Die junge Generation wächst heute in einer hochtechnisierten Umwelt auf, die einen erheblichen Einfluss auf ihre körperliche und geistige Entwicklung hat.
In der Freizeitgestaltung hat die Beschäftigung mit elektronischen Medien dabei einen immer größeren Anteil bei Kindern und Jugendlichen eingenommen (vgl. LAMPERT et al. 2007) und lässt die Zeit für Bewegung zunehmend schrumpfen. Zudem haben sich die Lebensumstände der Kinder und Jugendlichen auf ein Minimum an Bewegung reduziert, wodurch ihnen die Möglichkeit versagt bleibt, sich aktiv handelnd mit ihrer Umwelt auseinander zu setzen und sich diese selbständig zu erschließen. Bewegungsreiche Aktivitäten im Freien, wie spielen und toben, die bis ins Jugendalter einen hohen Aufforderungscharakter besitzen, wurden von bewegungsarmen Aktivitäten abgelöst (Vgl. BÖS 2003). Bewegungsmangel kennzeichnet so zunehmend den Alltag vieler Kinder und Jugendlicher.
Die Auswirkungen dieses Bewegungsmangels sind ernüchternd: Die Kinder und Jugendlichen in Deutschland werden immer übergewichtiger, so das Fazit einer bundesweiten Studie mit 18.000 untersuchten Kindern und Jugendlichen.
Auch der Sportunterricht an Schulen und eine Vielzahl an außerschulischen Sportangeboten reichen scheinbar nicht mehr aus, den Bewegungsmangel im Kindes- und Jugendalter insgesamt ausreichend zu kompensieren.
Wenn sich Bewegungsmangel auf kognitive, soziale und emotionale Entwicklungen negativ auswirkt, dann kann auch davon ausgegangen werden, dass Bewegung einen positiven Einfluss auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen hat. Die Intention der Untersuchung beruht auf der These, dass „der Zusammenhang zwischen Motorik und Kognition, Einflüsse von Wahrnehmung und Bewegung auf das Lernen, auf die Lern- und Leistungsfähigkeit von Kindern unbestritten“ (DORDEL / BREITHECKER 2003, S. 145) ist.
Welche empirischen Studien können zur Aufklärung des Zusammenhangs von Bewegung und Lernen im Kindes- und Jugendalter einen Beitrag leisten?
Die vorliegende Arbeit kann dazu grundsätzlich an der Schnittstelle von Schulpädagogik und Sportpädagogik eingeordnet werden. Aus der Perspektive der Sportpädagogik, weil deren Gegenstand Bewegung, Körperlichkeit, Spiel und Sport in einem pädagogischen Kontext verankert ist. Und aus Sicht der Schulpädagogik, da Bewegung und Körperlichkeit als anthropologische Tatsache zu den Lern- und Sozialisationsbedingungen von Kindern und Jugendlichen im Erziehungs- und (Lebensraum)Unterrichtsfeld Schule dazu gehören.
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Vorwort
1 Einleitung
2 Beschreibung der Forschungsmethodik und Untersuchungsdurchführung
2.1 Das Untersuchungsdesign
2.2 Die Auswahl geeigneter empirischer Studien
2.3 Methoden der Untersuchungsdurchführung
3 Theoretischer Begriffsrahmen: Der Zusammenhang von Bewegung und Lernen
3.1 Bewegung - Möglichkeiten einer Begriffsbestimmung
3.1.1 Bewegung als Gegenstand der Sportpädagogik
3.1.2 Zusammenfassung und Begriffsbestimmung von Bewegung
3.2 Lernen - Möglichkeiten einer Begriffsbestimmung
3.2.1 Lernen als Gegenstand der Sportpädagogik
3.2.2 Zusammenfassung und Begriffsbestimmung von Lernen
3.3 Der Zusammenhang von Bewegung und Lernen
4 Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse
4.1 Einleitung in die Untersuchung der empirischen Studien
4.2 Die Kategorisierung der empirischen Studien
4.2.1 Charakterisierung der Kategorien
4.2.2 Exemplarische Beispiele der empirischen Studien für die einzelnen Kategorien
4.2.2.1 Exemplarische Studie für Kategorie I - Physiologische Voraussetzungen
4.2.2.2 Exemplarische Studie für Kategorie II - Lernvorbereitung
4.2.2.3 Exemplarische Studie für Kategorie III - Lernergebnisse
4.2.2.4 Exemplarische Studie für Kategorie IV - Persönlichkeit
4.3 Tabellarische Übersicht aller untersuchten empirischen Studien
4.4 Auswertung und Interpretation der Untersuchung
5. Pädagogische Konsequenzen der Untersuchung
Literaturverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Übersicht Untersuchungsdesign und Untersuchungsmethoden
Tabelle 2: Übersicht „Körperliche Aktivität fördert Gehirn- gesundheit und -leistungsfähigkeit
Tabelle 3: Zuordnung ähnlicher empirischer Studien zu Kategorie I – Phy. Voraussetzungen
Tabelle 4: Übersicht „Effekte körperlich-sportlicher Aktivitäten auf kognitive Leistungen
Tabelle 5: Zuordnung ähnlicher empirischer Studien zu Kategorie II – Lernvoraussetzungen
Tabelle 6: Übersicht „Physically Fit Kids Perform Better Academically
Tabelle 7: Zuordnung ähnlicher empirischer Studien zu Kategorie III – Lernergebnisse
Tabelle 8: Übersicht „Sport, Stress und emotionaler Rückhalt als Determinanten von Gesundheit und Lebenszufriedenheit 51
Tabelle 9: Zuordnung ähnlicher empirischer Studien zu Kategorie IV – Persönlichkeit
Tabelle 10: Übersicht aller untersuchten empirischen Studien, die einen Zusammenhang von Bewegung und Lernen nachweisen können, chronologisch geordnet
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Motorik als Medium der menschlichen Entwicklung (nach Jackel, B. 1997)
Abbildung 2: Lernen als Wissenserwerb und Verhaltensänderung (nach Detert, D./ Willenbrink, M. 2004)
Abbildung 3: Ergebnisse der Studie. Wertung der Aufmerksamkeitsleistung anhand der Normierung des Test d2 (nach Dordel, S./ Breihecker, W. 2003)
Abbildungen 4a-4c: Diagramme der Ergebnisse der Studie des California Department of Education (2002) für den Zusammenhang von schulischen Leistungen (Lesen und Rechnen) sowie körperlicher Fitness (nach Roth, K./ Knobloch, I. 2005) 48-
Abbildung 5: Ebenen des „Bewegten Lernens“ (nach Hildebrandt-Stramann, R. 2008)
Vorwort
Am Ende des Grundstudiums kam ich erstmals mit dem Projekt der „Jenaer Bewegungswerkstatt“ am Institut für Sportwissenschaft in Kontakt. Ein wesentli-cher Bestandteil dieser Bewegungswerkstatt war es, den Studenten die Mög-lichkeit zu bieten, selber Teilprojekte in Form von Bewegungsangeboten zu entwickeln und an Schulen oder in Fortbildungsangeboten praktisch umzuset-zen. Als theoretische Untersuchungsgrundlage gilt die Annahme, dass Bewe-gung und Lernen im Sinne der ganzheitlichen Entwicklung zusammen gehören und durch Bewegungsinnovationen der schulische Alltag im Sinne des ganz-heitlichen Lernens bereichert werden kann.
Auf dem 3. Thüringer Bildungssymposium am 28. Mai 2005 in Erfurt hielt ich einen Vortrag über das Thema "Sich - Bewegen hilft besser Lernen". Der Vor-trag verfolgte das Ziel, Zusammenhänge von Bewegung und kognitiven Lernen herzustellen, den Zuhörern Anregungen zu geben und sie für das Thema zu sensibilisieren.
Die Erkenntnisse, die ich in den letzten Jahren über den Zusammenhang von Bewegung und Lernen gewonnen habe, haben mich überzeugt, dass regelmä-ßiges, vielseitiges und sinnvolles Bewegen kognitive Lernprozesse begünstigt und Bewegung einen wichtigen Anteil zur ganzheitlichen Entwicklung im Kin-des- und Jugendalter erfüllt. Mit dieser Einstellung möchte ich in meiner Unter-suchung einen Beitrag zur Aufklärung über den Zusammenhang von Bewegung und Lernen leisten.
1 Einleitung
Die junge Generation wächst heutzutage in einer hochtechnisierten Umwelt auf, die einen erheblichen Einfluss auf ihre körperliche und geistige Entwicklung hat. Kinder und Jugendliche gestalten nach eigenem Interesse ihre Freizeit und können vielfältige Beschäftigungsangebote nutzen. In der Freizeitgestaltung hat die Beschäftigung mit elektronischen Medien dabei einen immer größeren An-teil bei Kindern und Jugendlichen eingenommen (Vgl. LAMPERT et al. 2007) und lässt die Zeit für Bewegung zunehmend schrumpfen. Zudem haben sich die Lebensumstände der Kinder und Jugendlichen auf ein Minimum an Bewegung reduziert, wodurch ihnen die Möglichkeit versagt bleibt, sich aktiv handelnd mit ihrer Umwelt auseinander zu setzen und sich diese selbständig zu erschließen. Bewegungsreiche Aktivitäten im Freien, wie Spielen und Toben, die bis ins Ju-gendalter einen hohen Aufforderungscharakter besitzen, wurden von bewe-gungsarmen Aktivitäten, wie Computerspielen und Fernsehkonsum, abgelöst (Vgl. BÖS 2003, PFEIFFER et al. 2007). Bewegungsmangel kennzeichnet zu-nehmend den Alltag vieler Kinder und Jugendlicher.
Die Auswirkungen dieses Bewegungsmangels sind ernüchternd:
Die Kinder und Jugendlichen in Deutschland werden immer übergewichtiger, so das Fazit einer bundesweiten Studie[1] mit 18.000 untersuchten Kindern und Ju-gendlichen. Seit den 90er Jahren ist das Übergewicht in der Altersgruppe zwi-schen 4 und 17 Jahren um durchschnittlich 50 Prozent gestiegen (Vgl. KURTH et al. 2007). Andere Untersuchungen belegen, dass sich Kinder und Jugendli-che immer weniger bewegen (Vgl. EGGERT 2000, BÖS 2003, OPPER et al. 2007) und bereits jedes fünfte Kind übergewichtig ist (Vgl. KUBESCH 2002). In einer Studie weist Bös (Vgl. 2003) darauf hin, dass das Resultat sportmotorisch schwächere Kinder und Jugendliche als noch vor 25 Jahren sind, mit Defiziten die sich auf die gesamte kognitive, soziale und emotionale Entwicklung auswir-ken. Auch der Sportunterricht an Schulen und eine Vielzahl an außerschuli-schen Sportangeboten reichen scheinbar nicht mehr aus, den Bewegungsman-gel im Kindes- und Jugendalter insgesamt ausreichend zu kompensieren.
Wenn sich Bewegungsmangel auf kognitive, soziale und emotionale Entwick-lungen negativ auswirkt, dann kann auch davon ausgegangen werden, dass Bewegung einen positiven Einfluss auf die Entwicklung von Kindern und Ju-gendlichen hat. Die Intention der Untersuchung beruht auf der These, dass
„der Zusammenhang zwischen Motorik und Kognition, Einflüsse von Wahrneh-mung und Bewegung auf das Lernen, auf die Lern- und Leistungsfähigkeit von Kindern unbestritten [ist]“ (DORDEL / BREITHECKER 2003, S. 145).
Daraus leitet sich folgende Fragestellung für die Untersuchung ab:
Welche empirischen Studien können zur Aufklärung des Zusammenhangs von Bewegung und Lernen im Kindes- und Jugendalter einen Beitrag leisten?
Die vorliegende Arbeit kann dazu grundsätzlich an der Schnittstelle von Schul-pädagogik und Sportpädagogik eingeordnet werden. Aus der Perspektive der Sportpädagogik, weil deren Gegenstand Bewegung, Körperlichkeit, Spiel und Sport in einem pädagogischen Kontext verankert ist. Und aus Sicht der Schul-pädagogik, da Bewegung und Körperlichkeit als anthropologische Tatsache zu den Lern- und Sozialisationsbedingungen von Kindern und Jugendlichen im Erziehungs- und Lebensraum Schule dazu gehören.
Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel. Im ersten Kapitel wird der Problemaufriss behandelt und die Untersuchungsfrage vorgestellt. Daran schließt sich eine Be-schreibung über den weiteren Verlauf der Untersuchung an.
Im zweiten Kapitel wird ein detaillierter Einblick in das Untersuchungsdesign, die Methodologie, die Recherchetechniken und die Durchführung der Untersu-chung gegeben. Es wird anschließend begründet, mit welchen Methoden und nach welcher Auswahl empirische Studien gesammelt wurden, um die eingangs gestellte Forschungsfrage beantworten zu können.
Das dritte Kapitel befasst sich mit der theoretischen Auseinandersetzung der Begriffe Bewegung und Lernen und setzt sie miteinander in Beziehung. Da der Zusammenhang von Bewegung und Lernen vielschichtig ist, müssen die Begrif-fe zunächst für die Untersuchung definiert werden. Daraus ergibt sich anschlie-ßend ein allgemeingültiges und funktionales Verständnis dieser beiden Begriffe. Nachdem eine fundierte theoretische Begründung des Zusammenhangs von Bewegung und Lernen hergestellt wurde, gilt es diese durch ausgewählte empi-rische Studien nachhaltig zu belegen. Folglich schließt sich die Analyse und Auswertung der empirischen Studien im darauf folgenden Kapitel an.
Die Aufarbeitung der empirischen Studien im vierten Kapitel bildet den Kern der Untersuchung. Hier werden die empirischen Studien aus verschiedenen wis-senschaftlichen Fachbereichen analysiert, neu strukturiert und in einer Tabelle dargestellt. Um ein genaues Verständnis über den Zusammenhang von Bewe-gung und Lernen zu gewinnen, werden die empirischen Studien in vier Katego-rien eingeteilt, die aus dem theoretischen Zusammenhang von Bewegung und Lernen erarbeitet werden. Die Kategorien dienen der genauen Analyse der em-pirischen Studien und sind als Ausschnitte des Gesamtzusammenhangs zu ver-stehen. Mit diesem detaillierten Einblick werden so unterschiedliche Bereiche von Lernen überprüft, die maßgeblich von Bewegung beeinflusst werden. Ler-nen ist dabei immer als ganzheitlicher Prozess zu verstehen und soll durch die Kategorisierung keine Trennung erfahren.
Folgend wird jeweils eine Studie ausgewählt, um exemplarisch eine Kategorie näher zu beschreiben. Diesen Beispielen werden weitere Studien in Tabellen-form zugeordnet, die ähnliche Merkmale aufweisen. Die Aufbereitung und Interpretation der gewonnen Ergebnisse schließt sich unmittelbar an. Die Interpretation erfolgt nach der sozialwissenschaftlich-hermeneutischen Paraphrasierung nach Mayring (Vgl. 2002).
Den Abschluss dieser Untersuchung bildet das fünfte Kapitel. Die gewonnenen Ergebnisse und Erkenntnisse der Untersuchung werden zusammengefasst und pädagogische Konsequenzen abgeleitet. Dieses Kapitel beinhaltet außerdem weiterführende Fragen für zukünftige Untersuchungen.
2 Beschreibung der Forschungsmethodik und Untersuchungsdurchführung
Der folgende Abschnitt befasst sich mit der Beschreibung der analytischen Vor-gehensweise, der Untersuchungsmethodik und der Durchführung der Untersu-chung. Folgende Fragen stehen dabei im Mittelpunkt:
- Welches Untersuchungsdesign kann die zentrale Frage: Welche empiri-schen Studien können zur Aufklärung des Zusammenhangs von Bewe-gung und Lernen im Kindes- und Jugendalter einen Beitrag leisten? ent-sprechend beantworten?
- Welche Untersuchungsmethoden werden zur Erhebung, Aufbereitung und Auswertung der Daten genutzt?
- Wie wird die Erarbeitung und Auswertung der Daten durchgeführt?
Zur Erarbeitung von verwertbaren Ergebnissen ist es erforderlich, das Untersu-chungsdesign und die methodische Vorgehensweise der Untersuchung an die-ser Stelle festzulegen. Demzufolge wird die Untersuchung übersichtlich struktu-riert und der Erarbeitungsprozess sowie die Auswertung der Ergebnisse nach-vollziehbar gestaltet. Das Untersuchungsdesign ist die Grundlage der Untersu-chung, um zu stichhaltigen und nachvollziehbaren Ergebnissen zu gelangen, aus denen dann akzeptable Erkenntnisse gewonnen werden können. Hierzu definiert Atteslander Methodologie als
„die Vorgehensweise wissenschaftlichen Denkens [und versteht] unter Untersu-chungsablauf die Umsetzung dieses Denkens in einzelne systematisch ausgerich-tete und nachvollziehbare Untersuchungsschritte“ (ATTESLANDER 2006, S.21).
In der Literatur werden verschiedene Forschungsmethoden verifiziert, um eine wissenschaftliche Untersuchung durchzuführen (Vgl. MAYRING 2002, SCHELL
Beschreibung der Forschungsmethodik und Untersuchungsdurchführung 2005, ATTESLANDER 2006). Das bedeutet für diese Untersuchung, dass an-gemessene Methoden ausgewählt werden, um die Forschungsfrage beantwor-ten zu können. Das Verhältnis dieser Methodenauswahl soll dabei objektbezo-gen sein sowie quantitativen und qualitativen Ansprüchen genügen. Die Ergeb-nisse dieser Untersuchung müssen dabei möglichst genau (Validität), objektiv (Objektivität) und nachprüfbar (Reliabilität) sein (Vgl. ATTESLANDER 2006).
2.1 Das Untersuchungsdesign
Aus der Fragestellung: Welche empirischen Studien können den Zusammen-hang von Bewegung und Lernen im Kindes- und Jugendalter nachweisen? kann ein erster Eindruck auf die Wahl eines geeigneten Untersuchungsdesigns und dessen Untersuchungsmethoden geschlossen werden. Es gilt demnach, aus vorhandenen empirischen Studien, die einen Zusammenhang von Bewe-gung und Lernen nachweisen können, relevante Inhalte zu erschließen und un-ter neuen Gesichtspunkten zu analysieren. Die empirischen Studien sollen dazu überprüft, strukturiert und in Kategorien neu eingeordnet werden. Daran schließt sich die Auswertung und Interpretation der vorgefundenen Ergebnisse an.
Bei dieser Untersuchung handelt es sich um eine Querschnittstudie. Als ange-messenes Untersuchungsdesign bietet sich die Dokumentenanalyse nach May-ring an:
„Dokumentenanalyse will Material erschließen, das nicht erst vom Forscher durch die Datenerhebung geschaffen werden muss. Dokumentenanalyse zeichnet sich durch die Vielfalt ihres Materials aus. Die qualitative Interpretation des Dokuments hat einen entscheidenden Stellenwert“ (MAYRING 2002, S. 47).
Die Dokumentenanalyse gehört zum klassischen Feld der qualitativ-interpretativen Analysen und kann daher sehr breit definiert werden (Vgl. BALLSTAED 1987 zitiert in MAYRING 2002). Ein Vorteil dieser Analyseform ist
die zu untersuchende Materialvielfalt, da „ als Dokument alles verstanden wer-den kann, was interessante Rückschlüsse auf die konkret behandelte Proble-matik ziehen kann “ (MAYRING 2002, S. 47). Als Dokumente werden für diese Untersuchung ausschließlich empirische Studien herangezogen, die auch für diese Arbeit tatsächlich zur Verfügung stehen.
„Die Dokumentenanalyse muss zunächst ihr Ausgangsmaterial in Bezug auf eine Fragestellung genauer definieren, bevor der Aussagewert eingeschätzt werden kann und der Gehalt interpretativ und eventuell quantitativ erschlossen werden kann“ (MAYRING 2002, S. 47).
Aufgrund der Rahmenbedingungen für die vorliegende Arbeit muss ein Unter-suchungsdesign zur Anwendung kommen, dass die Fragestellung der Arbeit adäquat erfasst. Eine Metaanalyse, ähnlich wie sie Etnier et al. (Vgl. 1999) mit 200 Studien durchgeführt hat, wäre vor allem aus zeitlichem Aspekt nicht zweckmäßig. Ähnliches gilt für die Untersuchungsdesigns der qualitativen Evaluation (Vgl. MAYRING 2002) oder der Grounded Theory (Vgl. STRAUS/ CO-BIN 1991), die sich nicht zur Lösung der Forschungsfrage eignen würden.
2.2 Die Auswahl geeigneter empirischer Studien
Im folgenden Abschnitt soll zunächst auf die Auswahl der zu untersuchenden empirischen Studien eingegangen werden. Aus diesem Grund werden die For-schungsbereiche, die angewandten Methoden der Recherche und die Auswahl-kriterien zur Datengewinnung vorgestellt.
Die Auswahl geeigneter empirischer Studien erfolgt aus unterschiedlichen Fachbereichen, wie beispielsweise der Sportpädagogik, der Sportmotorik und der Sportmedizin aber auch aus Fachbereichen der Schulentwicklung und der Neurowissenschaft. Dazu wurden Beiträge aus unterschiedlichen Fachzeit-schriften überprüft und Quellenangaben von Autoren und Publikationen notiert, die im Zusammenhang von Bewegung und Lernen stehen. Alle in diesen Fach- bereichen erwähnten empirischen Studien wurden aufgelistet und nach ihrer realen Verfügbarkeit überprüft. Sie mussten außerdem wissenschaftlich be-gründet und aussagekräftig sein. Ihre zeitliche Datierung spielte dabei eine un-tergeordnete Rolle, jedoch sollten möglichst aktuelle Forschungsergebnisse in die Untersuchung einbezogen werden. Anschließend wurde in der Fachliteratur, in Online Katalogen und unterschiedlichen Datenbanken nach entsprechenden empirischen Studien gesucht. Dazu kam die Methode zur „Auswahl geeigneter Literatur für wissenschaftliche Arbeiten“ nach Gudjons (Vgl. 1990) zum Einsatz, mit der eine systematische Literaturrecherche nach relevanten Quellen betrie-ben werden konnte.
Als eine weitere Rechercheform ist das Internet zu benennen. Mit Hilfe von Suchmaschinen wie etwa „Google“ und „Yahoo“ wurden die Begriffe „ Bewe-gung“ und „ Lernen“ sowie „Zusammenhang zwischen Bewegung und Lernen “ als auch „kognitives Lernen “ und ähnliche Begriffe in die Suchmasken eingetra-gen. Die Ergebnisse der ersten Seiten wurden anschließend näher auf relevan-ten Inhalt überprüft und ausgewertet (Vgl. SCHENK 2005). Eine weitere Metho-de der Beschaffung geeigneter empirischer Studien war die direkte Nachfrage bei Autoren einzelner Studien, die dann über den Postweg oder via Email be-schafft werden konnten.
2.3 Methoden und Untersuchungsdurchführung
Die qualitativen Untersuchungsmethoden lassen sich in Datenerhebung, Aufbe-reitung und Auswertung einteilen. Da die Daten in Form von empirischen Stu-dien bereits vorliegen, müssen sie nicht im Sinne einer Erhebung neu „geschaf-fen“ werden. Vielmehr bedient sich der Erhebungsprozess Auswahlkriterien, um empirische Studien auszuwählen. Die anschließende Aufbereitung der Daten findet in Form einer Kategorisierung und eines zusammenfassenden Protokolls statt. Parallel dazu werden die Studien in Tabellenform dargestellt und systema-tisch eingeordnet. Die Kategorisierung soll zu einem detaillierten Verständnis des ganzheitlichen Zusammenhangs von Bewegung und Lernen beitragen und die Ergebnisse der empirischen Studien in Bezug auf Bewegungsart, Kompo-nenten des Lernens und deren Charakteristika strukturieren. Für jede festgeleg-te Kategorie wird eine empirische Studie exemplarisch in Form eines zusam-mengefassten Protokolls ausgewählt und genauer beschrieben. Alle anderen ähnlichen empirischen Studien werden dann den Kategorien zugeordnet. Dabei ist es möglich, dass einige Studien mehreren Kategorien zugeordnet werden können. Die Anordnung der empirischen Studien in einer Tabelle ermöglicht es, einen Einblick über den aktuellen Forschungsstand zu erlangen und die Zuord-nung der empirischen Studien zu erleichtern.
Aus den erarbeiteten Daten wird durch die Methode der sozialwissenschaftlich - hermeneutischen Paraphrasierung eine Auswertung und Interpretation vorge-nommen. Die dargestellte Tabelle 1, in Anlehnung an Mayring (2002, S. 135), gibt zusammenfassend eine Übersicht über die Art des Untersuchungsdesigns und der eingesetzten qualitativen Methoden der Erhebung, Aufbereitung und Auswertung der Daten.
Tabelle 1: Übersicht Untersuchungsdesign und Untersuchungsmethoden
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die hier vorgestellten methodischen Vorgehensweisen werden damit begrün-det, dass sie im vorgegebenen Zeitrahmen angemessen sind, um eine struktu-rierte Untersuchung zu ermöglichen und zur Aufklärung des Zusammenhangs von Bewegung und Lernen im Kindes- und Jugendalter mittels ausgewählter empirischer Studien beitragen.
3 Theoretischer Begriffsrahmen: Der Zusammenhang von Bewegung und Lernen
„Bewegung ist das Tor zum Lernen“
Paul E. Dennison
Um ein allgemeingültiges und funktionales Verständnis der Begriffe Bewegung und Lernen zu erlangen, die der Untersuchung zu Grunde liegen, werden sie im folgenden Kapitel analysiert, zueinander in Beziehung gesetzt und definiert. Die These: „Bewegung fördert Lernen“ steht dabei im Vordergrund und ist Aus-gangspunkt der Begriffsanalyse.
3.1 Bewegung - Möglichkeiten einer Begriffsbestimmung
Was ist Bewegung ? Bewegung ist Sport, Laufen, mit den Fingern schnippen, die Lippen bewegen, Jonglieren, Tanzen, Spielen, aber auch die Stirn runzeln oder sich Vergnügen. Bewegung ist ein mehrdeutiger Begriff, der in vielgestalti-ger Form auftreten kann. Daher ist es wichtig, den Begriff Bewegung im Kontext dieser Untersuchung genauer zu erörtern und dabei auf folgende Fragen näher einzugehen:
- Welche Auffassungen von Bewegung sind für die Untersuchung wichtig?
- Wie kann der Begriff Bewegung für diese Untersuchung definiert wer-den?
3.1.1 Bewegung als Gegenstand der Sportpädagogik
Im physikalischen Sinne ist Bewegung eine Lage- bzw. Ortsveränderung eines Objektes im Vergleich zu seiner Umgebung. Dazu gehören auch die Kompo-nenten Zeit, Raum und Energie um Bewegung en zu beschreiben. Bezogen auf sich entwickelnde Kinder und Jugendliche kann festgestellt werden: „Bewegung lehrt den Umgang mit Zeit, die Bewältigung von Raum und den rechten Einsatz von Energie“ (DIETRICH 2005, S. 36) .
Aus sportpädagogischer Perspektive greift diese Beschreibung allerdings zu kurz, denn Bewegung hat immer ihren Sinn, ihre Beweggründe und ihre Bedeu-tung und ist damit intentional.[2] Ausgehend von dieser wissenschaftstheoreti-schen Position wird die menschliche Bewegung aus einer „ anthropologischen, phänomenologischen sowie ganzheitlichen Perspektive“ (RÖTHIG/ PROHL et al. 2003, S. 83) gedeutet. Nach Tamboer ist „Bewegung eine fachspezifische Kategorie, über die unterschiedliche Auffassungen existieren“ (TAMBOER 1979, S. 60). Um für die sport-pädagogische Perspektive dieser Untersuchung ein relevantes Begriffsverständnis des Bewegung sbegriffs zu erschließen, ist ein Überblick über die unterschiedlichen Auffassungen von Bewegung unerläss-lich. Es lassen sich vier wesentliche Auffassungen von Bewegung verifizieren:
- Bewegung als existentielle Grundlage des Mensch-Seins
Alle Bewegungen werden durch den menschlichen Körper gesteuert, beein-flusst und vollzogen. Der Körper konstituiert somit unsere Existenz und ist die Basis unseres Lebens. Für die sportpädagogische Herangehensweise ist Be-wegung jedoch besonders aus einer anthropologischen Perspektive heraus noch mehr:
Der Körper ermöglicht durch Bewegung, dass wir uns räumlich und zeitlich ori-entieren können und „ integriert uns in jenes System von Situationen, Gegeben-heiten, Bedingungen und Zusammenhängen, das Welt heißt “ (GRUPE 1982, S. 46).
Die Erschließung der (Um)Welt
„geschieht über den Körper und die Bewegung. Bewegungserfahrungen sind im-mer unmittelbar auf den Körper bezogen; als Bewegungserlebnisse sind sie von der Persönlichkeit des Kindes nicht zu trennen. Sie bilden geradezu die kindliche Identität. Bewegungen sind in ihrer unmittelbaren Qualität immer auch Welterfah-rungen. Bewegungserfahrungen eröffnen dem Kinde die Welt räumlich-dinglich und in ihren personalen Bezügen“ (FISCHER 2004, S. 38-39).
Deshalb ist unser Verhältnis zu den Dingen und Menschen ein „ursprünglich leibliches “ (GRUPE 1982, S. 47). Die körperliche Bewegung hat auf Grund ihrer instrumentellen, explorierenden, materialen, personalen, gesundheitlichen und sozialen Bedeutung (Vgl. GRUPE 1982, SCHERLER 1990) direkte Auswirkun-gen auf Alltag und Beruf als auch auf sportliche Tätigkeiten. Daraus ergibt sich ein weiterer Schwerpunkt von Bewegung.
- Bewegung als wahrnehmbare körperliche Aktivität
Vielgestaltige körperliche Aktivitäten, die im Alltag, bei spielerischen und sportli-chen Bewegungssituationen oder im Beruf vorkommen, sind Erscheinungsfor-men, die unter den Begriff Bewegung einzuordnen sind. Bewegung ist daher als ein Oberbegriff für diese verschiedenen Arten körperlicher Aktivität zu verste-hen. Wird Bewegung im Zusammenhang von Alltag, Beruf oder Sport gesehen, dann kann von Alltagsbewegungen, berufsbezogenen Bewegungen oder sport-lichen Bewegungen gesprochen werden. So ist beispielsweise Sport ein Aus-schnitt, beziehungsweise eine Möglichkeit der menschlichen Bewegung. Sport-liche Tätigkeit kann viele Formen der Bewegung annehmen. So sind koordinativ anspruchsvolle Turnübungen nicht mit den zyklischen Bewegungen eines Aus-dauerläufers zu vergleichen. Aus der biomechanischen, trainingswissenschaftli-chen und medizinischen Sicht sind sportliche Bewegungen und ihre Einflüsse auf den Organismus differenziert zu betrachten und als körperliche Aktivität un-terschiedlich wahrzunehmen.
- Bewegung als Gegenstand pädagogischer Intention
Bewegung ist vom Körper nicht zu trennen und unbedingt als Gegenstand pä-dagogischer Intention zu verstehen. Da Bewegung den Menschen als Ganzes erfasst, bietet sie eine Möglichkeit des pädagogischen Zugriffs.
So war sich bereits Montessori dieser funktionellen Bedeutung von Bewegung bewusst:
„Da das Kind in den meisten Schulen passiv lernt, glaubt man in der körperlichen Bewegung ein Ausruhen von geistiger Tätigkeit schaffen zu müssen, und die kör-perliche Tätigkeit löst die geistige ab. [...] In fasst allen Schulen der heutigen Zeit, in der die Kinder beim Unterricht passiv sind, müssen Geist und Bewegung ge-trennt handeln. Diese Trennung führt zur Spaltung der kindlichen Persönlichkeit. Der Sinn, den wir in die Bewegung legen, ist ein viel tieferer, der nicht nur die mo-torischen Funktionen unseres Körpers betrifft, sondern der den ganzen Menschen in seinen korrespondierenden Ausdrucksmöglichkeiten erfasst“ (MONTESSORI 1988, S. 18/19).
Der Körper und Bewegung sind Ansatzpunkte dieses ganzheitlichen Erzie-hungskonzepts.
- Bewegung als Medium des Lernens
Wird Bewegung als Gegenstand pädagogischer Intention verstanden, so ist sie auch ein Medium des Lernen s. Vor allem in den ersten Lebensjahren ist Bewe-gung ein wichtiges Medium für das Kind, um Erfahrungen zu sammeln. Diese neu gewonnenen Erfahrungen nutzt es zur aktiven Auseinadersetzung mit seiner Umwelt. „ Bewegung ermöglicht, durch vielfältige sensomotorische Erfah-rungen, übergreifende kognitive Lernerfahrungen (ZIMMER 1981, S. 139)“.
Durch Klafki erfährt die menschliche Bewegung eine gebührende Aufwertung. Er versteht „ Bewegungskompetenz als eine Bildungsdimension “ (KLAFKI zitiert bei PROHL 2001, S.19) und unterstreicht damit deren Bedeutung für die kogni-tive Entwicklung.
Jackel (Vgl. 1997) begreift Motorik als Medium in Bezug auf verschiedene Be-reiche der menschlichen Entwicklung und knüpft damit an ein ganzheitliches Erziehungskonzept an. Die Abbildung 1 thematisiert „Motorik als Medium“ (JA-CKEL 1997, S. 41), die Einfluss auf die dargestellten Dimensionen menschli-cher Entwicklung hat:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Motorik als Medium der menschlichen Entwicklung, nach Jackel (1997)
Bei der Entwicklung der Persönlichkeit tritt Bewegung in Form von Motorik in das Zentrum der Betrachtung.
„Denn alle Autoren, die das Phänomen Bewegungserziehung, Motopädagogik, psychomotorische Übungsbehandlung, Integrative Bewegungstherapie oder Psy-chomotorik behandeln, sehen Bewegung als übergreifendes Medium der Entwick-lungsförderung, die ihrerseits Sprache, Soziales, Kognition, Emotion und Sensorik mit beeinflusst“ (JACKEL 1997, S. 41).
Daneben beeinflussen sich alle menschlichen Dimensionen auch immer gegen-seitig und lassen auf die Komplexität einer ganzheitlichen Vernetzung von Be-wegung und persönlichkeitsentwickelnden Faktoren schließen.
3.1.2 Zusammenfassung und Begriffsbestimmung von Bewegung
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass über Bewegung der räumli-che und zeitliche Zugang zur Welt hergestellt wird. Dadurch hat Bewegung eine instrumentelle, explorierende, personale und soziale Bedeutung, die sich auf die Erfahrungen des Menschen auswirken. Bewegung ist des Weiteren ein Medium der Auseinandersetzung von Mensch und Umwelt, dass als Erfahrungsor-gan und Gestaltungsinstrument beschrieben wird (Vgl. ZIMMER 2004). Ein „derart verstandener Bewegungsbegriff ist immer ganzheitlich ausgerichtet und somit als Mensch-Welt-Beziehung im Sinne einer Dialoggestaltung aufzufas-sen.“ (FSCHER 2004, S. 38-39) Für Bewegung, als Mittel zur Auseinanderset-zung des Kindes mit seiner Umwelt, trifft das zu, was Piaget (Vgl. 1969) in seiner entwicklungspsychologischen Theorie als doppelte Anpassungsvorgänge beschreibt. Doppelte Anpassungsvorgänge bedeuten, dass der Mensch sich an die Umwelt anpassen kann, gleichzeitig aber auch in der Lage ist, durch sein Handeln die Umwelt aktiv zu beeinflussen. Piaget benutzt dazu die Begriffe „Assimilation“ und „Akkomodation“, die als Anpassungsprozesse die kognitive Entwicklung des Kindes in hohem Maße beeinflussen.
„Unter Assimilation versteht Piaget eine Angleichung der Umwelt an das Indivi-duum, während der komplementäre Begriff Akkomodation die Angleichung des In-dividuums an die Bedingungen der Umwelt beinhaltet“ (ZIMMER 1981, S. 140).
Die Anpassung an die Umwelt durch Bewegung wird damit zu einer wichtigen Voraussetzung für die kognitive Entwicklung von Kindern und Jugendlichen.
“Indem sich das Kind vielfältig bewegt und im Spiel betätigt, erobert es sich zugleich nach und nach die umgebende Umwelt. Es lernt die Gegenstände seines nahen und weiteren Lebensraumes wortwörtlich durch Be-greifen, Be-tasten, Be-handeln und Be-sichtigen, also mit Bewegungen kennen und in ihren spezifischen Eigenschaften, Formen, Umgangsqualitäten und räumlich-zeitlichen Beziehungen mehr und mehr zu unterscheiden. Seine koordinierten Bewegungen dienen also schon zur Lösung bestimmter Aufgaben und werden damit zur Quelle kognitiver Prozesse“ (MEINEL/ SCHNABEL 2004, S. 31/58).
Der Mensch muss sich mit Bewegung auf unterschiedliche Gegebenheiten seiner Umwelt anpassen, hat aber genauso die Möglichkeit, auf seine Umwelt ver-ändernd einzuwirken. Damit erklärt sich, warum Bewegung für die pädagogi-sche Intention unerlässlich ist. Bewegung ist aus funktioneller Sicht ein Instrument und Medium für eine ganzheitliche Entwicklung und Bildung von Kindern und Jugendlichen. Auf diese Weise ist Bewegung auch direkt für das Lernen mit verantwortlich.
Dennoch sollen an dieser Stelle auch negative Auswirkungen von Bewegung berücksichtigt werden. Zu intensive körperliche Belastung kann nicht nur für den Körper negative Folgen haben, auch der dadurch ausgelöste Stress und Überbeanspruchung können sich nachteilig auf Lernleistungen und das allge-meine Körperbefinden auswirken. Parallel dazu bedeuten gute sportliche Er-gebnisse nicht zwangsläufig gute Lernergebnisse. Sportliche Höchstleistungen können ohne Lernen nicht automatisch zu kognitiven Höchstleistungen führen. Ein jeder muss daher für sich entscheiden, in welchem Umfang Bewegung für pädagogisches Handeln dienlich sein kann.
3.2 Lernen - Möglichkeiten einer Begriffbestimmung
Der Begriff Lernen ist ebenfalls ein mehrdeutiger Begriff, der vielfältig verwen-det wird. Etwas auswendig Lernen, spielerisch Lernen, sprechen Lernen, laufen Lernen, rechnen Lernen, Prozesslernen, Lernen durch Beobachtung und Nach-ahmung oder Soziales Lernen zeigen die Vielfältigkeit von Lernen. Eine allge-meingültige Definition ist daher nur schwer möglich, jedoch erforderlich, um ein Grundverständnis von Lernen für diese Untersuchung zu definieren. Hierzu muss gefragt werden:
- Was charakterisiert Lernen und wie lässt es sich für die Untersuchung definieren?
- Wie lassen sich anschließend Bewegung und Lernen miteinander in Verbindung bringen?
3.2.1 Lernen als Gegenstand der Sportpädagogik
Im Wörterbuch ist unter dem Begriff Lernen zu finden, sich geistig und körper-lich etwas aneignen, Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben (Vgl. WAHRIG 2002). Die Lernpsychologie unterscheidet Lernen als Erwerb von Wis-sen und Lernen von Verhalten (Vgl. LANGFELDT/ NOTHDURFT 2004). So heißt es, einerseits
„Lernen kann im Sinne von Wissenserwerb als der Aufbau und die fortlaufende Modifikation von Wissensrepräsentation definiert werden. Es ist ein bereichsspezi-fischer, komplexer und mehrstufiger Prozess, der die Teilprozesse des Verstehens, Speicherns und Abrufens einschließt“ (STEINER 2001, S. 162).
Andererseits versteht man unter Lernen einen „ erfahrungs-basierten Prozess, der aus einer relativ überdauernden Veränderung des Verhaltens “ (ZIMBARDO/ GERRIG 2006, S. 243) resultiert. Hinsichtlich des Bewegungslernens oder mo-torischen Lernen s werden damit auch „der Erwerb, Erhalt und die Veränderung von spezifischen, primär sensorischen und motorischen, aber auch kognitiven und emotionalen Strukturen und Funktio-nen sowie deren jeweilige Koordination bezüglich individueller Ziele sowie externer Umwelt- und Aufgabenanforderungen bezeichnet“ (RÖTIG/ PROHL et al. 2003, S. 383).
Abbildung 2 veranschaulicht den Begriff Lernen als Wissenserwerb und als Verhaltensänderung. Im Zusammenhang mit Bewegung lernen Kinder und Ju-gendliche durch eigene, meist wiederholte Bewegung neue Verhaltensweisen kennen. Kinder und Jugendliche lernen auch, indem sie ständig ihr Wissen über sich und ihre Umwelt erweitern. Wissenserwerb und Verhaltensänderung beein-flussen sich dabei gegenseitig und sind nicht voneinander zu trennen. Dies kann über verschiedene Arten des Lernen s geschehen, die in Abbildung 2, als Beispiele den Bereichen Wissenserwerb und Verhaltensänderung zugeordnet sind:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Lernen als Wissenserwerb und Verhaltensänderung,
verändert nach DETERT/ WILLENBRINK (2004)
Im Laufe der kognitiven Entwicklung erfolgt Lernen anfangs durch Verhaltens-änderung. Später, etwa ab dem 11. Lebensjahr, wird mit zunehmender kogniti-ver Entwicklung, vermehrt durch Wissenserwerb und gesammelten Erfahrungen gelernt (Vgl. DETERT/ WILLENBRINK 2004). Dies entspricht in etwa der perio-dischen Entwicklung kognitiver Denkstrukturen, wie sie Piaget (1969) dargelegt hat. Die Entwicklung kognitiver Denkstrukturen ist nach Piaget in vier aufeinan-der folgende Phasen hierarchisch geordnet. Dabei sind sie grob an das Le-bensalter des Menschen gebunden (LANGFELDT/ NOTHDURFT 2004, S.81):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Für die Untersuchung ist vor allem die erste Phase von Bedeutung. Bereits vor der Sprachentwicklung verfügen Kinder über das, was Piaget (Vgl. 1969) als Sensomotorische Intelligenz bezeichnet. Diese Phase bildet die Grundlage für alle nachfolgenden kognitiven Entwicklungen. In dieser Phase erwirbt das Kind sein grundlegendes Wissen über sich und seine Umwelt ausschließlich über seine Handlungen und Erfahrungen (Vgl. FISCHER 2004, SCHERLER 1975), nicht aber durch Vorstellung und Denken. Diese Phase bildet den Ausgangs-punkt aller weiteren kognitiven Entwicklungen bei Kindern und Jugendlichen. Allerdings können Lernprozesse nicht ausschließlich durch das Reiz-Reaktions-Schema (Vgl. LASSAHN 1993) oder als Folge der Interaktion des Organismus mit seiner Umwelt durch seine Sinnesorgane (Vgl. ZIMBARDO/ GERRIG 2006) erklärt werden. Was also charakterisiert Lernen genauer?
Nach Lassahn (1993, S. 172) sind folgende Aspekte des Lernen s bedeutsam:
- Lernvorgänge ergeben sich in zweierlei Hinsicht: In einem Lernvorgang erwirbt der Mensch Wissen und Können und in einem anderen Haltun-gen, wie Einstellungen und Verhaltensweisen. Letztere sind dabei so grundlegend, dass sie den Wissens- und Könnenserwerb determinieren.
- Lernen ist als aktiver und kontinuierlicher Prozess zu verstehen. Das heißt, es handelt sich um einen dynamischen Vorgang, indem Lernen de an vorhandenes Vorwissen beziehungsweise Vorkönnen und Erfahrun-gen anknüpfen. Dabei findet Lernen ausschließlich durch Erfahrung statt.
- Lernen ist seinem Wesen nach ein Beziehungsstiften und Verallgemei-nern. Ansonsten wären die Prozesse des Anknüpfens und Verbindens nicht erklärbar.
3.2.2 Zusammenfassung und Begriffsbestimmung von Lernen
Zusammenfassend aus den verschiedenen Darstellungen unterschiedlicher Autoren, liegt der Untersuchung folgender Lernbegriff zu Grunde:
Lernen ist ein individueller, aktiv-kontinuierlicher und ergebnisorientierter Pro-zess, der den Erwerb von geistigen, körperlichen und sozialen Kenntnissen so- wie von Fertigkeiten und Fähigkeiten herbeiführt. Dies führt zu einer relativ sta-bilen Veränderung des Verhaltens, Denkens und Fühlens aufgrund gewonnener Erfahrungen und Einsichten. Des Weiteren ist Lernen die Fähigkeit des Men-schen sich den Situationen seiner Umwelt anzupassen, in ihr zu handeln und sie gegebenenfalls nach seinen Ideen zu verändern. Der Beginn des Lernen s erfolgt über die Sensomotorische Intelligenz (Vgl. PIAGET 1969), die Aus-gangspunkt für alle weiteren kognitiven Entwicklungen des Menschen ist.
3.3 Der Zusammenhang von Bewegung und Lernen
Welche Verbindung lässt sich nun zwischen den beiden Begriffen herstellen und wie kann die anfangs gestellte Hypothese, dass Bewegung das Lernen po-sitiv beeinflussen kann, theoretisch gesichert werden?
Kurt Meinel, Begründer einer pädagogischen Bewegungslehre war sich bereits vor mehr als einem halben Jahrhundert über den Zusammenhang von Bewe-gung und Sprache und damit der Voraussetzung für das Denken in der kindli-chen Entwicklung bewusst:
„... heute wissen wir, dass eine organische Verbundenheit und Wechselwirkung zwischen der Motorik des Menschen, seinen Sinnesorganen, seinem Nervensys-tem und dem ganzen Organismus besteht [...]. Wenn daher der Lehrer seine Schüler mit Hilfe der Motorik bildet, erfasst er sie nicht von einer speziellen, nur `körperlichen´ Seite, sondern total. Besonders für den jungen Menschen ist die Bewegung ein natürliches Lebenselement, in dem sich seine Anlagen und Fähig-keiten wechselseitig entwickeln und bilden können“ (MEINEL 1960, S. 31/58).
Durch die grundlegenden Tätigkeiten der Bewegung, wie beispielsweise Balan-cieren, Rutschen und Laufen erwerben Kinder und Jugendliche eine Vorstel-lung von Gleichgewicht, Schwung und Geschwindigkeit im Bezug auf ihren Körper und die Umwelt. Mit Bewegung erschließen sich Kinder und Jugendli-che die Realität. Im Prozess der Auseinandersetzung mit der Umwelt finden wechselseitige Anpassungsvorgänge statt, die für die Entwicklung kognitiver Denkstrukturen wichtig sind. Die sich bewegende Person muss sich den Gege-benheiten der äußeren Welt anpassen, hat aber ebenso die Chance, verän-dernd auf die Umwelt einzuwirken.
„Jede Bewegung ist ein sensomotorischer Vorgang, der an die genaue Kenntnis unserer physikalischen Welt angebunden ist, von der sich wiederum alles neue Lernen ableitet“ (HANNAFORD 2004, S. 115).
Bewegung ist unerlässliche Grundlage des Erfahrungs- und Erkenntnisgewinns von Kindern und Jugendlichen, wie wir aus den Entwicklungspsychologischen Arbeiten von Piaget (Vgl. 1976), Bettelheim (Vgl. 1983) und Spitz (Vgl. 1967) wissen (Vgl. HILDEBRANDT-STRAMANN 2008). Sie konstatieren, dass Kinder ihre Erkenntnisse von und über die Welt aus einer aktiven Auseinandersetzung mit ihr gewinnen, denn Denken vollzieht sich in Form aktiven Handelns (Vgl. LANGFELDT/ NOTHDURFT 2004, DIETRICH 2005, ZIMMER 1981).
Aber auch für die weitere Entwicklung bleibt Bewegung ein wichtiges Mittel, um leibliche Erfahrungen zu sammeln und kognitive Denkstrukturen zu erweitern. Denn auch mit Fortschreiten des Alters kann Bewegung nicht nur den Körper, sondern auch die geistige Leistungsfähigkeit verbessern und erhalten.
„Heute wissen wir, dass zu dürftige Erfahrungen mit unterschiedlichen Materialien (Matsch, Sand, Knete, Stein, Glas, Metall, Holz, Lehm, Plastik, Heu, Moos, Gummi, ...), mit verschiedenen Farben und mit verschiedenen Zahligkeiten (ein Ball, zwei Bälle, fünf Bälle, zwei kleine und drei große Bälle) neben dem Mangel an Bewe-gungserlebnissen [...] mit unterschiedlichen Größen, Kräften und Geschwindigkei-ten zu erheblichen Lernproblemen [...] bei der Fähigkeit zum logischen und ver-netzten Denken führen“ (STRUCK 2007, S. 66).
Die Kompensation dieser Bewegungsdefizite beginnt bereits in vorschulischen Einrichtungen und sollte der menschlichen Entwicklung entsprechend (Vgl. PIAGET 1969) in der Schule fortgeführt werden. In Kindergärten werden den Defiziten an Bewegungserfahrungen – die durch eine zu starke Verhäuslichung, fehlenden Bewegungsräumen in Städten, zu hohem Medienkonsum und gerin- ger außerhäuslicher Freizeitgestaltung verursacht werden – entgegengewirkt, indem vielfältige Bewegungsmöglichkeiten angeboten werden.
[...]
[1] Die KiGGS-Studie ist eine bundesweite Kinder- und Jugendgesundheitssurvey des Robert Koch Institutes, zum Erfassen des Gesundheitszustands von Kindern und Jugendlichen im Alter von 0-17 Jahren. Ziel ist es, umfassende Daten zur gesundheitlichen Lage von Kindern und Jugendlichen zu erheben, auszuwerten und die Ergebnisse an die Politik, die Fachwelt und die allgemeine Öffentlichkeit weiter zu geben. Die Daten sollen helfen, Problembereiche und Risi-kogruppen zu identifizieren, Gesundheitsziele zu definieren und Ansätze für Hilfsmaßnahmen und Prävention zu entwickeln und umzusetzen.
[2] In diesem Zusammenhang sind „Bedeutung“ und „Sinn“ nicht voneinander zu trennen (Vgl. GRUPE 1982, S. 76).
- Citar trabajo
- Alexander Bösenberg (Autor), 2008, Zur Aufklärung des Zusammenhangs von körperlicher Bewegung und Lernen , Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136083
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