Im August 1806 setzte Francisco de Miranda (1750-1816), ein aus Caracas stammender und der kreolischen Elite Spanisch-Amerikas angehörender Weltenbummler, mit zehn Schiffen und 500 Soldaten an der venezolanischen Küste an. Sein Ziel war die Befreiung seiner Heimat von spanischer Herrschaft, mithin die Revolution. Mit seinem Expeditionsheer, das er mit britischer und US-amerikanischer Unterstützung zusammengestellt hatte, wollte er erst die Stadt Coro erobern und die kreolische Bevölkerung mobilisieren, um so mithilfe einer ‚patriotischen Armee‘ auf Caracas zu marschieren und sein Vorhaben zu einem, den gesamten südamerikanischen Kontinent erfassenden Befreiungsschlag auszuweiten. Neben Waffen und Uniformen befand sich in Mirandas Gepäck auch eine Druckerpresse, mit deren Hilfe er mehrere Tausend revolutionäre Flugblätter für die durch ihn zu befreienden Kreolen drucken ließ, ganz so wie er es zuvor in den vielen Jahren seiner Reisen in den USA und in Europa gesehen hatte. Und obschon Miranda noch heute in Lateinamerika vielfach als precursor, als Wegbereiter der Unabhängigkeit betrachtet wird, so war seine Expedition im Sommer 1806 ein Fiasko in jeglicher Hinsicht: nicht nur, dass ihn die spanischen Autoritäten dank ihres weitgesponnenen Spionagenetzes bereits mit einer entsprechenden Armee erwarteten , auch die kreolische Bevölkerung, der er die ‚Freiheit‘ bringen wollte, verhielt sich völlig passiv, so sie denn nicht gleich aus der Stadt geflohen war. Miranda zog sich mit seinen Truppen zurück, noch bevor es zu einer Konfrontation zwischen den beiden Armeen kommen konnte.
Kaum 20 Jahre später hatte sich das Antlitz der Amerikas sowie, damit einhergehend, die politische Weltordnung grundlegend gewandelt. Das größte und reichste Imperium in der Weltgeschichte hatte aufgehört zu existieren.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Mächtekonkurrenz im Atlantik: Spanien – Großbritannien – Frankreich
2.1 Die Globalität des ‚langen‘ 18. Jahrhunderts
2.2 Die Wirtschaft des Atlantiks
2.3 Mächtekonkurrenz zwischen Spanien, Großbritannien und Frankreich
3 Spanien und sein amerikanisches Kolonialimperium
3.1 Administration
3.2 Handel und Wirtschaft
3.3 Sozialstruktur
4 Der Siebenjährige Krieg und seine Folgen für das spanische Kolonialreich
4.1 Der Krieg und seine Bedeutung für das internationale Mächteverhältnis
4.2 Neuorientierung der spanischen Kolonialpolitik
4.3 Auswirkungen der neuen Kolonialpolitik
5 Zunehmende globale Konkurrenz
5.1 Revolutionen auf beiden Seiten des Atlantiks
5.2 Napoleons Kolonialtraum
5.3 Fortschreitende Destabilisierung der spanischen Metropole
6 Krise des spanischen Ancien Régime
6.1 Der spanische Widerstand und die Verfassung von Cádiz
6.2 Reaktionen in Spanisch-Amerika
6.3 Ausländische Interessen
7 Bürgerkriege und Unabhängigkeit in Spanisch-Amerika
7.1 Spanische Restauration
7.2 Bürgerkriege und politische Faktionen
7.3 Britische Diplomatie
8 Ausblick
9 Schlussbetrachtung
10 Resumen
11 Anhang
11.1 Spanisch-Amerika im 16. und 17. Jahrhundert
11.2 Spanisch-Amerika im 18. Jahrhundert
11.3 Die Carrera de las Indias
11.4 Spanisch-Amerika um 1830
Bibliographie
1 Einleitung
Im August 1806 setzte Francisco de Miranda (1750-1816), ein aus Caracas stammender und der kreolischen[1] Elite Spanisch-Amerikas angehörender Weltenbummler, mit zehn Schiffen und 500 Soldaten[2] an der venezolanischen Küste an. Sein Ziel war die Befreiung seiner Heimat von spanischer Herrschaft, mithin die Revolution. Mit seinem Expeditionsheer, das er mit britischer und US-amerikanischer Unterstützung zusammengestellt hatte,[3] wollte er erst die Stadt Coro erobern und die kreolische Bevölkerung mobilisieren, um so mithilfe einer ‚patriotischen Armee‘ auf Caracas zu marschieren und sein Vorhaben zu einem, den gesamten südamerikanischen Kontinent erfassenden Befreiungsschlag auszuweiten. Neben Waffen und Uniformen befand sich in Mirandas Gepäck auch eine Druckerpresse, mit deren Hilfe er mehrere Tausend revolutionäre Flugblätter für die durch ihn zu befreienden Kreolen drucken ließ,[4] ganz so wie er es zuvor in den vielen Jahren seiner Reisen in den USA und in Europa gesehen hatte. Und obschon Miranda noch heute in Lateinamerika vielfach als precursor, als Wegbereiter der Unabhängigkeit betrachtet wird, so war seine Expedition im Sommer 1806 ein Fiasko in jeglicher Hinsicht: nicht nur, dass ihn die spanischen Autoritäten dank ihres weitgesponnenen Spionagenetzes bereits mit einer entsprechenden Armee erwarteten[5], auch die kreolische Bevölkerung, der er die ‚Freiheit‘ bringen wollte, verhielt sich völlig passiv, so sie denn nicht gleich aus der Stadt geflohen war.[6] Miranda zog sich mit seinen Truppen zurück, noch bevor es zu einer Konfrontation zwischen den beiden Armeen kommen konnte.
Kaum 20 Jahre später hatte sich das Antlitz der Amerikas sowie, damit einhergehend, die politische Weltordnung grundlegend gewandelt. Das größte und reichste Imperium in der Weltgeschichte hatte aufgehört zu existieren und das zum spanischen Imperium gehörende amerikanische Festlandgebiet hatte sich bis zum Jahr 1826 in 16 politisch autonome Gebiete (zumeist Republiken) aufgespalten. Spanien verblieben nurmehr die karibischen Inseln Kuba und Puerto Rico sowie die asiatischen Philippinen.[7] Wie konnte es dazu kommen?
1808 machte sich Napoleon im Zuge der Koalitionskriege auf dem europäischen Festland die Thronstreitigkeiten im spanischen Königshaus zunutze, um dort seinen eigenen Bruder Joseph als Joseph I. von Spanien zu inthronisieren. Sein Ziel war es, auf diese Weise ungehindert und mithilfe seiner sich bereits in Spanien befindlichen Armeen Spanien und auch Portugal unter seine Kontrolle zu bringen. Die spanische Bevölkerung jedoch wollte den französischen Usurpator nicht als neuen Regenten anerkennen und reagierte mit massivem Widerstand, der heute gemeinhin als ‚Spanischer Unabhängigkeitskrieg‘ (1808-1814) bekannt ist.[8] Als Reaktion auf das durch die Absetzung des legitimen spanischen Königs entstandene Machtvakuum bildeten sich schnell lokale juntas (Regierungsausschüsse), die sich als Widerstandsregierungen verstanden und während der Abwesenheit des Königs in dessen Namen die Souveränität beanspruchten und begannen, eine Verfassung für das spanische Imperium auszuarbeiten. Das Machtvakuum aber betraf nicht nur die spanische Metropole, sondern eben auch die Kolonialgebiete in Amerika, wo sich angesichts der Krise in der Metropole nun ebenfalls die Frage nach der legitimen Autoritätsausübung stellte. Die Kolonien entschieden sich für die Loyalität zu dem von Napoleon gefangen gehaltenen spanischen König und schnell bildeten sich auch hier juntas, die im Namen und in Vertretung des abgesetzten spanischen Königs die Souveränität für sich proklamierten, gleichzeitig jedoch damit begannen, jenseits der Kolonialverwaltung autonome Handlungsspielräume für sich zu schaffen.[9] Die in Spanien ausgearbeitete Verfassung, die 1812 in Cádiz, der einzigen nicht von den Franzosen besetzten Stadt, ausgerufen wurde, betrachtete die spanischen Gebiete in Amerika explizit nicht als Kolonien, sondern als integrale Bestandteile der spanischen Krone und räumte den Gebieten in Übersee das Recht zur Entsendung von Deputierten ins Parlament ein. Die Stellung Spanisch-Amerikas und die seiner Bewohner gegenüber der Metropole erfuhr somit eine eindeutige Aufwertung und streckenweise waren die Bindungen zur spanischen Metropole 1812 sogar enger als noch 1807.[10] Als Ferdinand VII. 1814 nach dem Sieg über die Franzosen, der nicht zuletzt dank britischer Unterstützung errungen werden konnte, den spanischen Thron wieder bestieg, erklärte er die Verfassung von 1812 für nichtig und begann, mithilfe einer aggressiven Restaurationspolitik den status quo ante im gesamten Imperium wiederherzustellen, was ihm bis 1815 auch beinahe gelungen war.[11] Die Reaktion in Amerika jedoch auf das harsche Vorgehen des Königs waren sich rasch ausbreitende Widerstandsbewegungen, die in erbitterte Bürgerkriege mündeten, aus denen bis 1826 schließlich auf dem gesamten spanisch-amerikanischen Festland die ‚Patrioten‘ siegreich hervorgegangen waren und 16 autonome Staaten bildeten.
Die historiographischen Erklärungsansätze für die oben sehr grob skizzierte Emanzipation der spanisch-amerikanischen Festlandterritorien variieren in ihrer Ausrichtung. Abhängig von der Zeit, in der die Ansätze entwickelt wurden oder auch von der Intention, mit der sie präsentiert werden, lassen sich verschiedene Schwerpunkte in der Argumentation erkennen. Generell jedoch herrscht eine nationalgeschichtliche Perspektive sowie eine starke Konzentration auf endogene Motive vor, das zentrale Thema ist fast immer der Umbruch von der absoluten Monarchie zu den einzelnen Nationen,[12] mithin also ein vermeintlicher Antagonismus zwischen Absolutismus (Spanien) und Liberalismus (Hispanoamerika), der gleichzeitig die angenommene Unausweichlichkeit einer teleologischen Entwicklung vom Absolutismus hin zu einer auf Demokratie basierenden Freiheit impliziert.[13] Vor allem im 19. Jahrhundert, während der ersten Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit, stand das Narrativ der „nationalen Befreiung“ im Mittelpunkt, da eine Distanzierung zu der Zeit vor der Unabhängigkeit angestrebt wurde, um eben diese zu legitimieren. Jede Provinz des spanischen Imperiums wurde als ein von Spanien unterdrücktes Volk betrachtet, das ‚irgendwie unter spanischer Herrschaft existierte‘ und lediglich einen geeigneten Zeitpunkt zum Abwerfen des tyrannischen Jochs abwartete. In dieser Tradition wurde das Ergebnis der Emanzipation, die neuen Nationen, zum Grund derselben und die Unabhängigkeit an den französischen, britischen oder US-amerikanischen Liberalismus angeknüpft.[14]
In der Historiographie des 20. Jahrhunderts wurde der Fokus mehr auf eine kreolisch-europäische Rivalität gelegt, die darauf gründete, dass die Kreolen zugunsten der Europa-Spanier gegen Ende der Kolonialzeit im Rahmen der ‚bourbonischen Reformen‘ verstärkt von der Besetzung öffentlicher Ämter ausgeschlossen wurden – oder genau umgekehrt, d.h. die Kreolen versuchten alle Macht an sich zu reißen, wie ab den 1950ern argumentiert wurde –, was zu einer generellen Missstimmung zwischen Kolonie und Metropole geführt habe, die sich dann eben in den Unabhängigkeitskriegen manifestierte.[15] Allgemein wird von kreolischen nationalen Identitäten gesprochen, die aus „langfristigen Entfremdungsprozessen“[16] oder auch „inneren Emanzipationsprozessen“[17] hervorgegangen seien und die meist in Verbindung mit den Ideologien der Aufklärung gebracht und in eine „weltweite bürgerliche Emanzipationsbewegung“[18] eingeordnet werden. Häufig lehnen sich diese Ansätze an die von R. R. Palmer und Eric J. Hobsbawm entwickelten Konzepte eines „Age of Democratic Revolutions“ bzw. „Age of Revolution“ an, die für die Zeitspanne von 1760-1850 eine weltweit beobachtbare politische Transformation konstatieren, in der sich ein neues Gefühl der Gleichheit unter Ablehnung überkommener, auf Status und Privileg basierender Herrschaft der Menschen bemächtigt habe.[19] Auch wenn in den letzten Jahrzehnten vielfach erhellende Erweiterungen um sozio-ökonomische Betrachtungsweisen ihren Eingang in die beinah unüberschaubare Diskussion zur Unabhängigkeit Spanisch-Amerikas gefunden haben[20] und Jaime E. Rodríguez kürzlich eine überzeugende Neuinterpretation der Unabhängigkeitsrevolution als transatlantischem Bürgerkrieg zwischen Spaniern vorgelegt hat,[21] so werfen doch diese Erklärungsansätze ihr Licht immer nur auf einen kleinen Ausschnitt innerhalb der Komplexität der Ereignisse und führen die Geschehnisse fast ausnahmslos[22] auf interne bzw. ideologische Faktoren zurück. Selbst einer der renommiertesten Forscher zur Unabhängigkeit Spanisch-Amerikas, der britische Historiker John Lynch, beschränkt seine Ursachenforschung hauptsächlich auf die kreolisch-spanische Rivalität und den damit verbundenen Unmut der Kreolen, der sich schließlich, angestoßen durch das Machtvakuum in der spanischen Metropole, seinen Weg in die Unabhängigkeit Spanisch-Amerikas bahnt.[23]
Die in der Historiographie angeführten Gründe für die Unabhängigkeitskriege in Spanisch-Amerika wie proto-nationale Identitäten, Ideologien der Aufklärung, spanisch-kreolische Animositäten bzw. Ärger über Handelsbeschränkungen oder deren Einordnung in einen allgemeinen demokratischen Revolutionszyklus scheinen jedoch mehr Fragen aufzuwerfen, als sie zu beantworten in der Lage sind. Wenn die Abneigung gegenüber der spanischen Metropole so groß war, warum wurde dann der neue, französische König nicht willkommen geheißen? Hatte dies mit dessen französischem, soll heißen liberalem Ursprung zu tun? Wenn dem so wäre, führt sich ein vermeintlicher Zusammenhang der Unabhängigkeit mit einem bürgerlichen Revolutionszyklus von selbst ad absurdum, zumal wenn man berücksichtigt, dass beispielsweise Mexiko nach der Loslösung von Spanien zunächst als Monarchie gegründet wurde und auch die Pläne des eingangs erwähnten Miranda für die Zeit nach der Unabhängigkeit von Spanien die Errichtung einer ganz Südamerika umspannenden Zentralmonarchie mit föderalistischen Zügen vorsahen.[24] Sieht man sich die in den Bürgerkriegen gegeneinander streitenden Parteien an, so wird schnell offensichtlich, dass zwischen Kreolen und Europa-Spaniern keine scharfe Trennlinie gezogen werden kann, denn Vertreter beider Gruppen fanden sich sowohl auf Seiten der Loyalisten als auch auf Seiten der Sezessionisten, womit auch das Paradigma der kreolisch-spanischen Rivalität als Grund für die Unabhängigkeit wenn nicht obsolet, so doch als Ursache für die Emanzipation fragwürdig wird.
Die wichtigste Frage in diesem Kontext scheint allerdings die nach dem Grund dafür zu sein, warum sich das spanische Amerika nicht in der Zeit zwischen 1808 und 1814 emanzipierte, also in der Phase, in der die Autorität der Metropole unter der französischen Besetzung komplett zusammengebrochen war und der Weg in die Unabhängigkeit nie einfacher zu beschreiten gewesen wäre, sondern eben erst in der Zeit nach der Restauration der spanischen Krone, als eine Emanzipationsbewegung ungleich mehr Kraft und Opfer forderte? Neben der Erkenntnis, dass die Unabhängigkeit eben nicht unausweichlich war,[25] verweist das Titelzitat[26] dieser Arbeit im Ansatz bereits auf die Antwort auf diese Frage. Das Zitat ist einem Brief Simón Bolívars, dem wohl bekanntesten und vielfach mythologisierten Protagonisten der Unabhängigkeitskriege, an den britischen Generalkonsul in Peru im Jahr 1824[27] entnommen und wirft Licht auf die entscheidende Rolle, die die globalpolitische Mächtekonkurrenz des 18. Jahrhunderts für die Unabhängigkeit Spanisch-Amerikas eingenommen hat. Diese Mächtekonkurrenz wurde jedoch in der bisherigen Historiographie zur Unabhängigkeit Spanisch-Amerikas weitestgehend vernachlässigt. In jüngster Zeit allerdings gibt es Ansätze, vor allem im englischsprachigen Raum, die die globale Dimension in ihre Betrachtungen mit einbeziehen und folgende Aussagen treffen: „The fact is, the Spanish and Portuguese domains (…) crumbled less of internal conflicts and more from the compound pressures of several centuries of rivalry between Atlantic powers“.[28] Es scheint lohnenswert, diesen Ansatz zu verfolgen und einen neuen Erklärungsrahmen zu erproben, der aus der Enge der nationalgeschichtlichen Perspektive heraustritt, die Ereignisse meist nur aus sich selbst heraus erklären kann. Die Fokussierung auf interne Beweggründe muss aufgegeben werden, um eine weiter gesteckte Perspektive zu erhalten, mit deren Hilfe sich schlüssige und stimmige Antworten auf die Unabhängigkeit Spanisch-Amerikas finden lassen, mithin also neues Licht auf eines der zentralen Themen der neueren Geschichte Amerikas werfen.
Die vorliegende Arbeit will unter neuer, erweiterter Perspektive und in Anlehnung an die methodologischen Konzepte der Entangled Histories und der Globalgeschichte die Auflösung des spanischen Imperiums in Amerika neu beleuchten. Dieser Blick soll globalhistorisch sein und Europa entsprechend in einen globalen Kontext stellen, um die Verflechtungen und Interaktionen zwischen den einzelnen europäischen Mächten und zwischen Europa und Außereuropa sichtbar zu machen, die in dieser Form weder im Rahmen der Nationalgeschichtsschreibung noch innerhalb der Historiographie der Internationalen Beziehungen zutage treten. Die Erkenntnis, die am Ende der Untersuchung stehen wird, ist die These, dass sich die lateinamerikanischen Unabhängigkeitskriege im Rahmen des globalen Wettlaufs um eine weltweite Hegemonie, also in einem internationalen Kontext entfalteten, da sie Teil des Prozesses der geopolitischen Neuordnung in der post-napoleonischen Welt waren.[29]
Beim Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert gab es in der deutschsprachigen Historiographie einen Augenblick, in dem die globalen Verflechtungen und die Wechselwirkungen zwischen Europa und seinen Überseekolonien im Zentrum des Interesses und der wissenschaftlichen Betrachtung standen: Arnold Herrmann Ludwig Heeren (1760-1809) schloss in seinem „Handbuch der Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Colonieen„ (1809) „die außereuropäische Welt – wenn auch als abhängigen Schauplatz – dezidiert und ausführlich in seine Betrachtung ein“[30] und maß den Marktbeziehungen zwischen Europa und Außereuropa einen prominenten Platz in seinen globalen Betrachtungen bei. Vor allem legte er Wert darauf, eben nicht eine Geschichte der einzelnen Staaten zu schreiben, sondern „ die Geschichte ihrer Verhältnisse gegen einander “.[31] Heeren geriet aufgrund seiner Vernachlässigung des nationalen Prinzips schnell in die Kritik seiner Zeitgenossen und dann in Vergessenheit, da kurz darauf Leopold Rankes programmatischer und später sehr einflussreicher Aufsatz „Die großen Mächte“ (1833) für die Historikerzunft wegweisend werden sollte. Rankes Werk zeichnet sich durch die Konzentration auf den Staat als „quasi überirdische Wesenheit“ aus und leitete somit eine Verengung der Internationalen Geschichte zu einer simplen Diplomatiegeschichte ein, die die Kolonien ausblendet und die Geschichtsschreibung bis heute in weiten Teilen beherrscht.[32]
Ein Aufbrechen dieses Jahrhunderte übergreifenden nationalen Prinzips lässt sich im Rahmen der Atlantic History beobachten, die im Gefolge der 1941 von den USA verkündeten „Atlantik-Charta“ und der 1949 gegründeten NATO entstand[33] und deren Forschungsgegenstand die anglo-amerikanischen Erfahrungen des ‚Atlantischen Raumes‘ im 18. Jahrhundert sind, der hier nicht mehr nur geographisch gedacht, sondern mit einem historischen und politischen Inhalt gefüllt wird.[34] Aus dem Konzept der Atlantic History heraus entwickelten sich wiederum diverse Subdisziplinen, die spezielle Teilaspekte des Atlantiks in das Zentrum ihres Interesses stellten, wie beispielsweise der Black Atlantic oder die Geschichten von Migration, Ideentransfer und Revolution.[35] In den 1970ern begann der US-amerikanische Soziologe Immanuel Wallerstein mithilfe seines Konzepts des „Weltsystems“ einen noch weiter greifenden globalen Zusammenhang aufzuzeigen.[36] Dieser Zusammenhang entsteht durch eine seit dem 16. Jahrhundert expandierende und von Europa angetriebene kapitalistische Weltwirtschaft, so dass bei Wallerstein die „‘Welt‘ nicht als Residualkategorie [erscheint], sondern als Ausgangspunkt, die Nation als analytisch nachrangige Größe“.[37] Dieses Konzept hat sich als sehr fruchtbar erwiesen und so stützen sich die Überlegungen der vorliegenden Arbeit vor allem auf die Annahme, dass eine Weltwirtschaft Verflechtungen hervorbringt, die für die Betrachtung der einzelnen Teile dieses Systems eine globale Perspektive zwingend werden lässt .
Die Entangled Histories, die Verflechtungsgeschichten, gehen noch einen Schritt weiter als die hauptsächlich auf den Nordatlantik fokussierte Atlantic History. Indem sie den karibischen Raum und den Südatlantik des 18. Jahrhunderts in ihre Betrachtungen miteinbeziehen, geraten der Handel und die Konkurrenz zwischen Frankreich, Großbritannien und Spanien im Atlantik und somit ein viel weiteres Feld des Austauschs und der Verbindungen zwischen Europa, Latein- und Nordamerika ins Blickfeld. Besondere Beachtung erfahren vor allem im englischsprachigen Raum die Interaktionen und Rivalitäten zwischen dem spanischen und dem britischen Imperium in den Amerikas.[38] Wie bereits die Atlantic History versuchen auch die Entangled Histories, den engführenden Blick der Nationalgeschichtsschreibung zu überwinden, da sie davon ausgehen, dass die jeweiligen Akteure ihrer Betrachtungen keine separaten und eigenständigen Entitäten darstellen, wie dies u.a. eine vergleichende Geschichtsschreibung annimmt,[39] sondern vielmehr als Teile desselben hemisphärischen Systems bzw. Gemeinschaft anzusehen sind.[40] Die Zielsetzung dabei ist die Rekonstruktion einer bisher stark fragmentierten, da regionalisierten Geschichte, um ein „größeres Bild“ mit entsprechender Erklärungskraft zu erhalten.[41]
Die Entangled Histories rücken somit in die Nähe der Globalgeschichte, ebenfalls eine rezente Entwicklung innerhalb der Geschichtsschreibung, denn auch der Globalgeschichte geht es um „Ausmaß, Bedeutung und Rückwirkungen der vielfältigen Verflechtungen, die Europa (…) im Zuge der Globalisierung durch Marktbeziehungen, Migration oder Ideentransfer eingegangen ist“[42], so dass sie sich in ihrer Konzeption ebenfalls als hilfreich bei der Untersuchung der Auflösung des spanischen Imperiums erweist. Beide Methodologien können dabei helfen, die Globalität des 18. Jahrhunderts besser zu verstehen, da beide den Blick auf dessen imperiale Strukturen und somit auch auf die Möglichkeiten, die für eine konstitutionelle Transformation innerhalb des Imperiums durchaus gegeben waren, freigeben. Dieser Blick bleibt durch eine Nationalgeschichte jedoch immer verstellt.
Mithilfe der Verflechtungs- und der Globalgeschichte soll also in der vorliegenden Arbeit der globale Kontext der Unabhängigkeit Spanisch-Amerikas in den Blick genommen werden, was eine Ausweitung der Perspektive der vermeintlich ‚europäischen‘ Mächtepolitik um 1800 auf ein globales Niveau und eine Neuinterpretation der Geschehnisse nach sich zieht. Die Kernzeit für die Betrachtungen ist die Phase zwischen dem Siebenjährigen Krieg und der vollständigen Emanzipation der spanischen Festlandterritorien in Amerika im Jahr 1826. Hierzu wird in einem ersten Schritt die Mächtekonkurrenz des 18. Jahrhunderts im Atlantik mit ihren drei Protagonisten Spanien, Großbritannien und Frankreich nachgezeichnet, dabei kommt der atlantischen Globalwirtschaft und den einzelnen ökonomischen Interessen der Akteure ein besonderes Gewicht bei (zweites Kapitel). In einem nächsten Schritt soll ein allgemeiner Überblick über Spanien und sein amerikanisches Imperium vor der Unabhängigkeit gegeben werden, um soziale und ökonomische Konfliktlinien sowohl zwischen der Metropole und den Kolonien als auch innerhalb der jeweiligen Gebiete aufzuzeigen, in deren Kontext sich die Bürgerkriege entfalten konnten (drittes Kapitel). Im Zentrum des vierten Kapitels stehen der Siebenjährige Krieg und seine Auswirkungen auf die Verschiebung des atlantischen Mächteverhältnisses im Allgemeinen und auf Spanisch-Amerika und die veränderte Kolonialpolitik Spanien im speziellen. Die Kriegsgeschehnisse auf dem europäischen Festland werden dabei nicht berücksichtigt, da sie für den hier behandelten Zusammenhang kaum Relevanz besitzen. Das fünfte Kapitel ist der zunehmenden Destabilisierung der spanischen Metropolregierung gewidmet und zeichnet die Ereignis- und Wirtschaftsgeschichte von der Amerikanischen und der Französischen Revolution und den Koalitionskriegen über die spanisch-französische Niederlage von Trafalgar bis zur französischen Usurpation des spanischen Throns in ihrer globalen Bedeutung für die einzelnen Beteiligten in gebotener Kürze nach. Eine Auseinandersetzung mit der Krise in der spanischen Metropole erfolgt im sechsten Kapitel. Hier werden die Positionen der Spanier beiderseits des Atlantiks sowie die Auswirkungen dieser Krise und des ihr folgenden Machtvakuums auf die Kolonien – also die erste Phase der Unruhen in Spanisch-Amerika eine detaillierte Betrachtung finden. Auch werden hier die Interessen und die Positionen Großbritanniens und Frankreichs in Bezug auf das spanische Kolonialreich untersucht werden müssen. In einem nächsten Schritt werden die zweite Phase der Unabhängigkeitskriege und die Interessen der jeweiligen Akteure in ihrem globalen Kontext eingeordnet werden (siebtes Kapitel). Nach einem kurzen Ausblick auf die Zeit nach der Unabhängigkeit (achtes Kapitel) werden in der Schlussbetrachtung die Ergebnisse zusammenfassend bewertet. Es sei an dieser Stelle noch einschränkend erwähnt, dass die vorliegende Arbeit keine detaillierte und exhaustive Darstellung der Unabhängigkeit Spanisch-Amerikas anstrebt, sondern vielmehr die Einordnung bekannter Daten in einen neuen, globalhistorischen Kontext zum Ziel hat, um so ein größeres Bild hinter Altbekanntem aufzudecken und u. U. die Schwachstellen gängiger Thesen aufzuzeigen. So können also nicht alle Fakten und Ereignisse, denen der/die Leser/in eine Bedeutung zumessen mag – nicht zuletzt aufgrund des limitierten Umfangs der Arbeit – keine Erwähnung finden bzw. nur gestreift werden. Die gleichen Einschränkungen gelten für andere, in die Mächtekonkurrenz involvierte Parteien, wie z. B. die Niederlande oder Portugal, die nur dann Erwähnung finden, wenn es für das Verständnis der behandelten Thematik unerlässlich ist. Auch muss auf eine tiefergehende Analyse zeitgenössischer Ideologien und Markttheorien verzichtet werden.
2 Mächtekonkurrenz im Atlantik: Spanien – Großbritannien – Frankreich
Das Verhältnis der europäischen Mächte zueinander erfuhr im Laufe des 18. Jahrhunderts einen tiefgreifenden Wandel, der sich sehr deutlich in einer Verschiebung der Hegemonien äußerte und sich durch eine vermehrte Ausrichtung an den Überseekolonien auszeichnete. Vormals eher weniger gewichtige Staaten wie z. B. England erstarkten, während andere, traditionell dominierende Mächte wie die Niederlande ihre Vormachtstellung allmählich verloren. Neben innenpolitischen und dynastischen Ursachen für diesen Wandel hatte jedoch vor allem die sich in dieser Zeit konsolidierende europäische Weltwirtschaft[43] veränderte Kriegsinteressen und damit eine Verschiebung der Kriegsschauplätze nach sich gezogen, die dem 18. Jahrhundert eine globale, von ökonomischen Fragen geleitete Dimension verlieh. In diesem Kapitel soll diese durch wirtschaftliche und koloniale Interessen bedingte Globalität nachgezeichnet werden, sowie ein Blick auf den für diese Arbeit relevanten Ausschnitt der europäischen Weltwirtschaft, namentlich den atlantischen Raum geworfen werden, der Europa, die Amerikas und Westafrika umspannte. So kann im Anschluss das Verhältnis der Hauptakteure in der Konkurrenz um die Hegemonie in dem neuen Weltsystem, namentlich Großbritannien und Frankreich, sowie das durch deren Sog mitgerissene Spanien, in seinen globalen Kontext eingeordnet und die Verflechtungen der einzelnen Mächte miteinander sichtbar gemacht werden.
2.1 Die Globalität des ‚langen‘ 18. Jahrhunderts
Wurden in Europa die Kriege des 17. Jahrhunderts noch um Religion geführt und um die Machterweiterung des Staates,[44] so ließ das ‚lange‘[45] 18. Jahrhundert die Versuche der Bildung einer europäischen Hegemonialmacht hinter sich und zeichnete sich seit dem Ende des Spanischen Erbfolgekriegs durch ein neues Grundmuster der Mächtekonkurrenz, der balance of power aus. Die großen Mächte hielten sich nun gegenseitig die Balance, was zu einer Verdrängung des vormaligen Prinzips der Allianzbildung führte.[46] Daneben ist eine aufkommende „ Verflechtung des Geld-Interesse [sic] mit der Politik “[47] zu beobachten, die nicht nur den Überseehandel – vor allem mit der Neuen Welt[48] – für die einzelnen Mächte immer bedeutungsvoller werden ließ, sondern gleichzeitig auch für das Aufkommen einer reichen Kaufmannsschicht in den westeuropäischen Handelshäfen sorgte. Der Überseehandel war bereits seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu einem zentralen Aspekt der europäischen Ökonomie geworden[49] und seit dem Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714), in dem primär die ökonomischen Interessen Englands und Frankreichs im Mittelpunkt standen,[50] wurden die kommerziellen Interessen zu einem immer wichtigeren politischen Entscheidungsfaktor für die Regierungen der europäischen Staaten. So erfuhr das 18. Jahrhundert eine erneute Expansion der kapitalistischen Weltwirtschaft,[51] womit auch den Überseekolonien neuer Wert und neue Bedeutung zukam und Kriege sich zunehmend zu Kommerzialkriegen entwickelten.
Der „sich ausbreitende Kolonialismus und die entstehende Weltwirtschaft veränderten auch den europäischen Schauplatz, auf dem um die Dominanz gerungen wurde“[52], bzw. bedingten immer häufiger die Verlagerung auch innereuropäischer militärischer Konflikte an die asiatischen und amerikanischen Küsten, an denen um eine wirtschaftliche Vorrangstellung, um Handelsrechte und den Neuerwerb bzw. die Erhaltung von Kolonialbesitz gekämpft wurde.[53] Neben das kontinentale Gleichgewichtssystem Europas trat also Außereuropa, und hier vor allem Amerika, als weiterer Machtbereich hinzu, der von den europäischen Staaten in erster Linie aufgrund seiner ökonomischen Bedeutung hart umkämpft wurde. Besonders die aufstrebende Seemacht England, die ihren Horizont auf den gesamten Erdball ausweitete, wurde so zu einem Motor dieser frühneuzeitlichen Globalisierung.[54] Bis zum 18. Jahrhundert waren Europa und die Amerikas durch diese frühkapitalistische Expansion politisch und geographisch so eng miteinander verflochten, dass die Gebiete westlich des Atlantiks, wenn auch als Peripherie, so doch vollständig in die europäische Weltwirtschaft integriert waren. Die räumliche Ausweitung und eine die Kontinente umspannende Arbeitsteilung hatte den außereuropäischen Kontext so weit mit dem europäischen vermengt, dass eine protokapitalistische Globalisierung zu einem Charakteristikum dieser Epoche geworden war.[55]
Die beiden Protagonisten im Kampf um die Hegemonie im Kolonialhandel und im globalen Wettlauf um die Ausweitung von Kolonialbesitz waren während des gesamten Jahrhunderts Großbritannien und Frankreich.[56] Und obschon Spanien immer versuchte, sich aus dem britisch-französischen Konflikt herauszuhalten, sah es sich dennoch stets den ökonomischen Interessen Frankreichs und Englands an seinen Kolonien ausgesetzt,[57] so dass es sich dem Schutz seines Kolonialreichs wegen häufig in die Kriegshandlungen Großbritanniens und Frankreichs verstrickt sah. Als entscheidende Phase der britisch-französischen Auseinandersetzungen um die koloniale Vorherrschaft vor allem in der Karibik und in Nordamerika[58] kann wohl die Zeit zwischen dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) und Napoleons endgültiger Niederlage im Jahr 1815 betrachtet werden. In dieser Zeit kam es zu einer vollständigen Überformung der dynastischen Politik vorangegangener Jahrhunderte durch eine die Grenzen Europas überschreitende Kommerzialpolitik der rivalisierenden Mächte. Spätestens mit dem Frieden von Paris, der 1763 den Siebenjährigen Krieg beendete, ging daher „allen Beteiligten die neue, globale Qualität des Konflikts endgültig auf“.[59] Und eben diese Globalität des ‚langen‘ 18. Jahrhunderts zog auch Spanien in seinen Sog und beeinflusste die Geschehnisse im spanischen Imperium so weit, dass es sich bis zum Jahr 1826 schließlich aufgelöst hatte.
2.2 Die Wirtschaft des Atlantiks
Die vier großen europäischen Kolonialmächte, die im 18. Jahrhundert Kolonialgebiete in Amerika besaßen, waren Spanien und Portugal sowie Großbritannien und Frankreich. Während sich die Krongebiete Spaniens über den gesamten Doppelkontinent erstreckten, blieben die portugiesischen Besitzungen auf den östlichen Teil Südamerikas beschränkt. Die Machtbereiche Großbritanniens und Frankreichs konzentrierten sich auf Nordamerika und die karibischen Inseln, wobei es Großbritannien im Laufe des Jahrhunderts streckenweise auch gelang, in Zentralamerika Fuß zu fassen.
Die amerikanischen Kolonien lassen sich in drei Gruppen unterteilen:[60] Vor allem die britischen und französischen Kolonien in Nordamerika waren Siedlerkolonien, in denen sich Migranten aus Europa freiwillig oder unter Zwang angesiedelt hatten.[61] Die indigene Bevölkerung dieser Gebiete war eliminiert oder vertrieben worden. In diesen Kolonien gab es hauptsächlich kleinere Farmbetriebe, die zumeist Agrarprodukte europäischen Ursprungs anbauten. Weitere Güter aus diesen Kolonien, wie Holz, Fisch, Fleisch und Häute wurden in die Karibik oder andere, auf den Anbau von Cash Crops spezialisierten Gebiete verschifft. Im karibischen Raum, der die großen und kleinen Antillen, sowie die südlichen Randgebiete Nordamerikas und die Nordküsten Südamerikas mit einschloss, und auch in den portugiesischen Besitzungen in Brasilien herrschte das Plantagensystem vor, in dem mit Hilfe von zwangsverschleppten Sklaven aus Afrika tropische Produkte wie Zucker, Kaffee, Kakao, Tabak oder Indigo zum Export nach Europa angebaut wurden. Gerade diese kapitalintensiven Sklavenplantagen stellten eine frühe kapitalistische Spezialisierung dar, die „eine flexible, finanziell hoch entwickelte, kundenorientierte und technologisch innovative Form menschlicher Scheußlichkeit war“.[62] Die Bevölkerung in diesen Teilen Amerikas bestand, der Natur des Systems folgend, zu einem überwältigenden Anteil aus schwarzen Sklaven, die den weißen Plantagenbesitzern und –aufsehern zahlenmäßig um ein vielfaches überlegen waren. Eine dritte Kategorie waren die „Silberkolonien“ wie Neu-Spanien (Mexiko) und Peru, die die traditionellen Machtzentren der Spanier ausmachten. Hier lebte eine große indigene Bevölkerung, die meist zu Zwangsarbeit in den Silberminen und in der Landwirtschaft herangezogen wurde. Im 18. Jahrhundert stammten 90 % des weltweit abgebauten Silbers aus den Minen dieser Kolonien.[63] Neben dem Silberabbau fanden sich hier die großen haciendas, sowie ein relativ weit entwickeltes Handwerk.
Die Handelsströme, die sich aus diesen Gegebenheiten entwickelten, verliefen in Form eines Dreiecks, indem sie Amerika, Europa und auch Westafrika miteinander verbanden, da eben nicht nur Waren, sondern auch Menschen gehandelt wurden. Schiffe aus Europa transportierten so genannte Sklavenhandelsware (Gewehre, Stoffe, Glasperlen) an die Küste von Westafrika, wo sie Sklaven einluden, die wiederum zu den Plantagen nach Amerika geschifft wurden. Hier konnten die Schiffe für ihren Rückweg nach Europa die Rohstoffe und Produkte der entsprechenden Kolonien aufladen.[64] Man muss sich diesen transatlantischen Dreieckshandel idealtypisch vorstellen, da es je nach Bedarf und Umständen verschiedene Untersysteme innerhalb dieses Dreiecks gab. Teilweise verlief der Handel auch nur linear, d. h. er deckte nur einen zweiseitigen Austausch zwischen den Destinationen ab.[65] Und obschon der Dreieckshandel primär zwischen Amerika, Europa und Westafrika verlief, darf nicht übersehen werden, dass indirekt doch ein viel weiteres Gebiet involviert war. Mit dem Silber aus Spanisch-Amerika kauften die Europäer unter anderem die begehrten Gewürze Asiens, sowie weitere Produkte aus Russland oder dem Nahen Osten. Gewinne aus dem Amerikahandel wiederum wurden in asiatische Handelskompagnien investiert.[66]
Ein wichtiger Aspekt des Überseehandels im 18. Jahrhundert war die strikte Trennung der Ökonomien der einzelnen Kolonialmächte – zumindest theoretisch. In der von merkantilistischen Wirtschaftstheorien geprägten Atmosphäre der Zeit galt die Maxime, dass die Gewinne, die sich aus dem Handel mit den eigenen Kolonien erzielen ließen, auch tatsächlich nur dem Mutterland zugute kamen, so dass streng darauf geachtet wurde, den Handel der Kolonien verschiedener Mächte untereinander bzw. den Handel eigener Kolonien mit anderen, rivalisierenden Metropolen zu unterbinden.[67] So kam es, dass sich bis zum 18. Jahrhundert verschiedene, in sich geschlossene und von einander unabhängige Wirtschaftssysteme im atlantischen Raum herausgebildet hatten, die in ihren Grundzügen nach dem oben geschilderten Dreieckssystem funktionierten.[68] Diese eifersüchtig überwachten und streng voneinander abgeschirmten Handelsräume führten zu einer Isolierung, die Arnold Heeren bereits 1809 treffend als bemerkenswerte Inkonsequenz erkannte: „Gerade in dem Zeitalter, wo jede Regierung Handel haben wollte, arbeiteten alle dahin, den Handel möglichst zu vernichten!“[69]
Die von den Metropolen angestrebte Gewinnmaximierung basierte auf dem an ihren ökonomischen Interessen ausgerichteten System des ‚Kolonialpakts‘, der neben der Maßgabe, dass die Kolonien nur mit ihren eigenen Mutterländern Handel treiben durften, auch die Richtung des Austauschs bestimmte. Die Kolonien dienten hierbei den Metropolen einerseits als Rohstofflieferanten und andererseits als Absatzmärkte für die Fertigwaren der Mutterländer.[70] Als Gegenleistung wurden den Kolonisten militärischer Schutz gewährt und für deren Versorgung mit benötigten Gütern und afrikanischen Sklaven gesorgt.[71] Die Entwicklung einer gewerblich-industriellen Produktion in den Kolonien war seitens der Europäer nicht gewünscht und wurde gezielt unterbunden. Der Handel wurde durch mit königlichen Monopolen ausgestatte Handelskompagnien[72] auf festgelegten Handelsrouten besorgt und durch die Metropolverwaltungen kontrolliert. Obschon die einzelnen Metropolregierungen in Bezug auf die Handelskontrolle dieselben Ziele verfolgten, so unterschieden sich die administrativen Systeme der einzelnen Reiche doch stark voneinander. Während sich in Spanisch-Amerika stark differenzierte und hierarchisierte Verwaltungen mit Vizekönigen an der Spitze herausgebildet hatten, deren Schlüsselpositionen großenteils mit europäischen Spaniern besetzt waren, so konnte es in den britischen Kolonien durchaus vorkommen, dass es Gebiete gab, in denen sich kaum Vertreter der Krone aufhielten.[73]
Die Maxime unabhängiger und isolierter Handelsräume jedoch ließ sich in Kriegszeiten und vor allem im Falle Spanisch-Amerikas in der Praxis nicht aufrecht erhalten. Da die spanische Metropole besonders im Laufe des 18. Jahrhunderts immer wieder Schwierigkeiten hatte, ihre Überseekolonien in Amerika ausreichend mit benötigten Gütern zu versorgen, kam es zu indirekten Handelsbeziehungen der rivalisierenden europäischen Mächte mit Spanisch-Amerika. Dieser indirekte Handel wurde entweder durch Schmuggel getragen oder mit Hilfe eines Systems von Re-Exporten, bei denen spanische Händler Waren anderer Nationen auf ihren Schiffen nach Übersee transportierten. Besonders die britischen, und in geringerem Maße auch niederländische Kompagnien, bedienten sich illegaler, halb geschützter Handelsverbindungen über Jamaika, ihren Stützpunkt in der Karibik, um in den hispanoamerikanischen Markt einzudringen.[74]
Bereits Mitte des 17. Jahrhunderts hatte der Atlantikhandel den des Mittelmeers und der Ostsee hinter sich gelassen und expandierte während des 18. Jahrhunderts weiter.[75] Sowohl die Kolonialprodukte aus Amerika fanden einen immer höhen Absatz in Europa als auch umgekehrt: in der Neuen Welt weitete sich der Markt für Fertigwaren aus Europa, bei denen Textilien den Löwenanteil ausmachten, stetig aus. Die Folge des sich stetig ausweitenden Atlantikhandels und des Rohstoffimports aus Amerika war eine signifikante Wohlstandsteigerung in nordwesteuropäischen Hafenstädten wie Bordeaux, Bristol, Glasgow, Le Havre oder Nantes,[76] wo sich das Großbürgertum dank der aus dem Amerikahandel erzielten Gewinne nun auch als Finanziers betätigte. Das erhöhte Handelsvolumen bescherte den europäischen Mächten eine Steigerung der Steuereinnahmen, die besonders in Großbritannien eine Grundlage für das öffentliche Kreditsystem schufen und die Finanzierung von Kriegen größeren Ausmaßes ermöglichten.[77] Gerade Großbritannien profitierte ungemein von seinen amerikanischen Kolonien und so erstaunt es nicht, dass es seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert bestrebt war, seine Position als See- und Handelsmacht kontinuierlich auszubauen. Bereits der englische Schriftsteller und Kaufmann Daniel Defoe (1660-1731) bemerkte scharfsichtig: „Die See zu beherrschen, heißt alle Mächte und allen Handel in Europa, Afrika und Amerika zu beherrschen“.[78] Die Forschung ist sich mithin darüber einig, dass der Atlantikhandel mit den Kolonien nicht nur die Territorien der Neuen Welt und deren Bevölkerungsstruktur nachhaltig veränderte, sondern auch nicht zu unterschätzende Rückwirkungen auf die Metropolen selbst hatte, die neben dem für Europa generierten Reichtum auch Veränderungen im Ernährungsverhalten, in der Sozialstruktur und im alltäglichen Leben nach sich zogen.[79] Der Atlantische Handel und der damit verbundene Kolonialbesitz in der Neuen Welt waren nach Auffassung der Zeitgenossen im 18. Jahrhundert in der Lage, so viel Reichtum zu generieren, dass das gesamte Jahrhundert von einem globalen Wettlauf um eben diesen Handel geprägt war. Die Hauptkonkurrenten in diesem Wettlauf waren Großbritannien und Frankreich, deren Rivalitäten um die Vorherrschaft auf dem Globus eine vielgestaltige Dynamik auslösen sollten, die in ihren Rückwirkungen sowohl auf Europa als auch auf den amerikanischen Doppelkontinent nicht unterschätzt werden kann, denn ein bedeutender Aspekt des britisch-französischen Antagonismus war der Kampf um Einfluss im spanischen Imperium und um die Kontrolle über seinen Handel.[80]
2.3 Mächtekonkurrenz zwischen Spanien, Großbritannien und Frankreich
Das Verhältnis zwischen Großbritannien, Frankreich und Spanien während des 18. Jahrhunderts war, grob gesprochen, durch drei, verschiedene Phasen durchlaufende Konstellationen gekennzeichnet, die wiederum von einer großen Klammer umfasst werden. Zum einen gab es den britisch-französischen Antagonismus, der sich bereits in den letzten beiden Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts abgezeichnet hatte und nur durch eine kurze Phase der Kooperation in den Jahren von 1716 bis 1730 unterbrochen war. Eine zweite Konfliktlinie bildeten die britisch-spanischen Gegensätze, die vor allem, aber nicht nur, die amerikanischen Kolonien und den britischen Schmuggel nach Spanisch-Amerika berührten. Ein dritter Aspekt waren die bourbonischen Familienpakte zwischen den spanischen und französischen Monarchen, die Spanien im Laufe des 18. Jahrhunderts immer enger an Frankreich banden und so die von Spanien angestrebte Neutralitätspolitik untergruben. Das diese Rivalitäten und Allianzen verbindende Element waren ohne Zweifel die kolonialen Handelsinteressen, die im Laufe des 18. Jahrhunderts für alle Beteiligten zur Maxime der Außenpolitik geworden waren, nicht zuletzt weil der großen Reichtum versprechende Überseehandel von den Zeitgenossen als die Lösung schlechthin gegen eine zunehmende Staatsverschuldung angesehen wurde.[81]
Der 1494 zwischen der spanischen und der portugiesischen Krone geschlossene Vertrag von Tordesillas teilte die gerade entdeckten und noch zu entdeckenden Gebiete der Neuen Welt mit päpstlichem Segen zwischen den beiden Mächten auf. Obschon sowohl Spanien als auch Portugal vielerlei Invasionsversuchen und Attacken seitens anderer europäischer Mächte ausgesetzt waren, so konnten doch beide während des 16. Jahrhunderts den amerikanischen Kontinent gemäß den 1494 vereinbarten Demarkationslinien relativ konkurrenzlos in Besitz nehmen.[82]
Spätestens im Verlauf des 17. Jahrhunderts aber wollten andere europäische Reiche angesichts der Reichtümer, die aus Amerika nach Europa kamen, diesen Vertrag nicht länger respektieren und so drangen vor allem die Niederlande, England und Frankreich verstärkt in Nordamerika und in die Karibik ein, um dort eigene Kolonien zu gründen und in den lukrativen Amerikahandel einzusteigen, was mit ausgedehnter Freibeuterei einherging und einen breit gefächerten Handel mit Schmuggelware in die spanischen Kolonien nach sich zog.[83] Spanien gelang es in dieser Zeit nicht, angemessen auf diese Herausforderungen zu reagieren und so stiegen sowohl das spanische als auch das portugiesische Imperium[84] zu semiperipheren Gebieten ab, da sie „auf schmähliche Weise zu bloßen Förderbändern für nordwesteuropäische Manufakturprodukte absinken sollten“.[85] Währenddessen konnten sich die Niederlande zu einer dominanten Position im Welthandel aufschwingen, die sie bis zum Ausgang des 17. Jahrhunderts behaupteten. Bis 1689 jedoch hatten es ihre beiden Konkurrenten, England und Frankreich, geschafft, die Niederlande erfolgreich aus dieser Vormachtstellung zu verdrängen[86] und obschon die Niederlande weiterhin am Atlantikhandel partizipierten und im Finanzsektor stark blieben, so sollten sie nicht mehr zu ihrer alten Größe aufsteigen. Mit dem Zurücktreten des niederländischen Handels begann die das 18. Jahrhundert bestimmende Rivalität zwischen England[87] und Frankreich, die erst 1815 mit der Niederlage Napoleons enden würde. Im Laufe des Jahrhunderts gingen beide Mächte in ihren Auseinandersetzungen häufig Bündnisse mit Dritten ein, so dass den verbündeten protestantischen Mächten Großbritannien und Niederlande die katholischen, bourbonischen Reiche Frankreich und Spanien gegenüberstanden,[88] eine Konstellation, die sich bereits in den westindischen Seeschlachten des Neunjährigen Krieges (1688-1697) herauszukristallisieren begann. Dieser Antagonismus spielte vor allem auch im britischen Bewusstsein eine nicht zu unterschätzende Rolle, denn hier war die englisch-französische Abneigung spätestens seit der Glorious Revolution (1688/89) und den Oranierkönigen zur Konstante im öffentlichen Diskurs geworden.[89]
[...]
[1] Der Begriff ‚Kreole‘ (spanisch: criollo) bezeichnet seit der Mitte des 16. Jahrhunderts einen in Amerika geborenen Nachkommen europäischer Spanier. Anfänglich noch negativ konnotiert, war diese Bezeichnung gegen Ende des 17. Jahrhunderts zum Ausdruck von sozialem Status geworden, vgl. Pastor, María Alba: Criollismo y contrarreforma. Nueva España entre 1570 y 1630, in: Ibero-Amerikanisches Archiv, 22:3-4 (1996), S. 247-266, hier S. 247-250.
[2] Vgl. Rodríguez O., Jaime E.: La independencia de la América española, México DF 2005, S. 112.
[3] Vgl. Kossok, Manfred: Konspekt über das spanische Kolonialsystem, in: Middell, Matthias/ Zeuske (Hg.): Manfred Kossok: Ausgewählte Schriften, Bd. 1: Kolonialgeschichte und Unabhängigkeitsbewegung in Lateinamerika, Leipzig 2000, S. 1-94, hier S. 77.
[4] Vgl. Adelman, Jeremy: Sovereignty and Revolution in the Iberian Atlantic, Princeton 2006, S. 175.
[5] Vgl. Racine, Karen: Francisco de Miranda: A Transatlantic Life in the Age of Revolution, Wilmington, Del. 2003, S. 164.
[6] Vgl. Kossok: Konspekt (wie Anm. 3), S. 77.
[7] Anna, Timothy E.: Spain and the loss of America, Nebraska 1983, S. ix.
[8] Vgl. Kleinmann, Hans-Otto: Zwischen Ancien Régime und Liberalismus (1808-1874), in: Schmidt, Peer (Hg.): Kleine Geschichte Spaniens, Stuttgart 2002, S. 253-328, hier S. 257.
[9] Vgl. Buisson, Inge: Die lateinamerikanischen Unabhängigkeitsbewegungen: Revolution und frühe Staatenbildung, in: Krakau, Knud (Hg.): Lateinamerika und Nordamerika. Gesellschaft, Politik und Wirtschaft im historischen Vergleich, Frankfurt/New York 1992, S. 46-55, hier S. 47.
[10] Vgl. Adelman, Jeremy: An Age of Imperial Revolutions, in: AHR, Vol. 113, Number 2, April 2008, S. 319-340, hier S. 336.
[11] Vgl. Blaufarb, Rafe: The Western Question: The Geopolitics of Latin American Independence, in: www.historycooperative.org/journals/ahr/112.3/blaufarb.html (11.11.2008), Abschnitt 5.
[12] Vgl. Ávila, Alfredo: De las independencias a la modernidad. Notas sobre un cambio historiográfico, in: Pani, Erika/Salmerón, Alicia (Hg.): Conceptualizar lo que se ve: François-Xavier Guerra, historiador, homenaje, México D.F. 2004, S. 76-112, hier S. 78.
[13] Vgl. Breña, Roberto: El primer liberalismo español y los procesos de emancipación de América, 1808-1824. Una revisión historiográfica del liberalismo hispánico, México D.F. 2006, S. 44.
[14] Vgl. Ávila: Las independencias (wie Anm. 12), S. 79/80.
[15] Diese Argumentation wird detailliert diskutiert bei Wallerstein, Immanuel: Das moderne Weltsystem III. Die große Expansion. Die Konsolidierung der Weltwirtschaft im langen 18. Jahrhundert, Wien 2004, S. 323.
[16] Buisson: Unabhängigkeitsbewegungen (wie Anm. 9), S. 46.
[17] Reinhard, Wolfgang: Geschichte der europäischen Expansion. Band 2: Die Neue Welt, Stuttgart et al. 1985, S. 232.
[18] Kossok: Konspekt (wie Anm. 3), S. 73.
[19] Vgl. Uribe-Uran, Victor Miguel: The Birth of a Public Sphere in Latin America during the Age of Revolution, in: CSSH (Comparative Studies in Society and History) 42:2 (April 2000), S. 425-457, hier S. 426.
[20] Eine sehr detaillierte Untersuchung der neuen Impulse in der Historiographie in den Jahren 1985-1995 gibt Lynch, John: Spanish American Independence in Recent Historiography, in: McFarlane, Anthony/Posada-Carbó, Eduardo (Hg.): Independence and Revolution in Spanish America: Perspectives and Problems, London 1999, S. 13-42.
[21] Vgl. Rodríguez: Independencia (wie Anm. 2).
[22] Eine erfreuliche Ausnahme bildet Peggy Liss mit ihrer 1983 veröffentlichten Monographie Atlantic Empires. The Network of Trade and Revolution, 1713-1826 (Baltimore), die - wie der Titel der Arbeit andeutet - die Verflechtung von Handel und Revolution im Atlantischen Raum zum Kern ihrer Betrachtungen macht.
[23] Vgl. Lynch, John: The origins of Spanish American Independence, in: Bethell, Leslie (Hg.): The Cambridge History of Latin America, Volume 3: From Independence to c. 1870, Cambridge 1985, S. 3-50.
[24] Vgl. Kossok: Konspekt (wie Anm. 3), S. 77.
[25] Vgl. Anna: The Loss (wie Anm. 7), S. 1.
[26] „Con tan poderosa amiga como la Gran Bretaña“ [mit der Hilfe eines solch mächtigen Freundes wie Großbritannien – N.S.].
[27] Brief von Bolívar an Thomas Rowcroft vom 15. August 1824, in: Webster, Charles K.: Gran Bretaña y la Independencia de la América Latina, 1812-1830, Buenos Aires 1944 [1938] (2 Bde.), Bd. 1, S. 714.
[28] Adelman: Sovereignty (wie Anm. 4), S. 5; Ähnliche Ansätze finden sich bei Blaufarb: Western Question (wie Anm. 11) oder auch bei Maxwell, Kenneth R.: Hegemonies Old and New: The Ibero-Atlantic in the Long Eighteenth Century, in: Adelman, Jeremy (Hg.): Colonial Legacies. The Problem of Persistence in Latin American History, New York/London 1999, S. 69-90 und Wallerstein: Expansion (wie Anm. 15).
[29] Vgl. Blaufarb: Western Question (wie Anm. 11), Abschnitt 3.
[30] Mollin, Gerhard Th.: Internationale Beziehungen als Gegenstand der deutschen Neuzeit-Historiographie seit dem 18. Jahrhundert. Eine Traditionskritik in Grundzügen und Beispielen, in: Loth, Wilfried/Osterhammel, Jürgen (Hg.): Internationale Geschichte. Themen – Ergebnisse- Aussichten, München 2000, S. 3-30, hier S. 24.
[31] Heeren, Arnold Herrmann Ludwig: Europäisches Staatensystem [1809], in: Günther, Horst (Hg.): Europäische Geschichte. Ein Lesebuch, Frankfurt (Main)/Leipzig 1993, S. 353-429, hier S. 358 [Hervorhebung im Original].
[32] Vgl. Mollin: Internationale Beziehungen (wie Anm. 30), S. 6 und 23. Allerdings gab es in den 1930er und 1940er Jahren im Zuge der sich erneut zuspitzenden Mächtekonkurrenz in Europa und des Zweiten Weltkriegs eine Phase, in der transnationale Verflechtungen für die Geschichtswissenschaft wieder interessant wurden, vgl. dazu bspw. Parra-Pérez, Caracciolo: Bayona y la política de Napoleón en América, Caracas 1939; Robertson, William Spence: France and Latin-American Independence, Baltimore, Md. 1939; Rydjord, John: Foreign Interest in the Independence of New Spain: An Introduction to the War for Independence, Durham, N.C. 1935.
[33] Vgl. Pietschmann, Horst: Geschichte des atlantischen Systems, 1580-1830. Ein historischer Versuch zur Erklärung der ‚Globalisierung‘ jenseits nationalgeschichtlicher Perspektiven, Hamburg 1998, S. 9.
[34] Vgl. Godechot J./Palmer R.R.: Das Problem des Atlantik vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, in: Schulin, Ernst (Hg.): Universalgeschichte, Köln 1974, S. 295-317, hier S. 295.
[35] Vgl. Pietschmann: Horst: Introduction: Atlantic History – History between European History and Global History, in: Ders. (Hg.): Atlantic History. History of the Atlantic System 1580-1830, Göttingen 2002, S. 11-54, hier S. 26/27.
[36] Wallerstein, Immanuel: Das Moderne Weltsystem, 3 Bde., Wien 2004 [1976-1988].
[37] Osterhammel: Jürgen: Internationale Geschichte, Globalisierung und die Pluralität der Kulturen, in: in: Loth, Wilfried/Osterhammel, Jürgen (Hg.): Internationale Geschichte. Themen – Ergebnisse- Aussichten, München 2000, S. 387-408, hier S. 391.
[38] Im Juni 2007 wurde diesem Konzept ein Forum unter der Überschrift „Entangled Empires in the Atlantic World“ in der renommierten American Historical Review gewidmet, vgl. hierzu: AHR Vol. 112, Number 3, June 2007. Vgl. auch das exzellente Werk von Elliot, John H.: Empires of the Atlantic World. Britain and Spain in America 1492-1830, New Haven/London 2006.
[39] Vgl. Osterhammel: Internationale Geschichte (wie Anm. 37), S. 391.
[40] Vgl. Gould, Eliga H.: Entangled Histories, Entangled Worlds: The English-Speaking Atlantic as a Spanish Periphery, in: AHR Vol. 112, Number 3, June 2007, S. 764-786, hier S. 765.
[41] Vgl. Elliot: Empires (wie Anm. 38), S. xviii.
[42] Engel, Ulf/Middell, Matthias: Bruchzonen der Globalisierung, globale Krisen und Territorialitätsregimes – Kategorien einer Globalgeschichtsschreibung, in: Dies. (Hg.): Bruchzonen der Globalisierung (=COMPARATIV 15, Heft 5/6), Leipzig 2005, S. 5-38, hier S. 20.
[43] Vgl. Osterhammel, Jürgen/Peterson, Niels P.: Geschichte der Globalisierung. Dimensionen, Prozesse, Epochen, München 2003, S. 25.
[44] Vgl. Bayly, Christopher A.: Die Geburt der modernen Welt. Eine Globalgeschichte 1780-1914, Frankfurt/New York 2008, S. 118.
[45] Das Konzept eines ‚langen‘ 18. Jahrhunderts erscheint für die Betrachtung dieses durch das britisch-französische Ringen um globale Hegemonie gekennzeichnete Jahrhundert durchaus sinnvoll, wobei die Glorious Revolution von 1688/89 den Beginn dieses Konflikts markiert und die endgültige Niederlage Napoleons 1815 den Endpunkt darstellt, vgl. hierzu Wallerstein, Immanuel: Das moderne Weltsystem II. Der Merkantilismus. Europa zwischen 1600 und 1750, Wien 1998, S. 284; Middell, Matthias: Revolutionsgeschichte und Globalgeschichte. Transatlantische Interaktionen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Grandner, Margarete/Komlosy, Andrea (Hg.): Vom Weltgeist beseelt. Globalgeschichte 1700-1815, Wien 2004, S. 135-159, hier S. 143. Eine auf die britische Politik- und Sozialgeschichte fokussierte Betrachtung könnte das ‚lange‘ 18. Jahrhundert mithin bis zum Reform Act von 1832 ausdehnen, vgl. O’Gorman, Frank: The long eighteenth century. British political and social history 1688 – 1832, London 1997, S. xi-xii.
[46] Vgl. Liss: Atlantic Empires (wie Anm. 22), S. 1.
[47] Heeren: Europäisches Staatensystem (wie Anm. 31), S. 367 [Hervorhebung im Original].
[48] Diese besondere Hinwendung zu Amerika hat nicht zuletzt mit verschiedenen Innovationen zu tun, die den Atlantik zwischen 1675 und 1740 stark‚ schrumpfen‘ ließen. So dauerte eine Überfahrt von den karibischen Kolonien nach England im Durchschnitt acht Wochen, während die Fahrt von Lissabon um das Kap der guten Hoffnung nach Goa in beiden Richtungen normalerweise sechs bis acht Monate beanspruchte, vgl. hierzu: Black, Jeremy: Eighteenth-Century Europe, London 21999, S. 389.
[49] Vgl. Duchhardt, Heinz: Europa am Vorabend der Moderne. 1650-1800, Stuttgart 2003, S. 118.
[50] Besonders begehrt waren die lukrativen asientos, die Exklusivrechte für den Sklavenhandel mit Spanisch-Amerika, vgl. hierzu Maxwell: Hegemonies (wie Anm. 28), S. 81.
[51] Vgl. Wallerstein: Expansion, (wie Anm. 15), S. 280.
[52] Middell: Revolutionsgeschichte (wie Anm. 45), S. 144.
[53] Vgl. Pietschmann: Introduction (wie Anm. 35), S. 14.
[54] Vgl. Schulze, Hagen: Phoenix Europa: Die Moderne. Von 1740 bis heute, Berlin 1998, S. 92.
[55] Vgl. Bayly: Geburt (wie Anm. 44), S. 63.
[56] Aufgrund dieser das gesamte Jahrhundert umspannenden Rivalität wird in der Literatur häufig vom ‚Zweiten Hundertjährigen Krieg‘ gesprochen, vgl. hierzu: Black: Eighteenth-Century (wie Anm. 48), S. 394.
[57] Vgl. Adelman: Sovereignty (wie Anm. 4), S. 177 und 269; Maxwell: Hegemonies (wie Anm. 28), S. 81.
[58] Daneben erstreckten sich die Auseinandersetzungen zwischen Großbritannien und Frankreich auch auf andere Teile der Welt, wie z. B. Asien und insbesondere Indien. Hier war zu Beginn des 18. Jahrhunderts die europäische Präsenz jedoch noch relativ gering und die Verbindungen beschränkten sich auf Handelsströme, die Gebiete an sich standen noch nicht unter europäischer Herrschaft, vgl. hierzu Marshall, P.J.: Europe and the rest of the world, in: Blanning, T.C.W. (Hg.): The Eighteenth Century. Europe 1688-1815 (=The Short Oxford History of Europe), New York 2000, S. 218-246, hier S. 218.
[59] Vgl. Middell: Revolutionsgeschichte (wie Anm. 45), S. 144.
[60] Die folgende Unterteilung basiert auf Marshall: Europe (wie Anm. 58), S. 220-222.
[61] Zu der im 18. Jahrhundert gängigen Praxis der Zwangsmigration unliebsamer Europäer vgl. Black, Jeremy: Europe and the World, 1650-1830, London/New York 2002, S. 84/85.
[62] Bayly: Geburt (wie Anm. 44), S. 58.
[63] Vgl. Marshall: Europe (wie Anm. 58), S. 222.
[64] Vgl. Godechot/Palmer: Das Problem des Atlantik (wie Anm. 34), S. 302.
[65] Vgl. Wallerstein: Merkantilismus (wie Anm. 45), S. 276/277.
[66] Vgl. Weaver, Frederick Stirton: Latin America in the World Economy. Mercantile Colonialism to Global Capitalism, Boulder, Colo. 2000, S. 26; Reinhard: Europäische Expansion (wie Anm. 17), S. 110.
[67] Vgl. Marshall: Europe (wie Anm. 58), S. 223.
[68] Vgl. Godechot/Palmer: Das Problem des Atlantik (wie Anm. 34), S. 302.
[69] Heeren: Europäisches Staatensystem (wie Anm. 31), S. 370.
[70] Dieses Prinzip der Rohstoffeinfuhr aus Übersee und der Ausfuhr von Fertigwaren nach Außereuropa war im 17./18. Jahrhundert zu einem zentralen Aspekt der europäischen Wirtschaft geworden, vgl. Duchhardt: Europa am Vorabend (wie Anm. 49), S. 117.
[71] Vgl. Black: Europe and the World (wie Anm. 61), S. 57.
[72] Diese Handelskompagnien waren meist halb staatlich und halb privat und nahmen streckenweise territoriale und politische Hoheitsrechte in den Überseegebieten wahr. Neben den Kompagnien der ‚großen‘ Kolonialmächte gab es auch solche, die unter der Flagge der Niederlande, Dänemarks, Schwedens oder Preußens operierten; vgl. Duchhardt, Heinz: Balance of Power und Pentarchie. Internationale Beziehungen 1700-1785, Paderborn et al. 1997, S. 86 und Black: Europe and the World (wie Anm. 61), S. 60.
[73] Vgl. Marshall: Europe (wie Anm. 58), S. 223/224.
[74] Vgl. Wallerstein: Merkantilismus (wie Anm. 45), S.185/186 und 317; Burkholder, Mark A./Johnson, Lyman L.: Colonial Latin America, New York 62007, S. 170/171.
[75] Vgl. Duchhardt: Europa am Vorabend (wie Anm. 49), S. 118.
[76] Vgl. Black: Europe and the World (wie Anm. 61), S. 59/60.
[77] Vgl. Marshall: Europe (wie Anm. 58), S. 225.
[78] Zit. nach: Schulze: Phoenix Europa (wie Anm. 54), S. 92.
[79] Hierzu zählen natürlich auch die verheerenden Auswirkungen des Sklavenhandels für die Gesellschaften Westafrikas, vgl. Black: Europe and the World (wie Anm. 61), S. 74/75; Emmer dagegen erachtet die atlantische Wirtschaft als wenig bedeutungsvoll für Europa, da sich der europäische Handel, hätte ihm der Atlantik nicht zur Verfügung gestanden, mehr auf sich selbst und auf Asien konzentriert hätte, vgl. Emmer, Pieter: In Search of a System: The Atlantic Economy, 1500-1800, in: Pietschmann, Horst (Hg.): Atlantic History. History of the Atlantic System 1580-1830, Göttingen 2002, S. 169-178, hier S. 177.
[80] Vgl. Middell: Revolutionsgeschichte (wie Anm. 45), S. 156; Black, Jeremy: Natural and Necessary Enemies. Anglo-French relations in the eighteenth century, London 1986, S. 2.
[81] Vgl. Black: Eighteenth-Century (wie Anm. 48), S. 393.
[82] Vgl. Burkholder/Johnson: Colonial Latin America (wie Anm. 74), S. 173/174. Eine detaillierte Darstellung der Vorgehensweise der englischen Krone in Bezug auf Spanien und Amerika im 16. und 17. Jahrhundert bei Elliot: Empires (wie Anm. 38), Kapitel 1; die in dieser Zeit durchaus aggressivere französische Taktik zusammenfassend bei Gründer, Horst: Eine Geschichte der europäischen Expansion. Von Entdeckern und Eroberern zum Kolonialismus, Stuttgart 2003, S. 44-46.
[83] Vgl. Marshall: Europe (wie Anm. 58), S. 220; Liss: Atlantic Empires (wie Anm. 22), S. 2.
[84] Portugal und seine überseeischen Besitzungen waren von 1581 bis 1640 durch Personalunion in die spanische Krone integriert.
[85] Wallerstein: Merkantilismus (wie Anm. 45), S. 223.
[86] Vgl. Wallerstein: Merkantilismus (wie Anm. 45), S. 284.
[87] Spätestens ab der Realunion mit Schottland im Jahr 1707 muss von Großbritannien gesprochen werden.
[88] Vgl. Schulze: Phoenix Europa (wie Anm. 54), S. 93.
[89] Vgl. Duchhardt: Europa am Vorabend (wie Anm. 49), S. 208/209.
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