Seit vielen Jahren ist die Branche des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus neben anderen Branchen einem wachsenden wirtschaftlichen Druck ausgesetzt, der sich in einem steigenden Wettbewerb widerspiegelt. Zurückzuführen ist dieser auf die Globalisierung und Internationalisierung sowie der damit verbundenen weltweiten Öffnung der Märkte (Schweiger 2009, S. 16). Maschinen- und Anlagenbetreiber fühlen sich durch den wirtschaftlichen Druck gezwungen bei ihren Investitionsentscheidungen immer mehr auf den Anschaffungspreis zu achten. Daraus ziehen besonders Anbieter von günstigen Maschinen und Anlagen einen Nutzen, die oft im Ausland, wie z. B. in China, anzutreffen sind. Bei diesen Investitionsentscheidungen wird jedoch überwiegend der Zeitpunkt der Anschaffung berücksichtigt. Dabei lassen Betreiber zukünftige Kosten der Maschine unbeachtet und betrachten nur die Spitze des Eisberges (vgl. linke Seite der Abbildung 1.1). Allerdings kann dies über den Lebenszyklus der Maschine fatale Folgen haben, da im Laufe der Zeit die unter der Wasseroberfläche verborgenen Folgekosten zum Vorschein kommen. Am Ende des Lebenszyklus kann es daher sein, dass eine zuvor günstigere Maschine über die Zeit viel teurer ist als eine qualitativ hochwertige Maschine, für die hingegen ein höherer Anschaffungspreis zu zahlen ist (Köllner/Wieser/Striefler 2009, S. 100). Zudem können die Folgekosten die Anschaffungskosten übersteigen und somit einen größeren Anteil an den Gesamtkosten einnehmen. Dies unterstreicht die Relevanz einer
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
2 Grundlegende Begrifflichkeiten zum Konzept des Life Cycle Costing
2.1 Vorstellung des Lebenszykluskonzepts
2.1.1 Darstellung der Lebenszyklusphasen anhand des Produktlebenszyklus
2.1.2 Beschreibung des erweiterten Konzepts des Produktlebenszyklus
2.1.3 Konkretisierung des Produktlebenszyklus im Maschinen- und Anlagenbau
2.2 Betrachtung der Lebenszyklusrechnung und ihrer Perspektiven
2.2.1 Definition und Merkmale
2.2.2 Unterschiedliche Perspektiven
2.3 Charakterisierung von Life Cycle Costing
2.3.1 Historie und Begriffsdefinition
2.3.2 Ziele des Life Cycle Costing
2.3.3 Vor- und Nachteile des Life Cycle Costing im Maschinen- und Anlagenbau
3 Berücksichtigung der Lebenszykluskosten bei der Angebotserstellung
3.1 Wesentliche Voraussetzungen für die Anwendung des Life Cycle Costing bei der Angebotserstellung
3.1.1 Kosten- und Erlöselemente der einzelnen Phasen
3.1.2 Zuverlässigkeit und ihre Messgrößen
3.1.3 Weibull-Verteilung
3.2 Bestehende Ansätze zur Prognose der Lebenszykluskosten
3.2.1 DIN EN 60300-3-3
3.2.2 VDI-Richtlinie 2884
3.2.3 VDMA-Einheitsblatt 34160
3.2.4 Gegenüberstellung der Ansätze
3.3 Einsatz von Life Cycle Cost-Verträgen
3.3.1 Erweiterte Methode zur Prognose der Lebenszykluskosten
3.3.2 Charakteristika und Gestaltungsmöglichkeiten von Life Cycle Cost-Verträgen
3.3.3 Chancen und Risiken
4 Betrachtung von Life Cycle Costing in der Praxis
5 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tabelle 3.1: Kosten- und Erlöselemente der einzelnen Phasen
Tabelle 3.2: Rahmenbedingung
Tabelle 3.3: Grunddaten
Tabelle 3.4: Vergleich der Lebenszykluskosten-Berechnungsansätze
Tabelle 3.5: Chancen und Risiken aus Hersteller- und Betreibersicht
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1.1: Darstellung der Lebenszykluskosten und deren Optimierung
Abbildung 2.1: Marktzyklus eines Produktes
Abbildung 2.2: Der integrierte Produktlebenszyklus
Abbildung 2.3: Phasen des Anlagenlebenszyklus
Abbildung 2.4: Kostenfestlegung und Kostenverursachung
Abbildung 2.5: Produktlebenszyklus aus Produzenten- und Kundensicht
Abbildung 2.6: Trade-offs zwischen Anfangs- und Folgekosten
Abbildung 2.7: Life Cycle Costing
Abbildung 2.8: Abgrenzung von Life Cycle Costing und TCO
Abbildung 3.1: Darstellung der Zuverlässigkeitskennwerte
Abbildung 3.2: Verlauf der Ausfallrate über den Produktlebenszyklus
Abbildung 3.3: Konzept für Kostenelemente
Abbildung 3.4: Struktur des Prognosemodells für die Lebenszykluskosten
Abbildung 3.5: Umsätze und Profitabilität im deutschen Maschinenbau
Abbildung 3.6: Vorgehensweise zur Bestimmung der Gesamtkostenverteilung
Abbildung 3.7: Algorithmus und Simulationsergebnis der Monte-Carlo-Simulation
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Formelverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Seit vielen Jahren ist die Branche des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus neben anderen Branchen einem wachsenden wirtschaftlichen Druck ausgesetzt, der sich in einem steigenden Wettbewerb widerspiegelt. Zurückzuführen ist dieser auf die Globalisierung und Internationalisierung sowie der damit verbundenen weltweiten Öffnung der Märkte (Schweiger 2009, S. 16). Maschinen- und Anlagenbetreiber fühlen sich durch den wirtschaftlichen Druck gezwungen bei ihren Investitionsentscheidungen immer mehr auf den Anschaffungspreis zu achten. Daraus ziehen besonders Anbieter von günstigen Maschinen und Anlagen einen Nutzen, die oft im Ausland, wie z. B. in China, anzutreffen sind. Bei diesen Investitionsentscheidungen wird jedoch überwiegend der Zeitpunkt der Anschaffung berücksichtigt. Dabei lassen Betreiber zukünftige Kosten der Maschine unbeachtet und betrachten nur die Spitze des Eisberges (vgl. linke Seite der Abbildung 1.1). Allerdings kann dies über den Lebenszyklus der Maschine fatale Folgen haben, da im Laufe der Zeit die unter der Wasseroberfläche verborgenen Folgekosten zum Vorschein kommen. Am Ende des Lebenszyklus kann es daher sein, dass eine zuvor günstigere Maschine über die Zeit viel teurer ist als eine qualitativ hochwertige Maschine, für die hingegen ein höherer Anschaffungspreis zu zahlen ist (Köllner/Wieser/Striefler 2009, S. 100). Zudem können die Folgekosten die Anschaffungskosten übersteigen und somit einen größeren Anteil an den Gesamtkosten einnehmen. Dies unterstreicht die Relevanz einer erweiterten Investitionsentscheidungsbetrachtung über den Anschaffungspreis hinaus.
Um sich als Maschinen- und Anlagenbauer in dieser Situation einen Wettbewerbsvorteil zu sichern, muss die Qualität in den Vordergrund gerückt werden, indem überdurchschnittlich zuverlässige Maschinen und Anlagen entwickelt und angeboten werden (Delonga 2007, S. 1). Durch eine höhere Maschinenzuverlässigkeit und -qualität werden die Folgekosten gesenkt, da beispielsweise durch weniger auftretende Maschinenausfälle die Instandhaltungskosten sinken. Dagegen steigen aber die Beschaffungskosten mit zunehmender Zuverlässigkeit. Dem Kunden sollte demnach eine Maschine dargeboten werden, bei der die gesamten Lebenszykluskosten minimiert werden. Der rechte Teil der Abbildung 1.1 stellt diese Situation in einem einfachen Fall dar, wobei angenommen wird, dass die Betriebskosten unabhängig von der Maschinenzuverlässigkeit sind (Bünting 2009, S. 36). In einem Verkaufsgespräch kann dem Betreiber so verdeutlicht werden, dass trotz eines hohen Anschaffungspreises die Gesamtkosten über den Lebenszyklus geringer sind als im Vergleich zu den wesentlich günstigeren Maschinen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1.1: Darstellung der Lebenszykluskosten und deren Optimierung
Quelle: nach (Blanchard 1978, S. 6; VDMA 2006, S. 14; Bünting 2009, S. 36)
Diese Denkweise wird mit der Zeit von vielen Maschinen- und Anlagenbetreiber übernommen, so dass sie als Grundlage für ihre Investitionsentscheidungen die gesamten Lebenszykluskosten heranziehen und nicht nur den Anschaffungspreis. Zur ganzheitlichen Bewertung einer Maschine oder Anlage wird das Konzept des Life Cycle Costing genutzt, mit dem die verborgenen Kosten in die Investitionsüberlegungen einfließen. Allerdings ist die Bestimmung der Lebenszykluskosten nicht ganz unproblematisch. Es treten Schwierigkeiten bei der Vorgehensweise, der Datenbeschaffung sowie bei der Prognose zukünftiger Kosten und Maschinenausfälle auf. Als weitaus kritischer wird der Sachverhalt, wenn Betreiber eine vertragliche Absicherung der prognostizierten Lebenszykluskosten vom Hersteller fordern, da sich dadurch ein erhebliches Risiko auf Herstellerseite ergibt. Um die Berechnung der Lebenszykluskosten einfacher zu gestalten und das Risiko der Prognose zu minimieren, müssen geeignete Methoden und Richtlinien geschaffen werden, die sowohl vom Hersteller als auch vom Betreiber angewendet werden können.
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
Basierend auf der dargestellten Problematik liegt das Ziel dieser Arbeit in der Entwicklung einer Methode zur Kalkulation der gesamten Lebenszykluskosten einer Maschine oder Anlage unter besonderer Beachtung der Prognoseunsicherheit zukünftiger Kosten, die u. a. von Zufallsereignissen abhängen, wie z. B. Maschinenausfällen. Dazu werden bereits bestehende Ansätze aufgegriffen, deren Stärken und Schwächen aufgezeigt und danach eine geeignete Vorgehensweise zur Prognose der Lebenszykluskosten hergeleitet.
Ausgehend von der Zielsetzung befasst sich das Kapitel 2 zunächst mit den wesentlichen Grundlagen des Life Cycle Costing. Dabei werden die verschiedenen Phasen des Lebenszykluskonzepts charakterisiert und deren Besonderheiten im Maschinen- und Anlagenbau beschrieben. Außerdem wird die Lebenszyklusrechnung, die aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden kann, erläutert. Anschließend erfolgt eine genaue Definition des Life Cycle Costing und seinen Zielen.
Das Kapitel 3 zeigt, wie das Konzept des Life Cycle Costing in die Angebotserstellung einfließen kann. Zuerst werden die dafür erforderlichen Kenntnisse dargestellt. Dazu zählen die wichtigsten Kosten- und Erlöselemente, die Berechnung von Kennzahlen im Rahmen der Maschinenzuverlässigkeit sowie die Weibull-Verteilung. Da bereits Ansätze und Richtlinien zur Prognose der Lebenszykluskosten bestehen, werden diese bewertet und prüfend gegenübergestellt. Darauf aufbauend erfolgt die Entwicklung einer Methode, die durch Einbindung der Weibull-Verteilung das Risiko berücksichtigt und durch eine Simulation die erwarteten Lebenszykluskosten prognostiziert. Das Ergebnis dieser Methode dient dem Hersteller als Grundlage für die Angebotsgestaltung von so genannten Life Cycle Cost-Verträgen, die Betreiber zunehmend als vertragliche Absicherung der Lebenszykluskosten fordern. Die Ausprägungen der Life Cycle Cost-Verträge sowie deren Chancen und Risiken werden am Ende des Kapitels aufgezeigt.
Um das ganze Thema abzurunden, gibt das Kapitel 4 einen kurzen Einblick in die Praxis und prüft, inwieweit das Konzept des Life Cycle Costing in den Unternehmen zur Anwendung kommt. Abschließend endet die Arbeit in Kapitel 5 mit einem Fazit und Ausblick.
2 Grundlegende Begrifflichkeiten zum Konzept des Life Cycle Costing
Bevor die praktische Anwendung des Life Cycle Costing in Kapitel 3 erfolgt, soll dieses Kapitel dazu dienen, grundlegende Begriffe zu klären. Das Life Cycle Costing basiert auf dem Konzept des Lebenszyklus und entspringt aus der Lebenszyklusrechnung. Daher wird zuerst in Abschnitt 2.1 das Lebenszykluskonzept in seinen möglichen Ausprägungen beschrieben. Darauf aufbauend enthält der Abschnitt 2.2 die Darstellung der Lebenszyklusrechnung, aus der das Life Cycle Costing hervorgeht. Abschließend wird das eigentliche Life Cycle Costing näher betrachtet.
2.1 Vorstellung des Lebenszykluskonzepts
Dieser Abschnitt behandelt das Lebenszykluskonzept und stellt zunächst die einzelnen Phasen des Produktlebenszyklus und deren Merkmale vor. Ausgehend von diesem traditionellen Modell wird die Entwicklung zum erweiterten Konzept des Produktlebenszyklus aufgezeigt. Im Anschluss erfolgt die Übertragung des Modells auf den Maschinen- und Anlagenbau, um bestehende Besonderheiten herauszustellen.
2.1.1 Darstellung der Lebenszyklusphasen anhand des Produkt-lebenszyklus
Der Lebenszyklus bezeichnet eine logische Abfolge mehrerer Phasen, die in ihrer Gesamtheit ein zeitliches Modell bilden (Zehbold 1996b, S. 2). Dieser zeitliche Rahmen reicht von der Planung und Entwicklung des Objektes über die Erstellung und Nutzung bis hin zur Entsorgung oder Stilllegung (Götze 2000, S. 267). Infolgedessen ist der Lebenszyklus eines Objektes begrenzt und dem „Gesetz des Werdens und Vergehens“ (Meffert 2000, S. 338) ausgesetzt.
Das Lebenszykluskonzept lässt sich auf unterschiedliche Bezugsobjekte anwenden, wie z. B. Technologien, Organisationen, Branchen, Industrien, Fabriken, Fertigungsanlagen, Projekte, Prozesse, Personal, Kunden, Lieferanten, Material, Kapital und Software (Höft 1992, S. 15-129; Zehbold 1996b, S. 61-66). Als einer der bekanntesten Lebenszyklen gilt der Produktlebenszyklus. An ihm wird im weiteren Verlauf beispielhaft das Lebenszykluskonzept mit seinen einzelnen Phasen verdeutlicht.
Wenn von einem Produktlebenszyklus die Rede ist, wird darunter meist der Marktzyklus eines Produktes verstanden. Aus Herstellersicht wird jedoch nicht nur ein einzelnes Produkt, sondern die Gesamtheit aller Einheiten einer ausgewählten Produktgruppe betrachtet (Schild 2005, S. 158-159). Mit Hilfe des marktorientierten Produktlebenszyklus werden beispielsweise Marketingstrategien erkannt und entwickelt, um dem Unternehmen zu einem bestmöglichen Ergebnis zu verhelfen. Dazu muss allerdings die Annahme getroffen werden, dass Umsatz und Absatz des Produktes in einer glockenförmigen Kurve verlaufen (Michalas 2003, S. 17). Weitere Strategien können aus den Eigenschaften der jeweiligen Phase der Glockenkurve bzw. des Marktzyklus ermittelt werden. Jede Phase besitzt bestimmte Charakteristika in Bezug auf Käufer-, Verkäuferverhalten und Unternehmensgrößen, wie beispielsweise Umsatz, Gewinn und Cashflow. Grundsätzlich gliedert sich der Marktzyklus eines Produktes in die vier Lebensphasen Einführung, Wachstum, Reife und Sättigung (Baum/Coenenberg/Günther 2007, S. 85). Oft wird eine fünfte Phase hinzugefügt, die den Namen Degeneration trägt (Zehbold 1996b, S. 26).
In der Einführungsphase wird das Produkt in einen Markt integriert. Markant für diese Phase sind geringe, aber leicht wachsende Umsatz- und Absatzzahlen sowie ein negativer Cashflow. Mittels Einführungswerbung werden die ersten Kunden gewonnen. Diese sind bereit den bei Produkteinführung entsprechenden hohen Preis zu zahlen und verhalten sich preisunelastisch. Infolge der hohen Stückkosten sind nur geringe bzw. negative Deckungsbeiträge zu erwarten (Siegwart/Senti 1995, S. 6; Höft 1992, S. 36-39).
Während der Wachstumsphase erreichen die Umsatz- und Absatzkurve ihren Wendepunkt. Demnach liegen hier die maximalen Umsatz- und Absatzzuwächse vor. Dies führt zu positiven Deckungsbeiträgen und einem ausgeglichenen Cashflow. Daneben wird der Break-even-Point überschritten und folglich die Gewinnzone erreicht, in der der Gewinn am Ende dieser Phase bis auf sein Maximum steigt. Weiterhin werden mehr Kunden auf das Produkt aufmerksam, aber reagieren zunehmend preiselastisch. Daher werden Preisänderungen seitens des Anbieters geringer (Siegwart/Senti 1995, S. 6; Höft 1992, S. 36-39).
An dem Punkt des Gewinnmaximums geht der Marktzyklus in die Reifephase über, in deren Verlauf weitere Maxima erreicht werden, z. B. sind Absatz und Umsatz auf ihrem höchsten Niveau. Dies ruft wiederum die niedrigsten Stückkosten, den höchsten Deckungsbeitrag und Cashflow hervor. Infolge von Marktsättigung und Alternativprodukten sinkt die Umsatzrate im Umsatzmaximum auf Null. Aufgrund dieser Alternativprodukte sind die Kunden preissensibler geworden, d. h. ihre Preiselastizität ist hoch (Siegwart/Senti 1995, S. 6; Höft 1992, S. 36-39).
In der Sättigungsphase gehen Absatz und Umsatz zurück, da viele Kunden aufgrund des technischen Fortschritts andere Produkte bevorzugen. Dies erklärt die höchste Preiselastizität innerhalb des gesamten Marktzyklus. Durch den Verkauf geringer Stückzahlen steigen die Stückkosten, die Deckungsbeiträge verringern sich und der Cashflow schrumpft weiter. Der Gewinn sinkt weiter und befindet sich auf einem niedrigen Niveau; die Umsatzrate ist negativ (Siegwart/Senti 1995, S. 6; Höft 1992, S. 36-39).
Die Tendenzen der Sättigungsphase setzen sich in der Degenerationsphase fort. Demzufolge fällt der Umsatz weiter ab, die Stückkosten erhöhen sich durch den Absatzeinbruch und der Gewinn schwindet, so dass sogar Verluste möglich sind. Insgesamt wird in den letzten beiden Phasen das Produkt Schritt für Schritt von dem Markt verdrängt (Siegwart/
Senti 1995, S. 6; Höft 1992, S. 36-39).[1]
Die folgende Abbildung stellt die beschriebenen Phasen und die Verläufe der Umsatz- und Gewinn-/Verlustkurve über die Zeit in einem Marktzyklus grafisch dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.1: Marktzyklus eines Produktes
Quelle: nach (Becker 2006, S. 724)
Das vorgestellte Modell des Produktlebenszyklus, das auch als traditionelles oder klassisches Modell des Produktlebenszyklus bezeichnet wird, diente anfänglich nur als Beschreibungs- und Erklärungsmodell. Doch später wurde es ebenfalls als operationale Planungs- und Entscheidungsunterstützung zur Prognose verwendet (Siegwart/Senti 1995, S. 7). Beispielsweise wurde für neue Produkte der Einführungszeitpunkt und ebenso für alte Produkte der Eliminationszeitpunkt ermittelt und festgelegt (Zehbold 1996b, S. 30). Außerdem wurde das Modell für langfristige Planungen eingesetzt. Anhand der jeweiligen Phasencharakteristika konnten Unternehmens- und Produktstrategien abgeleitet werden (Pfeiffer/
Bischof 1981, S. 135-137).
Allerdings weist dieses Modell einige Kritikpunkte auf. Zu nennen sind beispielhaft die mangelnde empirische Validierung, die angenommenen Kurvenverläufe, das Abgrenzungsproblem der einzelnen Phasen und die ausbleibende theoretische Fundierung.[2] Eine weitere Schwachstelle ist, dass nur die Phasen einbezogen werden, in denen das Produkt auf dem Markt verweilt. Folglich bleiben die angrenzenden Phasen der Produktentstehung sowie der Stilllegung und Entsorgung außen vor. Alle Kosten und Erlöse, die nicht im Marktzyklus anfallen, bleiben daher unberücksichtigt. Aber oft sind gerade die Kosten, die in den angrenzenden Phasen entstehen, sehr hoch und werden zukünftig noch weiter steigen. Dementsprechend gewinnen diese Kosten im gesamten Produktlebenszyklus immer mehr an Bedeutung und stellen wichtige Informationen für Entscheidungsprozesse im Unternehmen dar (Günther/Kriegbaum 1999, S. 238; Männel 1994, S. 109; Atkinson 1990, S. 7). Aufgrund dieses zunehmenden Stellenwertes wurde das traditionelle Modell des Produktlebenszyklus erweitert.
2.1.2 Beschreibung des erweiterten Konzepts des Produktlebens-zyklus
Während das traditionelle Produktlebenszyklusmodell nur die Absatzentwicklung betrachtet (Zehbold 1996b, S 22), ergänzt das erweiterte Konzept den klassischen Marktzyklus um den Entstehungs- und Nachsorgezyklus (Ederer 2007, S. 16). Zunächst haben Pfeiffer und Bischof das integrierte Produktlebenszyklusmodell entwickelt, mit dem der Entstehungszyklus vor den bereits bekannten Marktzyklus gesetzt wurde.[3] Der Entstehungszyklus teilt sich wiederum in Phasen auf, in denen alternative Ideen für Produkte gesucht, bewertet und ausgewählt sowie Forschungs- und Entwicklungsarbeiten durchgeführt werden (Pfeiffer/
Metze/Schneider/Amler 1987, S. 26-33; Pfeiffer/Bischof 1981, S. 136-137). Das Konzept von Pfeiffer und Bischof bezieht die Produktentwicklung in den Lebenszyklus ein und begleitet das Produkt von seiner Idee bis zum Ausscheiden aus dem Markt. Um aber auch den Nachsorgebereich, in dem durch einen Betreuungsaufwand Kosten und Erlöse anfallen, zu berücksichtigen, hat Back-Hock das Modell von Pfeiffer und Bischof erweitert und den Nachsorgezyklus hinter den Marktzyklus eingebracht (Back-Hock 1988, S. 22-23; Back-Hock 1992, S. 706-708). Allerdings ist zu erwähnen, dass die drei Zyklen nicht strikt voneinander getrennt sind, sondern dass es zu zeitlichen Überlappungen kommt. So endet der Entstehungszyklus nicht bei Beginn des Marktzyklus, da sich in diesem Zyklus die Entwicklungsarbeiten fortsetzen. Ebenfalls werden andauernde Tätigkeiten, die mit der Variation, Modifikation oder Differenzierung des Produktes zusammenhängen, im Marktzyklus weitergeführt. In derselben Weise beginnt der Nachsorgezyklus zusammen mit dem Marktzyklus, da schon direkt nach der Markteinführung Garantie- und Serviceansprüche an den Hersteller gestellt werden können. Da viele Produkte eine lange Nutzungsdauer haben und aufgrund einer kurzen Verkaufszeit schon nicht mehr verkauft werden, ist der Nachsorgezyklus erheblich länger als der Marktzyklus. Erst wenn das letzte Produkt entsorgt wird, ist der Nachsorgezyklus beendet und damit ebenso der integrierte Produktlebenszyklus (Siegwart/Senti 1995, S. 20).
Schließlich wurde dieses Modell des integrierten Produktlebenszyklus weiter ausgearbeitet. Durch mehrere kleine Beobachtungszyklen ist das systemische Produktlebenszyklusmodell von Klenter entstanden, welches von Kemminer eine Erweiterung durch die Integration eines Servicezyklus erfuhr (Mateika 2005, S. 10-11). Weitere Ergänzungen und Variationen des Produktlebenszyklus erfolgten z. B. durch Hesselbach et al, Bothe, Ford/Ryan, Arthur D. Little, Utterback/Abernathy und Hayes/Whellwright (Mateika 2005, S. 10-14; Höft 1992, S. 56-140; Wildemann 1982, S. 39-51). Im weiteren Verlauf wird der traditionelle integrierte Produktlebenszyklus als Ausgangslage genutzt. Die Abbildung 2.2 zeigt diesen mit seiner Dreiteilung in Entstehungs-, Markt- und Nachsorgezyklus.[4]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.2: Der integrierte Produktlebenszyklus
Quelle: nach (Siegwart/Senti 1995, S. 20; Back-Hock 1992, S. 706)
In der Abbildung ist zu erkennen, dass sich die einzelnen Zyklen des integrierten Produktlebenszyklus wiederum in Phasen unterteilen lassen. Der Startschuss des Entstehungszyklus (auch Vorlaufphase genannt) fällt mit der Produktidee. Daraufhin wird das Produkt entwickelt und konstruiert. Mit der Vorbereitung der Produktion und des Absatzes geht der Entstehungszyklus in den traditionellen Marktzyklus (Nutzungsphase) über. Damit beginnt gleichzeitig der Nachsorgezyklus (Nachlaufphase), in dem Service rund um das Produkt geboten wird; darunter fallen Wartungs- und Reparaturarbeiten, Garantieleistungen, Ersatzteillieferung sowie Rücknahme und Entsorgung (Ederer 2007, S. 18; Götze 2000, S. 270).
2.1.3 Konkretisierung des Produktlebenszyklus im Maschinen- und Anlagenbau
Als Deutschlands größter industrieller Arbeitgeber liegt der Maschinen- und Anlagenbau mit über 975.000 Arbeitnehmern (VDMA 2009) in ca. 6.000 Unternehmen gemessen am Branchenumsatz auf Platz 2. Im Jahr 2007 stieg der Umsatz um real 10,9 Prozent auf 189,5 Mrd. Euro (VDMA 2008, S. 4-5). Anders als die Konsumgüterindustrie, die ihre Produkte aus der Massen- und Serienfertigung an einen anonymen Markt verkauft, liefern die Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus ihren bekannten Einzelkunden speziell auf deren Wünsche ausgerichtete Produkte. Da demzufolge die Binnennachfrage beschränkt ist, exportieren die Unternehmen ihre Maschinen auch ins Ausland (Mateika 2005, S. 14). Mit einer realen Zunahme von 8,3 Prozent im Jahr 2007 betrugen die deutschen Maschinenexporte 135,8 Mrd. Euro (VDMA 2008, S. 5). Die Umsatzrendite ist entgegen dem hohen Wachstum in Relation zu anderen Branchen gering. Laut einer empirischen Studie von Mercer Management Consulting lag die durchschnittliche[5] Umsatzrendite vor Steuern bei 3,4 Prozent (Mercer Management Consulting 2007a, S. 3). Interessant ist jedoch, dass mit dem reinen Neumaschinengeschäft eine Umsatzrendite von nur 2,3 Prozent erreicht wird und der Service eine Rendite von mehr als zehn Prozent[6] bringt (Mercer Management Consulting 2003, S. 1). Diese Zahlen bestätigen, dass bei Kalkulationen nicht nur die Kosten und Erlöse des Marktzyklus, sondern auch die des Entstehungs- und des Nachsorgezyklus berücksichtigt werden müssen.
Um im späteren Verlauf der Arbeit diese Kosten und Erlöse im Rahmen der Lebenszykluskostenrechnung einzubeziehen, ist es wichtig, den Produktlebenszyklus im Maschinen- und Anlagenbau und seine Besonderheiten zu erarbeiten. Dazu werden die vorherigen Ausführungen zum integrierten Produktlebenszyklus im Folgenden auf den Lebenszyklus von Maschinen und Anlagen übertragen.
Der Anlagenlebenszyklus wird von Meyer ebenfalls in drei Phasen unterteilt, und zwar in Aktivitäten vor Beginn, Aktivitäten während und Aktivitäten nach Ende der Nutzungsdauer einer Anlage. Diese drei Aktivitätsfelder sind gleichzusetzen mit den Phasen des integrierten Produktlebenszyklus (Meyer 1986, S. 46).
- Aktivitäten vor Beginn der Nutzungsdauer (Entstehungszyklus)
Als Erstes wird innerhalb der Anlagenprojektierung ein Sollkonzept erstellt, in dem die gesamten Anforderungen an die Anlage definiert werden, u. a. Art, Qualität und Größe der Anlage, Bereitstellungszeitpunkt und –ort, Plankosten sowie weitere Merkmale und Eigenschaften der Anlage. Nach der detaillierten Aufführung der Anlagenspezifikationen werden diese in der Anlagenbereitstellung realisiert (Meyer 1986, S. 46-57). Dabei wird überprüft und verglichen, ob Eigenfertigung oder Fremdbezug wirtschaftlicher ist und wenn der Fremdbezug gewählt wird, ob eine neue oder gebrauchte Anlage gekauft, gemietet oder geleast wird (Zehbold 1996b, S. 57). Steht diese Entscheidung, wird die Anlage in Auftrag gegeben und produziert. Daraufhin erfolgt die Bereitstellung durch Anlieferung der Anlage. Die letzte Aktivität dieser Phase ist die Anlagenanordnung, wobei die Anlage auf ihren zukünftigen innerbetrieblichen Standort, der meist schon in der Projektierungsphase bestimmt wurde, gesetzt und montiert wird (Meyer 1986, S. 54-58).
- Aktivitäten während der Nutzungsdauer (Marktzyklus)
Mit Abnahme der Anlage durch den Kunden beginnt die Nutzungsphase. Die Bereithaltung und der Einsatz der Anlage ist eine Tätigkeit, bei der viele Entscheidungen zu treffen sind, z. B. zur Nutzungsart, -menge, -intensität und -dauer sowie zur Durchführung der Produktionsprozesse. Eine weitere bedeutende Aktivität ist die Anlageninstandhaltung, die den Verschleiß erkennen, vermindern und beseitigen soll. Durch Instandhaltungsmaßnahmen wird die Anlage wieder auf ihr ursprüngliches Niveau gebracht. Diese Vorgänge werden vorher geplant und nach Beendigung kontrolliert. Über das anfängliche Niveau zielen Maßnahmen der Anlagenverbesserung, mit denen das Leistungspotenzial der Anlage erhöht werden soll. Die Aktivitäten dieser Phase verlaufen grundsätzlich zeitlich parallel ab und sind wiederkehrend, während die Aktivitäten vor dem Beginn der Nutzungsdauer in der Regel zeitlich nacheinander ablaufen und einen einmaligen Charakter besitzen (Meyer 1986,
S. 58-67).
- Aktivitäten nach Ende der Nutzungsdauer (Nachsorgezyklus)
Nach Ende der Nutzungsdauer endet der Anlagenlebenszyklus mit der Anlagenausmusterung, der Anlagenverwertung und dem Anlagenersatz. Anhand von Informationen aus den drei Aktivitätsfeldern der Nutzungsphase wird der Zeitpunkt der Ausmusterung bestimmt. Dann ist zu prüfen, ob die Anlage in einem anderen Funktionsbereich genutzt werden kann und ob dazu Instandhaltungs- oder Verbesserungsmaßnahmen notwendig sind. Ebenso kann ein Um- oder Ausbau der Anlage lohnenswert sein, um diese weiter zu verwenden (Meyer 1986, S. 67-72). An dieser Stelle würde der funktionsbezogene Lebenszyklus der Anlage enden. Das Ende des betriebsbezogenen Anlagenlebenszyklus ist erreicht, wenn die Anlage verkauft, vermietet oder in anderer Form außerbetrieblich weiterverwendet wird. Gleichermaßen endet der Lebenszyklus bei Ausmusterung, Demontage oder Entsorgung. Ein neuer Lebenszyklus entsteht durch den Ersatz der Anlage (Zehbold 1996b, S. 57-58).
[...]
[1] Zur weiteren Vertiefung der Merkmale einzelner Phasencharakteristika siehe Höft (1992), S. 36-39.
[2] Zur ausführlichen Darstellung siehe Höft (1992), S. 35-41.
[3] Das vollständige integrierte Produktlebenszyklusmodell von Pfeiffer und Bischof besteht aus den Phasen Beobachtungszyklus, Entstehungszyklus und Marktzyklus. Allerdings wird der Beobachtungsphase keine große Beachtung geschenkt, wie selbst Pfeiffer und Bischof schreiben (vgl. Pfeiffer/Bischof 1981, S. 138). In der Literatur wird diese Phase oft vernachlässigt und ausgelassen (vgl. Schild 2005, S. 159; Hoeck 2005, S 35). Aus diesem Grund wird der Beobachtungszyklus auch in dieser Arbeit ausgeklammert.
[4] Die Bezeichnungen sind in der Literatur unterschiedlich; beispielsweise sprechen Reichmann und Fröhling von der Entwicklungsphase, der Marktphase und der Entsorgungs- bzw. Nachsorgephase (Reichmann/Fröhling 1994, S. 287).
[5] Die Berechnung erfolgte über die Jahre 1987 bis 2003.
[6] Die Umsatzrendite des Service errechnet sich aus folgenden Leistungen: Ersatzteilgeschäft mit 18 Prozent, Beratungsleistungen mit 16 Prozent, Reparaturdienste mit 11 Prozent, Instandhaltung mit 9 Prozent und der Gebrauchtmaschinenhandel mit 8 Prozent (Mercer Management Consulting 2003, S. 1).
- Citation du texte
- Alexander Kuhlmann (Auteur), 2009, Life Cycle Costing im Maschinen- und Anlagenbau, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136190
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