Gleichberechtigung und Gleichstellung ist in den politischen und öffentlichen Diskursen häufig Thema. Hier soll die Thematik mit Hilfe des Vergleiches der Gleichstellungpolitik in Schweden und
Deutschland auf Grundlage der Vorgaben des Gender Mainstreaming durch die Europäische Union untersucht werden.
Dazu werden im ersten Abschnitt zuerst der Begriff und die Methode des GenderMainstreaming vor dem Hintergrund ihrer Entwicklung in den Blick genommen. Kurz sollen auch mögliche Kritiken sowie ihre Grenzen aufgezeigt werden. Anschließend wird im Hauptteil der Arbeit ein Ländervergleich zwischen Schweden und Deutschland vorgenommen. Dabei werden zunächst die Besonderheiten der beiden Staaten vorgestellt sowie verschiedene Ebenen und Dimensionen eines möglichen Vergleiches aufgezeigt und schließlich die beiden Länder vergleichend gegenüber gestellt.
In der anschließenden Überlegung soll noch einmal darauf eingegangen werden, unter welchen Bedingungen Gender Mainstreaming hier umgesetzt wird und was für Folgerungen
daraus möglicherweise gemacht werden können.
Inhalt
Einleitung
1 Gendermainstreaming
2 Ländervergleich
2.1 Methodik
2.2 Vorgaben auf EU-Ebene
2.3 Gleichstellungspolitik in Schweden
2.4 Gleichstellungspolitik in Deutschland
2.5 Vergleich beider Gleichstellungspolitiken
2.5.1 Tabellarischer Vergleich
2.5.2 Zusammenfassung in Textform
3 Ausklang
Literatur
Einleitung
Gleichberechtigung und Gleichstellung ist in den politischen und öffentlichen Diskursen häufig Thema.[1] So stieß auch ich im Zusammenhang mit der Literatur zum Modul Sozialpolitik immer wieder auf dieses Thema und habe Lust bekommen mich tiefer mit ihm zu beschäftigen. Daraus ist die vorliegende Arbeit entstanden.
Hier soll die Thematik mit Hilfe des Vergleiches der Gleichstellungpolitik in Schweden und Deutschland auf Grundlage der Vorgaben des Gender Mainstreaming durch die Europäische Union untersucht werden.
Dazu werden im ersten Abschnitt zuerst der Begriff und die Methode des Gender Mainstreaming vor dem Hintergrund ihrer Entwicklung in den Blick genommen. Kurz sollen auch mögliche Kritiken sowie ihre Grenzen aufgezeigt werden. Anschließend wird im Hauptteil der Arbeit ein Ländervergleich zwischen Schweden und Deutschland vorgenommen. Dabei werden zunächst die Besonderheiten der beiden Staaten vorgestellt sowie verschiedene Ebenen und Dimensionen eines möglichen Vergleiches aufgezeigt und schließlich die beiden Länder vergleichend gegenüber gestellt.
In der anschließenden Überlegung soll noch einmal darauf eingegangen werden, unter welchen Bedingungen Gender Mainstreaming hier umgesetzt wird und was für Folgerungen daraus möglicherweise gemacht werden können.
1 Gendermainstreaming
Zunächst soll der Begriff des Gender Mainstreaming für seine Verwendung in dieser Arbeit geklärt werden. Gender meint im Unterschied zu Sex: „soziales, kulturell bedingtes Geschlecht“ und damit die „Rollen, Rechte und Pflichten von Frauen und Männern.“[2] Mainstream meint, dass hier eine Grundhaltung in allen Prozessen und Entscheidungen wirksam werden muss. Grundgedanke hierfür ist, dass es kein Handeln gibt, dass an sich geschlechtsneutral ist. Deshalb soll in jeder Entscheidung bedacht werden, wie sich diese wohl auf die verschiedenen (nicht mehr nur Frauen werden bedacht!) Geschlechter auswirken wird.[3] Gender Mainstreaming ist damit ein „Verfahren zur Verwirklichung von Geschlechtergerechtigkeit“[4]. Diese Methode ist einsetzbar für Institutionen, Organisationen und Unternehmen. Sie funktioniert Top-Down und umfasst Zielsetzung, Ist-Erhebung, Training, Implementierung, ständige Reflexion und Evaluation.[5]
Schwerma stellt die Entwicklung des Gender Mainstreaming dar und zeigt in seinem Artikel wesentliche Kritikpunkte auf. Diese möchte ich daran angelehnt im Folgendem kurz ausführen: Gender Mainstreaming hat seine Wurzeln in der Entwicklungspolitik und zwar in den feministischen Bewegungen der Entwicklungspolitik. Erstmals wurde diese Strategie 1985 auf der Weltfrauenkonferenz der United Nations vorgestellt. In den United Staates of Amerika entwickelten sich in den folgenden Jahren mit der „management diversity“ geschlechtsbezogene Methoden der ressourcenorientierten Unternehmenspolitik. Diese hatten allerdings mehr einen ökonomischen als einen sozialen Hintergrund. Im Jahr 1995 wurde auf der Weltfrauenkonferenz die Forderung nach der Weltweiten Umsetzung von Gender Mainstreaming laut.[6] Im darauf folgenden Jahr verpflichtete sich die Europäische Union auf die Gleichstellung durch Gender Mainstreaming als Übergeordnetes Ziel.[7]
Kritik an dieser Methode wurde auf verschiedenen Ebenen geleistet: Zum einen wird hinterfragt, in welchem Interesse Gender Mainstreaming stattfinden soll. Geht also es vor allem um Gleichstellung von Männern und Frauen oder ökonomische Interessen?[8] Denn sowohl Frauenpolitik und Frauenforschung sowie auch Männerpolitik und Männerforschung finden sich in diesem Konzept nicht vollständig wieder.[9] Außerdem werden Stimmen laut, die meinen, durch die Beleuchtung der zwei Geschlechter im Gender Mainstreaming werden Rollenbilder weiter zementiert und Möglichkeiten geschlechtsunabhängiger Identität verbaut.[10]
Schwerma macht im Weiteren deutlich, dass das Gelingen von Gender Mainstreaming abhängig ist von der ausgewogenen Beteiligung beider Geschlechter am und im Prozess der Implementierung und dass immer klar sein muss, dass nicht nur von zwei Geschlechtern ausgegangen werden soll. Außerdem beschreibt er Gender Mainstreaming als „Ansatz des Systems“[11] mit den dazugehörigen Grenzen.[12]
Nicht desto trotz ist Gender Mainstreaming die momentan zumeist angewandte Methode in der Politik. Dies wird anhand der europäischen Politik und der Umsetzung in Deutschland und Schweden im Folgenden deutlich werden.
2 Ländervergleich
2.1 Methodik
Um einen Überblick zu bekommen, wie Gender Mainstreaming umgesetzt werden kann, möchte ich mir im Folgenden die beiden EU-Staaten Deutschland und Schweden in Bezug auf Gleichstellung der Geschlechter ansehen. Die Wahl ist auf diese beiden Staaten gefallen, da Deutschland das Land ist, in dem ich lebe und arbeite (somit Gleichstellung am eigenen Leibe erlebe) und Schweden oft als Vorzeigebespiel gelungener Gleichstellungspolitik betrachtet wird.[13] Nach Behning/Sauer ist ein Vergleich auch für die Überprüfung des Erfolgs verschiedener GM-Strategien sinnvoll:
„Von besonderem theoretischen Gewinn erweisen sich hier vergleichende Studien, die den Unterschied von Politikprozessen an länderspezifische Differenzen des politischen Institutionengefüges, sozialer Aushandlungsprozesse, aber auch an unterschiedliche Geschlechterregime rückbinden und mithin erklären können.“[14]
Zunächst sollen dazu kurz Regelungen auf europäischer Ebene aufgezeigt werden. Anschließend sollen neben verschiedenen Statistiken zur Repräsentation von Geschlechtern im Erwerbsleben, in politischen Positionen und gesellschaftlichen Lagen die Darstellung der Umsetzung von Gender Mainstreaming und die damit verbundenen Werte zunächst in Schweden und anschließend in Deutschland vorgenommen werden. Dabei soll der Fokus auf die Möglichkeit der gleichberechtigten Teilhabe der Geschlechter am Erwerbsleben gelegt werden, da in beiden Staaten und Teilhabe über Geld und somit Verdienst funktioniert. Im Weiteren sollen diese Ergebnisse sich zunächst tabellarisch und dann in Textform gegenüber gestellt werden.
2.2 Vorgaben auf EU-Ebene
Da beide Staaten um die es hier geht Mitglieder der Europäischen Union sind, sollen zunächst die Vorgaben für Gender Mainstreaming auf dieser, den Nationalstaaten übergeordneten Ebene, deutlich gemacht werden.
Auf Europäischer Ebene ist die Gleichberechtigungsrichtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen (RL 2006/54/EG) grundlegend.[15] Sie basiert auf Art. 6 des Vertrags von Maastricht. Die Kommission hat in der Generaldirektion Beschäftigung, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit eine Rahmenstrategie ausgearbeitet und fördert Projekte, die diese Ziele unterstützen. Ihr gehören zwei Referate an (Referat Chancengleichheit für Frauen und Männer: Strategie und Programm und Referat Gleichbehandlung von Frauen und Männern: Rechtsfragen), die genderbezogene Ziele koordinieren und die Umsetzung in den Ländern verfolgen.[16] Auf Ebene der Europäischen Union resultieren aus diesen Institutionen Richtlinien, die weitreichend und verbindlich sind. Beispielsweise werden gleiche Entgelte für Männer und Frauen, die Gleichstellung von Teilzeit- und Vollbeschäftigungs-verhältnissen sowie die Vereinbarkeit von Kindererziehung und Beruf als Ziele staatlicher Politik definiert.[17] Es wurden auch Arbeitshilfen zur Überprüfung der Gleichstellung der Geschlechter entwickelt.[18]
In der staatlichen Umsetzung bestehen trotzdem große Unterschiede. Dies kann in den nächsten Abschnitt am Beispiel von Deutschland und Schweden deutlich gemacht werden.
2.3 Gleichstellungspolitik in Schweden
Die schwedische Regierung verpflichtet sich den europäischen Richtlinien folgend dem Gender Mainstreaming. Seit 2003 wird dazu jährlich ein Bericht zur Lage der Gleichstellung von Männern und Frauen an den Reichstag gegeben.[19] In der Außendarstellung des Schwedischen Institutes wird das wie folgt formuliert:
„Das übergreifende Ziel der schwedischen Gleichstellungspolitik ist die Möglichkeit von Frauen und Männern, sich im Rahmen ihrer Fähigkeiten zu entwickeln und an allen Bereichen des öffentlichen Lebens teilzuhaben.“[20]
Für die Umsetzung gibt es eine politische Instanz: das Ministerium für Integration und Chancengleichheit, das in verschiedene Abteilungen für Gleichstellungsfragen unterteilt ist, die Regierung berät, Gleichstellungstrainings macht und auch in den Provinzialregierungen vertreten ist. Es gibt die eben erwähnte jährliche Berichtspflicht der Regierung. Auf Grundlage deren Statistiken und Auswertungen die Richtlinien für die Regierungshandlungen im kommenden Jahr entstehen.[21] Der Gleichstellungsausschuss kontrolliert die Umsetzung der Gleichstellungsgesetze bei Arbeitgeber und bestraft Verstöße. Er wird seit 1980 durch den sogenannten Gleichstellungsombudsmann, eine unabhängige staatliche Behörde, die die Einhaltung der bestehenden Gesetze überprüft und Arbeitnehmer gesetzlich vertritt, aktiviert.[22] Die Ombudsmänner sind eine Besonderheit schwedischer Politik, es gibt sie für verschiedene Bereiche und sie ermöglichen die Kontrolle einer Verwaltung, die relativ unabhängig von der Politik steht.[23]
Mit den Gesetzen Gesetz über die Gleichstellung[24], Gesetz über die Gleichbehandlung von Studentinnen und Studenten an Hochschulen, Gesetz über das Verbot der Diskriminierung und anderer verletzender Behandlung von Kleinkindern und Schülern, Gesetz über das Verbot der Diskriminierung und dem Gesetz über Elternurlaub hat die Gleichstellungspolitik der Schwedischen Regierung dafür eine einheitliche, umfassende, solide Grundlage.
Bisher kommt bereits die Orientierung der Gleichstellungspolitik auf Teilhabe aller über Verdienst zum Ausdruck. Gleichstellungspolitik wird aber in Schweden nicht nur auf Arbeit begrenzt. Daneben sind auch die Bereiche Macht, Schule/Bildung und Familie von Bedeutung. Hier greifen Maßnahmen wie flächendeckende Kinderbetreuung, ganzheitliche Ganztagsschulen und die Abschaffung von Ehegattensubventionen.[25] So wird z.B. das Elterngeld in Höhe von 80 % der gewöhnlichen Einkünfte über einen Zeitraum von 480 Tagen gezahlt. Jedes Elternteil hat dabei 60 Tage, die eigens für sie bzw. ihn reserviert sind und nicht an den anderen Elternteil abgetreten werden können.[26] Die Debatten gehen bereits soweit, für beide Partner ein halbes Jahr zu reservieren, um den Männern die Teilhabe an der Elternzeit besser möglich zu machen. Doch diese Regelung konnte sich noch nicht durchsetzen.[27] Trotzdem wird ersichtlich, dass hier Schweden die Elternschaft unabhängig von der Förderung der Ehe fördert.
Ergebnis dieser Politik ist, dass 2007 in Schweden etwa 79% der Frauen erwerbstätig waren (neben ca. 85% der Männer).[28] In der Politik ist das Geschlechterverhältnis nahezu ausgewogen.[29] Im Jahr 2007 ging 21% der Elternzeit an Männer und 36% der Personen, die aufgrund von Nachwuchs in Teilzeit gingen waren männlich.[30]
[...]
[1] vgl. z.B. APuZ (2003), Mayer (2005), Berliner Morgenpost (2007), Beckmann (2008) und Holst (2009)
[2] Schwerma (2004): 22.
[3] vgl. Schwerma (2004): 22.
[4] Schwerma (2004): 22.
[5] vgl. Schwerma (2003): S. 25f. Aufschlussreich ist auch die Methodik des BFSFJ auf http://www.gender-mainstreaming.net/bmfsfj/generator/gm/arbeitshilfen,did=13562.html.
[6] vgl. Schwerma (2004): S. 24f)
[7] Heute ist diese Richtlinie gültig als RL 2006/54/EG und im Literaturverzeichnis zu finden unter Europäisches Parlament; Rat (2006).
[8] vgl. Schwerma (2004): S. 36.
[9] vgl. dem Artikel von Walter (2004).
[10] vgl. Schwerma (2004): S. 34.
[11] Schwerma (2004): S. 37.
[12] vgl. Schwerma (2004): 36f.
[13] vgl. Kaufmann (2003): S. 162, Mayer (2005), Hipp (2004) sowie Svenska institutet: S. 1.
[14] Behning/Sauer (2005): S. 17.
[15] vgl. Europäisches Parlament; Rat (2006).
[16] Es wird deutlich, dass sich Gender Mainstreaming hier ausschließlich auf Frauen und Männer beziehen soll, was dem zuvor aufgezeigten Verständnis von Schwerma widerspricht und so Geschlechtsdefinitionen beschränkt.
[17] vgl. Europa Press Releases (2007). Hier sind alle genderbetreffenden Richtlinien nach ihrem Entstehungsdatum geordnet aufgelistet nachzulesen.
[18] z.B. Arbeitshilfe (2009).
[19] vgl. Svenska institutet: S. 2.
[20] Svenska institutet: S. 1.
[21] vgl. Svenska institutet: S. 4. Die Auswertungen finden nach dem quantitativen Auftreten der Geschlechter in verschiedenen Gesellschaftsbereichen, der Frage nach der Verteilung der vorhandenen Ressourcen und der Analyse aus welchen Rahmenbedingungen diese Realität besteht statt.
[22] vgl. Svenska institutet: S. 1.
[23] vgl. Kaufmann (2003): S. 166f.
[24] Dieses wichtigste Gesetz besagt, dass eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dann vor liegt, wenn eine Person aufgrund ihres Geschlechts nachteilig behandelt wird. Das Diskriminierungsverbot umfasst sowohl die direkte als auch die indirekte Diskriminierung. Außerdem obliegt es ArbeitgeberInnen mit zehn oder mehr Beschäftigten, jährlich eine Überprüfung der Lohn- und Gehaltsbedingungen von MitarbeiterInnen vorzunehmen. Diese Überprüfung und die daraus resultierenden Maßnahmen sind in den Jahresplan zur Förderung der Gleichstellung aufzunehmen, die ArbeitgeberInnen erstellen und dem Gleichstellungsombudsmann auf Anfrage vorlegen müssen.
[25] vgl. Svenska institutet: S. 2.
[26] vgl. Svenska institutet: S. 3.
[27] vgl. z.B. der Artikel von Mayer (2005).
[28] vgl. CSB: S. 27544.aspx.
[29] vgl. Svenska institutet: S. 2: 2007 sind 47% Frauen in den Regierungen vertreten.
[30] vgl. CSB: S. 27564.aspx.
- Citation du texte
- Elisabeth Baar (Auteur), 2009, Gleichstellung der Geschlechter auf Grundlage des Gender Mainstreaming, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135775
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