Es sind im Wesentlichen zwei Elemente, die den Hinduismus als Glaubenssystem ausmachen: Der „dogmatische Kern“, der sich zusammensetzt aus der Samsara- sowie der Karman – Lehre und das „Dharma“, der Ritualpflicht im Hinduismus. Kennzeichnend für das Dharma ist die Tatsache, dass es sich nach der Kaste richtet, in welche der Einzelne hineingeboren wird, also nach sozialer Lage verschieden ist. (Schluchter 1984, S. 51) Die Entstehung neuer Kasten führt dazu, dass sich das Dharma diesen neuen Kasten „anpasst“. Es befindet sich in einem ständigen Entwicklungsprozess. Geistige Urheber des Dharma waren die brahmanischen Priester, sie haben in ihren Schriften das Dharma geschaffen und weiterentwickelt. (Schluchter 1984, S. 51)
Das Buch „Veda“ spielt im Hinduismus eher eine untergeordnete Rolle: Anders als die Bibel im Christentum dient es zwar als religiöse Grundlage, stellt aber keine „Anleitung“ eines gottgefälligen Lebens dar, fehlen doch im Buch „Veda“ der dogmatische Kern, die Kastenordnung sowie eine Reihe von Ritualpflichten. (Schluchter 1984, S. 51) Es hat im Hinduismus eher eine Art Legitimitätsfunktion: Es legitimiert die religiöse Tradition, lässt aber gleichzeitig Raum für Weiterentwicklung und (Um-) Interpretation.
Von entscheidender Bedeutung für das hinduistische Glaubenssystem ist die Verbindung der Ritualpflicht mit dem dogmatischen Kern: Diese Verbindung, die Weber als Theodizee bezeichnet, sowie ihre konsequente Umsetzung auf das eigene Leben untermauert und festigt die Vorstellung, dass das eigene Schicksal ein Verdientes ist, wobei die Einhaltung der Ritualpflichten der entscheidende Parameter ist. (Schluchter 1984, S. 51)
Weber bezeichnet diese Konstruktion auch als rational. Das ist so zu erklären, dass dieses gedankliche Konstrukt klare Ursache – Wirkungs- Beziehungen enthält, die in sich logisch verknüpft sind, und an denen sich der religiöse Virtuose orientieren kann. Geht man z.B. davon aus, dass die Ritualpflichten nicht oder nicht in
ausreichendem Maße eingehalten werden, hätte dies laut Karma – Lehre zur Folge,
dass der Betroffene sich („negatives“) Karma aneignet, wodurch seine Seele nach seinem Tod weiterwandern würde in ein Lebewesen niedrigerer Kaste. Ein sozialer Abstieg innerhalb der Kastenordnung wäre also die Folge der Missachtung der Ritualpflichten.
Gliederung
1 Einleitung
2 Zusammenhänge zwischen Karmalehre und Kastenordnung
2.1 Typologie erlösungsreligiöser Welthaltungen
2.2 Die religiöse Heilsbedeutung der Kastenordnung
3 Formen der indischen Religiosität
3.1 Historische Entwicklungsbedingungen der Kasten in Indien
3.2. Askese und Kontemplation
3.3 Das hinduistische Glaubenssystem
4 Entstehung und Entwicklung des Buddhismus
4.1 Frühes Mönchtum
4.2 Max Webers Sicht der Umwandlung des frühen Buddhismus unter König Asoka
5 Abschließende Betrachtungen
1 Einleitung
Buddhismus und Hinduismus haben sich als Weltreligionen etabliert. Bemerkenswert sind ihre streng rational und in sich logisch verknüpften gedanklichen Konstrukte. Erwähnenswert ist auch die die Disziplin und Konsequenz der religiösen Virtuosen bei der Anwendung der Ritualpflichten. Hierzu gehört z.B. das regelmäßige Praktizieren der beiden Heilstechniken „Askese“ und „Kontemplation“.
Ferner soll verglichen werden, wie der religiöse Laie versucht sein Wiedergeburtsschicksal zu verbessern, und der religiöse Virtuose das Ziel verfolgt, den Kreislauf der Wiedergeburten zu durchbrechen. In diesem Zusammenhang sollen Ansätze und Wege zur Erreichung des Heils gegenübergestellt werden und unter dem Gesichtspunkt beleuchtet werden, in wie weit es zu Spannungen und Konflikten mit weltlichen, nichtreligiösen Lebensordnungen kommen kann.
Es soll untersucht werden wie Max Weber diese beiden Religionen sah, und wie er deren Entwicklungen und Veränderungen, teilweise auch intentioniert durch Menschen mit nicht – religiösen Interessen, wertet.
2 Zusammenhänge zwischen Karmalehre und Kastenordnung
2.1 Typologie erlösungsreligiöser Welthaltungen
Ausgangspunkt für die Typologie erlösungsreligiöser Welthaltungen ist die Gott – Mensch – Welt – Beziehung . (Schluchter 1984, S. 37) In diesem Kapitel soll geklärt werden, wie diese strukturiert ist, bzw. welche Komponenten und Ausprägungen sie beinhaltet. Es sei noch kurz darauf hingewiesen, dass diese Typologie in erster Linie für erlösungsreligiösen Virtuosen gilt, und nicht so sehr für den religiösen Laien.
Die Gott – Mensch – Welt – Beziehung lässt sich gliedern in die Teilbeziehungen: (Normativ gebotene) „Beziehung zum Göttlichen“ und (Normativ gebotene) „Beziehung zur Welt.“ Die Beziehung zum Göttlichen wird unterteilt in die beiden Komponenten „Heilsziel“ und „Heilsmittel“. (Schluchter 1984, S. 37)
„Heilszustand“, „Heilsmittel“ und die bereits erwähnte „Beziehung zur Welt“ stellen die drei Dimensionen der Typologie dar, die jeweils zwei Ausprägungen enthalten.
Das Heilsziel hat die Ausprägungen Aktivitäts- und Werkzeuggefühl, kurz: aktiv sowie Passivitäts- und Gefäßgefühl, kurz: passiv . Die Sinnbilder Werkzeug und Gefäß tauchen in der Literatur in diesem Zusammenhang häufig auf. Sie verweisen auf zwei verschiedene Ansätze sich dem Heilsziel zu nähern.
Der Vergleich des Aktivitätsgefühls mit einem Werkzeug lässt sich so erklären, dass der nach Erlösung strebende sich selbst als ein Werkzeug sieht, er akzeptiert es ein Werkzeug Gottes zu sein und als solches eingesetzt zu werden. Das Gefäß dagegen steht für das Passivitätsgefühl; derjenige, der das Heilsziel begehrt, ist bereit zu empfangen, sich durchströmen zu lassen von der Lehre, so wie ein Gefäß nimmt er sie in sich auf.
Das Heilsmittel, mit dessen Hilfe das Heilsziel erreicht werden soll hat die Ausprägungen Askese und Kontemplation, auf die in Kapitel 3.2 vertiefend eingegangen werden soll. Nun fehlen noch die beiden Ausprägungen der Weltbeziehungen. Sie lauten: Zuwendung und Abwendung von der Welt.
Wenn man die genannten Ausprägungen zueinander in Beziehung setzt (z.B. durch Kombination der Ausprägungen „aktiv“, „Askese“ und „Weltzuwendung“ oder durch Zusammenführung der Ausprägungen „passiv“, „Kontemplation“ bzw. „Mystik“ und „Weltabwendung“ ergeben sich die verschiedenen Typen erlösungsreligiöser Virtuosen mit unterschiedlichen Lebensführungen. (Schluchter 1984, S. 37) Dabei ist die Frage der Zu -oder Abwendung von der Welt ein wichtiger Parameter für die Abgrenzung der Typen erlösungsreligiöser Virtuosen voneinander.
Kennzeichnend für die Lebensform des passiven, weltabgewandten Mystikers, der sich der Heilstechnik der Kontemplation bedient, ist die Tatsache, dass er die Wiedergeburt als Dauerzustand akzeptiert und sich von allen sozialen Bindungen löst. Schluchter vervollständigt dieses Bild mit der Vorstellung eines indischen Waldbewohners, der von Beeren lebt. (Schluchter 1984, S. 38)
Es handelt sich hierbei also um eine Art Eremit, der sich in jeder Hinsicht von der Welt entfernt, und völlig zurückgezogen lebt. Diese Lebensform enthält allerdings das Paradoxon, dass sie einerseits eine ganz stark weltablehnende Tendenz innehat, andererseits aber die Wiedergeburt als Dauerzustand zulässt. Für die Typen erlösungsreligiöser Virtuosen gibt es verschiedene Abstufungen der Weltzuwendung und Abwendung, was natürlich einhergeht mit unterschiedlich stark ausgeprägten Akzeptanzen von weltlichen, nicht religiösen Ordnungen. Grundsätzliches Konfliktpotential besteht dabei zum einen durch den Gegensatz des spirituellen und tatsächlichen Status, sowie zwischen religiösem Postulat und jenen Gesetzen, die für die nichtreligiösen Lebensordnungen gelten (Schluchter 1984, S. 41)
Hinzu kommt der Gegensatz zwischen religiösen Virtuosen und der breiten Masse, die sich wohl hauptsächlich aus religiösen Laien zusammensetzt. Hinsichtlich der Bewältigung von möglicherweise auftretenden Konflikten beschäftigt sich Weber unter anderem mit der sogenannten Strategie der Relativierung: Sie sieht ein friedliches, geordnetes Nebeneinander von Laien und Virtuosen sowie von religiösen
und nicht religiösen Lebensordnungen vor. (Schluchter 1984, S. 42) Hinter dieser Strategie steht also die Überzeugung, dass sich die gleichberechtigte Existenz beider Lebensordnungen durchaus miteinander vereinbaren lässt. Diese Lösung ist sicherlich für beide Seiten akzeptabel, da sie die jeweils andere Überzeugung und Lebensform toleriert.
2.2 Die religiöse Heilsbedeutung der Kastenordnung
In diesem Kapitel soll nun auf die religiöse Heilsbedeutung der Kastenordnung eingegangen werden. Als Grundlage der hinduistischen Religiosität sind die Samsara – Lehre und die Karma - Lehre zu nennen. Es besteht im Hinduismus der Glaube, dass es eine Hierarchie des Seins gibt, in welcher sich z.B. Pflanzen, Tiere, Menschen und auch Götter befinden. Die Menschheit als Teil dieser Hierarchie wird wiederum unterteilt in verschiedene Klassen sozialer Ordnung, der Kastenordnung.
Die Samsara – Lehre besagt, dass die Seele eines Lebewesens nach seinem Tode „weiterwandert“, und ihm für seine nächste irdische Existenz erhalten bleibt. (Weber 2006, S. 664)
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- Joachim Schween (Autor), 2009, „Spannungen zwischen religiös motivierter Weltablehnung und nichtreligiösen Lebensordnungen“, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136202
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