Inhaltsangabe:
Diese Hausarbeit beinhaltet neben einer detaillierten Beschreibung des Gerokreuzes, seiner Farbfassung, der Datierungsfrage und des ursprünglichen Standortes, insbesondere Begründungen für die Rückenaushöhlung. Dabei sprechen der Wunderbericht Thietmar von Merseburgs, die allgemeine Entstehungsursache der Monumentalskulptur und einige Reliquiendepositorien in ottonischen Kruzifixen für eine einstige Reliquienaufbewahrung im Gerokreuz. Dagegen sprechen jedoch die Ergebnisse der Restauration, die Einschätzung eines Restaurators und Handwerkers und die Entstehung von Großskulpturen. Im Fazit wird dann eine Schlussfolgerung bezüglich der Ursache der Rückenaushöhlung gezogen.
Einleitung:
Über kaum einen mittelalterlichen Kruzifixus gibt es eine so umfangreiche Literatur wie über das Großkruzifix Gerokreuz, das sich im Kölner Dom befindet.
Allerdings weisen die unterschiedlichen Publikationen der dendrochronologischen Untersuchungser¬gebnisse, der Restaurationsbefunde sowie die der Kunsthistoriker sowohl ungeklärte Fragen, wie zum Beispiel Herkunft und Name des Bildhauers, als auch zahlreiche Uneinigkeiten untereinander auf. So variieren die Angaben etwa bezüglich des genauen Entstehungszeitpunktes, der Vorbilder sowie des einstigen Standortes. Insbesondere über den Zweck der Rückenaushöhlung des gekreuzigten Jesus finden sich verschiedene Erklärungsversuche.
Im Folgenden möchte ich – im Anschluss an die Beschreibung des Gerokreuzes – diese differierenden Aussagen gegenüberstellen und argumentativ eine Schlussfolgerung ziehen.
[...]
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II
1 Beschreibung des Gerokreuzes
1.1 Formale Beschreibung
1.2 Aktuelle Farbfassung
1.3 Rückseite
1.3.1 Kreuzrückseite
1.3.2 Korpusrückseite
1.4 Datierung
1.5 Standort
2. Begründungen für die Rückenaushöhlung
2.1 Argumente für Reliquienaufbewahrung
2.1.1 Wunderbericht Thietmar von Merseburgs
2.1.2 Entstehungsursache der Monumentalskulptur
2.1.3 Reliquiendepositorien ottonischer Kruzifixe
2.2 Argumente gegen Reliquienaufbewahrung
2.2.1 Ergebnisse der Restauration
2.2.2 Einschätzung von Restaurator Stefan Heterich
2.2.3 Entstehung der Großskulptur
III. Fazit
Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Über kaum einen mittelalterlichen Kruzifixus gibt es eine so umfangreiche Literatur wie über das Großkruzifix Gerokreuz, das sich im Kölner Dom befindet.
Allerdings weisen die unterschiedlichen Publikationen der dendrochronologischen Untersuchungsergebnisse, der Restaurationsbefunde sowie die der Kunsthistoriker sowohl ungeklärte Fragen, wie zum Beispiel Herkunft und Name des Bildhauers, als auch zahlreiche Uneinigkeiten untereinander auf. So variieren die Angaben etwa bezüglich des genauen Entstehungszeitpunktes, der Vorbilder sowie des einstigen Standortes. Insbesondere über den Zweck der Rückenaushöhlung des gekreuzigten Jesus finden sich verschiedene Erklärungsversuche.
Im Folgenden möchte ich – im Anschluss an die Beschreibung des Gerokreuzes – diese differierenden Aussagen gegenüberstellen und argumentativ eine Schlussfolgerung ziehen.
II.
1 Beschreibung des Gerokreuzes
1.1 Formale Beschreibung
Die Bezeichnung Kruzifix, die sich vom lateinischen `cruci affixus` ableitet, hat die Bedeutung `der an das Kreuz Geschlagene´.[1] Die lebensgroße Jesusfigur des so genannten Gerokreuzes, die an ein flaches Bretterkreuz geschlagen ist, misst von den Füßen bis zum Kopf 187,0 cm, hat eine Spannbreite von 166,0 cm und eine maximale Tiefe von 33,0 cm (Kopf). Die ungefähr 40,0 cm breiten Balkenbretter des 265,0 cm hohen und 198,0 cm breiten Kreuzes werden vom Korpus nicht ganz verdeckt, sondern ragen hinter der Skulptur deutlich hervor.[2] Besonders deutlich wird dies – bedingt durch die asymmetrische Links-wölbung des Leibes – an der rechten Seite des Jesuskorpus sowie am horizontalen Kreuzbrett, das durch die dünngliedrigen Arme kaum verdeckt wird.[3]
Im Schnittpunkt des Bretterkreuzes befindet sich ein Nimbus mit dem Durchmesser 50,5 cm, der den Kopf Christi hinterfängt. Am oberen Ende des vertikalen Kreuzbalkens ist der 20,0 cm hohe und 49,0 cm breite Titulus angefügt, der die Aufschrift „INRI“ mit gotischen Minuskeln trägt. Zwischen den Füßen des Hängenden und dem Kreuz wurde ein Suppedaneum angebracht, das wie Skulptur, Kreuz und Titulus aus Eichenholz gearbeitet wurde.[4]
Die Arme der Christusskulptur sind (circa in einem 120° Winkel zur Körperseite) weit ausgebreitet und mit jeweils einem Nagel durch die schmale, flache Handfläche, deren Daumen sich über den Handteller wölbt, am äußeren, oberen Bereich des horizontalen Querbalkens befestigt. Da das Gewicht des Rumpfes an den Armen hängt sind diese „glatt gespannt“, die Armgelenke werden nicht hervorgehoben.[5]
Im Gegensatz zu dem nach links gesunkenen Körper ist der zylinderförmige Kopf Christi tief auf die Brust geneigt und leicht nach rechts gewendet, so dass der Hals kaum sichtbar ist. Das kleinteilig, sorgfältig gewellte Haar fällt eng am Kopf über die hohe Stirn und läuft über die Schultern in mehreren Strähnen aus. Das nach unten gerichtete, strenge Gesicht, das zugleich scharf geschnittene Linien und weich verlaufende Übergänge in sich birgt, zeigt wenige charakteristische Züge.[6] Die großen mandelförmigen Augen sind vermutlich geschlossen; aufgrund der zahlreichen aufgetragenen Farbschichten konnte dies jedoch nur mithilfe von Röntgenaufnahmen, die einen schmalen geschnitzten Spalt unterhalb der Augäpfel erkennbar machten, belegt werden.[7] Dabei wird die Augenpartie zusätzlich durch die bogenförmigen Augenbrauen, die kaum eingefallenen Wangen und die gerade Nase hervorgehoben. Prägnant ist zudem die untere Gesichthälfte. Der Mund ist breit nach unten gezogen, leicht geöffnet und von einem eng anliegenden kurzen Bart gerahmt.
Trotz der sonst realistischen Darstellungsweise des Gekreuzigten fällt am weich modellierten, nach links gekippten Oberkörper auf, dass die Brust anatomisch nicht ganz korrekt wiedergegeben ist.[8] Die hier vortretenden Muskelstränge verstärken den Eindruck des kraftlos hängenden Leibes. An der rechten Seite seines Brustkorbs ist die Lanzenstichwunde erkennbar. Unterhalb des Rippenbogens schließlich tritt der runde Bauch hervor.
Von der Hüfte bis etwas oberhalb der Knie ist der Unterleib mit einem Lendentuch verhüllt. Dessen Faltenwurf verläuft in harten, schweren Bahnen und endet besonders über dem rechten Knie zackenartig. Dieses „blechartige“ Perizonium kontrastiert mit der weichen Oberkörpermodellierung und dem geschwungenem Cingulum, das das Tuch über der Hüfte zusammenhält. Die kantigen Beine harmonieren mit den geradlinigen Falten des Lendentuchs und unterscheiden sich des Weiteren auch durch die deutlich sichtbaren Kniegelenke, Knochen, Sehnen, sowie die sich abzeichnenden Adern von der sanft verlaufenden Gestaltung des Oberkörpers.[9] Der linksgekippte Körper wird erst durch das Suppedaneum zur Mitte des vertikalen Kreuzbrettes zurückgeführt. Dieses ungewöhnlich große Suppedaneum, auf dem die leicht nach rechts gerichteten Füße des Gekreuzigten flach, mit jeweils einem Nagel fixiert sind, bildet den Stützpunkt der hängenden Figur.
Aus der Seitenansicht wird zusätzlich ersichtlich, dass Arme, Schultern und Füße eng am Kreuz anliegen, wohingegen sich der Rumpf zu den Knien hin immer weiter vom Kreuz entfernt. So wird nicht nur durch die Linkskippung aus der Frontalansicht, sondern auch durch das Vor und Zurück der Profilansicht, das Motiv des Hängens betont. Außerdem zeigt sich in der Seitenansicht, dass die Skulptur vollrund ausgearbeitet wurde. Lediglich Kopf, Arme und Beine sind an der Rückseite etwas flacher ausgearbeitet.[10]
1.2 Aktuelle Farbfassung
Die bisherige Beschreibung der bildhauerischen Ausarbeitung der Skulptur soll nun durch die der Bemalung ergänzt werden: Bei Untersuchungen der Farbschichten des Gerokreuzes im Jahr 1976 entdeckten die Restauratoren mindestens sechs ältere Farbfassungen, die einen unterschiedlich guten Erhaltungszustand aufwiesen. Die letzte umfassende Farbbearbeitung wurde um 1900 von Willhelm Batzem durchgeführt.[11]
Die dicke, leicht fleckige, nicht polierte Vergoldung der Kreuzbretter, die mit einem bräunlichen Lack überzogen wurde, geht mit großer Wahrscheinlichkeit aus dieser letzten Farbbearbeitung hervor.[12] Der Gegensatz des zierlich, fast dünn ausgearbeiteten Körpers des Gekreuzigten zu den breiten Brettern des Kreuzes wird verstärkt durch die Vergoldung der Balken, des Titulusbrettes, auf dem die Buchstaben mit schwarzer Farbe aufgetragen wurden, und des Nimbus. Der vergoldete, kreisförmige Nimbus, dessen reliefartig geschnitzte Oberfläche ein gleichschenkliges Kreuz mit jeweils drei dazwischenliegenden, sich nach außen verbreiternden Mulden und einen runden Rahmen aufweist, ist am unteren Bereich, der vom Kopf verdeckt wird, leicht angeschnitten. Innerhalb der Erhöhung der Kreuzform, sowie des ringförmigen Rahmens am äußeren Rand finden sich sechzehn Vertiefungen, in denen abwechselnd grüne und rote Bergkristalle eingesetzt wurden. Im oberen Bereich fehlen allerdings fünf Halbedelsteine. Sowohl der Kunsthistoriker Bruno Klein als auch die Restauratorin Christa Schulze-Senger äußerte die Vermutung, dass die Bergkristalle einige Jahrhunderte später eingefügt wurden.[13] [14]
Die Vergoldung der Lendentuchaußenseite, die mit bräunlichem Lack überzogen wurde, greift die Farbigkeit des Kreuzes auf, sodass Kreuz und Korpus eine Einheit bilden. Da diese dicke, fleckige Fassung, die vermutlich der ursprünglichen Farbgebung entspricht, nach Angaben der Restauratorin Schulze-Senger von Willhelm Batzem wenig qualitätvoll durchgeführt wurde, erscheint die Plastizität des Faltenwurfes etwas gemildert. Die an einigen Stellen am unteren Lendentuchrand sichtbare Lendentuchinnenseite, die vermutlich ebenfalls um 1900 neu bemalt wurde, zeigt einen mittelroten Zinnober-Farbton.[15]
Im Unterschied zur bisherig beschriebenen Farbfassung handelt es sich bei der Inkarnatfarbe nur teilweise um die Bemalung durch Wilhelm Batzem, denn diese siebte Fassung wurde hier partiell abgewaschen und mit bräunlich glänzender Farbe lasiert. An einigen Stellen wurden verwischte Blutmale dünn aufgetragen. Aufgrund von einigen Retuschen an Farbabblätterungsschäden erscheint die Hautfarbe leicht fleckig.[16]
Neben der Vergoldung, der roten Lendentuchinnenseiten-Farbe und dem bräunlichen Inkarnat wurde an Haaren, Bart, Brauen und Suppedaneum ein dritter Farbton aufgetragen. Diese dunkelbraune Farbe findet sich in nahezu allen vorhergehenden Haarfassungen.[17]
1.3 Rückseite
1.3.1 Kreuzrückseite
Im Jahr 1976 wurde der Kruzifixus im Zuge einer Restauration des Altarumbaus erstmalig seit 1948 wieder abgenommen. Dieser Altarumbau, auf dessen Retabel das Gerokreuz – hinterlegt von einer vergoldeten Mandorla mit Strahlenkranz – befestigt worden war, stammt aus dem Jahr 1683..[18] Die dabei angefertigte Untersuchungsdokumentation sowie die Fotografien von Schulze-Senger ermöglichen die Beschreibung der Kreuzrückseite. Diese offenbarte neben der Überblattung der Balken, deren Fugen auf der Vorderseite durch den Nimbus verdeckt sind, sowie neben Löchern von älteren Befestigungen, Klammern und umgeschlagenen Nägeln, die die Befestigung des Korpus durch Handflächen und Suppedaneum aufzeigen und einen Metallblechbeschlag der Kreuzvorderseite nahe legen, auch eine beschädigte, mehrfach übermalte, mittelalterliche Grünfassung.[19] [20] Auf dieses dunkle, glänzende Grün wurde ein helleres, gelbstichiges Grün in einer „Art Marmorierung“ aufgetragen. Die oberste Farbschicht, die wahrscheinlich auf Batzem zurückzuführen ist, zeigt einen groben mittelbraunen Anstrich.[21]
1.3.2 Korpusrückseite
Nachdem die Hinteransicht des Kreuzes zugänglich gemacht war, wurde darüber hinaus erkennbar, dass die Befestigung des Korpus am Kreuz Mängel aufwies und daher einer Erneuerung bedurfte. Durch die hierzu erforderliche Abnahme des Körpers von den Kreuzbrettern wurden Plastizität, Oberflächenstruktur, Farbigkeit der Rückenansicht, sowie die Ausmaße der Rückenaushöhlung enthüllt: letztere zieht sich - anders als von Harald Keller 1951 beschrieben - der Körperform folgend 10cm unterhalb der Schultern beginnend über den gesamten Rumpf mitsamt Lendentuch bis zu dessen unterem Saum an den Knien.[22] Insgesamt misst die Rückenaushöhlung 107,5cm in der Höhe und entsprechend der jeweiligen Körperbreite etwa 17,5cm in der Waagrechten. Die Tiefe beträgt durchschnittlich etwa 10cm, die Wandungsstärke zwischen 1,8 und 4,5cm.[23] Die von Reiner Haussherr als Reliquienrepositorium beschriebene Bohrung am Hinterkopf, misst lediglich 8,5mm im Durchmesser und 79mm in die Tiefe.[24]
Im Gegensatz zur Vorderansicht ist die hintere Körperseite weniger plastisch gestaltet. Auch ist die Holzoberfläche an Hinterkopf, Armen, Waden und den Rändern der Aushöhlung deutlich unpräziser behauen. So sind die einzelnen Finger nicht aus der Handfläche herausgearbeitet und die kleinteilig ausgearbeiteten Haarsträhnen werden am unteren Teil des Hinterkopfes lediglich durch gröbere Rundungen gekennzeichnet.[25] Die Ellenbogen wurden gar nicht erst angedeutet, da sie für den Betrachter des Kreuzes verdeckt sind. Aus demselben Grund verschleierte man auch die Fugen der mit Holzdübeln angesetzten Arme nur an der Hauptansichtsseite.
Wenngleich der Rücken im Vergleich zur Vorderansicht des Korpus weniger detailreich ausdifferenziert wurde, finden sich doch nur wenige Beitelspuren. Lediglich an den Seitenwänden und im oberen Bereich der Aushöhlung zeigen sich gröbere Bearbeitungsstrukturen, wohingegen die übrigen Stellen der Exkavation äußerst sorgfältig behauen wurden.[26]
Die Farbigkeiten unterscheidet sich deutlich von der des sichtbaren Teils des Korpus. Mit Ausnahme der äußeren Ränder, die von der Seite her noch sichtbar sind, ist die Rückenpartie einschließlich Aushöhlung ungefasst. Sie erscheint in einem „leicht verstaubten, graustichigen hellen Braunton“.[27]
1.4 Datierung
Da eine vollständige Skulpturenbeschreibung einer Datierungs- und Standortsangabe bedarf, möchte ich diese im Folgenden kurz anführen:
Bereits im Jahre 1924 erschienen zwei Monographien, die das so genannte Gerokreuz, das früheste erhaltene Monumentalkruzifix, in unterschiedliche Jahrhunderte datierten. Der Leipziger Privatdozent Hermann Beenken gab für die Entstehung des Kruzifixes das späte zwölfte Jahrhundert an, wohingegen der Marburger Ordinarius Richard Hamann es zunächst in den Anfang des elften Jahrhunderts datiert hatte. 1930 jedoch identifizierte er es als das in der Chronik des Thietmar von Merseburg erwähnte Kreuz aus der Zeit von Erzbischof Geros (Amtszeit 969-971).[28]
Nach weiteren Spekulationen, wonach es sich bei diesem Kruzifix sogar um eine spätere Kopie handeln könnte, konnte 1976 von Ernst Hollstein die These Hamanns bestätigt werden, der zufolge es sich hierbei mit großer Wahrscheinlichkeit um ein ottonisches Werk handelt. Hollstein ermittelte nämlich bei dendrochronologischen Untersuchungen den Fällungszeitpunkt. demzufolge nach die Korpuseiche nach 965 und der Baum des Kreuzes nur wenige Jahre später gefällt worden sei.[29]
Günther Binding kritisierte allerdings 2003 die Interpretation dieser dendrochronologischen Untersuchungen, weil aufgrund der fehlenden äußeren Jahresringe kein mit Sicherheit belegtes Untersuchungsergebnis ermittelt werden könne. Vielmehr vermutete er eine Datierung zwischen 985 und 1000, zumal er auf stilistische Übereinstimmungen mit dem um 1000 in Köln entstandenen Lotharkreuz und der Kreuzigungsdarstellung im Sakramentar von St. Gereon, das kurz vor der Jahrhundertwende entstanden ist, verwies.[30]
Trotz Bindings durchaus schlüssiger Argumentation wird in der Fachliteratur dennoch zumeist eine Datierung in die Zeit Erzbischof Geros angenommen.
1.5 Standort
Wie bei der Datierungsfrage, kann die Frage nach dem ursprünglichen Aufstellungsort des Gerokreuzes ebenfalls nicht eindeutig bestimmt werden. Dennoch gibt es einige Indizien die für eine freistehende Platzierung sprechen. Geht man wie Hamann davon aus, dass es sich bei dem in der Chronik Bischof Thietmar von Merseburgs aus den Jahren 1012-1018 erwähnten Kreuz um das Gerokreuz handelt, so findet sich in dieser Schrift die Standortbestimmung „Hic crucifixum, quod nunc stat in media ecclesia, ubi ipse (Erzbischof Gero – d. Verf.) pausat…“.[31] Neben diesem zentralen Aufstellungsort, der sich zwischen Chor und Langhaus beim Gerograb befand, und in Verbindung zum Kreuzaltar, der im alten Kölner Dom in der Mitte des Langhauses des Mittelschiffs stand, entspricht auch die Monumentalität den charakteristischen Merkmalen eines Triumphkreuzes.[32] Seit etwa dem 12. Jahrhundert bezeichnet man überlebensgroße Kruzifixe, die am eben beschriebenen zentralen Standort erhöht aufgestellt wurden und vorrangig den Sieg Christi thematisieren, als Triumphkreuze.[33] [34] Unabhängig davon sieht Schulze-Seneger in der Bemalung der Kreuzrückseite und dem Zapfen am unteren Ende des Kreuzlängsbalkens weitere Anzeichen, die für eine ursprünglich freistehende Platzierung sprechen.[35] Das nach unten gesenkte Haupt, dessen schmerzvoll verzerrter Mund besonders aus der Untersicht erkennbar wird, sowie die Durchgestaltung der Achseln und Armunterseiten, sowie der Umstand, dass das ebenerdig stehende Kreuz von Westen aus nicht vollständig sichtbar gewesen wäre, deuten auf eine erhöhte Präsentation des Kruzifixes auf einem Sockel oder einer Kreuzsäule hin.[36]
Im Neuen Kölner Dom wurde das Gerokreuz 1270 in der Stephanuskapelle, der ersten südlichen Chorkapelle, gezeigt. Dort wurde es im Zusammenhang mit der Grabplatte Geros über dem Altar vor einem Wandgemälde, das auf der rechten Seite eine Szene aus dem Leben des Erzbischofs zeigt, aufgestellt. Um 1350 wurde das Monumentalkreuz schließlich an der Ostwand der äußersten, nördlichen Kapelle platziert.[37] Die Standortangabe des Gerokreuzes im 14. Jahrhundert „…prope sacristiam…“ in der Vita der hl. Irmgard bestätigt dies.[38] Drei Jahrhunderte später wurde es 1683 an derselben Stelle von einer Altararchitektur umrahmt.[39] Von der schwarzen Marmorhochaltarmensa mit kleinen Plastiken ragt ein Sockel mit dem Gerokreuz und zwei Säulen mit korinthischen Kapitellen in die Höhe. Den oberen Abschluss bildet ein Dreiecksgiebel. Das Altarretabel, auf der eine goldene, den Kruzifixus umgebende Strahlenmandorla angebracht ist, erstrahlt in leuchtendem Blau. Eine der goldenen Gebetsinschriften „Crucifixi Domini nostri Jesu Christi humanitati“ auf dem Marmorsockel nimmt Bezug zum Großkruzifix. Neben einer Wandmalerei mit einer Kreuzigungsgruppe aus dem 15. Jahrhundert, sowie einer das Gerokreuz anbetenden Stifterskulptur befindet sich der Sarkophag des Erzbischofs Engelbert III. von der Marck (1364-1368) in der Kreuzkapelle.
[...]
[1] Coenen u.a. 1987: Art. Kruzifix. In: Lexikon der Kunst Bd.7, S.128.
[2] Schulze-Senger 1987. In: Jahrbuch der rheinischen Denkmalpflege Bd.32, S.12.
[3] Imdahl 1964, S.5.
[4] Schulze-Senger 1987. In: Jahrbuch der rheinischen Denkmalpflege Bd.32, S.12, 37.
[5] Klein 2002. In: Nobilis arte manus, S.44.
[6] Ebenda, S.45.
[7] Schulze-Senger 1987. In: Jahrbuch der rheinischen Denkmalpflege Bd.32, S.25-26.
[8] Klein 2002. In: Nobilis arte manus, S.44.
[9] Ebenda, S.44-45.
[10] Schulze-Senger 1987. In: Jahrbuch der rheinischen Denkmalpflege Bd.32, S.25.
[11] Ebenda, S.25.
[12] Ebenda, S.36-38
[13] Klein 2002. In: Nobilis arte manus, S.43.
[14] Schulze-Senger 1987. In: Jahrbuch der rheinischen Denkmalpflege Bd.32, S.37.
[15] Ebenda, S.26-27, 29.
[16] Ebenda, S.25,28.
[17] Ebenda, S.28.
[18] Ebenda, S.12.
[19] Koepf/Binding 2005, S.247.
[20] Schulze-Senger 1987. In: Jahrbuch der rheinischen Denkmalpflege Bd.32, S.14, 20, 37.
[21] Ebenda, S.37-38.
[22] Keller 1951, S.72.
[23] Ebenda, S.22.
[24] Haussherr 1963, S.14; Schulze-Senger 1987. In: Jahrbuch der rheinischen Denkmalpflege Bd.32, S.21.
[25] Ebenda, S.25.
[26] Ebenda, S.22
[27] Ebenda, S.25
[28] Beenken 1924, S.214; Hamann 1924. In: Marburger Jahrbuch Bd. 1, S.18; derselbe 1930. In: Städel-Jahrbuch
Bd. 6, S.15-18; Imdahl 1964, S.4.
[29] Schulze-Senger 1987. In: Jahrbuch der rheinischen Denkmalpflege Bd.32, S.39-42.
[30] Binding 2003, S.321-322, 326.
[31] Holtzmann (Hrsg.) 1935, XXVIII f., Lib. III.2..
[32] Beer 2005, S.178, 265.
[33] ebenda S.24.
[34] Berlet u.a. 1987: Art. Triumphkreuz. In: Lexikon der Kunst Bd.12, S.23.
[35] Schulze-Senger 1987. In: Jahrbuch der rheinischen Denkmalpflege Bd.32, S.29, 33.
[36] Beer 2005, S.179.
[37] Lauer (o.J.); Huppertz 1959, S. 91, 93.
[38] nach Imdahl 1964, S.24.
[39] Imdahl 1964, S.4.
- Citar trabajo
- Julia Schmierer (Autor), 2009, Das Gerokreuz und seine Rückenaushöhlung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135729
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