Die Forderung von Gesundheit und die Vermeidung von Krankheit sind zentrale gesellschaftspolitische sowie gesundheitswissenschaftliche Themen der heutigen Zeit. Durch die Überbetonung der biomedizinischen Forschung tritt die Ursachenforschung, vor allem bei chronischen Krankheiten, in den Hintergrund.
Das vorgestellte Sozialisationsmodell von Klaus Hurrelmann bezieht sich auf die sozialstrukturellen Zusammenhänge im Verlauf des Lebens. Trotz seiner Komplexität werden rasch die wechselseitigen Interaktionen und gegenseitigen
Abhängigkeiten prägnant dargestellt.
Die Bewältigung der Entwicklungsaufgaben in den jeweiligen Lebensabschnitten (Kindheit, Jugend, Erwachsenenalter und Alter) wird durch die sozialen und personalen Bedingungen und deren jeweiligen Ressourcen direkt beeinflusst.
Inhalts- und Abbildungsverzeichnis
1 Einführung in die Thematik
2 Sozialisation und Gesundheit
2.1 Definitionen von Gesundheit und Krankheit
2.2 Arbeitsschwerpunkte der Gesundheitssoziologie
2.3 Das Modell der Sozialisationstheorie
2.3.1 Der soma-psycho-sozio-ökodynamische Ansatz
2.3.2 Das Konzept der Entwicklungsaufgaben
2.3.3 Die Komplexität des Sozialisationsmodells
3 Gesundheitsverhalten und Gesundheitsentwicklung
3.1 Die Schlüsselrolle des Gesundheitsverhaltens
3.2 Gesundheitsbedingende Einflussfaktoren in der Kindheit
3.3 Gesundheitsbedingende Einflussfaktoren in der Jugend
3.4 Gesundheitsbedingende Einflussfaktoren im Erwachsenenalter
3.5 Gesundheitsbedingende Einflussfaktoren im Alter
4 Fazit und Ausblick
Abbildungen
Abbildung 1: Das Sozialisationsmodell
Abbildung 2: Die Schlüsselrolle des Gesundheitsverhaltens
1 Einführung in die Thematik
Gesundheit ist das höchste Gut. Diese alte Volksweise hat in den letzten Jahren ungeahnte Bedeutung gewonnen. Zu Anlässen wie Geburtstagen, Jahreswech-sel, oder Verabschiedungen wird Gesundheit gewünscht, doch was bezeichnet diese Befindlichkeit, was wird darunter verstanden?
Einigkeit besteht darin, dass Gesundheit etwas Positives und Schönes ist und die Abwesenheit von Krankheit beschreibt, wobei der Übergang von gesund zu krank fließend ist.
Die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation, WHO) setzte 1946 durch ihre Definition von Gesundheit einen wichtigen ersten Impuls, der in der wissenschaftlichen Diskussion einen intensiven Diskurs entfachte.
Dagegen wurde die Dominanz der Medizin durch die Strukturen der Krankenver-sicherungssysteme und den Fokus auf die Krankenversorgung vorangetrieben. Die Krankheitsversorgungversorgung stellt unter dieser pathogenetischen Betrachtungsweise Symptome und Beschwerden der Menschen sowie deren Behandlung in den Mittelpunkt, nicht aber deren Gesundheit.
Trotz der Neu- bzw. Wiederentstehung der Gesundheitswissenschaften in den 1970er Jahren in Deutschland ist das Modell der Gesundheitssoziologie von Klaus Hurrelmann der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Im Folgenden soll dieses nun zusammenfassend dargestellt und die Bedeutung für die Gesund-heitswissenschaft erörtert werden.
2 Sozialisation und Gesundheit
2.1 Definitionen von Gesundheit und Krankheit
Die bisherigen Definitionen von Gesundheit und Krankheit sind geprägt von Ein-seitigkeit und einer bestimmten disziplinären Logik. Ein Grund hierfür ist, dass kaum ein Bezug der beiden Determinanten zu einander hergestellt wurde. (K. HURRELMANN 2006a, 113)
Daraus können folgende Hypothesen zur Definition von Gesundheit abgeleitet werden:
- Gesundheit ist im wissenschaftstheoretischen Sinne ein hypothetisches Konstrukt.
- Es besteht keine Einigkeit über die Definitionen von Gesundheit.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert in der Gründungsakte von 1946 Gesundheit wie folgt:
„Gesundheit ist der Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht die bloße Abwesenheit von Krankheit oder Gebrechen“. (WORLD HEALTH ORGANISATION deutsche Übersetzung)
Der Deutsche Gesundheitswissenschaftler Klaus Hurrelmann erläutert hierzu vier kritische Anmerkungen: Im Zentrum der Definition sieht er die subjektive Ein-schätzung und das persönliche Empfinden eines Menschen, außerdem wird Gesundheit als Idealstatus und als mehrdimensional definiert. Zuletzt ist die diamet-rale Gegenüberstellung von Gesundheit und Krankheit zu nennen. (K. HURRELMANN 2006a, 117)
Geprägt von seiner sozialtheoretischen Profession stellt er in seinem Buch Ein-führung in die Sozialisationstheorie folgende Definition von Sozialisation auf:
„Sozialisation... bezeichnet den Prozess, in dessen Verlauf sich der mit einer biologischen Ausstattung versehene menschliche Organismus zu einer sozial handlungsfähigen Persönlichkeit bildet, die sich über den Lebenslauf hinweg in Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen weiterentwickelt. Sozialisation ist die lebenslange Aneignung von und Auseinandersetzung mit den natürlichen Anlagen, insbesondere den körperlichen und psychischen Grundmerkmalen, die für den Menschen die „innerer Realität“ bilden, und der sozialen und physikali-schen Umwelt, die für den Menschen die „äußere Realität“ bilden“ . (K. HURRELMANN 2006b, 15-16)
Er wendet sich mit dieser Definition endgültig von den anpassungsmechanisti-schen Vorstellungen Durkheims ab und geht davon aus, dass der Mensch durch seine Umwelt stark beeinflusst wird, sie jedoch gleichzeitig mit eigenen Aktivitä-ten mit gestaltet. (K. HURRELMANN 2006b, 14-15)
Mit diesem Hintergrund entwickelt Hurrelmann die Definition von Gesundheit der WHO wie folgt weiter:
„ Gesundheit bezeichnet den Zustand des Wohlbefindens einer Person, der ge-geben ist, wenn diese Person sich körperlich, psychisch und sozial in Einklang mit den jeweils gegebenen inneren und äußeren Lebensbedingungen befindet. Gesundheit ist nach diesem Verständnis ein angenehmes und durchaus nicht selbstverständliches Gleichgewichtsstadium von Risiko- und Schutzfaktoren, das zu jedem lebensgeschichtlichen Zeitpunkt immer erneut hergestellt werden muss.
Gelingt das Gleichgewicht, dann kann dem Leben Freude und Sinn abgewonnen werden, ist eine produktive Entfaltung der eigenen Kompetenzen und Leistungs-potentiale möglich und steigt die Bereitschaft, sich gesellschaftlich zu integrieren und zu engagieren “ . (K. HURRELMANN 2006a, 7)
2.2 Arbeitsschwerpunkte der Gesundheitssoziologie
Der Begriff Gesundheitssoziologie ist noch wenig verbreitet, ganz im Gegensatz zur Medizinsoziologie. Beide Disziplinen haben Bereiche, in denen sie sich über-schneiden. Folgend werden nun die Arbeitsschwerpunkte der Gesundheitssozio-logie kurz aufgezeigt:
- Soziale Bedingungsfaktoren für Gesundheit und Krankheit von einzelnen Menschen und Gruppen von Menschen als Mittelpunkt ihres Erkenntnis-interesses
- Beschäftigung mit Strukturen und Funktionen des Krankenversorgungs-systems sowie die Analyse des gesamten Gesundheitssystems als zentra-le gesellschaftliche Infrastruktursysteme
- Konzentration auf die Fragestellung, wie gro1e Teilsysteme au1erhalb des Gesundheitssystems Einfluss auf die Gesundheits- und Krankheitsdyna-mik nehmen (Bildung, Arbeit , Familie, Wohlfahrt Freizeit)
- Wissenschaftliche Ableitung der optimierenden Veränderungen der Be-dingungsfaktoren im Gesundheitssystem, sowie die gesundheitsrelevan-ten Bereiche anderer gesellschaftlicher Teilsysteme
- Individuelles Gesundheitsverhalten, welches auf Grund von wichtigen Ein-flussgrößen, wie der sozioökonomische Status oder Bildungspotentiale, über den Verlauf der Gesundheits- und Krankheitsdynamik entscheiden (K. HURRELMANN 2006a, 14)
2.3 Das Modell der Sozialisationstheorie
Hurrelmann und Ulich stellten sich zur Sozialisationstheorie die zentrale Frage: Wie schafft es ein Mensch, mit seiner genetischen Ausstattung an Trieben und Bedürfnissen und seinem angeborenen Temperaments- und Persönlichkeits-merkmalen, zu einem selbstständigen Subjekt mit der Fähigkeit zur Selbstreflek-tion zu werden und dabei die Anforderungen von Kultur, Ökonomie und ökologi-scher Umwelt zu bewältigen? (HURRELMANN und ULICH 1999)
Dabei wurde die Denkrichtung soziologisch, sowie psychologisch beeinflusst. Neben den körperlichen und psychischen Grundmerkmalen für den Menschen, die als innere Realität beschrieben werden, existiert die äußere Realität als so-ziale und physikalische Umwelt.
Im Gegensatz zum salutogenetischen Modell von Antonovsky baut das Sozialisa-tionsmodell darauf auf, dass sich das menschliche Individuum während seiner gesamten Lebensspanne produktiv mit der Realitätsverarbeitung auseinander-setzt. Erfolgt dies, kann die eigene Persönlichkeit aufgebaut und weiterentwickelt werden. Durch diese Grundlage werden positive Impulse für die Gesundheitsdy-namik ausgelöst. (K. HURRELMANN 2006a, 128)
2.3.1 Der soma-psycho-sozio-ökodynamische Ansatz
Bei näherer Betrachtung der Realitätsverarbeitung stellt man fest, dass die vier
Systeme
- Körper (Soma)
- Psyche
- Soziale Umwelt und
- Physische (Öko-) Umwelt
ineinander greifen und aufeinander aufbauen. Durch das Wechselspiel unterei- nander, beeinflussen sie die Persönlichkeits- und Gesundheitsentwicklung des Individuums.
Der soma-psycho-sozio-ökodynamische Ansatz fußt auf der Fähigkeit, alle vier Teilsysteme im Verlauf des Lebens ständig in einem dynamischen Gleichgewicht zu halten. Hurrelmann beschreibt diesen Prozess als produktive Realitätsverar-beitung. (K. HURRELMANN 2006a, 129)
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- Citation du texte
- Andreas Schober (Auteur), 2009, Das Sozialisationskonzept von Klaus Hurrelmann, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135707
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