Ziel dieser Arbeit ist es, anhand einer empirischen Fallstudie neue Erkenntnisse zur Nutzungsmotivation des Rettungsdienstes durch die Berliner Bevölkerung zu gewinnen. Dabei werden die auftretenden Probleme und Herausforderungen analysiert, um valide Daten zu erarbeiten, die zukünftig zur Verbesserung bzw. Optimierung der medizinischen Notfallversorgung beitragen können.
Die Erkenntnisse und Ausführungen der drei Säulen der notfallmedizinischen Versorgung in Berlin dienen dieser Arbeit als theoretischer Ausgangspunkt. Insbesondere die dort enthaltene Darstellung der Probleme und Herausforderungen liefert ein umfassendes theoretisches Modell zur Einordnung des Themas und gibt einen strukturierten Kontext. Die zentralen Erkenntnisinteressen liegen dabei in den Nutzungsmotiven der Patienten, welche den Rettungsdienst in Berlin in Anspruch nehmen. Aus den gewonnenen Erkenntnissen wurden folgende Forschungsfragen evaluiert: 1. Ist die präklinische Notfallsituation mit der telefonisch erfassten Patienteninformation der Leitstelle identisch? 2. Welche Beweggründe haben die Patienten, den Rettungsdienst zu alarmieren? 3. Stellt sich der Notfall für die verantwortliche Einsatzkraft als medizinisch akut dar? 4. Welche Einschätzung erhalten die Patienten durch das Manchester-Triage-System des Krankenhauspersonals?
Inhaltsverzeichnis
1. Abkürzungsverzeichnis
2. Verzeichnis für Abbildungen und Tabellen
3. Gendergerechte Formulierung
4. Einleitung
5. Ziel der Arbeit, Problemdarstellung und Hypothesen
6. Forschungsstand
7. Theoretischer Ausgangspunkt
7.1 Gegenwärtiger Zustand der Notfallversorgung in Deutschland
8. Drei Säulen der notfallmedizinischen Versorgung in Berlin
8.1 Ambulante Versorgung in Berlin
8.1.1 Rechtsgrundlagen und Finanzierung
8.1.2 Aufgaben, Organisationen und aktuelle Zahlen
8.1.3 Aktuelle Probleme und Herausforderungen
8.2 Rettungsstelle in Berlin
8.2.1 Rechtsgrundlagen und Finanzierung
8.2.2 Aufgaben, Organisation und aktuelle Zahlen
8.2.3 Aktuelle Probleme und Herausforderungen
8.3 Rettungswesen der Berliner Feuerwehr
8.3.1 Aufgaben, Rechtsgrundlagen und Finanzierung
8.3.2 Organisation und aktuelle Zahlen
8.3.3 Aktuelle Probleme und Herausforderungen
9. Methodik
9.1 Empirisches Vorgehen
9.2 Empirisches Design
10. Zentrale empirische Befunde
10.1 Einschätzung der Besatzung des Rettungswagens
10.2 Einschätzung der Rettungsstelle
10.3 Einschätzung der Patienten
10.4 Auswertung der Hypothesen
11. Weitergehende Auswertung und Interpretation
11.1 Auswertung der Einsatzprotokolle
11.2 Interpretation irrtümlich beschickter RTW
12. Beantwortung der Forschungsfragen
13. Diskussion
14. Fazit
Bibliografie
Anhang
1. Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2. Verzeichnis für Abbildungen und Tabellen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Eigene Darstellung, Einschätzung Manchester-Triage-System (vgl. Moecke et al, 2014, S. 395ff)
Tabelle 2: Antworten zu verschiedenen Aussagen (Basis: alle Befragten ohne ,keine Angabe’, Frage 1-4 N=56, Frage 5-6 N=55)
Tabelle 3: Ergebnisse im Mann-Whitney-Test nach der Gruppenaufteilung, ob der Patient selbst den Rettungsdienst gerufen hat oder jemand anderes
Tabelle 4: Korrelation zwischen der Dauer des Aufenthalts in der Rettungsstelle und verschiedenen Einschätzungen (Basis: alle Befragten ohne ,keine Angabe’, N siehe Tabelle)
Tabelle 5: Eigene Darstellung, Messungen, Dringlichkeit der Patienten (Gewichtung der Zahlen: Zum RTW 1= laufend, 2= sitzend, 3= liegend)
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Leistungsausgaben der GKV 2017 (vgl. Vdek-Ausgaben Gesundheitswesen, 2017)
Abbildung 2: Die Möglichkeiten der Patientenversorgung, Grafik modifiziert übernommen von Roßbach-Wilk (vgl. Schmidt, 2018, S.50)
Abbildung 3: Eigene Darstellung, Organisationen welche im Auftrag der Berliner Feuerwehr ihren Dienst verrichten
Abbildung 4: Eigene Darstellung, Alarmierungsvergleich 2005-2017, Anlehnung an den Jahresbericht der Berliner Feuerwehr 2017. (vgl. Berliner Feuerwehr- Jahresbericht, 2018, S. 102)
Abbildung 5: Antworten zur Frage: Die medizinische Einschätzung mit der Information über den Patienten, welcher die Leitstelle telefonisch aufgenommen hat, stimmt mit der vorgefundenen präklinischen Einsatzlage überein. (Basis: alle Befragten ohne ,keine Angabe’, N=58)
Abbildung 6: Antworten zur Frage: Es handelt sich aus meiner Sicht in der präklinisch vorgefundenen Einsatzsituation um einen akuten medizinischen Notfall. (Basis: alle Befragten ohne ,keine Angabe’, N=58)
Abbildung 7: Einteilung der Patienten in das Manchester-Triage-System durch die Rettungsstelle (Basis: alle Befragten ohne ,keine Angabe’, N=60)
Abbildung 8: Antworten zur Frage: Die gleiche medizinische Versorgung hätte der Patient zeitgleich bei einem niedergelassenen Arzt bekommen können. (Basis: alle Befragten ohne ,keine Angabe’, N=60)
Abbildung 9: Antworten zur Frage: Meine akuten Beschwerden habe ich seit Stunden/Tagen/ Wochen. (Basis: alle Befragten ohne ,keine Angabe’, N=57)
Abbildung 10: Antworten zur Frage: Ich befinde mich in einer akuten medizinischen Notlage. (Basis: alle Befragten ohne ,keine Angabe’, N=56)
Abbildung 11: Antworten zur Frage: Wenn ich mit dem Rettungswagen in die Rettungsstelle komme, werde ich auch schneller behandelt. (Basis: alle Befragten ohne ,keine Angabe’, N=56)
Abbildung 12: Antworten zur Frage: Der Grund, warum ich den Rettungswagen rief, war eine vorherige Recherche im Internet bezüglich meiner Beschwerden. (Basis: alle Befragten ohne ,keine Angabe’, N=56)
Abbildung 13: Antworten zur Frage: Ich fühle mich in der Rettungsstelle besser aufgehoben als bei einem Facharzt. (Basis: alle Befragten ohne ,keine Angabe’, N=55)
Abbildung 14: Antworten zur Frage: Ich bekomme in der Rettungsstelle eine bessere medizinische Versorgung als bei einem Haus-/Facharzt. (Basis: alle Befragten ohne ,keine Angabe’, N=55)
Abbildung 15: Eigene Darstellung, Messergebnisse des RTW Einsatzbogens
Abbildung 16: Eigene Darstellung, Patientenlagerung Einsatzstelle-RTW- Krankenhaus
Abbildung 17: Eigene Darstellung, Messergebnis bei laufenden Patienten
Abbildung 18: Eigene Darstellung, Messergebnis bei sitzenden Patienten
Abbildung 19: : Eigene Darstellung, Messergebnis bei liegenden Patienten
Abbildung 20: Eigene Darstellung, Kombination der Messergebnisse
Abbildung 21: Eigene Darstellung, Fragebogen Patienten
Abbildung 22: Eigene Darstellung, Fragebogen Rettungsstelle
Abbildung 23: Eigene Darstellung, Fragebogen RTW
3. Gendergerechte Formulierung
Bei allen Bezeichnungen, die auf Personen bezogen sind, meint die gewählte Formulierung beide Geschlechter, auch wenn aus Gründen einer leichteren Lesbarkeit nur die männliche Form verwendet wird.
4. Einleitung
In Deutschland können Bürger jederzeit frei wählen, welche medizinische Hilfeleistung sie in Anspruch nehmen möchten. Unser Gesundheitssystem bietet viele Behandlungsmöglichkeiten, deren Kosten die Krankenkassen im Normalfall tragen. Fraglich ist, ob immer der vermeintlich einfachste Weg, wie den Rettungsdienst zu alarmieren, auch für alle Beteiligten der effektivste ist.
„Was die wahre Freiheit und den wahren Gebrauch derselben am deutlichsten charakterisiert, ist der Missbrauch derselben “. (Lichtenberg, 1844, S.109)
An den Anfang dieser Arbeit möchte der Autor, selbst Berufsfeuerwehrmann, einen realen Einsatzablauf der Berliner Feuerwehr stellen.
Es ist ein sonniger Dienstagnachmittag in der Hauptstadt. Irgendwo in Berlin kämpft ein Bürger seit gut zwei Tagen mit starken Beschwerden in seinem linken Knie. Das Laufen fällt ihm schwer, und seine Bemühungen, einen schnellen Termin bei seinem Hausarzt zu bekommen, scheitern. Ihm wird ein Termin in frühestens zwei Wochen angeboten. Der Patient fühlt sich überfordert und sieht angesichts der anhaltenden Beschwerden in seinem Bein keinen anderen Ausweg, als die Berliner Feuerwehr zu alarmieren. Nach einer Abfrage der Rettungsleitstelle wird sofort ein Rettungsfahrzeug zu dem Patienten geschickt. Mit Blaulicht und Martinshorn eilt der Rettungswagen durch die Straßen. Da er aus einem anderen Stadtbezirk kommt, hat er eine entsprechend längere Anfahrt. Nachdem der Rettungswagen beim Patienten eingetroffen ist, stellt der medizinische Verantwortliche fest, dass die Beschwerden offensichtlich schon seit einigen Wochen bestehen und teils stärkere, teils schwächere Schmerzen hervorrufen. Eine akute lebensbedrohliche Situation finden sie in diesem Fall natürlich nicht vor. Der Patient erklärt, dass er keinen anderen Ausweg wusste und ihm ein Taxi oder öffentliche Verkehrsmittel zu teuer wären, um selbst ins Krankenhaus zu fahren. Nach einer eingehenden Untersuchung entschließt sich die Besatzung des Rettungswagens, den Patienten in die Rettungsstelle des nächstgelegenen Krankenhauses zu bringen. Hier wird er von der aufnehmenden Schwester als minderer Notfall eingestuft und muss in Folge sechs Stunden auf die Begutachtung durch einen Arzt warten. Nach insgesamt neun Stunden wird er mit einem Medikament gegen seine Beschwerden und der Empfehlung, sich bei einem niedergelassenen Arzt vorzustellen, wieder entlassen.
Nicht nur in Berlin kommt es zu vielfältigen Problemen in der Notfallversorgung. In ganz Deutschland ist eine ständig steigende Belastung im Bereich der ambulanten und stationären Notfallversorgung zu verzeichnen - ein Thema, welches aktuell stark in den Medien diskutiert wird. Die Berliner Feuerwehr meldet Überbelastung und steigende Alarmzahlen. Es wurde festgestellt, dass Patienten auch in unkritischen Situationen häufig ein Rettungsmittel der Berliner Feuerwehr in Anspruch nehmen oder die Rettungsstellen der Krankenhäuser aufsuchen. Und das, obwohl Notfallpatienten gemäß dem Sicherstellungsauftrag rund um die Uhr durch die niedergelassenen Haus- und Fachärzte als auch von Notdiensten der Kassenärztlichen Vereinigung versorgt werden könnten.
Warum entscheiden sich also Patienten, lieber die Notrufnummer 112 zu wählen?
Die subjektiven Beweggründe der Patienten, in akuten, aber nicht lebensbedrohlichen notfallmedizinischen Situationen den Rettungsdienst zu alarmieren, anstatt den niedergelassenen Fach- oder Hausarzt aufzusuchen, sind in Deutschland wenig erforscht. Offensichtlich glaubt die Bevölkerung an die vermeintlich bessere und umfangreichere medizinische Versorgung einer Rettungsstelle.
Die Konsequenz daraus sind steigende Alarmzahlen, dadurch bedingt fehlende Rettungswagen sowie überfüllte Rettungsstellen in der Hauptstadt.
5. Ziel der Arbeit, Problemdarstellung und Hypothesen
Ziel dieser Arbeit ist es, anhand einer empirischen Fallstudie neue Erkenntnisse zur Nutzungsmotivation des Rettungsdienstes durch die Berliner Bevölkerung zu gewinnen. Dabei werden die auftretenden Probleme und Herausforderungen analysiert, um valide Daten zu erarbeiten, die zukünftig zur Verbesserung bzw. Optimierung der medizinischen Notfallversorgung beitragen können.
Die Erkenntnisse und Ausführungen der drei Säulen der notfallmedizinischen Versorgung in Berlin dienen dieser Arbeit als theoretischer Ausgangspunkt. Insbesondere die dort enthaltene Darstellung der Probleme und Herausforderungen liefert ein umfassendes theoretisches Modell zur Einordnung des Themas und gibt einen strukturierten Kontext.
Die zentralen Erkenntnisinteressen liegen dabei in den Nutzungsmotiven der Patienten, welche den Rettungsdienst in Berlin in Anspruch nehmen.
Aus den gewonnenen Erkenntnissen wurden folgende Forschungsfragen evaluiert:
1. Ist die präklinische Notfallsituation mit der telefonisch erfassten Patienteninformation der Leitstelle identisch?
2. Welche Beweggründe haben die Patienten, den Rettungsdienst zu alarmieren?
3. Stellt sich der Notfall für die verantwortliche Einsatzkraft als medizinisch akut dar?
4. Welche Einschätzung erhalten die Patienten durch das ManchesterTriage-System des Krankenhauspersonals?
Um eine gezielte Befragung durchführen zu können, wurden Hypothesen formuliert, welche die Forschungsfragen beantworten sollen:
Hypothese 1: Die Einschätzung des medizinischen Zustands des Patienten durch die RTW-Besatzung deckt sich mit der Einschätzung des Krankenhauspersonals anhand des Manchester-Triage-Systems (MTS).
Hypothese 2: Es besteht eine Übereinstimmung zwischen der Einschätzung der medizinischen Situation im Krankenhaus (MTS) und der Einschätzung des Arztes, ob der Patient dieselbe medizinische Versorgung bei einem niedergelassenen Arzt hätte bekommen können.
Hypothese 3: Die Nutzungsmotive der Patienten unterscheiden sich je nach Einschätzung der medizinischen Situation im Krankenhaus (MTS). Dazu zählen:
a) Kosten für den öffentlichen Personennahverkehr
b) Glaube an eine schnellere Behandlung
c) Recherche im Internet vor der Alarmierung des Rettungsdienstes
d) Bessere medizinische Versorgung in der Rettungsstelle
e) Besseres Gefühl in der Rettungsstelle als beim niedergelassenen Arzt
Hypothese 4: Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Einschätzung der medizinischen Situation im Krankenhaus (MTS) und der Dauer, in der die Beschwerden aufgetreten sind.
Hypothese 5: Es besteht ein Zusammenhang zwischen den Nutzungsmotiven und der Frage, wer den Rettungsdienst gerufen hat (Patient selbst oder jemand anderes).
Hypothese 6: Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Frage, wer den Rettungsdienst gerufen hat (Patient selbst oder jemand anderes) und der Frage, ob vor der Alarmierung versucht wurde, ein Haus- oder Facharzt aufzusuchen.
Hypothese 7: Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Aufenthaltsdauer in der Rettungsstelle und den Nutzungsmotiven. Dies ist die Selbsteinschätzung zur medizinischen Lage des Patienten, der Glaube an eine schnellere Behandlung, Internetrecherche und der Glaube an eine bessere medizinische Versorgung.
Hypothese 8: Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Aufenthaltsdauer in der Rettungsstelle und der Einschätzung der präklinisch vorgefundenen Einsatzsituation.
Hypothese 9: Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Aufenthaltsdauer in der Rettungsstelle und der ärztlichen Einschätzung, dass der Patient dieselbe Versorgung bei einem niedergelassenen Arzt hätte erhalten können.
Diese Recherche/Stichprobe soll ans Licht bringen, aus welcher Motivation heraus die Berliner Bevölkerung den Rettungsdienst alarmiert. Besteht seitens des Rettungsdienstes und der Rettungsstelle eine medizinische Notwendigkeit oder hätte die gleiche Versorgung auch bei einem Haus- oder Facharzt stattfinden können?
6. Forschungsstand
Wie in der Einleitung benannt, wird das deutsche Gesundheitssystem momentan in den Medien stark diskutiert. Zeitungen oder Fernsehen berichten vermehrt über die aktuellen Missstände und den Missbrauch des Rettungsdienstes in Berlin. Ebenso sind die dauerhaft überfüllten Rettungsstellen und ambulanten Arztpraxen der niedergelassenen Ärzte ein aktuelles Thema.
Folgende Medienausschnitte sollen die vorangegangenen Aussagen bestärken.
Der Rundfunk Berlin und Brandenburg beschreibt online: „Jeder zweite Feuerwehr-Notruf ist kein Notfall. Kaum tut was weh, ruft mancher die 112: In Berlin häufen sich die missbräuchlichen Anrufe beim Rettungsdienst. [...]. Ein Schnitt in den Finger, eine starke Erkältung, ein Schluckauf - das ist alles schon gemeldet worden.“ (Schlesinger, 2018)
Ein Zeitungsverlag äußert: „Wenn der Rettungswagen zum Taxi wird: Ein Drittel der Patienten gehört nicht in die Notaufnahme.“ (Thieme, 2016)
„Aufnahmestopp in zahlreichen Praxen. Berliner sollten zwischen den Jahren nicht krank werden. [...]. Für die Suche nach einem kurzfristigen Termin beim Hausarzt brauchen Berliner Geduld.“ (Kockegei, 2017)
Der Tagesspiegel schreibt: „In Berliner Notaufnahmen sind 70 Prozent der Patienten keine Notfälle. “ (Heine, 2018)
Nachfragen und Recherchen ergaben, dass es sich in den oben genannten Beispielen in der Regel um Aussagen von Mitarbeitern aus den betroffenen Bereichen handelt, die durch die Medien aufgenommen und dargestellt wurden. Hier konnten aber keine wissenschaftlichen Daten (Studien) zu den Aussagen nachgewiesen werden.
Zwei aktuelle Studien beschäftigten sich mit der Patientenbewegung in der Rettungsstelle und hatten bedingt Einfluss auf die Patientenbefragung in dieser Fallstudie.
In einer Dissertation von Dr. Schmiedhofer wurde im Jahr 2017 die Funktion der Rettungsstellen in der akutmedizinischen Versorgung aus Patientensicht betrachtet publiziert. (vgl. Schmiedhofer, 2017)
Ebenso erforschte die Techniker Krankenkasse 2017 das Gesundheitssystem in Hinblick auf die Fragen, wer die Rettungsstellen aufsucht und wie weitere Anlaufstellen im Notfall genutzt werden? Des Weiteren wurde die Zufriedenheit der Deutschen mit dem Gesundheitssystem eruiert. (vgl. TK, 2017)
Arntz und Poloczek beschäftigten sich im Jahr 2011 mit dem Thema „ Wann sollte man den Rettungsdienst nicht alarmieren“. Hier wurden Probleme und Herausforderungen dargestellt, welche sich im Schwerpunkt mit den unnützen Notrufen der medizinisch geleiteten Institutionen beschäftigt. (vgl. Arntz, 2012, S. 661-666)
Eine Studie zu den Nutzungsmotiven der Patienten, welche den Rettungsdienst in Anspruch nahmen, wurde recherchiert jedoch nicht gefunden.
7. Theoretischer Ausgangspunkt
Historisch gesehen ist das deutsche Gesundheitssystem eines der ältesten der Welt, welches auf Otto von Bismarck (1815-1898)1 und seinem Sozialversicherungsmodell von 1883 zurück geht (vgl. Euteneier, 2015, S.22f).
Das zentrale Organisationsmodell besteht aus Versicherungskassen, welche einen eigenständigen, rechtlichen Status haben und sich selbst verwalten.
In einem Land umfasst das Gesundheitssystem oder Gesundheitswesen alle privaten und staatlichen Einrichtungen, deren Ziel es ist, die Gesundheit aller zu erhalten, zu fördern, wiederherzustellen, sowie Krankheiten vorzubeugen. Diagnostik und Behandlung von Krankheiten, Prävention, Gesundheitsförderung und Rehabilitation nach Unfällen gehören zu den Bereichen des Gesundheitswesens und der Gesundheitsförderung. Übergeordnet können auch gesundheitsbezogene Forschung, pharmazeutische Industrie und Medizintechnik zum Gesundheitssystem eines Landes mit hinzugerechnet werden. (vgl. Egger, 2014, S. 95- 104)
Auf die Ziele und auf die Qualitätskriterien eines Gesundheitssystems kommt es an. Die erbrachten Leistungen sollen wirksam und zeitgerecht sein, sowie bedarfsgerecht und zweckmäßig erbracht werden. Ebenso muss es aber auch Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit gewährleisten und somit eine Chancengleichheit und Fairness bieten. (vgl. König, 2010)
Da diese Fallstudie in Berlin erhoben wird, beschäftigt sich der theoretische Ausgangspunkt ausschließlich mit dem Land Berlin. Eingehend wird der gegenwärtige Zustand der Notfallversorgung in Deutschland aufgezeigt, um so einen kurzen Überblick zu verschaffen.
In den folgenden Kapiteln werden die drei Säulen der notfallmedizinischen Versorgung in Berlin dargestellt, sowie deren Grundlagen und Herausforderungen beleuchtet.
7.1 Gegenwärtiger Zustand der Notfallversorgung in
Deutschland
Eine grundlegende und unverzichtbare medizinische Leistung für die Bevölkerung ist die rund um die Uhr stattfindende Notfallversorgung bei Patienten mit akuten Gesundheitsstörungen.
Patienten haben ein Interesse an medizinischen Standards, welche qualitativ hochwertig und allerorts verbreitet sind. Eine ambulante oder stationäre Leistung mit entsprechend notwendigen Therapien soll im Bedarfsfall schnell zur Verfügung stehen und ganzzeitlich gewährleistet werden können, (vgl. Schmidt, 2018, S.12)
Die folgende Darstellung zeigt die Leistungsausgaben der Ersatzkassen im Jahr 2017.
GKV - Leistungsausgaben
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Leistungsausgaben der GKV 2017 (vgl. Vdek-Ausgaben Gesundheitswesen, 2017)
Voneinander getrennte Organisationen - ambulante Versorgung, Rettungsdienst und Rettungsstelle (auch die drei Säulen der notfallmedizinischen Versorgung genannt) - bilden die Grundlage der medizinischen Patientenversorgung.
Niehues führt an, dass die drei verschiedenen Säulen untereinander aber auch fehlende Schnittstellen aufweisen, die eine optimale Patientenversorgung gefährden könnten. Außerdem sollen die Patienten im Notfall nicht nur eine, sondern die richtige Entscheidung treffen, welche der drei Säulen die beste medizinische Versorgung darstellt. (vgl. Niehues, 2012, S. 13f)
8. Drei Säulen der notfallmedizinischen Versorgung in Berlin
Die Versorgung der Patienten in Berlin wie auch in Deutschland insgesamt liegt in den Händen der niedergelassenen Ärzte. In akuten Situationen können sich die Menschen jederzeit auf beste medizinische Versorgung verlassen. Bei der Versorgung im medizinischen Notfall sind zahlreiche Akteure beteiligt. In Berlin basiert die Notfallversorgung auf drei Säulen: der ambulanten Versorgung, der Rettungsstelle und dem Rettungsdienst (vgl. Klauber et al, 2015. S. 84f).
Die folgende Darstellung zeigt den möglichen Weg, den ein Berliner Patient in einem medizinischen Notfall gehen kann.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Die Möglichkeiten der Patientenversorgung, Grafik modifiziert übernommen von Roßbach-Wilk (vgl. Schmidt, 2018, S.50).
8.1 Ambulante Versorgung in Berlin
Die ambulante Versorgung in Berlin hat einen hohen Stellenwert. Sie wird von niedergelassenen Ärzten, die einen Großteil der medizinischen Versorgung in freien Arztpraxen tätigen, abgeleistet. Unter der ambulanten Versorgung werden alle Versorgungsleistungen subsumiert, die nicht von Krankenhäusern oder Kliniken erbracht werden. Ambulante Arztpraxen sind meist die erste Anlaufstelle im medizinischen Versorgungssystem. (vgl. Robert Koch Institut, 2015, S. 303)
Bei der wohnortnahen medizinischen Versorgung können sich Patienten frei für eine Praxis entscheiden, in der sie sich behandeln lassen möchten. Zusätzlich stellt der ärztliche Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) für die Berliner Bevölkerung rund um die Uhr einen Ansprechpartner für diejenigen zur Verfügung, die aus gesundheitlichen Gründen ihren Arzt nicht aufsuchen können. (vgl. KV Berlin - ärztlicher Bereitschaftsdienst, 2016)
Eine Besonderheit in Berlin ist, dass Vertragsärzte der KV in Portalpraxen2 ihre Dienste anbieten. Diese können zu sprechstundenfreien Zeiten sowie an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen in den Räumlichkeiten Berliner Krankenhäuser von Patienten ohne Behandlungsdringlichkeit in Anspruch genommen werden. (vgl. KV Berlin - Notdienstpraxen, 2016)
8.1.1 Rechtsgrundlagen und Finanzierung
„Den gesetzlichen Auftrag zur Sicherstellung der ambulanten medizinischen Versorgung in Deutschland haben die Kassenärztlichen beziehungsweise Kassenzahnärztlichen Vereinigungen.“ (Robert Koch Institut, 2015, S. 303)
Gemäß §75 Abs. 1 SGB V muss die KV die vertragsärztliche Versorgung sicherstellen. Nach §75 Abs. 1b SGB V schließt dies auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten ein. Damit umfasst die ambulante Notfallversorgung sowohl die hausärztliche als auch die fachärztliche Versorgung von ambulanten Notfallpatienten innerhalb und außerhalb der vertragsärztlichen Sprechstundenzeiten. (vgl. Köster et al, 2016, S. 10)
Gemäß §73 SGB V gruppiert sich die vertragsärztliche Versorgung in die fachärztliche und hausärztliche Versorgung von Patienten (vgl. Dejure, 2017). Nach §70 Abs. 1 und 2 SGB V, haben alle versicherten Patienten das Recht, von Krankenkassen und Leistungserbringern eine gleichmäßige und bedarfs- gerechte medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen. Zweckmäßig, ausreichend und das Maß der Notwendigkeit nicht überschreitend, sollte die fachliche Qualität der Versorgung sein. (vgl. Euteneier, 2015, S.23)
Patienten haben grundsätzlich die Wahlfreiheit, sich von allen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärztinnen, Ärzten und Einrichtungen (§76 SGB V) behandeln zu lassen (vgl. Gerlinger, 2014). Hierzu sind alle Patienten in der Regel pflichtversichert. Pflichtversicherungen werden einkommensabhängig über Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge finanziert. Dazu gehören die Kranken-, Pflege-, und Unfallversicherungen. (vgl. Egger, 2014, S. 96)
Die ambulante Versorgung wird von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) finanziert, welche für das komplexe System der Leistungserbringungen durch den behandelnden Arzt aufkommt. Die GKV zahlt ihre Vergütung an die KV, wo alle Vertragsärzte einer Region als Mitglieder organisiert sind. Die Gesamtvergütung wird von der KV mithilfe eines Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) an die an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte verteilt. (vgl. Bundesministerium für Gesundheit, 2018)
8.1.2 Aufgaben, Organisationen und aktuelle Zahlen
Aufgaben der ambulanten Arztpraxen sind die Bestimmung von Gesundheitsproblemen, Behandlungsbedarf und Untersuchungen der Patienten, sowie die Weiterleitung an weitere Leistungserbringer im Gesundheits- und Sozialwesen. Die ambulante vertragsärztliche Versorgung gliedert sich in einen hausärztlichen und fachärztlichen Bereich (Robert Koch Institut, 2015, S. 303). Für die 31 Millionen Behandlungsfälle jährlich verrichten 9200 niedergelassene Berliner Ärzte und Psychotherapeuten ihre Tätigkeit in ca. 6400 Praxen und ca. 164 medizinischen Versorgungszentren (MVZ)3.
Täglich werden 160.000 Patienten in Berlin behandelt, wobei die Krankenkassen für die Grundversorgung eines Mitgliedes pro Jahr 370 Euro bezahlen. (vgl. KV Berlin - ambulante Versorgung, 2016)
Im Gesundheitsbericht des Bundes wurden Krankheitskosten je Einwohner in Euro bestimmt. Jeder Einwohner verursachte Krankheitskosten in Höhe von 4140 Euro jährlich. (vgl. Gesundheitsberichtserstattung des Bundes, 2015) Der ärztliche Bereitschaftsdienst der KV ist rund um die Uhr für die Berliner Bevölkerung unter der Rufnummer 116117 zu erreichen. Ca. 300.000 Anrufer pro Jahr und bis zu 160.000 Hausbesuche werden von 300 Ärzten des Bereitschaftsdienstes mit 20 Fahrzeugen versorgt. Zusätzlich bietet die KV in Berlin eine telefonische Beratung an, welche von ca. 30.000 Anrufern jährlich genutzt wird (vgl. KV Berlin - Fact Sheet, 2016).
8.1.3 Aktuelle Probleme und Herausforderungen
„In vielen Berliner Praxen ist die Versorgungsrealität heute eine andere als vor zehn Jahren. Viele Ärzte stehen vor dem Problem, dass sie immer mehr Patienten behandeln müssen. Das bedeutet eine Zunahme des Tätigkeitsumfangs und der RLV-/QZV-Behandlungsfälle.“ (Ruppert, 2018, S. 13)
Aufgrund der Arbeitsbelastung empfehlen niedergelassene Ärzte den Patienten zunehmend, lieber eine Rettungsstelle aufzusuchen, auch um dort zur weiteren Absicherung eine zusätzliche Diagnostik zu erhalten. Ebenso seien die überfüllten oder geschlossenen Sprechzimmer häufig ein verweisender Grund. (vgl. Schmiedhofer, 2017, S. 14-18)
Leidel gibt an, dass 51% der Patienten, die eine Notfallambulanz aufgesucht hatten, vorher vergeblich versuchten, einen niedergelassenen Arzt während der Öffnungszeiten zu erreichen. Ebenso zeigt er auf, dass 89% ohne Kontakt zum ambulanten Bereitschaftsdienst die klinische Rettungsstelle aufsuchten. (vgl. Leidel, 2016, S. 24)
Vertragsärztliche Bereitschafts- bzw. Notdienstpraxen (Portalpraxen) sind meistens nur außerhalb der regulären Sprechzeiten geöffnet. Hier fällt es der KV Berlin aber schwer, Vertragsärzte für den Notdienst der Portalpraxen in Berlin zu gewinnen. (vgl. Ärztezeitung-online, 2017)
Aktuell gibt es zwei Portalpraxen in Berlin, eine im Unfallkrankenhaus Marzahn und die zweite im Jüdischen Krankenhaus Berlin. Die KV schätzt den aktuellen Bedarf auf acht Portalpraxen für Berlin.
Ziel der KV ist es, die Rettungsstellen im Krankenhaus so zu entlasten, dass eine ambulante ärztliche Versorgung zum Wohle der Versicherten auch in sprechstundenfreien Zeiten anzubieten ist. Bei Bedarf können Ärzte der KV auf die Diagnostik des Krankenhauses zurückgreifen und im Notfall die Patienten weiter vom Klinikpersonal versorgen lassen. (vgl. KV Berlin- Notdienstpraxen, 2016)
Des Weiteren bietet die KV seit Januar 2016 einen telefonischen Terminvergabeservice für Krankenversicherte mit dringendem Behandlungsbedarf bei Fachärzten innerhalb einer Woche an. Die aktuelle Erreichbarkeit von Montag bis Freitag 09.00 bis 15.00 Uhr soll nach Aussage des Gesundheitsministeriums zukünftig auf eine Erreichbarkeit rund um die Uhr erweitert werden. (vgl. KV Berlin - Terminservicestelle, 2019)
Im Jahr 2017 wurde dieser Service in Berlin 27251 Mal genutzt. Durch die fünf Mitarbeiter des Terminservice konnten 11388 Termine erfolgreich vermittelt werden. (vgl. Brackemann, 2018)
8.2 Rettungsstelle in Berlin
Eine Rettungsstelle ist eine Anlaufstelle in einem Krankenhaus, welche zur Akutversorgung von Patienten eingerichtet wurde. Durch eine Bündelung von fachspezifischen Abteilungen ist es den Rettungsstellen möglich, ihre personellen und technischen Ressourcen so einzusetzen, dass unmittelbar erforderliche Notfallbehandlungen jederzeit durchgeführt werden können. (vgl. Thie, 2010, S. 3ff)
Rettungsstellen gelten als Hochrisikobereiche und bilden eine elementare Schnittstelle zwischen Präklinik und Klinik, da 30 bis 50% aller Patienten über die Rettungsstelle aufgenommen werden. (vgl. Stockfisch, 2014, S. 40)
„Grundsätzlich müssen alle Notfallkrankenhäuser in der Lage sein, alle Notfälle rund um die Uhr zu versorgen.“ (Krankenhausplan - Berlin, 2016, S. 62)
Im Gegensatz zu anderen medizinischen Einrichtungen des Gesundheitswesens lässt sich dies in einer Rettungsstelle schlecht planen. Es ist nicht vorhersehbar, welche Anzahl an Patienten mit welcher Art der Erkrankung oder Verletzung vorliegen wird. (vgl. Leidel, 2016, S.8)
Derzeit verfügt Berlin über 38 Aufnahmekrankenhäuser, welche für die Notfallversorgung vorgesehen sind. (vgl. Krankenhausplan - Berlin, 2016, S. 59)
8.2.1 Rechtsgrundlagen und Finanzierung
Nach §107 Sozialgesetzbuch (SGB V) sind Krankenhäuser Einrichtungen, die der Krankenhausbehandlung oder Geburtshilfe dienen, und welche fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen. Ärzte und Pflegekräfte sind darauf eingerichtet, diagnostische Maßnahmen zu ergreifen, Krankheiten zu erkennen, sie zu heilen und ihre weitere Verschlimmerung zu verhindern. Des Weiteren können Patienten dort auch stationär untergebracht und versorgt werden. (vgl. SGB V, 2017)
Neben den Vertragsärzten sind auch die nach §108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser grundsätzlich zur Teilnahme an der Notfallversorgung verpflichtet. Die Versorgung von ambulanten Notfallpatienten in den Rettungsstellen ist aufgrund des Sicherstellungsauftrages der Kassenärztlichen Vereinigungen allerdings nur auf Basis einer Ausnahmeregelung möglich (vgl. Niehues, 2012, S. 148).
Nicht alle Krankenhäuser in Berlin können nach §116b SGB V eine ambulante, spezialfachärztliche Versorgung sicherstellen. Diese erfordert eine umfassende Diagnostik und Behandlung komplexer, schwer therapierbarer Krankheiten, und je nach Krankheit zusätzlich eine spezielle Qualifikation, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und besondere Ausstattungen. (vgl. BMJV, 1988)
Alle Kosten, die einem Krankenhaus für die Behandlung eines Patienten entstehen, werden durch die Krankenkassen erstattet. Eine Abrechnung erfolgt durch das Krankenhaus nach den German Diagnosis Related Groups4.
Dies ist ein Klassifizierungssystem für ein pauschaliertes Abrechnungsverfahren, bei dem Patienten anhand von medizinischen Daten Fallgruppen zugeordnet werden. Maßgebliche Hauptdiagnosen, durchgeführte Prozeduren, Komplikationen, welche den Behandlungsverlauf beeinflussen, [...] und patientenbezogene Daten wie Alter, Geschlecht und Verweildauer gehören zu jenen Kriterien diagnosebezogener Fallgruppen. (vgl. Roeder, 2003, S. 19-28)
Die Bundesländer finanzieren die Investitionskosten. Entsprechend obliegt es den Ländern zu entscheiden, wo ein Krankenhaus gebaut, erweitert oder geschlossen wird. (vgl. Vdek, 2018)
8.2.2 Aufgaben, Organisation und aktuelle Zahlen
In Berlin gliedern sich 38 Aufnahmekrankenhäuser in 32 Notfallkrankenhäuser (NKH) und 6 Notfallzentren (NZ). Aufnahmekrankenhäuser verfügen über eine 24 Stunden am Tag einsatzbereite Rettungsstelle.
Neben den verschiedenen Fachabteilungen wie Innere Medizin, Chirurgie, [.], müssen alle relevanten, nicht bettenführenden Fachabteilungen auf Notfallpatienten jederzeit eingestellt sein. (vgl. Subke, 2011)
In NZ sind höhere Patientenzahlen zu verzeichnen, und es werden erhöhte Anforderungen an die Leistungsfähigkeit, Infrastruktur und Aufnahmekapazität gestellt. Eine weitere Besonderheit ist, dass in NZ alle notfallrelevanten Fachgebiete vorgehalten werden müssen, insbesondere zur Versorgung interdisziplinärer Notfälle wie dem schweren Trauma5. (vgl. Krankenhausplan - Berlin, 2016, S. 59)
In den Rettungsstellen werden eintreffende Patienten nicht nach der Reihenfolge ihres Erscheinens behandelt, sondern nach der Dringlichkeit ihrer Beschwerden. Dazu findet immer eine Ersteinschätzung (Triage) statt. (vgl. Marsden, 2006, S.29f)
Das in Berlin verbreitete Ersteinschätzungssystem ist das Manchester- Triage-System (MTS), (vgl. Abel, 2016, S. 2). Dieses aus Großbritannien stammende System ist eines von vier weltweit verbreiteten Systemen, um Notfallpatienten in ihrer Behandlungsdringlichkeit einzuschätzen und einzustufen. Es wird in Berliner Rettungsstellen zur Ersteingruppierung neu eintreffender Patienten verwendet. Das MTS verfolgt einen eigenen Ansatz, welcher die geschilderten Beschwerden in einem eigenen definierten Algorithmus festlegt und somit die Behandlungsdringlichkeit bestimmt, (vgl. Christ et al, 2010, S. 892ff)
Innerhalb kurzer Zeit wird der Patient nach generellen Indikatoren wie Lebensgefahr, Schmerzen, Blutungen, [...] eingeschätzt und entsprechend dieser Einschätzung einer von fünf Dringlichkeitsstufen (Tabelle 1) zugewiesen, (vgl. Moecke et al, 2014, S. 395ff)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Eigene Darstellung, Einschätzung Manchester-Triage-System (vgl. Moecke et al, 2014, S. 395ff)
Im Jahr 2017 wurden in Deutschland 19.442.810 Patienten in 1.942 Krankenhäusern behandelt. Die durchschnittliche Verweildauer betrug 7,3 Tage und die Bettenauslastung belief sich durchschnittlich auf 77,8%. Dabei sind Gesamtkosten von 101,7 Milliarden Euro entstanden, (vgl. Statistisches Bundesamt - Destatis, 2018)
Berlin verzeichnete 2017 eine Patientenbewegung von 862.753 Aufnahmen in ein Krankenhaus mit 20.390 aufgestellte Betten, welche durchschnittlich zu 84,5% belegt waren, (vgl. Amt für Statistik, 2018)
8.2.3 Aktuelle Probleme und Herausforderungen
Nach einer Studie der Techniker Krankenkasse (TK) waren nur sechs von zehn Menschen, die in den vergangenen zehn Jahren mit Beschwerden in die Rettungsstelle eines Krankenhauses kamen, wirkliche Notfallpatienten6. Nur jeder zehnte Patient nutzte eine Behandlung außerhalb der Sprechstunde des Hausarztes durch den Bereitschaftsdienst, ehe er in die Rettungsstelle ging. Zusätzlich ging aus der Studie hervor, dass Patienten, welche sich dem Internet bedienen und daher im Vorfeld nach ihren eventuellen Krankheiten „googeln“, häufiger die Rettungsstelle aufsuchten. (vgl. TK, 2017)
Schmiedhofer führte in ihrer Studie an, dass Zeitautonomie, eine umfassende Diagnostik und die Besorgnis um die eigene Gesundheit einige Motive von Patienten sind, um die vermeintlichen Vorteile einer Rettungsstelle zu nutzen. (vgl. Schmiedhofer, 2017, S. 13ff)
Bückmann beschreibt, dass Patienten die Rettungsstelle als autonomen Anlaufpunkt einer medizinischen Versorgung wahrnehmen. Sie begründen dies mit schwer verfügbaren Haus- und Facharztterminen, einer besseren, hochwertigeren Versorgung, als auch der Möglichkeit einer multidisziplinären Untersuchung wärend des Aufenthalts. (vgl. Bückmann, 2016)
Häufig wird das Versorgungsangebot der Rettungsstellen von Patienten subjektiv als qualitativ besser eingeschätzt. Ebenso oft wird das Vorhandensein verschiedener fachärztlicher Disziplinen sowie Möglichkeiten einer umfassenderen, apparativen Diagnostik im Krankenhaus fehlgedeutet. (vgl. Rupert, 2018, S. 16)
Gemäß Sicherstellungsauftrag (§75 SGB V) sollten ambulante Notfallpatienten an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr im vertragsärztlichen Bereich versorgt werden können. Kritische Situationen aus Sicht des Patienten kokettieren die Inanspruchnahme der Rettungsstellen eines Krankenhauses. (vgl. Köster et al, 2016, S.8)
Dennoch tragen die Rettungsstellen der NZ und NKH in Berlin bedeutsam zur sektorenübergreifenden Versorgung von Notfällen bei. Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales bekundete bereits 2013 nach einer Abfrage der Berliner Notfallkrankenhäuser, dass ca. 70% der behandelten Patienten ambulant blieben und nicht weiter stationär betreut werden mussten. (vgl. Krankenhausplan-Berlin, 2016, S.57)
Zu kontraproduktiven Konkurrenzsituationen zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Fachärzten führt der §116b SGB V7. (vgl. Bundesärztekammer, 2010)
„Der § 116b SGB V soll nicht eine breite und undifferenzierte Öffnung der Krankenhäuser für eine zusätzliche Erbringung ambulanter Leistungen bewirken, sondern der Ergänzung der ambulanten Versorgung bei hochspezialisierten Leistungen, bei seltenen Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderem Verlauf dienen.“ (ebd)
8.3 Rettungswesen der Berliner Feuerwehr
Die Berliner Feuerwehr wurde im Jahr 1851 gegründet und ist damit die älteste Berufsfeuerwehr Deutschlands. Mit ihren rund 4.200 Mitarbeitern und 35 Berufsfeuerwachen ist sie auch die größte Berufsfeuerwehr in Deutschland. (vgl. Berliner-Feuerwehr-Historie, 2016)
8.3.1 Aufgaben, Rechtsgrundlagen und Finanzierung
Aufgaben der Berliner Feuerwehr allgemein:
Aus dem allgemeinen Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung §3 (ASOG) aus dem Jahr 2006 und dem Gesetz §3 über die Feuerwehren im Land Berlin (FwG) gehen folgende Aufgaben hervor:
„Die Berliner Feuerwehr wird im Rahmen der Gefahrenabwehr hilfsweise tätig, soweit im Zusammenhang mit den ihr obliegenden Aufgaben eine Gefahr abzuwehren ist, deren Abwehr durch eine andere Behörde nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint. “ (ASOG-Berlin §3, 2006)
Das Feuerwehrgesetz Berlin §3 regelt die Aufgaben der Berliner Feuerwehr. Hierzu zählen die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit, die durch Explosionen, Überschwemmungen, Brände, Unfälle und kommensurable Geschehen entstehen. (vgl. FwG Berlin §3, 2003)
Aufgaben des Rettungsdienstes:
Im §5 des Gesetzes über den Rettungsdienst für das Land Berlin (RDG) sind die Aufgabenträger und die Beteiligungen beschrieben. Die Notfallrettung und der Notfalltransport werden als Ordnungsaufgabe der Berliner Feuerwehr wahrgenommen. Hilfsorganisationen wie das Deutsche Rote Kreuz, die Johanniter Unfallhilfe, [...], können mit einer Aufgabenwahrnehmung in öffentlich-rechtlicher Form beliehen werden. (vgl. RDG-§5, 2016)
[...]
1 Deutschland hebt sich durch eine flächendeckende und allgemein zugängliche Notfallversorgung im weltweiten Vergleich ab. Bedingt durch historisch-politisch gewachsene Strukturen und unterschiedliche geographische Rahmenbedingungen unterscheidet sich die Notfallversorgung in Deutschland.
2 Portalpraxen sind vertragsärztliche Notdienstpraxen an oder in Krankenhäusern, welche unabhängig des Triage-Prozesses vom Krankenhaus zu sprechstundenfreien Zeiten an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen Patienten versorgen, bei denen keine Behandlungsdringlichkeit besteht. (vgl. KV Berlin - Notdienstpraxen, 2016)
3 Medizinische Versorgungszentren sind Einrichtungen, in denen Ärzte als Vertragsärzte oder als Angestellte tätig sind. Da hier eine fachübergreifende, ambulante Versorgung angeboten wird, haben Patienten die Möglichkeit, sich in einer Praxisgemeinschaft sektorübergreifend behandeln zu lassen. (vgl. KV Berlin - Medizinisches Versorgungszentrum, 2006)
4 G-DRG ist die deutsche Anpassung des australischen DRG-Systems (AR-DRG), welches für alle Krankenhäuser seit 2004 Pflicht ist. Gemäß §17b KHG sind die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), der Verband der privaten Krankenversicherung (PKV) und die Spitzenverbände der Krankenkassen (GKV) zusammen für die Einführung eines... .pauschalierenden Entgeltsystems verantwortlich. Der Katalog G-DRG ist kapitelweise in Hauptdiagnosegruppen gegliedert. (vgl. Fischer, 2003, S. 3-12)
5 Trauma ist eine durch Gewalteinwirkung entstandene Verletzung oder Schädigung des Organismus. (vgl. Atzbach, 2016, S. 349-353)
6 Als Notfallpatienten werden alle Personen definiert, die sich in einem lebensbedrohlichen Zustand befinden oder die körperliche oder psychische Veränderungen im Gesundheitszustand aufweisen, bei denen schwere gesundheitliche Schäden zu befürchten sind, wenn sie nicht unverzügliche medizinische Hilfe und pflegerische Betreuung erhalten. (vgl. Schmidt, 2018, S. 13)
7 Der § 116b SGB V regelt die ambulante Behandlung in einem Krankenhaus. In diesem werden seltene Erkrankungen, hochspezialisierte Leistungen und schwere Verlaufsformen von Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen aufgeführt. Eine interdisziplinäre Behandlung durch ein Team von erfahrenen Fachärzten ist der Grundgedanke der ASV. (vgl. BMJV, 1988)
- Citation du texte
- Stefan Schade (Auteur), 2019, Die Nutzungsmotivation des Rettungsdienstes durch die Bevölkerung im Land Berlin. Eine empirische Fallstudie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1359726
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