Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Thema des "Werther-Effekts", genauer mit der Beziehung zwischen dem Konsum bestimmter Medien und der Suizidalrate.
Zu Beginn der Arbeit geht die Autorin auf die Definition des „Werther-Effekts“ und auf Goethes Roman „Die Leiden des jungen Werther“ ein. Der Briefroman ist der Grundbaustein des heutzutage als „Werther-Effekt“ bekannten Phänomens. Mit diesem Werk löste Goethe wahrscheinlich den ersten Medienskandal der Moderne aus. Um den „Werther-Effekt“ als solchen verstehen und untersuchen zu können, ist es wichtig, kurz auf den Roman und seine Inhalte einzugehen.
Das zweite Kapitel beschäftigt sich dann mit einem praktischen Beispiel, an dem der Effekt, welcher den „Werther-Effekt“ hervorruft, deutlich gemacht wird. Dafür hat die Autorin das Thema Medien und Suizid gewählt, da dies das Hauptgebiet ist, indem der „Werther-Effekt“ auftritt. Sie möchte zeigen, welchen Einfluss falsche Berichterstattung über Suizid auf die Suizidenten hat und was es dabei zu achten gilt. Im letzten Abschnitt der Hausarbeit wird dann ein Gegenbeispiel, der sogenannte „Papageno-Effekt“, aufgezeigt. Dieser stellt das genaue Gegenteil des „Werther-Effekts“ dar und zeigt, was eine sensible und neutrale Berichterstattung über Suizid bei den Rezipienten bewirken kann und dass es wichtig ist, vorsichtig mit diesem Thema umzugehen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Hauptteil
2.1 Der „Werther-Effekt“ & „Die Leiden des jungen Werther“
2.2 Praxisbeispiel – Medien & Suizid
2.3 Gegenbeispiel – Der „Papageno-Effekt“
3. Fazit
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In meiner Einleitung möchte ich kurz an mein Thema und meine Forschungsfrage heranführen und darlegen warum ich mich für den „Werther-Effekt“ und seine praktische Anwendung in den Medien und der Berichterstattung entschieden habe.
In unserem Seminar über Tod & Trauer haben wir uns, erstreckt über das ganze Semester durch Referate, mit verschiedenen Themen dieses Gebiets beschäftigt. Mein Referat habe ich auch da schon zu dem Thema Suizid gehalten und will dieses in meiner Hausarbeit gerne aufgreifen. Bei der Eingrenzung meines Themas für die Ausarbeitung und auch schon bei der Recherche zu meinem Referat ist mir immer wieder der Begriff des „Werther-Effekts“ begegnet und bei näherer Beschäftigung mit diesem Effekt habe ich mich dazu entschieden, dieses als Hauptthema zu wählen, da gerade das Thema, wie in den Medien mit Suizid umgegangen wird, ein wichtiger Bestandteil der heutigen Zeit ist.
Zu Beginn möchte ich im ersten Kapitel meines Hauptteils auf die Definition des „Werther-Effekts“ und auf Goethes Roman „Die Leiden des jungen Werther“ eingehen. Der Briefroman ist der Grundbaustein des heutzutage als „Werther-Effekt“ bekannten Phänomens. Mit diesem Werk setzt Goethe wahrscheinlich den ersten Medienskandal der Moderne. Um den „Werther-Effekt“ als solches verstehen und untersuchen zu können ist es wichtig, kurz auf den Roman und seine Inhalte einzugehen. Im zweiten Kapitel beschäftige ich mich dann mit einem praktischen Beispiel, an dem ich den Effekt, welchen der „Werther-Effekt“ hervorruft, deutlich mache. Dafür habe ich das Thema Medien und Suizid gewählt, da dies das Hauptgebiet ist, indem der „Werther-Effekt“ auftritt. Ich möchte zeigen, welchen Einfluss falsche Berichterstattung über Suizid auf die Suizidenten hat und auf was es dabei zu achten gilt. Im letzten Abschnitt meiner Hausarbeit möchte ich dann ein Gegenbeispiel, den sogenannten „Papageno-Effekt“, aufzeigen. Dieser stellt das genaue Gegenteil des „Werther-Effekts“ dar und zeigt, was eine sensible und neutrale Berichterstattung über Suizid bei den Rezipienten bewirken kann und dass es wichtig ist, vorsichtig mit diesem Thema umzugehen.
Zum Ende meiner Hausarbeit werde ich in einem Fazit kurz meine Erkenntnisse und Ergebnisse zusammenfassen und meine Ausarbeitung mit einem Literaturverzeichnis schließen.
2. Hauptteil
2.1 Der „Werther-Effekt“ und „Die Leiden des jungen Werther“
Zu Beginn meiner Ausarbeitung möchte ich kurz auf die Definition des „Werther-Effekts“ und das damit zusammenhängende Werk Goethes eingehen, um besser verstehen zu können, was darunter verstanden wird und worum es auf den folgenden Seiten geht.
Wir sollten erst einen kleinen Blick in die Geschichte werfen, um das Thema einordnen zu können. Spätestens ab dem 17. Jahrhundert wird von Suizidepidemien und „ansteckenden Suiziden“ gesprochen, von riskanten Vorbildwirkungen und Nachahmungseffekten (Macho, 2017, S.81). Doch es gilt zu dieser Zeit nicht mehr das Atmen, Trinken oder ähnliches als lebensgefährlich, sondern das Lesen, welches sich durch die Aufklärung und die allgemeine Schulpflicht „epidemisch“ verbreitet (Macho, 2017, S.88). Dieser Effekt wurde später auch Goethes Werk vorgeworfen.
Der Briefroman „Die Leiden des jungen Werther“, den Johann Wolfgang von Goethe 1774 veröffentlicht, handelt von dem jungen Werther, der zu Beginn des Werkes als hoffnungsfrohen, in die Welt blickenden Mann dargestellt wird und zeigt ihn dann auf allen wichtigen Stationen zu seinem Selbstmord, den er am Ende aufgrund einer gescheiterten Liebe begeht (Schmiedt, 1989, S.8). Goethe verbindet in seinem Werk Selbsterlebtes, Berichtetes und Freierfundenes (Möbius, 1989, S.31). Im Zentrum steht dabei ein reales Ereignis: Der Suizid des Wetzlarer Gesandtschaftssekretärs Carl Wilhelm Jerusalem (Macho, 2017, S.90). Dieser bringt Goethe auf die Idee, seine eigenen Erfahrungen zum Ungünstigen umzubiegen und den Helden im Roman durch Selbstmord endigen zu lassen (Möbius, 1989, S.31). Das Buch löst in Folge dessen eine ganze Reihe von Selbstmorden in Europa aus. Durch Quellen kann eine zweistellige Zahl von Suiziden belegt werden, die in direkter Verbindung mit Goethes Roman stehen (Brosius & Ziegler, 2001, S.9). Daraufhin wird das Buch, aufgrund verhängnisvoller Verführung zum Suizid (Macho, 2017, S.89), unter anderem in Leipzig und später in Kopenhagen und Mailand verboten. Der Leipziger Stadtrat setzte am 30. Januar 1775 zudem auf Empfehlung der theologischen Fakultät eine Strafe von 10 Talern auf den Verkauf und Handel des Buches (Brosius & Ziegler, 2001, S.10). Ein weiteres Verbot untersagt es bis ins Jahr 1825 sogar, die sogenannte Werther-Tracht zu tragen, welche aus einem blauen Frack und einer gelben Weste besteht (Brosius & Ziegler, 2001, S.10). Die Werther-Tracht bezeichnet die Kleidung, die der junge Werther im Roman trägt als er sich am Ende erschießt. Sie ist, neben den Selbstmorden, die bekannteste Nachahmung des Werther-Effekts und ist bei Imitiationssuiziden ein beliebtes Zeichen der Suizidenten (Andree, 2006, S.172). Nach dem Verbot des Romans lässt Goethe eine zweite Auflage mit Versmottos erscheinen. Das zweite Motto endete mit der Empfehlung: „Sei ein Mann, und folge mir nicht nach.“ (Macho, 2017, S.89f) Auch Goethe selbst ist sich der Wirkung seines Romans bewusst und beschreibt rückblickend die große, „ungeheure“ Wirkung seines Buches (Macho, 2017, S.89). Obwohl Goethes Briefroman oft nicht so stark wahrgenommen und von anderen seiner Werke wie „Faust“ überschattet wird (Feise, 1989, S.35), ist es trotzdem sein größter Publikumserfolg (Andree, 2006, S.9). Der konkrete Begriff des „Werther-Effekts“ wurde allerdings erst circa zweihundert Jahre später durch den amerikanischen Soziologen David Phillips geprägt, als dieser eine Untersuchung zu der Verbindung zwischen Suizidraten und der Ausstrahlung von Filmen und TV-Nachrichten durchführt (Macho, 2017, S.88f). Im nächsten Kapitel gehe ich genauer auf diese Verbindung ein, wenn ich den Effekt in die Praxis übertrage. In der Sache selbst wurden aber auch bereits zu Goethes Zeit Diskussionen über das „Werther-Fieber“ oder die „Werther-Seuche“ geführt (Macho, 2017, S.89). Es wurden sogar körperliche Symptome des „Werther-Fiebers“ wie zum Beispiel Tränen, Fieber, Atemlosigkeit, Schwindel oder Beklemmungen ausgemacht (Andree, 2006, S.137). Inzwischen gilt der „Werther-Effekt“ aufgrund einer Reihe von Befunden als wissenschaftlich gesichertes Phänomen (Brosius & Ziegler, 2001, S.14). So wurde Goethes Werther zum Namensgeber eines psychopathologischen Reiz-Reaktions-Schemas: Der „Werther-Effekt“ (Andree, 2006, S.23f.). Auch wenn das Buch damals, speziell in der Sturm und Drang Zeit, eine Art Kultbuch unter den jungen Intellektuellen darstellt, ist die Nachahmung von sowohl fiktiven als auch realen Suiziden kein Einzel-Phänomen der Goethe-Zeit sondern ereignet sich in verschiedenen Variationen bis heute (Brosius & Ziegler, 2001, S.11).
Im nun folgenden zweiten Kapitel meines Hauptteils beschäftige ich mich mit der Anwendung des Werther-Effekts in der Praxis und in meinem Fall vor allem mit der Berichterstattung und den Medien im Bezug auf Suizid.
1.2 Praxisbeispiel – Medien und Suizid
In meinem praktischen Beispiel befasse ich mich mit der Verbindung zwischen Medien und Suizid. Haben Berichterstattungen einen Einfluss auf Selbstmorde und Selbstmordversuche? Wenn ja, ist dieser positiv oder negativ? Diesen Fragen und natürlich meiner Hauptforschungsfrage nach dem „Werther-Effekt“ und seiner Anwendung in der Praxis gehe ich in diesem Kapitel nach.
Die Werther-Selbstmorde markieren vermutlich den ersten Medienskandal der Moderne (Andree, 2006, S. 7). Wie bereits im vorangegangenen Kapitel erwähnt, findet der junge Werther aus dem Roman viele Nachahmer, die sich zum Beispiel mit dem Buch in der Tasche ertränken oder es unter das Kopfkissen legen und dann Selbstmord begehen, indem sie sich beispielsweise erschießen (Andree, 2006, S.13). Doch schon zu allen Zeiten haben Medien die Rezipienten beeinflusst (Andree, 2006, S.197). Neben der Literatur wird auch anderen Medien, wie beispielsweise der Rockmusik oder später den Computerspielen, nachgesagt, Menschen und in erster Linie Jugendliche durch Nachahmungsversuche in den Selbstmord getrieben zu haben (Andree, 2006, S.19f.). Durch zahlreiche Studien kann diese Beeinflussung belegt und es kann gezeigt werden, dass sensationsträchtige Darstellungen von Suiziden in den Medien zu Imitiationssuiziden führen (Till & Niederkrotenthaler, 2019, S.120). Einen wichtigen Meilenstein zum Thema Medien und Suizid legt David Phillips mit seiner 1974 veröffentlichten Studie, in der er die Nachahmungswirkung von Suiziden im Bezug auf prominente Personen untersucht. Dabei vergleicht er die Suizidrate der Bevölkerung ein Jahr bevor sich eine berühmte Person, über die auf der Titelseite der New York Times berichtet wird, das Leben nimmt mit der Rate in dem Monat als diese Person stirbt und mit der Rate im selben Monat ein Jahr später. Dabei kann er feststellen, dass die Rate der Suizide in dem Monat, in dem sich auch eine bekannte Persönlichkeit das Leben nimmt, deutlich höher ist, als im Jahr zuvor oder danach. Zudem wird sichtbar, dass dieser Effekt bei dem Suizid von Marilyn Monroe am eindeutigsten erkennbar ist (Brosius & Ziegler, 2001, S.11f.). Phillips kann seine These erhärten und stellt fest: „Diejenigen Selbstmorde, über die in den Medien am intensivsten berichtet wurde, hatten den höchsten Anstieg zur Folge.“ (Brosius & Ziegler, 2001, S.12) 1984 unternimmt Wassermann eine Kontrollstudie zu Phillips Untersuchungen und kommt ebenfalls zu diesen Ergebnissen (Brosius & Ziegler, 2001, S.12). Im Bezug auf den von Phillips erstmals verwendeten Begriff des „Werther-Effekts“ seien selbigem keine Verursachung von zusätzlichen Suiziden zuzuschreiben, sondern nur eine vorzeitige Auslösung dieser. Nach Phillips hätten die Personen ihre Entscheidung pro Suizid bereits getroffen und sich über einen längeren Zeitraum hinweg ohnehin suizidiert (Brosius & Ziegler, 2001, S.12). Das Thema Medien und Suizid ist schon immer präsent und wird diskutiert. Da man weiß, dass die Berichterstattung über Suizid, wenn sie falsch geschieht, zur Nachahmung anregen kann, hat man drei Grundregeln der Berichterstattung zur Vermeidung des „Werther-Effekts“ festgelegt. Die erste Empfehlung besagt eine möglichst abstrakte Berichterstattung ohne die Verwendung von Details, Abbildungen und Fotos. Darüberhinaus sollte nicht über Hintergründe, Auslöser und Motive der Tat spekuliert und berichtet werden. Als letzter Punkt wird empfohlen stilistisch nüchtern zu bleiben, um Mitleid beziehungsweise Betroffenheit zu vermeiden (Brosius & Ziegler, 2001, S.22). Diese Empfehlungen allerdings widersprechen oft den Regeln und Techniken, die Journalist*innen in ihrer Ausbildung vermittelt bekommen (Brosius & Ziegler, 2001, S.22). Journalist*innen bewegen sich dabei immer auf einem schmalen Grad zwischen der Erfüllung ihres Jobs durch mitreißende, detaillierte Berichterstattung und der Berichterstattung im Sinne der Suizidprävention, also ohne Details und Emotionen (Brosius & Ziegler, 2001, S.24). Da für den Beruf eines Journalisten und einer Journalistin Verkaufszahlen und Auflagen immer essenziell sind, werden auch Selbstmorde dafür ausgenutzt, um hohe Verkaufszahlen zu erzielen. Dieser, teils rücksichtslose, Umgang mit diesem sensiblen Thema kann auch Angehörigen oder ermittelnden Polizist*innen schaden (Brosius & Ziegler, 2001, S.25). Um das zu vermeiden wäre es ein wichtiger Schritt, dass alle relevanten Medien sich darauf einigen, die Berichterstattung über Suizide komplett zu unterlassen, um den „Systemdruck des Wettbewerbs“ zu vermeiden, den es gäbe wenn nur einige wenige Medien sich gegen die Berichterstattung entscheiden würden (Brosius & Ziegler, 2001, S.25f.). Ein praktisches Beispiel dafür ist der U-Bahn Bau in Wien. In den Jahren 1984-1987 kommt es in Wien nach dem Bau der U-Bahn zu einem dramatischen Anstieg der Suizide und Suizidversuche auf den Gleisen über die intensiv und plakativ berichtet wird. Als sich als Reaktion darauf auf eine zurückhaltendere und suizidpräventive Berichterstattung geeinigt wird sinkt die Suizidrate im Jahr 1987 um 60% und kann in den folgenden fünf Jahren stabilisiert werden (Brosius & Ziegler, 2001, S.26f.) Hier sieht man, wie wichtig ein angemessener Umgang der Medien mit dem Thema Suizid ist und was dieser auslösen aber auch verhindern kann. Natürlich hängt der Effekt, den der „Werther-Effekt“ erzielt, von der Reichweite des untersuchten Mediums und vom Umfang der Berichterstattung zum Suizidfall ab (Scherr, 2016, S.13).
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- Arbeit zitieren
- Lara Weber (Autor:in), 2022, Goethes "Die Leiden des jungen Werther". Der "Werther-Effekt" und die Verbindung zwischen Medien und Suizid, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1356910
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