Ziel dieser Arbeit war die Entwicklung einer Unterrichtsverlaufsplanung für das Praktikum „Instrumentelle Analytik“/Teilgebiet HPLC-Analytik. Diese sollte den besonderen
Bedingungen von Praktika im Pharmaziestudium gerecht werden. Die dazu eingangs geschilderte Problematik macht deutlich, daß die vorhandenen Bedingungen nicht optimal für die Erfüllung der Funktion der Praktika geeignet sind. Auf motivationaler Ebene wirken sich die unzureichende Anerkennung guter Lehre gegenüber guter Forschung sowie die hohe Lehr- und Betreuungslast negativ auf die Lehrkräfte aus. Die unzureichende pädagogische Ausbildung akademischer Lehrkräfte führt dazu, daß die guten Voraussetzungen für eine problemorientierte Lehrform an der Universität nur ungenügend genutzt werden.
Im Praktikum „Instrumentelle Analytik“/Teilgebiet HPLC-Analytik sollen Fähigkeiten auf dem Gebiet der Pharmazeutischen Chemie erworben werden, die in aufbauenden Praktika zu Fertigkeiten ausgebaut werden können, um eine berufliche Handlungskompetenz des
Absolventen zu erlangen. Fähigkeiten und Fertigkeiten können im Praktikum schwerpunktmäßig durch rezeptives oder problemorientiertes Lehren vermittelt werden. Gerade weil in zukünftigen Berufsanforderungen das Fachwissen allein nicht ausreicht, sind problemorientierte Ansätze gefragt, um die nötige Selbständigkeit und Variabilität der Lernenden zu fördern.
Nach Einführung in die Thematik des problemorientierten Lernens (POL) wurde auf ein Konzept nach TÜMMERS (A-V-EB-E-Konzept) fokussiert. Innerhalb dieser Arbeit konnte gezeigt werden, wie dieses Konzept für den Teilabschnitt HPLC-Analytik des Praktikums „Instrumentelle Analytik“ angewendet werden kann und daß es den besonderen Bedingungen im Pharmaziestudium gerecht wird. Das Konzept bietet grundsätzlich die Möglichkeit ohne größeren Zeitaufwand in modifizierter Form auf andere Teilgebiete des Praktikums „Instrumentelle Analytik“ angewendet werden zu können. Der geringfügig höhere Zeitaufwand sollte dabei in Kauf genommen werden.
GLIEDERUNG
1 VORBEMERKUNGEN
2 DIE PROBLEMATIK DER GESTALTUNG VON PRAKTIKA IN DER AUSBILDUNG VON PHARMAZIESTUDENTEN
2.1 Z UR FUNKTION VON P RAKTIKA IM PHARMAZIESTUDIUM
2.2 P ROBLEME BEI DER G ESTALTUNG DER PRAKTIKA IM PHARMAZIESTUDIUM
2.2.1 PÄDAGOGISCHE AUSBILDUNG UND MOTIVATION DER AKADEMISCHEN LEHRKRÄFTE
2.2.2 ANDERE BEDINGUNGEN FÜR DIE DURCHFÜHRUNG VON PRAKTIKA
2.3 F RAGESTELLUNGEN ZUR GESTALTUNG SOLCHER PRAKTIKA
2.4 M ETHODISCHES VORGEHEN
3 METHODEN ZUR HERAUSBILDUNG VON FÄHIGKEITEN UND FERTIGKEITEN IM PRAKTIKUM
3.1 B EGRIFFE : FÄHIGKEIT , FERTIGKEIT
3.1.1 INTENTIONALITÄT VON FÄHIGKEITEN UND FERTIGKEITEN
3.1.2 BEGRIFFLICHKEITEN
3.2 D IDAKTISCHE KONZEPTE FÜR DAS PRAKTIKUM
3.2.1 VORBEMERKUNGEN
3.2.2 PROBLEMORIENTIERTES LERNEN (POL) UND PROBLEMORIENTIERTE ANSÄTZE
3.2.2.1 Zum Begriff Problem
3.2.2.2 Problemlöseprozeß
3.2.2.3 POL nach TÜMMERS
3.2.2.3.1 Problemstellung
3.2.2.3.2 Problemstrukturierung
3.2.2.3.3 Lösungssuche
3.2.2.3.4 Lösungsprüfung
3.2.2.3.5 Lösungsbereitstellung
3.2.2.3.6 Schlußbemerkung zu den diskutierten Konzepten
3.2.2.3.7 A-V-EB-E-Konzeption
3.2.2.4 Die Rolle des Lehrenden und Bedingungen für POL
3.2.2.5 Die Herausbildung von Fähigkeiten und Fertigkeiten im Praktikum mit Hilfe von POL
4 PLANUNG DER STOFFEINHEIT „HPLC-ANALYTIK“ IM PRAKTIKUM „INSTRUMENTELLE ANALYTIK“ FÜR PHARMAZIESTUDENTEN
4.1 D AS P RAKTIKUM „I NSTRUMENTELLE A NALYTIK “
4.2 U NTERRICHTSVERLAUFSPLANUNG DER S TOFFEINHEIT „HPLC-A NALYTIK “
4.2.1 ALLGEMEINE UNTERRICHTSBEDINGUNGEN
4.2.2 VORBEREITUNG DES ARBEITSPLATZES UND DER ARBEITSMITTEL
4.2.3 LEHRZIELE
4.2.4 THEMATIK
4.2.5 ÜBERSICHT
4.2.6 BESCHREIBUNG DER UNTERRICHTSVERLAUFSPLANUNG
4.2.6.1 Problemstellung
4.2.6.2 Problemstrukturierung
4.2.6.3 Lösungssuche
4.2.6.4 Lösungsprüfung
4.2.6.5 Lösungsbereitstellung
4.2.6.6 Bewertung der Unterrichtsverlaufsplanung
5 ZUSAMMENFASSUNG
6 LITERATURVERZEICHNIS
7 DANKSAGUNG
8 ANLAGEN
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
„Die deutschen Universitäten sind der Stolz unserer Nation, unvergänglich scheint uns ihr Glanz, ... und doch beginnen seit einiger Zeit Schatten aufzusteigen, die uns um die Wahrung des alten Glanzes ernstlich besorgt machen müssen, so viel auch gerade neuerdings für die äußere Ausstattung des akademischen Unterrichts gethan wird ... Ist vielleicht der Universitätsunterricht selber verbesserungswürdig?“ (BERNHEIM 1898)
1 Vorbemerkungen
Wie die eingangs zitierten Zeilen von BERNHEIM belegen sollen, war auch schon vor mehr als 100 Jahren eine Unzufriedenheit mit der universitären Lehrqualität vorhanden. Dieser Problemkreis ist auch heute noch aktuell. Zudem gewinnt er im Rahmen von Plänen zum Stellenabbau an den Universitäten und der damit einhergehenden Evaluation zusätzlich an Bedeutung. An moderner technischer Ausstattung mangelt es an deutschen Universitäten nicht; viele neue, zeitgemäße Forschungsstätten sind in den letzten Jahren entstanden. Die Qualität der Lehre läßt dennoch zu wünschen übrig: es existiert ein Mangel an guten pädagogischen Konzepten für universitäre Lehrveranstaltungen, insbesondere in den Naturwissensschaften. Eine mögliche Erklärungsgrundlage stellt die größtenteils fehlende pädagogische Ausbildung akademischer Lehrkräfte in diesem Wissenschaftszweig dar. Neben der hohen Betreuungslast tragen verschiedene andere Bedingungen zusätzlich zur Demotivierung der Lehrenden bei. Die verbreitete rezeptive Lehrform ist für die Vermittlung zukünftiger Berufsanforderungen nur ungenügend geeignet. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit praxisorientierte, sowie leicht handhabbare Konzepte zu entwickeln, die diesen besonderen Bedingungen an den Hochschulen gerecht werden können.
In der vorliegenden Arbeit soll ein Baustein für eine verbesserte Lehre und zukunftsorientierte Ausbildung der Studenten, speziell im Praktikum des Pharmaziestudiums entwickelt werden.
Anmerkungen:
Grundsätzlich soll in der bearbeiteten Thematik die Interaktion zwischen Lehrendem und Lernendem im Mittelpunkt stehen. Nicht immer werden diese Personen in den zahlreichen, zitierten Veröffentlichungen, welche z.T. auch aus der Berufsausbildung (und nicht aus der Hochschuldidaktik) stammen, so bezeichnet. Deshalb gelten synonym für Lehrende auch die Begriffe Lehrer, Lehrkraft, Pädagogen und Praktikumsleiter bzw. für Lernende werden die Begriffe Schüler, Studenten, Lehrlinge sowie Auszubildende eingesetzt.
Grammatisch maskuline Personenbezeichnungen in dieser Arbeit gelten ebenso für Personen weiblichen Geschlechts.
2 Die Problematik der Gestaltung von Praktika in der Ausbildung von Pharmaziestudenten
2.1 Zur Funktion von Praktika im Pharmaziestudium
Lehre und Forschung sind die Hauptaufgaben der Hochschule. Zur Lehrverpflichtung heißt es in § 7 des Hochschulrahmengesetz (HRG): „Lehre und Studium sollen den Studenten auf ein berufliches Tätigkeitsfeld vorbereiten und ihm die dafür erforderlichen fachlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Methoden ... vermitteln ... .“
Die Lehrveranstaltungen an Hochschulen und Universitäten können in verschiedenen Formen durchgeführt werden. Neben Vorlesungen existieren Seminare, Übungen, Exkursionen und Praktikumsveranstaltungen. Während Vorlesungen die Aufgabe haben, theoretisches Wissen in Form von Lehrvorträgen zu vermitteln, wird in Seminaren und Übungen ein größeres Augenmerk auf die Aneignung von theoretischem Wissen durch ein gelenktes Gespräch oder auch Gruppenarbeit gelegt. Exkursionen dienen als Anschauungsunterricht außerhalb der Hochschule.
Laut Studienordnung des Studiengangs Pharmazie an der Universität Leipzig ist die Funktion von Praktika folgendermaßen definiert: „Erwerb ... von Kenntnissen durch Bearbeitung praktischer und experimenteller Aufgaben im Zusammenhang mit der Erarbeitung wissenschaftlicher Grundlagen, Erkenntnissen und Methoden. Eine praktische Lehrveranstaltung gliedert sich in einen praktischen und einen theoretischen Teil.“ D.h. es werden praktische Aufgabenstellungen zur Erarbeitung von Methoden genutzt; Praktika sollen also zur Aneignung von praktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten dienen, die verbunden mit theoretischen Kenntnissen und Erkenntnissen vermittelt werden. Dem letztgenannten Aspekt trägt besonders die Tatsache Rechnung, daß auch praktische Lehrveranstaltungen einen theoretischen Teil enthalten sollen. Dieser sollte jedoch nur eine kurze theoretische Einführung sein und stellt keinesfalls den Ersatz für die dazugehörige Vorlesung/Seminar dar. Deshalb ist es unbedingte Voraussetzung, daß thematisch verbundene Vorlesungen zu den jeweiligen Praktikumsveranstaltungen zeitlich korrelieren.
Das Pharmaziestudium in Deutschland (vgl. Approbationsordnung; AAppO) gliedert sich analog zu Berufsausbildungen im Dualen System in 3 Stufen. Die fünfjährige Ausbildung umfaßt ein jeweils zweijähriges Grund- und Hauptstudium sowie eine einjährige außeruniversitäre Stufe. Dementsprechend dienen die Lehrveranstaltungen der ersten Stufe mehr zur Vermittlung von Grundkenntnissen bzw. Fähigkeiten im Praktikum. Darauf aufbauend zielt das Hauptstudium auf die Ausbildung von Erkenntnissen in den theoretisch orientierten Lehrveranstaltungen und Fertigkeiten in den Praktika ab. In der letzten außeruniversitären Phase steht die Ausbildung der beruflichen Handlungskompetenz im Vordergrund, so daß die Absolventen ausreichend für eine berufliche Tätigkeit in der öffentlichen Apotheke, der Krankenhausapotheke oder in der Industrie, vorbereitet sind. Aber auch die universitäre Ausbildung, also die Veranstaltungen im Grund- und Hauptstudium, sollen schon einen „ ... Bezug zur Praxis ...“, herstellen (§ 8, Sächsisches Hochschulgesetz - SHG).
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Funktion von Praktika im Pharmaziestudium in der Herausbildung von praktischen, theoretisch untermauerten Fähigkeiten und Fertigkeiten besteht, die zum Bestehen von Prüfungsleistungen befähigen und damit zur Erlangung praxisorientierter, beruflicher Handlungskompetenz führen.
2.2 Probleme bei der Gestaltung der Praktika im Pharmaziestudium
2.2.1 Pädagogische Ausbildung und Motivation der akademischen Lehrkräfte
Obwohl Lehre und Forschung als gleichberechtigte Aufgaben der Hochschulen definiert sind, ist ein problemlos-funktionierender Ablauf von Lehrveranstaltungen immer noch das Idealbild universitärer Lehre. Für die Mitarbeiter ist die Lehre nur ein Segment ihrer wissenschaftlichen Aktivitäten; ihr beruflicher Werdegang ist primär vom Erbringen wissenschaftlicher Forschungsleistungen abhängig. Zudem spielt eine pädagogische Ausbildung innerhalb des Studiums bis zur Erlangung einer universitären Lehrbefugnis, der Habilitation, keine Rolle. Ein naturwissenschaftliches Hochschulstudium, wie z.B. das Pharmaziestudium umfaßt keine pädagogischen Inhalte. Selbst innerhalb des Habilitationsverfahrens reicht eine Probevorlesung zur Erlangung der Lehrerlaubnis aus. Habilitation und Lehrbefugnis für eine Universität werden zwar letztendlich getrennt vergeben, der Aufwand für die fachliche Qualifizierung ist jedoch ungleich höher, als für die Anerkennung der pädagogischen Eignung. Lt. § 8 SHG sollen „ ... Formen der Lehre und des Studiums ... den methodischen und didaktischen Erkenntnissen entsprechen ...“, das heißt nicht, daß die Universität zur höheren Lehranstalt mutieren sollte, sondern Forschung UND Lehre als gleichberechtigte Aufgabenbereiche gelten, über die sich Universität definiert.
Demgegenüber steht noch die traurige Tatsache, daß die Hochschulmitarbeiter ihr pädagogisches Defizit mitunter nicht erkennen. So hat z.B. eine Umfrage an österreichischen Hochschulen ergeben (LEITNER 1993 S. 59), daß Probleme in der Lehre in folgenden ausgewählten Bereichen gesehen werden: „Strukturelle Gestaltung und Form der Lehrveranstaltungen“, d.h. z.B. „Arbeit in z.T. sehr lauten Räumen“, „Arbeit ... an gefährlichen Geräten“, „Vor- und Nachteile von Blocklehrveranstaltungen“, „Aufbereitung des Lehrstoffes“ oder „Rhetorikprobleme“, „methodisch-didaktische Fragen spezifischer Details einzelner Lehrformen und –veranstaltungen“. Daran läßt sich erkennen, daß vermutlich kein Bedarf an einer Einführung in die allgemeine Didaktik besteht, kein Mangel an pädagogischen Konzepten erkannt wurde und es damit überhaupt schwer sein dürfte, didaktische Konzepte einzuführen.
Obwohl nur Habilitierte eine pädagogische Eignung nachweisen müssen, werden Praktika zum überwiegenden Teil von Nichthabilitierten durchgeführt. Meistens ist dies der Job der Mittelbauvertreter oder Doktoranden. Die letztgenannten belastet dieses zusätzlich zur wissenschaftlichen Arbeit und erscheint bei Nichteinschlagen der Hochschullaufbahn nutzlos und lästig. So ist auch verständlich, daß Dienstleistungen oder auch Forschungsaufträge dieser Lehrkräfte in die Praktika integriert werden sollen. Solche Forschungspraktika sind mitunter didaktisch sehr schwer zu planen, da die Aufgaben nicht immer klar formuliert werden.
Ohne pädagogische Ausbildung werden sich Lehrkräfte zunächst an dem orientieren, was sie selber im eigenen Studium erlebt haben und diese Vermittlungsform als normal ansehen. Oder wie TÜMMERS (1980, S. 50) schreibt: „Problemorientierter Unterricht wird von Ausbildern ... eher realisiert werden, wenn sie dies ... bereits im Studium durch eigenes problemlösendes Denken und Lernen erfahren .“ Die obengenannte Bestrebung Forschungsaufgaben ins Praktikum einzubeziehen, bietet die Möglichkeit, einem problemorientierten Ansatz Rechnung zu tragen. Jedoch wird damit den zumeist älteren Lehrbeauftragten auch die Sicherheit der rezeptiven Vermittlungsform genommen. Das stellt einen Grund dafür dar, warum auch in Praktika an Hochschulen immer noch diese Darbietungsform vorherrscht. Im Gegensatz dazu sind problemorientierte Ansätze praxisorientiert, da sie die These unterstützen, daß Fachwissen allein in der heutigen Berufswelt nicht ausreicht, sondern auch Problemlösefähigkeiten wichtig sind. Dazu finden sich leider nur vereinzelte Konzepte an Universitäten, so z.B. Fallstudien und Planspiele in den Wirtschaftswissenschaften, der Medizin, der Juristik und sogar der Pharmazie (vgl. FREIMANN und SCHWADERLAPP 1994; PFAFF 1997; HÖLSCHER 2000). Auf weitere Vor- und Nachteile der Gestaltungsformen soll später noch eingegangen werden.
Auf motivationaler Ebene ist an erster Stelle der hohe Lehr- und Betreuungsaufwand der Lehrkräfte durch große Studentenzahlen zu berücksichtigen. Ein vereinfachtes Rechenbeispiel soll dies anhand eines fiktiven Pharmazieinstituts exemplarisch belegen.
Derzeit können bis zu 50 Studenten in einem Jahrgang Pharmazie studieren. In 4 Jahrgängen heißt das eine Studentenanzahl von 200. 15 festangestellte Mitarbeiter mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 h sind am Institut für Pharmazie derzeit beschäftigt. Geht man vereinfacht davon aus, daß jeder davon 12 h1 Lehre ableisten muß, so ergeben sich 180 h an Lehre, die vergeben werden können. Im Pharmaziestudium ist die durchschnittliche wöchentliche Studienzeit mit 31 h festgelegt, d.h. für alle Studenten ist ein Lehrkontingent von 31 h x 4 Jahrgänge x 200 Studenten zu erbringen, also ca. 25.000 h. Diese 25.000 h verteilen sich auf das oben ermittelte Lehrdeputat der Mitarbeiter von 180 h. Das entspricht einem Schlüssel von ca. 140 Studenten pro einem Mitarbeiter. Dieser Schlüssel kann sich in zwei Hinsichten verändern: zum einen wird er besser, wenn man davon ausgeht, daß es Lehrveranstaltungen gibt, in denen 1 Mitarbeiter mehr als 50 Studenten betreut (z.B. Vorlesungen) oder berücksichtigt wird, daß nicht alle Veranstaltungen von den Mitarbeitern des Institutes, sondern auch von Mitarbeitern anderer Institute der Fakultät durchgeführt werden. Grundsätzlich ist der Lehrimport am Institut aber kleiner als der Lehrexport, so daß sich der Schlüssel von Student pro Lehrpersonal letztendlich sogar verschlechtert.
Außerdem stehen dem Institut noch weitere Mitarbeiter, wie z.B. Projektmitarbeiter und Doktoranden zur Verfügung. Dabei sind hier die ausschließlich aus Projekten, Stipendien oder auch als wissenschaftliche Hilfskräfte beschäftigen Mitarbeiter gemeint, die kein Lehrdeputat abzuleisten haben. Zur Zeit beträgt die Anzahl dieser Mitarbeiter ca. 20. Diese sind ausschließlich in Praktika beschäftigt. Nimmt man für diese vereinfacht jeweils 16 h Lehre an, ergibt sich ein zusätzliches Potential von 320 h. Das Gesamtlehrdeputat erhöht sich dann auf 500 h für alle Studenten und der Schlüssel von Student pro Lehrer verbessert sich auf 50:1. In der Gruppe dieser Mitarbeiter finden sich aber z.T. Doktoranden, die ausschließlich mit der Erarbeitung ihrer Dissertation beschäftigt sein sollten. Dementsprechend sollten sie eigentlich als „Tüpfel auf dem i“ bzw. als Feuerwehr in Notsituationen gesehen werden.
Negativ auf den Lehr-Schlüssel wirken sich auch Praktikumsveranstaltungen, wie z.B. das Praktikum „Instrumentelle Analytik“, aus, da hier ein Schlüssel von 3:1 nötig ist, um die Inhalte zu vermitteln. Praktika sind außerdem per se betreuungsintensiver als Vorlesungen.
Nimmt man auch hier vereinfacht an, daß sich Vorlesungsbetreuung (>50:1) gegen ausgewählte Praktika (3:1) gegenseitig beeinflussen, scheint der ermittelte Schlüssel von 50:1 realistisch.
Er gilt für die Vorlesungszeit unter Einbeziehung aller am Institut für Pharmazie angestellten Mitarbeiter.
2.2.2 Andere Bedingungen für die Durchführung von Praktika
Wie bereits schon angeklungen ist, unterscheidet man zwei mögliche Formen von Praktika: Großpraktika und Gruppenpraktika. - Wenn sich Studenten zur gleichen Zeit im selben Praktikumsabschnitt und damit meistens im selben Arbeitsraum befinden, handelt es sich um ein Großpraktikum. Dabei gibt es in der Regel einen Praktikumsleiter, der von Praktikumshelfern unterstützt wird. Diese Form wird gewählt, wenn Grundtechniken, wie z.B. die anorganische Analytik oder die organische Synthese Inhalte dieser Veranstaltung sind.
Im Gruppenpraktikum werden die Studenten in Arbeitsgruppen von bis zu 4 Teilnehmern eingeteilt. Alle Gruppen absolvieren den gleichen Praktikumsabschnitt, aber in zeitlich versetzter Form. Dabei gibt es in der Regel auch verschiedene Veranstaltungsorte. So werden im Praktikum „Instrumentelle Analytik“ verschiedene analytische Techniken direkt an den Routinearbeitsplätzen der Mitarbeiter durchgeführt, da die Geräte oftmals sehr teuer sind und nicht separat für das Praktikum angeschafft werden können. So wird dann der Routinearbeitsplatz zum Praktikumsplatz der Studenten; nicht jeder Arbeitsplatz ist dazu ohne weiteres geeignet. Allerdings überwiegt der Vorteil der Praxisorientierung durch die direkte Tätigkeit am potentiellen Arbeitsplatz. Trotzdem sollte nicht unerwähnt bleiben, daß dieser Arbeitsplatz nur für den geringsten Teil der Studenten der spätere Arbeitsplatz sein dürfte. Die meisten Absolventen sind in einer öffentlichen Apotheke beschäftigt. Zur Vertiefung der theoretischen Grundlagen für die Anwendung in der täglichen Praxis als Apotheker sind diese Veranstaltungen dennoch gut geeignet.
Auch im Gruppenpraktikum ist der Praktikumsleiter verantwortlich für die Einteilung und den Inhalt der Abschnitte. Die einzelnen Praktikumsabschnitte werden allerdings relativ eigenverantwortlich von den jeweiligen Mitarbeitern durchgeführt. Es liegt auf der Hand, daß diese Form von vornherein eines höheren, nicht nur personellen Aufwandes bedarf. Deshalb wird diese Form weitgehend vermieden, da, so führt LEITNER (1993 S. 58) aus: „Teilen der Studenten in kleine Arbeitsgruppen erhöht den Praktikumsaufwand und führt zur mehrfachen Wiederholung des Stoffes und damit zur Ermüdung des Lehrpersonals bzw. zur Nachlässigkeit des Vorführenden. ... Projektstudium (als Form von POL, Anm. d. Verf.) wird von Lehrkräften gefürchtet wegen des drastisch erhöhten Betreuungsaufwandes.“ Er betont aber gleichzeitig: „Massenveranstaltungen sind unbefriedigend für die Teilnehmer.“ Insgesamt betrachtet sind Gruppenpraktika bei ausreichender personeller Kapazität die anzustrebende Veranstaltungsform.
Daneben spielen noch andere Faktoren eine Rolle, so z.B. daß Vorlesung und Praktikum nicht miteinander korrelieren. Hier liegen die Ursachen oft in den Studienplänen oder aber auch darin, daß die Reihenfolge der Vorlesungsthemen nicht der Reihenfolge im Praktikum entspricht. Bessere Abstimmung ist hier notwendig und sinnvoll.
Aber auch das Problem der fehlenden Kontrolle bzw. der Bewertung und Leistungsbeurteilung stellt sich. In Vorlesungen gibt es Klausuren, in Großpraktika, wie der quantitativen anorganischen Analyse können Gehaltsermittlungen von Arzneistoffen bewertet werden. Wie aber sollte eine Bewertung in einem problemorientierten Praktikum ausssehen? In jedem Fall sollte den Studenten zu Ende der Veranstaltung ein Feedback gegeben werden. Ein Bestehen des Abschnittes kann so z.B. durch ein Abschlußgespräch oder die Anfertigung eines Protokolls erfolgen.
Abschließend kann zusammengefaßt werden, daß die dargestellte Problematik erkennen läßt, daß nicht alle Bedingungen geeignet sind, um die Funktion der Praktika optimal zu erfüllen. Jedoch wirkt die oben dargestellte hohe Betreuungs- und Lehrbelastung nicht motivierend auf die Erstellung neuer Konzepte durch die Lehrkräfte. Gerade deshalb sind praxistaugliche Konzepte gefragt, die Lehrbeauftragte unter den genannten Bedingungen pädagogisch handlungsfähig machen können. Es mangelt gerade an praktikablen Lösungen für eine praxisnahe, problemorientierte Lehre. Einen Beitrag für die Durchführung von Praktikums-veranstaltungen innerhalb des Pharmaziestudium soll diese Arbeit liefern.
2.3 Fragestellungen zur Gestaltung solcher Praktika
Aus der dargestellten Problematik ergeben sich folgende Fragestellungen:
- Was versteht man unter Fähigkeiten und Fertigkeiten?
- Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten sollen in pharmazeutisch-chemischen Praktika, speziell im Praktikum „Instrumentelle Analytik“/ Teilgebiet HPLC-Analytik erworben werden?
- Welche Methoden zur Herausbildung von Fähigkeiten und Fertigkeiten im Praktikum gibt es?
- Welche Methode eignet sich besonders um Fähigkeiten und Fertigkeiten im Praktikum „Instrumentelle Analytik“ herauszubilden?
- Kann ein Konzept für den Teilabschnitt HPLC-Analytik dieses Praktikums entwickelt werden, das den besonderen Bedingungen im Pharmaziestudium gerecht wird?
- Ist dieses Konzept auch von pädagogisch gering qualifizierten Lehrkräften anwendbar bzw. auf andere Teilabschnitte leicht übertragbar?
2.4 Methodisches Vorgehen
Die oben gestellten Fragen sollen unter folgender Vorgehensweise beantwortet werden:
1. Klärung der Begriffe Fähigkeit und Fertigkeit unter Einbeziehung des didaktischen Modells nach HEIMANN und Nutzung von Definitionen aus der Arbeitspsychologie.
2. Erläuterungen zu didaktischen Konzepten für das Praktikum.
3. Vergleich verschiedener problemorientierter Ansätze und Fokussierung auf ein Konzept nach TÜMMERS (A-V-EB-E-Konzept).
4. Erstellung und Bewertung einer Unterrichtsverlaufsplanung nach diesem Konzept.
3 Methoden zur Herausbildung von Fähigkeiten und Fertigkeiten im Praktikum
3.1 Begriffe: Fähigkeit, Fertigkeit
3.1.1 Intentionalität von Fähigkeiten und Fertigkeiten
Zunächst soll geklärt werden, inwieweit die Absicht des Lehrenden, Fähigkeiten und Fertigkeiten im Unterricht zu vermitteln, in der Unterrichtsplanung berücksichtigt werden kann. Dazu soll ein didaktisches Modell nach HEIMANN, das als Lerntheoretische Didaktik bezeichnet wird, herangezogen werden. Den Mittelpunkt dieses Modells bildet die sogenannte Strukturanalyse des Unterrichts. Dabei werden vier Entscheidungs- und zwei Bedingungsfelder unterschieden (siehe Abbildung 1).
Unter Entscheidungsfeldern sollen dabei die Komponenten verstanden werden, die bei der Planung des Unterrichts berücksichtigt werden bzw. über die der Lehrende eine Entscheidung fällen muß, verstanden werden. Das Entscheidungsfeld der Intentionalität soll im folgenden näher betrachtet werden. Darunter versteht HEIMANN (1976, S. 122) die pädagogischen Absichten, die im Unterricht verfolgt werden sollen oder auch die Antwort auf die Frage „Was beabsichtigt der Lehrer eigentlich in seinem Unterricht?“. Diese Intentionen können nach einer bestimmten Weise geordnet werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1: Anordnung und Beziehungen der Entscheidungs- und Bedingungsfelder in der Lerntheoretischen Didaktik (nach JANK und MEYER 1997, S. 193). Graue Markierung zur besseren Hervorhebung, des im weiteren wichtigen Entscheidungsfeldes nach Ansicht der Autorin.
Dabei unterscheidet er (HEIMANN 1976, S. 125) verschiedene, anthropologisch begründbare Dimensionen:
1. pragmatisch-dynamische Absichten (auf das Handeln gerichtet)
2. kognitiv-aktive Absichten (auf das Denken bezogen)
3. pathisch-affektive Absichten (auf das Fühlen bezogen).
HEIMANN (vgl. 1976, S. 128) führt weiter aus, daß diese Dimensionen stärker oder schwächer, d.h. also in verschiedenen Qualitätsstufen, verwirklicht werden können. Jeder der drei Dimensionen werden jeweils vier Stufen zugeordnet, so daß sich ein „Ordnungsmodell“ in Form eines Dreiecks ergibt (siehe Abbildung 2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Modell zu den Stufen und Dimensionen der Intentionalität nach HEIMANN (1976, S.125). Kursiv und in grauer Schrift eingeführt die Einordnung der Fähigkeiten in dieses Schema unter Berücksichtigung der Definition nach HACKER (1980, S. 305) siehe auch 3.1.2.
HEIMANN (1976, S. 127) erläutert in diesem Zusammenhang auch die wichtigsten Gesichts-punkte zum Schema aus Abbildung 2. Er weist zunächst darauf hin, daß „ ... diese drei Dimensionen immer in engster Verflechtung auftreten.“ D.h. keine dieser Dimension kann isoliert vermittelt werden, aber so HEIMANN (1976) weiter: „ ... muß der Lehrer wissen, welche dieser Dimensionen jetzt gerade schwerpunktmäßig ... aktualisiert wird.“ Das letztgenannte bezeichnet HEIMANN (1976, S. 139) als Gesetz der permanenten Induktion. Dies formulieren JANK und MEYER (1997, S. 207) folgendermaßen: „Kein Unterrichtsinhalt kann nur in einer einzigen Dimension bearbeitet werden. Vielmehr durchdringen sich ... Fertigkeiten, Kenntnisse usw. ... sie induzieren einander.“ Neben der Dimension sollte sich der Lehrende auch darüber im Klaren sein, auf welcher Stufe er den jeweiligen Gegenstand zum Inhalt machen will; HEIMANN (1976, S. 137f.) formuliert dies als Gesetz der dimensionalen Bereicherung.
HEIMANN (vgl. 1976, S. 123) betont, daß Lernen eine Form des Handelns ist, der Lernende selbst ein Handelnder. „Deshalb sei die Dimension, die mit dem Antrieb zum Handeln verbunden ist, die wichtigste ... , die pragmatisch-dynamische ... .“ (JANK und MEYER 1997, S. 205). Schon bei der Planung des Unterrichts sollte sich der Lehrende darüber bewußt sein, welche Dimension und Stufe er ansprechen will. Zur Einordnung kann das Schema aus Abbildung 2 verwendet werden. In der vorliegenden Arbeit wird beabsichtigt, Fähigkeiten und Fertigkeiten in der HPLC-Analytik zu vermitteln. Was aber versteht man unter Fähigkeiten und Fertigkeiten?
3.1.2 Begrifflichkeiten
Der Begriff Fähigkeit ist zunächst doppeldeutig: man kann zum einen „ ... das totale Entwickeltsein eines Menschen ...“ darunter verstehen, aber auch den Anfang des Könnens, so HEIMANN (1976, S. 134). Beide Begriffe, sowohl Fähigkeit, als auch Fertigkeit gehören danach in die wichtigste Dimension, die pragmatisch-dynamische. Vergleicht man diese Begriffsformulierung mit der nach HACKER (1980, S. 305), nämlich: „Fähigkeiten sind in der Lebensgeschichte entstandene komplexe Eigenschaften, die das Ausführen von Tätigkeiten ermöglichen. Sie stellen verfestigte Systeme verallgemeinerter psychischer Prozesse dar, die den Tätigkeitsvollzug steuern.“ und „Fähigkeiten betreffen hauptsächlich kognitive ... intellektuelle (gedanklich analysierende und synthetisierende) Vorgänge.“; so stellt man Unterschiede fest. Dementsprechend wird in Abbildung 2 versucht, die Fähigkeiten (kursiv und in grauer Schrift) danach einzuordnen, womit der kognitive Aspekt der Fähigkeit stärker betont wird.
[...]
1 Bei Annahme von 8 h Lehrbelastung pro Woche, Vorlesung mit Faktor 1; Praktikum mit Faktor 0,5 gewertet, sowie Annahme, das 50% der Lehre Praktikumsveranstaltungen sind. Also (8 h) + (2 * 8 h) = 24 h : 2 = 12 h
- Citar trabajo
- Sylvia Kaap (Autor), 2000, Didaktisch-methodisches Vorgehen im Praktikum „Instrumentelle Analytik“ für PharmaziestudentInnen zur Herausbildung von Fähigkeiten und Fertigkeiten in der HPLC-Analytik, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135909
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