätzen. Im Folgenden soll herausgearbeitet werden, was im Rahmen dieser Arbeit unter einem Influencer zu verstehen ist.
Der Begriff Influencer leitet sich von dem englischen Begriff ,,to influence“ ab, was so viel bedeutet wie jemanden beeinflussen (vgl. Langenscheidt, 2021). Ein Influencer ist vereinfacht dargestellt, wie die Wortherkunft bereits vermuten lässt, jemand, der die Macht hat aufgrund von Wissen, (sozialer) Autorität oder auch einer bestimmten Position, die er innehat, seine Anhänger oder auch Bewunderer zu beeinflussen (vgl. Geyser, 2021; Kost & Seeger, 2020, S. 38). Sie werden deshalb häufig auch als Meinungsführer bezeichnet (vgl. Schwabl et al., 2018, S. 7). Dieser sehr allgemeine Definitionsansatz schließt jedoch einen großen Kreis an Personen ein, welche mit dem heute vorherrschenden Bild des Influencers nicht unbedingt korrespondieren. Schach (2018) trifft dieses deutlich besser, indem sie die Verbindung des Begriffs zur digitalen Welt schafft:
„Ein Influencer ist sowohl Meinungsführer, der im digitalen Bereich die Einstel- lungs- und Verhaltensabsicht seiner Follower beeinflussen kann, als auch zugleich eine mediale Person, die für seine Follower eine Vorlage für Empathie, sozialen Vergleich undparasoziale Beziehungen bietet.“(Schach. 2018, S. 20)
Wenn heutzutage die Sprache auf Influencer fällt, sind meist genau diese digitalen Influencer, welche sich durch ihre Aktivitäten in sozialen Netzwerken eine gewisse Bekanntheit aufgebaut haben, gemeint (vgl. Deges, 2018a, S. 19). Sie unterscheiden sich von normalen Social Media Nutzern in der Hinsicht, dass sie sich durch regelmäßiges Hochladen von Inhalten und Anregungen zur Interaktion eine aktive Community bzw. Anhängerschaft, meist mit Fokus auf ein bestimmtes Themengebiet, aufgebaut haben (vgl. Deges, 2018b). Ihre Position als Meinungsführer lässt sich unter anderem aufgrund dieser Fokussierung begründen. Teilt ein Influencer häufig Fachwissen zu einem Themenbereich wird er von seinen Fans als glaubwürdig eingeschätzt, besonders wenn der Expertenstatus auf einer Profession oder Passion beruht (vgl. Deges, 2018a, S. 17). Aufgrund dessen wird seinen Botschaften auch ein gewisses Vertrauen entgegen gebracht, vor allem in Bezug auf Produktempfehlungen (vgl. Deges, 2018a, S. 18). Er kann dadurch einen gewissen Einfluss auf seine Bewunderer ausüben, der bis zum Kaufimpuls führen kann (vgl. Kost & Seeger, 2020). Influencer schaffen es außerdem durch eine regelmäßige Kommunikation auf Augenhöhe von ihren Followern als authentisch wahrgenommen zu werden und ein Gefühl der Nähe zu schaffen (vgl. Deges, 2018a, S. 19f).
Influencer zeichnen sich zwar durch eine hohe Reichweite ihres Contents aus (vgl. Deges, 2018a, S. 14), jedoch sollte nichtfälschlicherweise angenommen werden, dass erst solche Kanäle mit mehreren hunderttausend Abonnenten wirklich beeinflussend wirken. Ihr Expertenstatus begründet sich, wie bereits beschrieben, eher auf ihrer Expertise in ihrem Themenbereich und ihrer daraus resultierenden Glaubwürdigkeit (vgl. Deges, 2018a, S. 17). Je nach Reichweite und Popularität haben Influencerverschie- dene Eigenschaften, wie sie auf ihre Community einwirken können. Sie werden deshalb mittlerweile in Kategoriensysteme eingeteilt (siehe Tabelle 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Influencer Kategorien (Eigene Darstellung in Anlehnung an Deutsches Institutfür Marketing, 2021; Santora, 2021)
Wie anhand der Tabelle ersichtlich wird, erfolgt die Kategorisierung grundsätzlich anhand der Zahl der Follower und der damit verbundenen Reichweite des Influencers. Mit Blick auf die unter „Besonderheiten“ genannten Eigenschaften wird jedoch klar, dass die verschiedenen Kategorien sich besonders durch die Enge ihrer persönlichen Beziehung zu ihren Followern und die sogenannte Engagement Rate1 unterscheiden. Ein Mega Influencer vermag zwar durch seine immense Reichweite deutlich mehr Menschen zu erreichen, aber im Vergleich zu einem Micro Influencer ist die Engagement Rate mit dem Beitrag ehr niedrig und es kommt zu vielen Streuverlusten (vgl. Kost & Seeger, 2020, S. 40). Es gilt „Je kleiner die Community, desto persönlicher der Kontakt und desto intensiver die Interkation“ (Kost & Seeger, 2020, S. 40). Damit zeigt sich, dass nicht etwa Social Media Superstars, sondern besonders Micro oder Nano Influencer für Kooperationen interessant sind, um hohe Interaktionen und wenig Streuverluste zu haben (vgl. Kost & Seeger, 2020, S. 40). Die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Community durch ihre Position als Meinungsführer macht Influencer auch als Marketinginstrument für Unternehmen interessant, worauf im folgenden Kapitel näher eingegangen wird.
2.2.2 Influencerals Marketinginstrument
Nachdem im vorangegangenen Kapitel der Begriff des Influencers näher erläutert wurde, ist es nun wichtig zu verstehen, welchen Nutzen sie für Unternehmen im Rahmen des Marketings haben können und worauf dieser beruht. Die dem Influencer Marketing zugrunde liegende Idee der Vermarktung durch Empfehlungen bzw. Mundpropaganda ist kein Phänomen des Internet Zeitalters (vgl. Deges, 2018a, S. 34), denn Unternehmen machen sich die Effekte, die Empfehlungen auf das Kaufverhalten ihrer Kunden haben können, bereits seit vielen Jahrzehnten zu Nutzen. Als Vorreiter des Influencer Marketings wird oft der Einsatz sogenannter Testimonials bezeichnet (vgl. Kost & Seeger, 2020, S. 39), dabei handelt es sich um bekannte Persönlichkeiten welche Werbebotschaften durch ihre Empfehlung untermauern und aufgrund ihrer Bekanntheit die Glaubwürdigkeit dieser unterstützen sollen (vgl. Online Marketing.de, 2021). Eines der bekanntesten Beispiele für den Einsatz von Testimonials ist die Werbung des Kaffeeherstellers Nespresso mit George Clooney als langjährigem Markengesicht. Betrachtet man Deges (2018a) Definition zu Influencer Marketing lässt sich eine klare Parallele erkennen:
„Influencer Marketing ist die Planung, Steuerung und Kontrolle des gezielten Einsatzes von Social-Media-Meinungsführern und -Multiplikatoren, um durch deren Empfehlungen die Wertigkeit von Markenbotschaften zu steigern und das Kaufverhalten derZielgruppepositivzubeeinflussen.“(Deges. 2018a, S. 35)
Statt Prominenten dienen hier Social-Media Meinungsführer, also Influencer, als Instrument, um Werbebotschaften eine höhere Glaubwürdigkeit zuzusprechen und die Zielgruppe zu beeinflussen. Die von Deges (2018a) dem Influencer Marketing zugeschriebenen Aspekte und Eigenschaften müssen, um die Wirkung dieses Instruments zu verstehen, aufgeschlüsselt werden. Zuerst soll die bereits erwähnte Beruhung des Influencer Marketings auf Mundpropaganda, im englischen Word-of-Mouth näher betrachtet werden. Unter Word-of-Mouth wird im Marketing eine direkte persönliche positive oder negative Meinungsäußerung zwischen Konsumenten über Produkte, Services und Unternehmen verstanden (vgl. Esch, 2018). Findet dieser Austausch im Internet statt, wird heute häufig vom elektronischen Word-of-Mouth gesprochen (vgl. Hennig-Thurau et al., 2004, S. 39). Dieses ähnelt dem klassischen Word-of-Mouth grundsätzlich sehr, weist aber auch einige Unterschiede auf. Zunächst muss der Austausch nicht mehr unbedingt persönlich und direkt erfolgen, durch beispielsweise das Posten einer Erfahrung in einem sozialen Netzwerk kann die Meinungsäußerung eine Vielzahl an Personen erreichen, welche dem ursprünglichen Ersteller auch unbekannt sein können (vgl. Hennig-Thurau et al., 2004, S. 39ff). Dadurch verfügen Empfehlungen, aber auch Kritiken, welche über das Internet abgegeben werden, plötzlich über deutlich größere, unter Umständen sogar globale Reichweiten und können infolgedessen auch einen stärkeren Einfluss auf andere Konsumenten in ihrem Kaufverhalten haben (vgl. Hennig-Thurau et al., 2004, S. 42; Ismagilova et al., 2017, S. xiii). Denn genau dort liegt die Wirkung die sowohl klassisches als auch elektronisches Word-of- Mouth haben können, sie können auf das Verhalten anderer Konsumenten innerhalb des Kaufentscheidungsprozesses (siehe Abbildung 2) Einfluss nehmen (vgl. Rossmann & Sonntag, 2013, S. 162).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Kaufentscheidungsprozess nach Kotier (Eigene Darstellung nach Kotieret al., 2019, S. 214)
Der Prozess bildet die verschiedenen Phasen ab, welche ein Konsument sowohl vor als auch nach der Kaufentscheidung durchläuft. In den jeweiligen Phasen hat der Konsument unterschiedliche Bedürfnisse, die er zu befriedigen versucht. Dieser Kaufprozess verläuft in der Realität natürlich nicht immer starr in der gleichen Reihenfolge ab, sondern variiert je nach Kaufentscheidung (vgl. Kotier et al., 2019, S. 214). Besonders wenn aus Sicht des Kunden ein erhöhtes Risiko, beispielsweise finanzieller Natur, mit dem Kauf verbunden ist sind die einzelnen Phasen meist stärker ausgeprägt, als wenn es um ein alltägliches Produkt geht (vgl. Solomon et al., 2012, S. 261). Empfehlungen oder Erfahrungen in Form von Word-of-Mouth können in diesem Prozess besonders in den Phasen der Informationssuche und Bewertung von Alternativen beeinflussend wirken und die benötigten Informationen, welche dem Konsumenten zur Kaufentscheidung fehlen, bereitstellen (vgl. Rossmann & Sonntag, 2013, S. 162). Auch von ln- fluencern ausgesprochene Empfehlungen oder Erfahrungsberichte können hier beeinflussend wirken. Besonders in der Phase der Informationssuche sind laut Kotier et al. (2019) die effektivsten Informationsquellen persönlich, wie Freunde oder Familie, oder öffentlich in Form von unabhängigen Stellen (vgl. Kotier et al., 2019, S. 215). Unter diesen Gesichtspunkt können auch Influencer als (scheinbar) unabhängige Quelle fallen, welche dem Suchenden Informationen, Erfahrungen und Meinungen zu einem oder verschiedenen Produkten vermitteln. Hierbei können sie jedoch nicht nur informierend, sondern auch legitimierend wirken (vgl. Kotier et al., 2019, S. 215), da sie „mit ihrem Namen“ für das Produkt einstehen. Content von Influence™ kann jedoch im Kaufentscheidungsprozess nicht nur informierend wirken, sondern diesen auch anstoßen. Word-of-Mouth durch Influencer veröffentlichte Inhalte können als externer Stimulus wirken, welcher bei einem Kunden ein Kaufbedürfnis auslöst und somit den Kaufprozess in Gang setzt (vgl. Kotier et al., 2019, S. 215; Rossmann & Sonntag, 2013, S. 162). Indem Word-of-Mouth Promotoren, in diesem Fall Influencer, eine Werbebotschaft weitervermitteln und durch eigene Erfahrungen untermauern oder einordnen, wirken sie als Multiplikatoren (vgl. Rossmann & Sonntag, 2013, S. 162). Betrachtet man nun erneut die Definition von Deges (2018a) zum Influencer Marketing lässt sich eine erneute Parallele erkennen, denn auch er spricht von Multiplikatoren. Die Multiplikatorwirkung von Word-of-Mouth bzw. Influence™ lässt sich auf das Two-stepflow Modell von Lazarsfeld zurückführen. Dieses findet seinen Ursprung in der 1944 verfassten Studie „The People’s Choice“ von Lazarsfeld, Berelson und Gaudet zum Wahlverhalten der Amerikaner und gilt als Startpunkt der Forschung zur Thematik der Meinungsführer (vgl. Schach, 2018, S. 6). Das Two-step-flow Modell von Lazarsfeld ist ein Kommunikationsmodell, welches sich auf die Wirkung des Einsatzes von sogenannten Meinungsführern bezieht. Laut diesem werden Botschaften statt direkt über die Massenmedien, über Meinungsführer innerhalb dessen sozialen Netzwerkes an einen weiteren Personenkreis kommuniziert (vgl. Rossmann & Sonntag, 2013, S. 162). Nach Lazarsfeld et al. (1968) werden die ursprünglichen Nachrichten dabei von den Meinungsführern gefiltert und durch deren Einschätzung oder auch Empfehlung ergänzt (vgl. Lazarsfeld et al., 1968, S. 150ff). Außerdem zeigte sich, dass die weitergegebenen persönlichen Einschätzungen einen deutlich stärkeren Einfluss auf die Entscheidung der Individuen des sozialen Netzwerkes hatten als die von Massenmedien vermittelte Botschaft und sogar eine höhere Reichweite. Bezieht man diese Theorie und Wirkung auf die heutige Zeit der Influencer zeigt sich ein ähnliches Bild. Influencer bilden Multiplikatoren, die (Werbe-) Botschaften in ihrem sozialen Netzwerk, in Form ihrer Follower, gefiltert und aufgearbeitet weitergeben und damit beeinflussend wirken. Sie befinden sich in einer Position als Meinungsführer aufgrund ihrer Expertise zu einer bestimmten Thematik und verfügen meist über eine höhere Reichweite als klassische Werbemittel.
Nachdem im vorrangegangenen Abschnitt die dem Influencer Marketing zugrundeliegenden Theorien näher betrachtet wurden, bleibt jedoch die Frage offen, warum Influencer Marketing heute als erfolgreicher gilt als das traditionelle Word-of-Mouth Marketing? Ein wichtiger Faktor ist die Veränderung des sozialen Netzwerks in dem Meinungsführer kommunizieren. Früher war dies auf ein direktes persönliches Umfeld begrenzt, während heute Nachrichten in Echtzeit ein globales Publikum erreichen können, welches dem Meinungsführer auch persönlich unbekannt sein kann (vgl. Backaler, 2018, S. 11; Hennig-Thurau et al., 2004, S. 42). Auch können Word-of-Mouth Botschaften heute in sozialen Medien dauerhaft online und damit zugänglich bleiben und somit auch in der Zukunft weiter beeinflussend wirken können (vgl. Hennig-Thurau et al., 2004, S. 42). Des Weiteren sehen sich viele Unternehmen heute mit der Problematik konfrontiert, dass Marketingmaßnahmen in klassischen Medien aber auch klassische Formen des Online Marketings, wie Bannerwerbung, an Bedeutung verlieren, besonders bei jüngeren Generationen (vgl. Backaler, 2018, S. 16f; Kreutzer, 2021, S. 33). Ein Grund dafür kann sein, dass viele Menschen sich heutzutage einer Reizüberflutung an Werbebotschaften ausgesetzt sehen und aufgrund dessen sogar auf sogenannte Ad-Blocker zurückgreifen, Programme, welche online Werbung ausblenden sollen (vgl. Backaler, 2018, S. 16). Influencer Marketingmaßnahmen werden im Gegensatz dazu meist nicht offensichtlich als Werbung eingeschätzt, da das werbende Unternehmen im Hintergrund bleibt und somit der Werbebotschaft eine höhere Authentizität beigemessen wird (vgl. Nirschl & Steinberg, 2018, S. 38). Unternehmen haben so die Möglichkeit die gewünschte Zielgruppe sehr gezielt und spezifisch anzusprechen, die Anzahl der Streuverluste kann also möglichst klein gehalten werden (vgl. Klickkomplizen, 2015). Auch kann die eigentliche Werbebotschaft durch Influencer zielgruppengerecht und -ansprechend gestaltet werden und damit als unaufdringlicher wahrgenommen werden (vgl. Nirschl & Steinberg, 2018, S. 38) Ein letzterVorteil des Influencer Marketings liegt in der besseren Messbarkeit von Erfolgen. Die Wirkung des klassischen Word-of-Mouth galt als wenig bis nicht messbar, aber durch die vielseitigen analytischen Möglichkeiten, die soziale Medien heute mit sich bringen kann die Wirkung von Influencer Marketingmaßnahmen durch verschiedene Kennzahlen zumindest zu einen gewissen Maß besser ermittelt und nachvollzogen werden.
Natürlich sind auch einige Risiken für Unternehmen mit der Nutzung von Influencer Marketing verbunden. Die Einbindung eines unabhängigen und unbekannten Dritten in die eigene Vermarktung birgt immer ein Risiko, weil das Verhalten von diesem nur bis zu einem gewissen Grad beeinflussbar ist (vgl. Owsianski, 2018, S. 258f). Durch falsche oder unpassende Botschaften kann einer Marke auch geschadet werden (vgl. Owsianski, 2018, S. 259). Ein Risiko besteht darin, dass durch die Auswahl eines unpassenden Influencers die gewünschte Wirkung nicht entfaltet werden kann (vgl. Nirschl & Steinberg, 2018, S. 39). Um sich die positiven Seiten des Influencer Marketings zunutze zu machen, sollte dieses deshalb strategisch und umfassend geplant werden.
2.2.3 Influencer Marketing im Tourismus
Dem Einfluss von Word-of-Mouth auf die Kaufentscheidung wird besonders auch in der Tourismusbranche eine hohe Bedeutung beigemessen. In einer Studie der Europäischen Kommission zum Reiseverhalten der Europäer geben 51 % an, dass Empfehlungen von Freunden, Familie oder Kollegen für sie die wichtigste Informationsquelle bei Entscheidungen über ihre Reisepläne darstellen (vgl. European Commission & TNS Political & Social, 2016, S. 16). Aufgrund dessen wird auch dem darauf aufbauenden Influencer Marketing im Rahmen des Tourismus steigende Bedeutung beigemessen (vgl. Schwabl et al., 2018, S. 18). Ein Grund für die hohe Bedeutung von Empfehlungen beim Erwerb touristischer Dienstleistungen ist die Immaterialität oder nicht-Greifbarkeit dieser (vgl. Scheuer Marketingberatung, 2021; Wirtschaftslexikon24, 2021). Reisende haben nicht die Möglichkeit die Qualität des Produktes im Vorhinein zu testen, da bei diesem basierend aufdem Uno-Actu Prinzip Produktion und Konsum zeitgleich stattfinden und touristische Produkte meist mit einem Erlebnis verbunden sind (vgl. Kolbeck & Rauscher, 2020, S. 16). Um das mit dem Kauf verbundene eigene Risiko zu minimieren, wird deshalb auf Erfahrungen anderer zurückgegriffen, um diese mit den eigenen Erwartungen abzugleichen und abzuschätzen, inwieweit diese Erwartungen durch die Leistung erfüllt werden können (vgl. Solomon et al., 2012, S. 261). Influencer können touristischen Unternehmen deshalb die Möglichkeit bieten, im Sinne dieser produzierte Empfehlungen und Erfahrungen an eine große Community zu kommunizieren. Diesen wird, wie im vorangegangenen Kapitel bereits erläutert, ein höherer Grad an Authentizität und Vertrauenswürdigkeit beigemessen als den Werbebotschaften des Unternehmens (vgl. Nirschl & Steinberg, 2018, S. 38). Mittlerweile macht sich die Tourismusbranche die Vorteile des Influencer Marketings vielseitig und häufig zunutze. Vor allem Hotels kooperieren bereits besonders häufig mit Influence™ (vgl. Gretzel, 2018, S. 6). Ein Beispiel ist die Marriott Hotelgruppe welche immerwieder mit verschiedenen Influence™ kooperiert, wie dem Y- outuber Jack Harries, welcher im Rahmen der Zusammenarbeit die Videoreihe „24 Hours in...“ produzierte (vgl. Harries, 2015). Im Vergleich zur Hotellerie machen DMO aktuell noch deutlich weniger Gebrauch von Influencer Kooperationen (vgl. Gretzel, 2018, S. 6). Trotz allem ist aber auch hier eine steigende Tendenz zu beobachten (vgl. Gretzel, 2018, S. 6), denn besonders auch DMO können einen großen Nutzen aus Influencer Marketingmaßnahmen ziehen (vgl. Femenia-Serra & Gretzel, 2020, S. 66f). Neben den allgemeinen Vorteilen können DMO im Rahmen von Kooperationen einerseits Einfluss nehmen auf das Bild oder Image, das von ihrer Destination in den sozialen Medien vermittelt wird (vgl. Femenia-Serra & Gretzel, 2020, S. 66). Andererseits erlaubt es ihnen zu diesem gewünschten Image passende Zielgruppen direkt über entsprechende Influencer anzusprechen. Infolgedessen können Influencer einen wichtigen Beitrag zum Branding einer Destination leisten. Ein gutes Beispiel ist die Kampagne „Südafrika in 60 Sekunden“, welche in Kooperation von South African Tourism mit dem Duo von 60seconds.travel produziert wurde (vgl. South African Tourism, 2019). Im Rahmen dessen entstand einerseits ein Video, das in 60 Sekunden durch verschiedene Highlights Südafrikas führt und das Image der Destination widerspiegelt (vgl. 60seconds.travel, 2019). Dieses konnte insgesamt mehr als 60.000 Aufrufe erzielen. Des Weiteren entstand für die deutschsprachigen Kanäle von South African Tourism eine 17-teilige Videoreihe, welche verschiedene Fragen rund um die Destination beantwortet. Die Videos thematisieren nicht nur Aktivitäten oder Kosten, sondern auch Tipps zum Verhalten vor Ort sowie die Sicherheit des Landes (vgl. South African Tourism, 2019). Mit dieser Kooperation konnte South African Tourism nicht nur eine große reisebegeisterte Zielgruppe erreichen, alle Videos der Kooperation konnten alleine auf Facebook zusammen über 1,6 Millionen Aufrufe erzielen können (vgl. Südafrika Erleben, 2019), sondern auch das gewünschte Image Südafrikas verbreiten und etwaige Vorbehalte thematisieren und aus dem Weg schaffen. Mit Blick auf eine immer digitaler werdende Gesellschaft und des Nachlassens der Wirksamkeit klassischer Werbemaßnahmen ist wohl davon auszugehen, dass in der Zukunft immer mehr touristische Betriebe Influencer Marketing in ihre Kommunikationsstrategie miteinbeziehen werden, besonders aufgrund der vielseitigen Vorteile, die dieses bieten kann.
[...]
1 Engagement Rate: „Interaktionsrate. Kennzahl, um die Interaktion auf einzelne Beiträge zu analysieren. In die Berechnung spielen Likes, Kommentare und Shares mit hinein.“ (Jahnke, 2021, S. 351)
- Quote paper
- Lena Zeller (Author), 2021, Influencer als Instrument gegen Overtourism, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1362074
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