Ziel dieser Arbeit ist es, die Frage zu beantworten, ob die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) nach Marshall Rosenberg dazu beitragen kann, die Fehlerkultur im Krankenhaus zu verbessern, um eine höhere Patientensicherheit zu erzielen. In der Methodik dieser theoretischen Grundlagenarbeit wurden das Fehlerkultur-Modell nach Löber und das Konzept der GFK aufeinander bezogen.
Die vier Schritte der GFK (Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte) tragen zu einer sicheren Informationsvermittlung bei. Die Anschlussfähigkeit der GFK lässt sich als hoch einschätzen, da sie an der Alltagssprache anknüpft. Die Integration der Sprach- und Denkmuster der GFK in das tägliche Umfeld erfordert Ausdauer, Zeit, Motivation und Geduld. Deswegen erscheint es zielführend, die GFK im Kontext Krankenhaus führungsseitig einzuführen, da nur so Wollen (Motivation und Bereitschaft der Mitarbeiter*innen), Können (Erwerb der Kompetenzen und Fähigkeiten) sowie Dürfen (ist die Anwendung im vorhandenen Kontext möglich?) sichergestellt werden können. Einschränkend ist, dass die zugrunde liegende GFK-Literatur überwiegend praxisorientiert ist und nur teilweise einem belastbaren wissenschaftlichen Standard genügt. Die gewonnenen Erkenntnisse können der weiteren Forschung als Grundlage dienen, um die theoretisch hergeleiteten Zusammenhänge empirisch zu überprüfen. Dazu gehören bspw. der Einfluss der GFK auf die Patientensicherheit, die Arbeitszufriedenheit und die Behandlungsqualität.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Ziel der Arbeit
1.2 Methodisches Vorgehen
1.3 Aufbau der Arbeit
2 Rahmenbedingungen und Herausforderungen für die Patientensicherheit im Kontext Krankenhaus
2.1 Das Gesundheitssystem in Deutschland
2.2 Das Unternehmen Krankenhaus
2.3 Das Team im Krankenhaus
2.4 Der/die Mitarbeiter*in als Individuum
2.5 Der/die Patient*in im Krankenhaus
3 Fehlergrundlagen
3.1 Definition von Fehlern
3.2 Die Klassifikation von Fehlern
3.3 Fehlerquellen im menschlichen Handeln
3.4 Der Fehler in der Sicherheits- und Unfallforschung
3.5 Der Behandlungsfehler
4 Die Bedeutung und Funktion der Unternehmenskultur
4.1 Was ist ein Unternehmen?
4.2 Der Terminus Unternehmenskultur
4.3 Die unterschiedlichen Perspektiven auf die Unternehmenskultur
4.3.1 Der Variablen-Ansatz.
4.3.2 Der Metaphern-Ansatz.
4.3.3 Das dynamischen Konstrukt.
4.4 Unternehmenskulturmodelle
5 Die Fehlerkultur als Teil der Unternehmenskultur im Krankenhaus
5.1 Begriffsklärung, Abgrenzung und Verortung
5.2 Das Fehlerkulturmodell nach Löber (2012) und dessen Ausprägungen im Kontext Krankenhaus
6 Grundlagen und Haltung der Gewaltfreien Kommunikation
6.1 Die vier Schritte des GFK-Prozesses
6.1.1 Beobachtung vs. Bewertung.
6.1.2 Gefühl vs. Interpretation.
6.1.3 Bedürfnis vs. Strategie
6.1.4 Bitte vs. Forderung
6.2 Die vier Ohren der GFK
6.3 Empathie und Selbstempathie aus Sicht der GFK
7 Einfluss der Gewaltfreien Kommunikation auf die Beurteilung und Reaktion von Fehlern im Krankenhaus
7.1 Die Sprach- und Denkmuster einer niedrig ausgeprägten Dimension Kommunikation
7.2 Übersetzung der Sprach- und Denkmuster einer niedrig ausgeprägten Dimension Kommunikation in die Haltung und Form der GFK
8 Diskussion des Einflusses der GFK auf die Ausprägung der Fehlerkultur im Krankenhaus
8.1 Der Einfluss der GFK auf die Dimension Kommunikation
8.2 Überlegungen zum Einfluss der GFK auf die Ausprägung der anderen Dimensionen des Fehlerkultur-Modells nach Löber (2012)
8.3 Der mögliche Einfluss der GFK auf die Ausprägung der Fehlerkultur
8.4 Kritische Würdigung der GFK
8.5 Limitationen der Arbeit
8.6 Implikationen für die Praxis und Anregungen für die weitere Forschung
9 Fazit/Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Danksagung
„Nicht müde werden und dem Wunder leise wie einem Vogel die Hand hinhalten“
Hilde Domin
Ich bedanke mich von Herzen für die tiefe Inspiration der Gewaltfreien Kommunikation: bei Marshall Rosenberg für den Mut, sie in die Welt zu tragen und bei allen Trainer*innen, die mir die Inhalte näher gebracht haben. Der Gewaltfreien Kommunikation verdanke ich es, dass ich in meiner Rolle als Führungskraft und Therapeutin immer wieder in Verbindung kommen kann, mit mir selbst, meinen Mitarbeiterinnen, sowie mit den großen und kleinen Patient*innen. Die Gewaltfreie Kommunikation ist immer wieder mein Feenstaub, der Ärger, Unsicherheit oder Ratlosigkeit verwandelt und in mir selbst und den Anderen die schönsten Bedürfnisse zum Vorschein bringt.
Mein innigster Dank gebührt allen, die mich in diesem unendlich herausfordernden Jahr unterstützt und begleitet haben. Ich danke euch für jede Minute, in der ihr meine wunderbare, quirlige Tochter gut versorgt habt und mir so ermöglicht habt, nicht alle Nächte tippend zu verbringen.
Danke
Zusammenfassung
Ziel dieser Arbeit ist es, die Frage zu beantworten, ob die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) nach Marshall Rosenberg (2003) dazu beitragen kann, die Fehlerkultur im Krankenhaus zu verbessern, um eine höhere Patientensicherheit zu erzielen. In der Methodik dieser theoretischen Grundlagenarbeit wurden das Fehlerkultur-Modell nach Löber (2012) und das Konzept der GFK aufeinander bezogen. Die Auswertung macht deutlich, dass die GFK die Fehlerkultur positiv beeinflussen kann, wenn die Bedürfnisebene in den Fokus gerückt wird, auf Basis einer gegenseitigen, wertschätzenden Haltung. Diese Herangehensweise stärkt, bzw. schützt die Beziehungsebene und ermöglicht so einen offenen Umgang mit Fehlern. Durch den empathischen Umgang mit sich selbst und anderen Personen lässt sich die multiprofessionelle Zusammenarbeit stärken, die Interaktion mit den Patient*innen verbessern und der individuelle psychosoziale Stress reduzieren. Die vier Schritte der GFK (Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte) tragen zu einer sicheren Informationsvermittlung bei. Die Anschlussfähigkeit der GFK lässt sich als hoch einschätzen, da sie an der Alltagssprache anknüpft. Die Integration der Sprach- und Denkmuster der GFK in das tägliche Umfeld erfordert Ausdauer, Zeit, Motivation und Geduld. Deswegen erscheint es zielführend, die GFK im Kontext Krankenhaus führungsseitig einzuführen, da nur so Wollen (Motivation und Bereitschaft der Mitarbeiter*innen), Können (Erwerb der Kompetenzen und Fähigkeiten) sowie Dürfen (ist die Anwendung im vorhandenen Kontext möglich?) sichergestellt werden können. Einschränkend ist, dass die zugrunde liegende GFK-Literatur überwiegend praxisorientiert ist und nur teilweise einem belastbaren wissenschaftlichen Standard genügt. Die gewonnenen Erkenntnisse können der weiteren Forschung als Grundlage dienen, um die theoretisch hergeleiteten Zusammenhänge empirisch zu überprüfen. Dazu gehören bspw. der Einfluss der GFK auf die Patientensicherheit, die Arbeitszufriedenheit und die Behandlungsqualität.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abstract
This thesis examines whether the Nonviolent Communication (NVC) by Marshall Rosenberg (2003) improves the error culture in hospitals to ultimately create a safer environment for patients. To do so, the error-culture model by Löber (2012) and NVC are compared with each other. This evaluation showed that NVC can positively influence error culture by focusing on needs while maintaining an attitude of mutual appreciation if an error occurs. This needs-based approach protects and fosters the quality of the relationship. By empathizing with oneself and others in those situations, multiprofessional collaboration can be strengthened, interaction with the patients can be improved, and an individual's psychosocial stress can be reduced. The four NVC-steps (observation, feeling, need and request) can ensure the correct transmission of information. Therefore, the compatibility of the NVC can be described as advantageous, as it links directly to everyday language. As the integration of the NVC in the day-to-day environment takes time, perseverance, patience and motivation, it seems expedient for management to introduce it. Only then can the aspects of aspiration (motivation and willingness of the employees), ability (acquisition of skills and competencies) and permission (can it be applied in the existing context?) be ensured for a successful implementation. In this regard, it should be noted that the NVC-literature, on which this research is based, is primarily practice-oriented and only partially adheres to reliable academic standards. Further research should empirically verify the derived relations between NVC and patient safety, job satisfaction and quality of care.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 Gegenüberstellung der Fehlerkulturmodelle und deren Dimensionen
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Modell der Informationsverarbeitung
Abbildung 2 Drift in Richtung Versagen im Dynamic Safety Modell
Abbildung 3 Unternehmenskultur-Modell
Abbildung 4 Fehlerkultur-Modell
Abbildung 5 Ausprägungen de Fehlerkultur
Abbildung 6 Feedback-Loops der Konstitutiv-Elemente der Fehlerkultur
Abbildung 7 Die vier Ohren der GFK
1 Einleitung
Das Thema Fehlerkultur und die damit verbundene Patientensicherheit rückte bereits vor 20 Jahren in den Fokus der Aufmerksamkeit durch die Veröffentlichung des Institut of Medicine (IOM) „To err is human“ (Kohn, Corrigan & Donaldson, 2000, S. 1), welche den Behandlungsfehler als eine der häufigsten Todesursachen identifizierte (Kohn et al., 2000; St.Pierre & Hofinger, 2020). Der IOM-Report forderte dazu auf, die grundlegende kulturelle Herangehensweise an Fehler in der Medizin zu ändern und das Gesundheitssystem insgesamt sicherer zu gestalten (Kohn et al., 2000). Nicht nur in deutschen Krankenhäuser herrschte eine niedrig ausgeprägte Fehlerkultur im Sinne einer „Culture of Blame“ (Stewart-Amidei, 2003, S. 297) vor, in der das Fachpersonal vorwiegend persönlich beschuldigt und bestraft bzw. ermahnt wurde, um zukünftig „besser aufzupassen“ (Hoffmann & Rohe, 2010, S. 95). Fehler wurden nicht mit latenten Sicherheitslücken im System in Verbindung gebracht und als Lernchance begriffen (Hoffmann & Rohe, 2010). Als zentraler Ansatzpunkt zur Verbesserung wurde entsprechend eine kulturelle Verankerung des offenen und konstruktiven Umgangs mit Fehlern in deutschen Krankenhäusern gefordert (Glazinski & Wiedensohler, 2004; Pfaff, Ernstmann & Von Pritzbuer, 2004). So wurden u. a. Konzepte aus anderen Hochsicherheitsbranchen (bspw. aus der zivilen Luftfahrt) auf den Gesundheitsbereich übertragen1(Frankenhauser, Münzberg, Egerth & Hoffmann, 2020; Rascher & Schröder, 2017). Spätestens seit der Veröffentlichung der Broschüre ,Aus Fehlern lernen' (APS, 2008), in der Ärzt*innen und Pfleger*innen von eigenen Fehlern offen berichteten, wurde der offene Umgang mit Fehlern zu einem neuen Qualitätsmerkmal (Hannawa & Jonitz, 2017; Hensen, 2016). Das von Löber (2012) vorgestellte Modell der Fehlerkultur im Krankenhaus identifiziert sechs Dimensionen (Kommunikation, Lernen, Gerechtigkeit, Vertrauen, positive Emotionen und Flexibilität), deren Ausprägung den Umgang, die Sichtweise und die Beurteilung von Fehlern bedingen. Das 2005 gegründete Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS) identifiziert v. a. das gemeinsame Lernen aus Fehlern als „das wichtigste Instrument zur Verbesserung der Patientensicherheit“ (APS, 2019b, S. o.A.) und schließt dessen kulturelle Implementierung auf allen Ebenen im Gesundheitssystem in seiner Definition der Patientensicherheit mit ein:
„das Maß in dem handelnde Personen, Berufsgruppen, Teams, Organisationen, Verbände und das Gesundheitssystem 1. einen Zustand aufweisen, in dem Unerwünschte Ereignisse selten auftreten, Sicherheitsverhalten gefördert wird und Risiken beherrscht werden 2. über die Eigenschaft verfügen, Sicherheit als erstrebenswertes Ziel zu erkennen und realistische Optionen zur Verbesserung umzusetzen und 3. ihre Innovationskompetenz in den Dienst der Verwirklichung von Sicherheit zu stellen in der Lage sind.“ (Schrappe, 2018, S. 11).
Allerdings zeigt die vom APS in seinem 2018 veröffentlichte Weißbuch Patientensicherheit aktuelle Studienlage, dass sich die Patientensicherheit trotz aller Bemühungen seither in Deutschland nicht wesentlich verbessert hat (Schrappe, 2018). Vielmehr lässt es die mittlerweile breite Datenlage nicht mehr zu „das Problem Patientensicherheit kleinzureden“ (St.Pierre & Hofinger, 2020, S. 6): Die Ergebnisse zeigen auf, dass nach wie vor Behandlungsfehler in 2-4 % der Behandlungsfälle unterlaufen, ca. ein Prozent dieser Fälle eine Patientenschädigung zur Folge hat und die vermeidbare Mortalitätsrate bei 0,1% liegt, bei einer insgesamt eher konservativ beurteilten Datenlage (Schrappe, 2018). Die vorherrschende Fehlerkultur in deutschen Krankenhäuser lässt sich nach wie vor als niedrig ausgeprägt bezeichnen und der offene Umgang mit Fehler wird noch immer u.a. von zu steilen Hierarchien, fehlender Innovationsbereitschaft2und einer mangelnden interprofessionellen Augenhöhe behindert (vgl. Baller & Schaller, 2017; Bräutigam, Evans, Hilbert & Öz, 2014; Buxel, 2011; Reuter- Herkner, 2020; Richter-Kuhlmann, 2019; Schrappe, 2018; St.Pierre & Hofinger, 2020).
Neben diesen Faktoren tragen der hohe psychische Stress3unter dem die Mitarbeiter*innen stehen, der immense Zeitdruck unter dem gearbeitet werden muss (bedingt durch den inzwischen omnipräsentem Personalmangel und die Ökonomisierung des Krankenhaussektors) und die mangelhafte Kommunikation im Rahmen einer wenig geschulten interpersonellen Kompetenz zu einer erhöhten Fehlerneigung bei (Hoffmann & Rohe, 2010; Münzberg et al., 2018; Richter-Kuhlmann, 2019). Besonders die Kommunikation zwischen den Hierarchieebenen, den Professionen und den Patient*innen als „Kernstück der sicheren Versorgung“ (APS, 2019a, S. o.A.) ist ein wichtiger Ansatzpunkt zur Verbesserung der Patientensicherheit, da sich mindestens 80 Prozent aller unerwünschten Ereignisse im Krankenhaus auf eine unsichere Kommunikation zurückführen lassen (APS, 2019a).
Ein Ansatz, der im Gesundheitsbereich immer häufiger zur Anwendung kommt ist die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) nach Marshall Rosenberg (2003, 2014, 2016) (Weckert, 2012). Das Konzept GFK hat zum Ziel auf dem Hintergrund einer zutiefst wertzuschätzenden Haltung eine empathische Verbindung zu sich selbst und anderen herzustellen um gemeinsame, nachhaltige Lösungsstrategien zu generieren, die den Bedürfnissen aller gerecht werden (Rosenberg, 2016). Dabei steht besonders die Förderung der Empathiefähigkeit des Gesundheitspersonals im Krankenhaus immer mehr im Fokus einer sicheren, qualitativ hochwertigen, patientenorientierten Versorgung4(Brand-Hörsting, 2019; St.Pierre & Hofinger, 2020; Weckert & Lorenz, 2012). In zahlreichen Untersuchungen und Studien konnte eine direkte Relation zwischen dem Outcome für den Patienten und dem Grad des empathischen Verhaltens des Arztes nachgewiesen werden5(vgl. Burns, Craft & Roder, 2005; Del Canale et al., 2012; Hojat et al., 2011; Steinhausen et al., 2014; Trzeciak, Mazzarelli & Booker, 2019). Das Gesundheitspersonal ist dabei besonders gefährdet für psychische Erkrankungen, die wiederum im Zusammenhang mit einer verminderten Empathiefähigkeit stehen (Rothgang, Müller & Preuß, 2020; Trzeciak et al., 2019).
Das Konzept der GFK wird weltweit von über 700 Trainerinnen und Trainern weiter gegeben (CNVC, 2020a) und findet eine breite und vielseitige Anwendung6, in den letzten zehn Jahren verstärkt auch im Gesundheitsbereich (vgl. Altmann, 2010; Baller & Schaller, 2017; Brand-Hörsting, 2019; Sears, 2012). Trotz der weiten Verbreitung des Konzepts existiert nur eine vergleichbar geringe Anzahl von akademischen Auseinandersetzungen und empirischen Wirksamkeitsstudien der GFK (Altmann, Schönefeld & Roth, 2016; Wacker & Dziobek, 2018). Der überwiegende Anteil der zahlreichen literarischen Veröffentlichungen der GFK sind aus der Praxis für die Praxis geschrieben und stellen den Fokus auf die anwenderbezogene praktische Vermittlung des Konzepts und weniger auf eine wissenschaftliche Auseinandersetzung (Altmann, 2013; Kök, 2007; Wacker & Dziobek, 2018). Dies lässt sich u.a. darauf zurückführen, dass M. Rosenberg selbst die GFK nie in einen wissenschaftlich fundierten theoretischen Kontext gesetzt hat (Altmann, 2013; Bitschnau, 2008; Ludewig, 2017). Die Arbeiten des letzten Jahrzehnts weisen aber mehrheitlich darauf hin, dass die GFK ein geeignetes Instrument sein kann um die kommunikativen Fähigkeiten (u.a. Wacker & Dziobek, 2018) und die interpersonelle Kompetenz insgesamt (u.a. Museux, Dumont, Careau & Milot, 2016) zu verbessern. Ebenso kann die Konfliktfähigkeit gesteigert werden (u.a. Marlow et al., 2012), sowie die allgemeine Fähigkeit empathisch mit sich selbst und anderen umzugehen (u.a. Altmann et al., 2016). Allerdings lässt sich kritisch anmerken, dass die überwiegende Anzahl der Arbeiten geprägt ist von Einzelfallstudien, nichtstandardisierten Studien oder Studien mit einer eher geringen Anzahl von Probanden (Altmann, 2013; Bitschnau, 2008; Marlow et al., 2012). Noch geringer ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung im Bereich des Gesundheitswesens (Sears, 2012). Im englischsprachigen internationalen Raum beschreibt Sears (2012) zwei Projekte, in denen in Krankenhäusern in der USA GFK erfolgreich eingesetzt wurde7und in denen eine Verbesserung der Zusammenarbeit im Team, der interprofessionellen Kommunikation, einer höheren Mitarbeiteridentifikation und -Bindung, sowie einer geringeren Fehlerrate beschrieben. Im deutschsprachigen Raum lassen sich v.a. die Arbeiten von Altmann (2013, 2016), Wacker und Dziobek (2018) nennen, die sich empirisch mit der Implementierung der GFK in der Pflege auseinandersetzen. Beide fokussieren nicht auf kulturelle Aspekte oder den Umgang mit Fehlern im Krankenhaus, sondern v. a. auf die Weiterentwicklung der empathischen Fähigkeiten. Bei Keller (2018) findet sich eine theoretische Auseinandersetzung, zum Einsatz der GFK als Instrument der Entwicklung von zukunftsfähigen Unternehmenskulturen und hebt die hier den Nutzen des direkten Praxisbezugs und der einfachen methodische Form der GFK hervor. Es lässt sich noch keine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Einfluss der GFK auf den (kulturellen) Umgang mit Fehlern im deutschen Gesundheitsbereich, bzw. Krankenhaus finden. Allerdings geben die bisherigen Erkenntnisse Anlass zu Annahme, dass die GFK einen positiven Einfluss auf die Ausprägung der Fehlerkultur im Krankenhaus haben könnte.
1.1 Ziel der Arbeit
Ziel dieser Arbeit ist zu untersuchen, inwiefern die GFK einen Beitrag dazu leisten kann die Ausprägung der Fehlerkultur im Kontext Krankenhaus zu verbessern, um so eine höhere Patientensicherheit zu gewährleisten. Damit soll die aufgezeigte Wissenslücke geschlossen werden, um einerseits Grundlagenwissen zu generieren und andererseits Impulse und Anregungen für die weitere Forschung zu geben. Gleichzeitig sollen Denkanstöße für die Praxis generiert werden, wie sich die Fehlerkultur in Krankenhäusern verbessern lässt. Die Forschungsfrage der Arbeit lautet also: Kann die GFK dazu beitragen die Fehlerkultur im Krankenhaus zu verbessern?
1.2 Methodisches Vorgehen
Im Rahmen einer theoretischen Grundlagenarbeit werden das Fehlerkultur-Modell nach Löber (2012) und das Konzept der GFK nach Rosenberg (2016) aufeinander bezogen. Beide Ansätze werden hierfür zunächst ausführlich vor ihrem theoretischen Hintergrund erläutert und dargestellt. Da die Ausprägung der Fehlerkultur im Krankenhaus maßgeblich durch die Dimension Kommunikation des Fehlerkulturmodells nach Löber (2012) beeinflusst wird, erfolgt eine diese eingehende Betrachtung dieser Komponente. Die typischen Kommunikationsmuster einer niedrig ausgeprägten Dimension Kommunikation werden dargestellt und auf ihre Wirkungsweise theoretisch analysiert. Im zweiten Schritt werden die dysfunktionalen Sprach- und Denkmuster in die Form und Haltung der GFK übersetzt und die Veränderung der Kommunikationsgüte betrachtet. Anschließend werden die Ergebnisse diskutiert, ebenso die mögliche Auswirkung auf die anderen Dimensionen Fehlerkulturmodells nach Löber (2012) und die Fehlerkultur insgesamt. Abschließend werden Implikationen für die Praxis und die Forschung erörtert und die Limitationen der GFK und der vorliegenden Arbeit aufgezeigt.
1.3 Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit ist grundlegend in sieben zentrale Kapitel eingeteilt, die von der einleitenden Problemstellung und dem abschließenden Fazit eingerahmt werden. Im einleitenden Kapitel wird die Aktualität der Thematik beschrieben und die wissenschaftliche Erkenntnislücke zwischen Praxis und Theorie aufgezeigt. In Kapitel zwei werden die verschiedenen Herausforderungen und Rahmenbedingungen der Patientensicherheit auf den verschiedenen Ebenen des Gesundheitssystems erläutert. Kapitel 3 definiert und klassifiziert die Begriffe Fehler, bzw. Behandlungsfehler, menschliche Fehlerquellen werden erörtert und die Sichtweisen auf die Fehlerentstehung aufgezeigt. Kapitel 4 geht auf die Bedeutung und Funktion der Unternehmenskultur als kultureller Rahmen der Fehlerkultur ein und stellt unterschiedliche Perspektiven auf die Unternehmenskultur, sowie zwei Modelle vor. In Kapitel 5 wird eine Begriffsklärung, Abgrenzung und Verortung des Begriffs Fehlerkultur vorgenommen und das Fehlerkulturmodell nach Löber (2012) ausführlich vorgestellt. Kapitel 6 stellt das Konzept der GFK vor, mit dem in Kapitel 7 die dysfunktionalen Sprach- und Denkmuster einer niedrig ausgeprägten Dimension Kommunikation übersetzt werden. Es findet in Kapitel 8 eine eingehende Diskussion der Ergebnisse statt und die Arbeit endet mit einem Fazit und Ausblick.
2 Rahmenbedingungen und Herausforderungen für die Patientensicherheit im Kontext Krankenhaus
Dieses Kapitel veschafft zunächst einen Überblick, welche Eigenschaften der folgenden Ebenen die Patientensicherheit und damit auch die Fehlerkultur im Krankenhaus begünstigen, bzw. beeinträchtigen: Das Gesundheitssystem (2.1), das Unternehmen Krankenhaus (2.2), das Team im Krankenhaus (2.3), der/die Mitarbeiter*in als Individuum (2.4) und die Patienten selbst (2.5) (vgl. St.Pierre & Hofinger, 2020).
2.1 Das Gesundheitssystem in Deutschland
Das deutsche Gesundheitssystem bietet den Rahmen für die gesundheitliche Versorgung und wirkt auf die Patientensicherheit durch die gesetzlichen Vorgaben und Vergütungsreglungen ein (Haubrock & Schär, 2009; Schrappe, 2018). Das System baut auf einem Netzwerk aus staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen auf, die für die Gesundheit der Bevölkerung Gesundheitsgüter8(materielle und immaterielle9) finanzieren und bereitstellen (ebenda). Deren Aufgabe ist die Förderung und Erhaltung der Gesundheit, sowie die Prävention und Behandlung von Krankheiten (SGB V), sowie das Ermöglichen der soziale Teilhabe, bzw. der Verhinderung deren Gefährdung (SGB IX) (vgl. Bechtel, Smerdka-Arhelger & Lipp, 2017; Fleßa & Greiner, 2013; Haubrock & Schär, 2009). Das Grundgesetz (GG) gibt die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Patientenrechte vor (Peintinger, 2008): Es verankert im Art. 1, Abs. 1 GG, dass die Würde des Menschen unantastbar ist10. Es folgen in Art. 2 GG das Recht auf Leben und die körperliche Unversehrtheit11. Das 2013 kodifizierte Patientenrechtegesetz12zielt darauf ab, den Patienten in der „Rolle des aktiv handelnden, mitwirkenden Kooperationspartners“ (Schaeffer, Berens, Weishaar & Vogt, 2018, S. S. 18f) zu stärken, um die Patientensicherheit zu verbessern (Frewer et al., 2014). Das dieses Ziel erreicht wurde, wird eher bezweifelt13(vgl. Bönig, 2017; Duttge, 2013; Uphoff & Hindemith, 2016). Ein grundsätzlicher Kritikpunkt ist, dass die Judikative erst zum Einsatz kommt, wenn der Fehler schon erfolgt ist und der Patient bereits geschädigt wurde (Uphoff & Hindemith, 2016). Die Hoffnung, dass eine Verschärfung des Haftungsrechts eine ausreichende Abschreckung zur Folge hätte, so dass den Behandlern keine Fehler mehr unterlaufen, geht an den Erkenntnissen der Sicherheits- und Fehlerforschung vorbei14. Vielmehr wird befürchtet, dass eine Verschärfung der Rechtskonsequenzen eine „Defensiv-Medizin15“ (Hofmann & Zobel, 2018, S. 661) begünstigt und die Sorge verklagt zu werden erst Recht eine „Verleitung zum Vertuschen und Verschweigen“ (Duttge, 2013, S. 148) darstellt.
Im Rahmen der „Qualitätsoffensive“ (Schrappe, 2018, S. 503) der letzten Legislaturperiode der Bundesregierung wurden neben dem PatRg weitere Gesetze auf den Weg gebracht, welche sich auf die Behandlungsqualität fokussieren16(BMG, 2019; Schrappe, 2018). Zentrale Neuerungen der neuen Vorgaben sind bspw. die verpflichtende Einrichtung des anonymen Fehlermeldesystems CIRS17, die Einführung eines patientenorientiertem Beschwerdemanagements und Mindeststandards für ein zielführendes Risiko- und Fehlermanagement im Krankenhaus (BMG, 2019; Löber, 2017; Schrappe, 2018).
Neben rechtlichen Rahmenbedingungen beeinflussen die Vergütungsstrukturen die Patientensicherheit maßgeblich (Lichey, Schilling & Jonitz, 2017; Schrappe, 2015; Schrappe, 2018). Die demografische Entwicklung, die zunehmende Multimorbidität der Patienten und der medizinisch-technische Fortschritt18sind nur einige Faktoren, welche seit den 1970er Jahren zu einer sog. Kostenexplosion19im Gesundheitswesen geführt haben (Haubrock & Schär, 2009; Werding, 2018). Da die Mittel im Gesundheitssystem begrenzt sind, muss eine Allokation der Gesundheitsgüter erfolgen (Erne, 2003; Haubrock & Schär, 2009; Schrappe, 2015; Schrappe, 2018). Dies führt zu einer Einsparungspolitik in einer Branche, die nicht den Gesetzen einer freien Marktwirtschaft entspricht, aufgrund von Faktoren wie der unzureichenden Konsumentensouveränität20, den Informationsasymmetrien des Krankenversicherungsmarktes21oder den besonderen Eigenschaften der Gesundheitsgüter22(Erne, 2003; Fleßa & Greiner, 2013; Haubrock & Schär, 2009; Werding, 2018). Das APS betont an dieser Stelle, dass es nicht die „absolute Ressourcenausstattung“ (Schrappe, 2018, S. 166) ist, welche eine höhere Patientensicherheit bewirken würde, sondern vielmehr die Steuerung der Verteilung der Mittel (Schrappe, 2018). Mit Hilfe des KHSG sind entscheidende Grundlagen für eine qualitätsorientierte Vergütung23in den Krankenhäusern geschaffen worden (Schrappe, 2018).
Das APS nennt folgende Eigenschaften des deutschen Gesundheitssystems, die sich auf die Patientensicherheit negativ auswirken (Schrappe, 2015; Schrappe, 2018): 1) Erkrankungsbezug statt Präventionsbezug (Schrappe, 2015, S. 68): Gewinn wird mit Erkrankungen erzielt, nicht mit deren Vermeidung. 2) Operative Akutbehandlungen sind lukrativer, als die konservative Begleitung und Behandlungskoordination von chronischen Mehrfacherkrankungen. 3) Die sektoralen Grenzen der Versorgung behindern die integrierte Versorgung, indem sie eher miteinander konkurrieren als kooperieren24(Schrappe, 2018; Straub, Bosch-Cleve, Hölscher, Walther & Weineck, 2016) und 4) Quantität wird vergütet (Summe der Leistungen), nicht die Behandlungsqualität oder - Sicherheit25.
2.2 Das Unternehmen Krankenhaus
Die wesentliche Aufgabe der Krankenhäuser in Deutschland besteht aus der akut- stationären Behandlung (Destatis, 2020; Haubrock & Schär, 2009). Die Krankenhäuser in Deutschland lassen sich nach zwei Kriterien gliedern: der Art der Zulassung und der Trägerschaft (Destatis, 2020; Haubrock & Schär, 2009). Die Zulassung teilt sich auf in die Krankenhäuser mit Versorgungsauftrag26und Krankenhäuser ohne Versorgungsauftrag, die nach § 30 der Gewerbeordnung (GewO) zugelassen sind (Destatis, 2020). Die Trägerschaft kann aus öffentlichen Trägern (Gemeinde, Bundesländer, Sozialversicherungsträger, etc.), freigemeinnützigen Trägern (Kirchen, Wohlfahrt, etc.) oder privatwirtschaftlichen Trägern (Einzelunternehmer bis hin zu großen Konzernen) bestehen (ebenda). Aktuell sind in Deutschland 1925 Krankenhäuser zugelassen, davon stehen 583 unter einer privaten Trägerschaft (Radtke, 2020a; Radtke, 2020b). In den letzten zwei Jahrzehnten ist die Gesamtanzahl der Krankenhäuser stetig gesunken27und die Anzahl der Krankenhausbetten um ca. ein Viertel seit dem Beginn der 1990er Jahre bei stetig steigenden Fallzahlen28(Destatis, 2020; Radtke, 2020a). Die durchschnittliche Verweildauer der Patienten wurde seit 1992 um über vierzig Prozent reduziert von 13,3 auf 7,3 Tage (Destatis, 2020). Sowohl die verfügbare Behandlungszeit, also auch das Volumen der zu behandelnden Patienten hat sich also enorm gesteigert, was eine immer effizientere Gestaltung des Throughputs im Krankenhaus erforderlich macht (Hensen, 2016; Löber, 2012). Der Leistungserstellungsprozess im Krankenhaus ist dabei äußerst komplex, da viele Schnittstellen existieren und Prozesse ineinandergreifen, wie bspw. die einzelnen Teilschritte des Patientenversorgungspfads29, die Supportprozesse30und die Managementprozesse31(Hensen, 2016). Dies stellt eine ständige Herausforderung dar die Patientensicherheit zu gewährleisten, da das Risiko für einen Informationsverlust und/ oder eine mangelnde Koordination und Kooperation zwischen den einzelnen Teilschritten und dem zuständigen Personal bspw. aus der Verwaltung, der Medizin oder der Pflege in diesem komplexen System hoch ist (vgl. Hensen, 2016; Löber, 2012; Schrappe, 2018).
Die Finanzierung der Krankenhäuser erfolgt in Form einer dualen Finanzierung: Die Abrechnung der erbrachten Leistungen erfolgt nach dem DRG-System32(Diagnose Related Groups) gemäß §17b des Krankenhausfinanzierungssystems33und soll die Betriebskosten decken. Die Investitionskosten sollen über die Bundesländer finanziert werden (vgl. BMG, 2016; GKV, 2019; Haubrock & Schär, 2009). Tatsächlich schrieben ca. ein Drittel der Krankenhäuser im Jahr 2017 rote Zahlen, 2019 waren es bereits vierzig Prozent34(Blum et al., 2019), da die Betriebskosten sich nicht mit Hilfe der Einnahmen decken ließen (Ärzteblatt, 2020; DKG, 2018). Dies lässt sich zum Teil auf die gestiegenen Sach- und Personalkosten35zurückführen. Ein weiterer Anteil ist der andauernde Investitionsstau, der mittlerweile auf dreißig Milliarden Euro in den letzten zehn Jahren angestiegen ist (DKG, 2018; DKG, 2019).
Die strengen Rationalisierungen, die Fehlanreize des DRG-Fallpauschalen- Vergütungssystems und die fehlenden Investitionsmittel führen letztendlich zu einer Gefährdung der Patientensicherheit, bspw. durch eine zu dünne Personaldecke, fehlende Investitionen in zeitgemäße Medizintechnik, ständigen neuen Einarbeitungsphasen aufgrund der hohen Fluktuation oder aufgrund von nach betriebswirtschaftlichen, an Stelle von medizinischen und patientenorientierten Schwerpunkten ausgerichteten Prozessen (Schrappe, 2018; St.Pierre & Hofinger, 2020; Vogd, Feißt, Ostermann & Molzberger, 2017).
Dies zeigt sich bspw. an dem Zusammenhang zwischen Quantität und Qualität des medizinischen Fachpersonals (Schwinger & Klein, 2014). Die internationale Studienlage zeigt auf, dass beide Faktoren die Patientensicherheit positiv beeinflussen: Je höher die Personaldichte und je höher die Qualifizierung des medizinischen Personal ist, desto günstiger ist der Outcome für den Patienten36(vgl. Aiken et al., 2012; Aiken et al., 2017; Cho et al., 2016; Griffiths et al., 2014; Schwinger & Klein, 2014). Diesen Erkenntnissen wird in der Gesetzgebung zunehmend Rechnung getragen37. So trat bspw. zu Beginn des Jahres 2019 die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) in
Kraft, die eine Mindestbesetzung für pflegesensitive Bereiche der Tag- und Nachtschicht der Pflege in den Fachabteilungen Geriatrie, Kardiologie, Unfallchirurgie und Intensivmedizin vorschreibt38(Blum et al., 2019).
Der Fachkräftemangel und die Schwierigkeit vakante Stellen im Krankenhaus mit qualifiziertem medizinischen Personal zu besetzen, hat in den letzten Jahren nochmals deutlich zugenommen39(Blum, 2019; Blum et al., 2019). Dies führt zu einer gefährlichen Unterbesetzung von Stationen, besonders in den Nachtschichten40(Bühler, 2017). Ebenso ist die Fluktuationsquote seit 2015 um 30-40% gestiegen und lag 2019 zwischen sieben und acht Prozent (Blum et al., 2019). Die Gründe hierfür sind vielfältig, wie bspw. die Vergütung, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Work-Life-Balance), die Arbeitsverdichtung, aufgrund der zu dünnen Personaldecke und damit die einhergehende Verkürzung der Zeit am Patienten, die steigenden administrativen Tätigkeiten, die hohe physische und psychische Belastung und die immer noch in deutschen Krankenhäusern vorherrschenden steilen Hierarchien (vgl. Baller & Schaller, 2017; Bräutigam et al., 2014; Buxel, 2011; Reuter-Herkner, 2020; Richter-Kuhlmann, 2019).
2.3 Das Team im Krankenhaus
Teams im Krankenhaus sind geprägt durch die Zusammenarbeit von mehreren Fachdisziplinen und Berufsgruppen, die ad-hoc oder über einen längerfristigen Zeitraum gemeinsam die effiziente Versorgung der Patienten sicherstellen müssen (St.Pierre & Hofinger, 2020). Der Vorteil der Teamarbeit, wenn sie gut gelingt, liegt in der höheren Leistungsfähigkeit, der effizienten Lösung komplexer Probleme, auch unter Zeitdruck, durch die Bündelung der Kompetenzen (ebenda). Die Studienlage belegt, dass die Güte der Teamzusammenarbeit in direkter Relation zur Patientensicherheit und dem Patienten-Outcome steht41(Donohue & Endacott, 2010; Salas & Rosen, 2013; Schmutz & Manser, 2013; Schmutz, Meier & Manser, 2019; Weaver et al., 2010). Eine erfolgreiche Teamarbeit, besonders wenn sie in einem herausfordernden und emotionsgeladenen Umfeld wie in einem Krankenhaus stattfindet, bedarf verschiedener Aspekte: Die Zusammenarbeit sollte von einem positiven Arbeitsklima geprägt und die Teamführung klar geregelt und etabliert42sein (Frankenhauser et al., 2020; St.Pierre & Hofinger, 2020). Konflikte und Kritik müssen offen und konstruktiv ansprechbar sein und eine guten intra- und interdisziplinäre Kommunikation im Team und mit dem Umfeld gepflegt werden, ebenso wie gegenseitige Unterstützung und Kontrolle, Absprache und Koordination der Vorgehensweisen im Einzelfall (Baller & Schaller, 2017; St.Pierre & Hofinger, 2020). Um die genannten Qualitäten in einem Team zu entwickeln bedarf des gezielten Teambuildings (Miller, Kim, Silverman & Bauer, 2018). Doch durch die oben genannten Herausforderungen der Personaluntergrenzen, der dünnen Personaldecke und der ständigen Fluktuation ändert sich die Teamzusammensetzung43häufig, was dies sehr erschwert44(Blum, 2019; Bühler, 2017). Weitere Einflussfaktoren auf die effiziente Zusammenarbeit der Teams im Krankenhaus ist die zunehmende multikulturelle Zusammensetzung innerhalb der Teams45, die immer noch steilen Hierarchien46, die mangelnde Anerkennung und Wertschätzung des nicht-ärztlichen Personals (Buxel, 2011) und der im Krankenhaus noch immer vorherrschende Silo-Struktur der Führung47(Bär et al., 2017; St.Pierre & Hofinger, 2020) .
2.4 Der/ die Mitarbeiter*in als Individuum
Mitarbeiter im Krankenhaus sind durch die oben geschilderten Arbeitsumstände und Rahmenbedingungen stark gefordert. Lange Schichten, zu hohe Verantwortung für zu viele Patient*innen (Bühler, 2017), ein hohes Maß an (unbezahlten) Überstunden (Hartmannbund, 2019), schnelles Entscheiden unter Zeitdruck (St.Pierre & Hofinger,
2020), wenig Zeit für die Anliegen der Patient*innen (Bühler, 2017) und die ständig wechselnden Teamstrukturen (Blum et al., 2019) sind nur einige der Faktoren, die eine hohe Anforderung an das Fachpersonal stellen. Dabei arbeiten sie in einem Umfeld, das per se emotional aufgeladen ist, da sich die Patient*innen und deren Angehörige in einer Ausnahmesituation befinden48(Löber, 2012; Schrappe, 2018). Die Mitarbeiter*innen leisten eine Art physischer und psychischer „Schwerstarbeit“ (Löber, 2012, S. 225), welche im gegebenen Kontext zu einer unsicheren Arbeitsweise führen49(Ellebracht, Lenz, Geiseler & Osterhold, 2018). Die emotionale Gesundheit des medizinischen Personals hat ebenso einen hohen Einfluss auf die Patientensicherheit: Psychisch gesunde Ärzt*innen machen bspw. nur halb so viele Fehler in der Behandlung, als jene, die bspw. unter Depressionen leiden (Pereira-Lima et al., 2019). Dabei ist das Personal im Krankenhaus überdurchschnittlich gefährdet psychisch zu erkranken50(Hormel, 2019; Richter-Kuhlmann, 2019; Rothgang et al., 2020).
2.5 Der/ die Patient*in im Krankenhaus
Eine weitere Quelle für die Gefährdung der Patientensicherheit sind die Patient*innen selbst. Die einzigartige Individualität jedes menschlichen Organismus birgt in sich, dass es im Rahmen der Therapie jederzeit zu nicht absehbaren Reaktionen und Komplikationen kommen kann. Die steigende Multimorbidität der Patienten und die damit meist einhergehende Multimedikation51, bringt häufig das Risiko für medizinisch nicht mehr einschätzbare Wechselwirkungen, Nebenwirkungen und Risiken mit sich (KBV, 2020; Schüle, 2018). Trotz des zunehmend proklamierten Patientenbildes des informierten und souveränen Konsumenten52, befinden sich die Patient*innen als
Risikonehmer*innen der Behandlung im Krankenhaus in einer emotionalen Ausnahmensituation und einem Abhängigkeitsverhältnis gegenüber dem medizinischen, pflegerischen und therapeutischen Fachpersonal. Dieses führt zu einer ähnlichen Neigung zu Fehlern, wie sie dem Fachpersonal unterlaufen können53und äußert sich bspw. in inkompletten Angabe von Informationen in der Anamnese54oder der Zurückhaltung von sensiblen oder (kulturell bedingt) schambesetzten Informationen (Fogarty, Curbow, Wingard, McDonnell & Somerfield, 1999; Hannawa & Jonitz, 2017; Trzeciak et al., 2019). Die individuelle Gesundheitskompetenz (engl. health literacy) der Patient*innen entscheidet über die (Non-)Compliance oder Adhärenz55mit der empfohlenen Therapie oder Medikation (vgl.Brown et al., 2016; Pellowski, Price, Allen, Eaton & Kalichman, 2017; Steinhausen et al., 2014). Besonders die patienteninduzierte Fehlmedikation führt häufig zu einer Gefährdung der Patientensicherheit56(Barber, 2002).
3 Fehlergrundlagen
Bevor in dieser Arbeit auf die kulturellen Aspekte des Umgangs mit Fehlern eingegangen wird, stellt sich die Frage: Was macht einen Fehler zu einem Fehler? In der intensiven, wissenschaftlichen Fehlerforschung aus linguistischer, psychosozialer, kognitiver, verhaltensorientierter, medizinischer und organisationaler Sicht spiegelt sich wider, dass nicht nur eine Antwort auf diese Frage existiert (vgl. Breitkreuz, 2009; Kießling, 1929; Löber, 2010; Wiegmann & Shappell, 2003). Alle Sichtweisen verfolgen unterschiedliche Interessen und Zielsetzungen, beschäftigen sich aber zwei Aspekten: Was ist ein Fehler und warum wurde er gemacht? (vgl. Hofinger, 2008).
3.1 Definition von Fehlern
Der Fehler kann alsunerwünschtes Resultat einer Handlungangesehen werden (St.Pierre & Hofinger, 2020). Dies bedeutet, dass erst ein negatives Ergebnis in der Rückschau einen Fehler zum Fehler macht. Diese Sichtweise findet sich häufig im medizinischen Kontext, da meist erst im Falle von einer Patientenschädigung von einem Fehler die Rede ist (ebenda). Der Entstehungskontext wird dabei meist missachtet, vielmehr wird ein wertiger Zusammenhang abgeleitet zwischen der Schwere des Schadens und dem Fehler57(Rall, Manser, Guggenberger, Gaba & Unertl, 2001; St.Pierre & Hofinger, 2020)
Eine weitere Sichtweise trennt die Konsequenz von der Handlung, indem dieHandlung an sichals mangelhaft oder falsch bewertet wird58(St.Pierre & Hofinger, 2020). Der Fokus richtet sich auf die Frage, warum so gehandelt wurde und nicht anders. Der Unfallhergang wird analysiert, um die Fehlerquellen zu identifizieren, wie bspw. die Informationsverarbeitung, kognitive Fähigkeiten, Wissen, Erfahrung oder die physische und mentale Verfassung (ebenda). Der Fehler wird hier dem Individuum zugeordnet (Rall et al., 2001; Rasmussen, 1990; St.Pierre & Hofinger, 2020). Eine Kritik dieser Herangehensweise ist die Gefahr „Fehlerhaftes mit Fehlerhaften“ zu erklären (St.Pierre & Hofinger, 2020, S. 41). Der fehlerhaften Handlung per se wird also eine Pathologie unterstellt, die möglichweiser gar nicht vorhanden war59(St.Pierre & Hofinger, 2020). Vielmehr stellt die Aufmerksamkeit eine begrenzte Ressource dar, die in Abhängigkeit der jeweiligen Zielausrichtung der handelnden Person eingesetzt wird (Müller, 2003). Der .Fehler' kann aus dieser Sichtweise heraus auch eine völlig normale Funktionsweise des Menschen und seiner Intelligenz betrachtet werden (St.Pierre & Hofinger, 2020).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Fehler immer dann als solcher bewertet wird, wenn eine Handlungsabsicht bestand, ein Ziel verfolgt wurde und es in der Verkettung der Ereignisfolge mindestens zu einem Zeitpunkt eine Handlungsalternative gegeben hätte, sprich der Fehler potentiell vermeidbar gewesen wäre und das Ergebnis als ungünstig beurteilt wird (Hofinger, 2012; St.Pierre & Hofinger, 2020; Weingardt, 2004; Zapf, Frese & Broedbeck, 1999).
3.2 Die Klassifikation von Fehlern
Der dargestellte Fehlerdiskurs hat zur Folge, dass unterschiedliche Fehlertaxonomien existieren60; das Generic Error Modeling System61(GEMS) der unsicheren Handlung von Reason (1994) hat sich interdisziplinär weitestgehend als Standardmodell62durchgesetzt und findet vor allem im medizinischen Bereich eine breite Verwendung (vgl. Bingham, 2012; Löber, 2012; St.Pierre & Hofinger, 2020; Weick & Sutcliffe, 2009). Reason (1994) differenziert zunächst zwischen der unbeabsichtigten Ebene der Irrtümer, die der Problementdeckung voraus gehen, als Folge von Aufmerksamkeits- und Gedächtnisfehlern und der beabsichtigten unsicheren Handlung. Bei den regelbasierten Fehlern, ebenso wie den wissensbasierten Fehlern, geht die Problemerkennung der Handlung voraus63. Regelbasierte Fehler sind Planungs- und Ausführungsfehler, bei denen ein Fehler in der Regelanwendung vorkommt oder anders ausgedrückt ein falsches Handlungsschema verwendet wird (Schein, 1995). Wissensbasierte Fehler dagegen gründen darin, dass für das Problem kein vorgefertigtes Problemlösungsmuster existiert und in der Situation mit Hilfe von abstraktem Denken eine neue Lösung generiert werden muss. Ein Fehler auf dieser Denk- und Urteilsfehlerebene entsteht, wenn der Problemraum aufgrund von mangelnder Kenntnis oder einer unübersichtlichen oder zu großen Informationsflut nicht ausreichend definiert und beurteilt werden kann64(Löber, 2012; St.Pierre & Hofinger, 2020). Die Fehler aufgrund von Verstößen stellen einen Sonderfall dar, da das abweichende Handeln intentional ist65(Schein, 1995).
3.3 Fehlerquellen im menschlichen Handeln
Wie ein Individuum sich in einem Anforderungskontext verhält und ob Probleme und herausfordernde oder kritische Situationen erfolgreich gemeistert werden, ist abhängig von einer erfolgreichen Handlungsorganisation (Prinz & Elsner, 2003). Diese wird beeinflusst von kognitiven (Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Denken), affektiven Einflussfaktoren (Stress, Emotionen), den situativen Zielsetzungen bzw. Intentionen, der Motivation, dem sozialen Setting und der Kommunikation (Abb. 1) (vgl. St.Pierre & Hofinger, 2020).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Modell der Informationsverarbeitung in Anlehnung an Wiegmann und Shappell (2003), eigene Darstellung.
DieWahrnehmungdient der Orientierung in der Umwelt und schafft eine subjektive Repräsentation der Wirklichkeit, die nur notwendigen Informationen abbildet, aus denen dann das weitere Handeln abgeleitet werden kann (Ansorge & Leder, 2011; St.Pierre & Hofinger, 2020). Die sensorischen Sinneseindrücke66werden selektiert, subjektiv mit Hilfe der bereits vorhandenen Erfahrungen, Erwartungen und Glaubenssysteme bewertet und aktiv verarbeitet (Vidulich et al., 2010). Dabei werden vertraute Elemente, mit denen wir uns häufig befassen schneller erkannt oder als solche interpretiert67(ebenda). Dies macht deutlich, dass die Wahrnehmung ein höchst individueller Prozess ist, welcher eine Vielfalt an Interpretationsmöglichkeiten einer Situation zulässt - auch falsche (Müller, 2003; Raab, Unger & Unger, 2010).
Die Selektion der Eindrücke wird durch dieAufmerksamkeitgesteuert. Die Informationen werden aus der Umgebung gefiltert, in dem die Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte gerichtet wird und andere ausgeblendet werden (Müller, 2003; Prinz & Elsner, 2003; Wiegmann & Shappell, 2003). Diese Selektionsfunktion erscheint mehr als sinnvoll, wenn man sich bewusst macht, welch hohe Menge an externen und internen Eindrücken in jeder Sekunde auf einen Menschen einströmen. Die zentrale Funktion der Aufmerksamkeit besteht also „in der Selektion von perzeptiver Information zur Verhaltenssteuerung“ (Müller, 2003, S. 245). Die Aufmerksamkeit beeinflusst somit die Informationsverarbeitung erheblich (Müller, 2003; Prinz & Elsner, 2003; Wiegmann & Shappell, 2003).Die Informationen und Stimuli, welche es durch den Filter der Aufmerksamkeit geschafft haben, werden in den verschiedenen Anteilen desGedächtnisses(zwischen-) gespeichert68(Gruber, 2011). Die Gesamtheit dieser Datenbank beeinflusst dann, wie die Stimuli aus der Umwelt interpretiert werden - somit ergeben sich Bedeutungs- und Deutungsmuster die höchst individuelle mentale Modelle der Realität erzeugen (Dörner, 1999).
DasDenkenin Bezug auf die Entscheidungsfindung wird häufig mit der Theorie der dualen Prozesse in Verbindung gebracht (vgl. Evans, 2008; Kahneman, 2012; Norman, 2009). Probleme können entweder mit dem automatischen schnellenSystems 1entschieden werden oder mit dem konzentrierten, langsamenSystem 2bzw. in einem Wechselspiel der beiden Systeme69(Kahneman, 2012). System 1 Prozesse laufen schnell und unbeabsichtigt ab, sie umgehen das Arbeitsgedächtnis und helfen somit kognitiven Ressourcen (Zeit und Aufwand) zu schonen70. Daher werden sie häufig eher eingesetzt, wenn Ressourcen nicht ausreichend zur Verfügung stehen, bspw. aufgrund von Müdigkeit oder Stress (Kahneman, 2012). System 2 Prozesse sind aufwendiger und langsamer, da die Informationsverarbeitung sequentiell und mit Hilfe der limitierten Kapazität des Arbeitsgedächtnis abläuft und die Aufmerksamkeit, sowie Konzentrationsfähigkeit fokussiert (ebenda). Das System 2 hat als Hauptaufgabe, die durch das System 1 generierten Gedanken, Entscheidungen und Handlungsvorschläge zu prüfen, um sie zuzulassen, zu modifizieren oder zu revidieren. Da dies immer mit einem gewissen Maß and Anstrengung verbunden ist und die Ressourcen des bewussten (Nach-) Denkens limitiert sind, findet häufig eine Wahl nach dem EfficiencyThoroughness Trade-Off Prinzip71(ETTO-Prinzip) statt (Hollnagel, 2009).
Die Affektlage bedingt durch Stress und Emotionen nimmt ebenfalls Einfluss auf die Fehlerentstehung72.Stressentsteht, wenn ein Ungleichgewicht zwischen einer äußeren Anforderung und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten besteht (vgl. Lazarus & Launier, 1981; Rothgangel, Schüler & Dietz, 2010). Als Stressor73wird ein Stimulus bezeichnet, der die Homöostase74einer Person stört (Kaluza, 2015). Die Stressreaktion, also die Antwort auf den Stressor, kann als Anpassungsreaktion, bzw. Sollwertverschiebung (Allostase) zur Wiederherstellung der Homöostase verstanden werden (Homöostase-Allostase-Modell)75. Der Körper befindet sich situativ angepasst immer in einem bestimmten Aktivierungsniveau. Gerät ein neuer Stimulus in den Fokus der Konzentration findet eine Orientierungsreaktion76statt und das Aktivierungsniveau steigt (Ebermann & Fahnbruck, 2011; Kaluza, 2015; Rensing et al., 2006). Das Transaktionale Stressmodel77(Coping-Modell) von Lazarus und Launier (1981) hebt besonders hervor, dass es nicht der Stressor an sich ist, der zu einem negativen Stressempfinden führt, sondern die sekundäre Bewertung, ob die eigenen Bewältigungsmöglichkeiten ausreichen um mit der Anforderung zurecht zu kommen78.
[...]
1Zu den Anstrengungen, eine offene Fehlerkultur zu schaffen, welche auch die systemisch- organisationalen Zusammenhänge von Fehlern adressieren, um das Risikopotenzial des „Faktor[s] Mensch“ (St.Pierre & Hofinger, 2020, S. 4) zu reduzieren, zählen bspw. das non-punitive Reporting-System für Fehler (das mittlerweile verpflichtende Critical Incident Reporting System (CIRS)), die Teilnahme an der Safe Surgery Saves Lives-Initiative der World Health Organization (WHO) oder die Einführung der Standard Procedure Protocolls (SOP's) als Umsetzung der Empfehlungen der WHO Action Area Patient Safety (St.Pierre & Hofinger, 2020; WHO, 2019).
2In Bezug auf extern, bzw. vom Management angefragten prozess- und strukturorientierten Innovationen (Schrappe, 2018).
3Nicht erst im aktuellen Ausnahmezustande der Covid-19 Pandemie ist der Gesundheitsschutz des Krankenhausfachpersonals dabei ein ernstzunehmender Faktor, der zu einem erhöhten Krankenstand, einer hohen Personalfluktuation und schließlich auch einer Gefährdung der Patient*innen führt (Reichhardt, 2020; Richter-Kuhlmann, 2019). Das APS machte den Gesundheitsschutz der Mitarbeiter zum Thema des diesjährigen Welttags der Patientensicherheit am 17. September und forderte einmal mehr die Einführung von niederschwellig erreichbaren Hilfsangeboten (Reichhardt, 2020).
4Zur Steigerung der Resilienz, dem Umgang mit belastenden Emotionen, der Verbesserung der Zusammenarbeit im Team und der Arzt-Patienten-Kommunikation, bzw. Pflege-PatientKommunikation (vgl. Altmann, 2013; Brand-Hörsting, 2019; Sears, 2012).
5Eine Studie von Hojat et al. (2011) zeigten, dass die Wahrscheinlichkeit von diabetischen Patienten ihren Blutzuckerspiegel langfristig optimal einzustellen 80 % wahrscheinlicher war, wenn der Arzt über ein hohes Empathievermögen verfügte, wodurch sich ein 40% niedrigeres Risiko für Komplikationen ergab. Herzinfarktpatienten, die nicht empathisch in der Rehabilitationsphase begleitet wurden, hatten eine dreifach erhöhtes Risiko an der Erkrankung zu versterben, als Patienten die einfühlend begleitet wurden (Berkman, Leo-Summers & Horwitz, 1992).
6Bspw. in Schulen (u.a. Hart & Hodson, 2004; Orth & Fritz, 2013) , Unternehmen (u.a. Brüggemeier, 2011; Lasater, 2012; Miyashiro, 2013), Kindergärten (u.a. Gaschler & Gaschler, 2020), Familien (u.a. Kashtan, 2013; Rust, 2006) und in der internationalen Friedensarbeit (UNESCO, 2005).
7Allerdings wurde die beiden Projekte nicht wissenschaftlich begleitet und ausgewertet.
8Gesundheitsgüter sind Wirtschaftsgüter, die geeignet sind um den Gesundheitszustand positiv zu beeinflussen und sind sowohl Kollektiv- als auch Zukunftsgüter (Haubrock & Schär, 2009).
9Im Sinne von Produkten und Dienstleistungen, letztere überwiegen im Gesundheitsbereich (Fleßa & Greiner, 2013; Haubrock & Schär, 2009).
10In dem Sinne dass der Wert und das Leben eines jeden Einzelnen denselben Wert besitzt und nicht abgewogen werden darf (Peintinger, 2008).
11aus denen sich bspw. die im Medizinrecht erforderliche Einwilligungspflicht des Patienten ableitet (Frewer, Emrich & Fröhlich-Güzelsoy, 2014; Kubella, 2011).
12Die Patientenrechte wurden 2013 im Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (PatRg) im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) im Paragraf 630 kodifiziert und zusammengefasst (Sommer et al., 2016; Uphoff & Hindemith, 2016). Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Patientenrechte über das sog. Richterrecht ständig weiterentwickelt worden, was zwar der besonderen Beziehung zwischen Behandler*innen und Patient*innen gerecht wurde (Hollenbach, 2003), aber „im Wesentlichen nur Fachleuten zugänglich“ (Uphoff & Hindemith, 2016, S. S. 15) war.
13Das PatRg sollte die Patientenrechte stärken, allerdings wurden grundlegende Elemente wie die kritisierte kausale Beweislastführung oder die Begutachtung durch medizinische Fachkollegen beibehalten. Dadurch wurde die Position der Patienten de facto nicht gestärkt, sondern eher der Trend in Richtung Defensivmedizin verschärft (Uphoff & Hindemith, 2016).
14 siehe Kapitel 3.
15Zur rechtlichen Absicherung werden Behandlungen unterlassen oder redundante Maßnahmen angeordnet (Büssow, 2014; Euteneier & Bauer, 2015; Imhof, 2010).
16 Wie bspw. das GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz (FQWG) vom 21.7.2014, das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (VSG) vom 16.7.2015 und das Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) vom 10.12.2015 (BMG, 2019; Schrappe, 2018).
17Im Rahmen des klinischen Risikomanagements, das als strategische Querschnittsfunktion systematisch die krankenhausinduzierte Schädigung von Patienten verhindern soll, soll CIRS als ein mögliches Identifikations- und Erfassungstool von potentiellen Risiken für die Patientensicherheit dienen (Löber, 2017).
18 der zu einer qualitativ hochwertigeren Versorgung führt, aber auch zu deutlich mehr Kosten pro Fall (Werding, 2018)
19Die Ausgaben im Gesundheitssystem steigen schneller, als Einnahmen über den Beitragssatz erhoben werden können (Fleßa & Greiner, 2013; Haubrock & Schär, 2009; Werding, 2018).
20Die Fähigkeit des Konsumenten eine nutzenmaximierende, ökonomisch-rationale Entscheidung zu treffen. Diese gilt gerade bei Gesundheitsgütern als erschwert, u.a. aufgrund der Intransparenz der Güterqualität und der Preisgestaltung oder der Tatsache, dass der Patient im Moment des Bedarfs keine Einschätzung vornehmen kann (aufgrund der Schwere der Erkrankung, bspw. nach einem Unfall) (Erne, 2003).
21im Sinne der Prinzipal Agency Theorie (Hochhold & Rudolph, 2009)
22Da diese bspw. nicht lagerfähig sind, über eine geringe Rationalisierbarkeit verfügen, sowie eine geringe Kapazitätselastizität und Präferenzen für sie existieren (Haubrock & Schär, 2009).
23Im Sinne eines Pay for Performance Prinzips, es wird also die Qualität nach bestimmten (Prozess-) Kriterien vergütet (Matthes, 2019). Die internationale Studienlage zeichnet bisher allerdings ein unklares Bild, ob ein Pay-for-Performance Vergütungssystem einen besseren Outcome für die Patienten bewirkt (Matthes, 2019; Mendelson et al., 2017; Schrappe, 2018).
24Und haben Über-, Unter- und Fehlerversorgungen zur Folge.
25Im Gegensatz zu anderen Vergütungsstrukturen, wie bspw. in den USA seit des 2010 in Kraft getretenen Patient Protection and Affordable Care Act. Hier gilt ein Value-based-Purchase (VBP) Prinzip, bei dem die Effizienz, gemessen an der erreichten Qualität in Beziehung zu den eingesetzten Ressourcen, vergütet wird (Schrappe, 2015)
26 Hochschulkliniken (mit landesrechtlicher Förderung für den Hochschulbau), Plankrankenhäuser (als Teil des Landeskrankenhausplans) und Krankenhäuser mit einem Versorgungsauftrag gemäß §108 Nr.3 SGB V (Vertrag mit den Landesverbänden der Primärkassen und den Verbänden der Ersatzkassen).
27Dabei wird die Kritik geübt, dass die Reduktion der Krankenhäusern nicht das Ergebnis einer geplanten aktiven Krankenhausplanung ist, sondern eine „ungesteuerte[n] Strukturbereinigung auf kaltem Weg“ (Deutsche Krankenhausgesellschafte.V., 2019, S. k.A.).
28Die privat geführten Kliniken konnten ihre Fallzahlen in den letzten zehn Jahren um dreißig Prozent steigern, die Krankenhäuser mit öffentlichen und freigemeinnützigen Trägern um ca. sieben bis acht Prozent (BMG, 2020).
29Üblicherweise unterteilt in Aufnahme, Anamnese, Diagnostik, Therapie, Pflege, Austritt und Nachsorge (Hensen, 2016).
30Bspw. Instandhaltung, Archivierung, Einkauf, Buchhaltung, etc. (Hensen, 2016).
31Bspw. Zielplanung, Personalgewinnung oder Mitarbeiterqualifizierung (Hensen, 2016).
32Hierbei wird ein Behandlungsfall je nach Diagnose, dem Schweregrad und dem Behandlungsaufwand vergütet und eine mittlere Verweildauer angenommen. Bei einer deutlich kürzeren oder längeren Verweildauer erfolgen Zu- oder Abschläge. Es besteht für die Kliniken also ein Anreiz die mittlere Verweildauer zu unterschreiten (GKV, 2019; Schrappe, 2018).
33mit Ausnahme der Abrechnung der Leistungen im teil- und vollstationären Bereich der psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken (GKV, 2019).
34Die meisten wirtschaftlichen Defizite fanden sich im Krankenhaus Barometer 2019 bei den Krankenhäuser mit weniger als 300 Betten, insgesamt schnitten fast siebzig Prozent der Häuser gleich oder schlechter ab als im Vorjahresvergleich (Blum, Löffert, Offermanns & Steffen, 2019).
35bspw. durch steigende Lohnerwartungen oder Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben, wie der Vorgabe der Mindestbesetzung von Stationen gemäß der PpUGV (Blum et al., 2019; Margeit, 2018).
36In den Studien konnte bspw. ein verringerte Mortalitätsrate um bis zu 16% nachgewiesen werden, eine geringere Verweildauer oder eine Verringerung von ungeplanten Extubationen oder nosokomialen Sepsen (Butler et al., 2011; Kane, Shamliyan, Mueller, Duval & Wilt, 2007).
37siehe hierzu auch Kapitel 2.1.
38Diese Mindestbesetzung wurde allerdings v.a. in den Nachschichten dem KrankenhausBarometer 2019 nach im ersten Quartal in fast allen Häusern nicht eingehalten. Als Gründe wurden v.a. kurzfristige Personalausfälle und der erhöhte Dokumentations- und Organisationsaufwand genannt (Blum et al., 2019).
39Über 3000 ärztliche Vollzeitstellen konnten 2019 nicht besetzt werden, in der Pflege waren es über 12000 Stellen. In der Intensivpflege hatten 97 % der Krankenhäuser Probleme Stellen zu besetzen, insgesamt waren alleine in diesem Bereich fast 5000 Stellen vakant. Auch bei der Wiederbesetzung der therapeutischen Stellen hatten 21% der Krankenhäuser Schwierigkeiten (Blum et al., 2019).
40Der Nachtdienst-Report von ver.di zeigt dass es durch die Unterbesetzung und Arbeitsverdichtung auf den Stationen zu Gefährdungen der Patienten kommt, da implizite Rationalisierungen von erforderlichen Leistungen erfolgen (76,8 % der Befragten gaben an in ihrer Nachtschicht erforderliche Leistungen wegzulassen, da sie tlw. alleine bis zu dreißig Patienten betreuen mussten) und Überwachungslücken entstehen, so dass gefährliche Situationen nicht rechtzeitig erkannt werden konnten (Bühler, 2017).
41 Sowohl die beobachtbare Qualität der Zusammenarbeit im Team, als auch die durch die Teammitglieder subjektiv empfundene Wahrnehmung der Zusammenarbeit hat einen direkten Einfluss auf die Patientensicherheit und die Mortalitätsrate in Krankenhäusern (Manser, 2009).
42Besonders in der Akutmedizin müssen die Teams funktional vordefiniert sein, da i.d.R. keine Zeit ist in ad-hoc Teams die Rollenerwartungen immer neu zu klären (St.Pierre & Hofinger, 2020)
43Durch Ausfall bei Krankheit oder Urlaub wird bspw. Personal auf einer anderen Station zur Vertretung eingesetzt.
44Jedes Mal, wenn ein Teammitglied eine Team verlässt, muss sich das Team restrukturieren gemäß der Gruppenphasen nach Tuckman und Jensen (1977): Forming, Storming, Norming, Performing.
45Die Teams können von den unterschiedlichen Ansichten und Erfahrungen der Multikulturalität profitieren, es entstehen aber auch leicht Missverständnisse aufgrund unterschiedlicher Vorerfahrungen, Erwartungen und evtl. sprachlicher Kompetenzen (Eßrich & Wegmann, 2019).
46Ist die Hierarchie zu steil, bzw. der Autoritätsgradient zu hoch behindert dies den freien Fluss von Informationen und sicherheitsrelevante Bedenken werden nicht geäußert, bspw. aus Angst vor negativen sozialen Konsequenzen, Grundannahmen über die eigene Rolle in der Hierarchie oder der Annahme, dass der Einwand vermutlich nicht ernst genommen wird (Makary, Sexton & Freischlag, 2006; Reid & M, 2012; St.Pierre, Scholler, Strembski & Breuer, 2012).
47Im Organigramm vieler Krankenhäuser zeigen noch immer separierte Führungsstrukturen bspw. für die Verwaltung, die Pflege, die Ärzteschaft und die Therapeuten (Bahro, Schregenberger & Staub, 2000; Bär, Fiege & Weiß, 2017).
48An dieser Stelle sei auf die fünf Trauerphasen nach E. Kübler-Ross verwiesen, die im Rahmen von Schicksalsschlägen (bspw. Tod eines Angehörigen oder Verlust der Gesundheit) auftreten und den emotionalen Zustand der Patienten, bzw. der Angehörigen beeinflussen können.
49eingehend in Kapitel 3.3
50 In der Studie Arbeitsbedingungen und Gesundheitszustand junger Ärzte und professionell Pflegender in deutschen Krankenhäusern‘ der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtsfürsorge (BGW) in Kooperation mit mehreren Berufsverbänden aus dem Jahr 2017 wurde aufgezeigt, dass beinahe Dreiviertel der Befragten bereits unter Burn-Out-Symptomen litten (Richter-Kuhlmann, 2019). Der Pflegereport der Barmer 2020 zeichnet ein ähnliches Bild (Rothgang et al., 2020).
51Die Multimedikation oder auch Polypharmazie beschreibt die Einnahme von mehr als zwei Medikamenten zur gleichen Zeit. Aufgrund der bei jedem Medikament existierenden Nebenwirkungen lassen sich die Wechselwirkungen der Medikamente untereinander bei der Einnahme von mehr als zwei Medikamenten diese kaum noch antizipieren (KBV, 2020)
52 bestärkt durch das PatRg drückt sich das veränderte Patientenselbstbild in einer höheren Bereitschaft der Selbstinformation, aber auch in Form von gestiegenen Erwartungen gegenüber dem Fachpersonals aus: Es wird mehr Wert auf die emotionale und empathische Begleitung gelegt, mehr Respekt vor der Person der Patienten und seinen Wertvorstellungen und Überzeugungen und die Einbeziehung der Angehörigen erwartet, ebenso wie einen höhere personelle Kontinuität innerhalb der Einrichtung (Dierks & Schaeffer, 2005; Löber, 2012; Zerth, 2014)
53Siehe Kapitel 3
54wichtige Vorbefunde werden nicht erwähnt, Medikamentenpläne sind nicht aktuell oder die Intensität von Schmerzen wird über- oder unterbetont (Hannawa & Jonitz, 2017; Löber, 2012).
55Die Adhärenz bezeichnet die Fähigkeit bzw. Bereitschaft von Patient*innen eine komplexe Therapievorgabe (wie physiotherapeutische Übungen, Medikamenteneinnahmepläne, o.ä.), die eine aktive Verhaltensänderung erfordert, eigenmotiviert und zuverlässig (auch langfristig) einzuhalten, die in gemeinsamer Abstimmung mit dem Behandler festgelegt wurde. Der Begriff der Compliance bezieht sich dagegen auf die Einhaltung, oder auch Therapietreue von durch den Behandler vorgegebenen (Handlungs-) Anweisungen (Schulz, 2011).
56Bspw. wird eine Dosis vergessen, eine Tablette wird verwechselt oder es kommt zu einer unerwünschten Pausierung der Medikation, da ein Rezept zu spät erneuert wird (Barber, 2002).
57Je negativer der Outcome für den Patienten, umso inkompetenter oder fahrlässiger muss der Verursacher gewesen sein. Sprich ein Arzt, dessen Handeln oder Nicht-Handeln einen schwerer Patientenschaden hervorruft, muss dementsprechend unqualifiziert, unachtsam oder nachlässig gewesen sein (vgl. St.Pierre & Hofinger, 2020).
58Die pädagogische Psychologie definiert Fehler als „von der Norm abweichende Sachverhalte oder von einer Norm abweichende Prozesse“ (Oser, Hascher & Spychiger, 1999, S. 11).
59Bspw. in Form einer situativen Abgelenktheit und keinem pathologischen Aufmerksamkeitsdefizit.
60 bspw. das kognitiv geprägte Modell von Rasmussen (1982) der Handlungsregulationsebenen oder die Fehlertaxonomie von Norman (1981).
61Das GEMS wurde ursprünglich für die Sicherheitsforschung entwickelt und zu Beginn in Bereichen wie der Luftfahrt oder der Kernenergie angewandt (Löber, 2012; St.Pierre & Hofinger, 2020; Vidulich, Wickens, Tsang & Flach, 2010).
62Es ist im Zusammenhang mit dem Unfallverursachungsmodell von Reason (1994) zu sehen, siehe dazu Kapitel 3.4
63In diese Kategorie fällt auch, dass eine falsche Regel angewandt wird oder dass es unterlassen wird eine passende Regel anzuwenden, bspw. weil sie nicht ausreichend vertraut war. Grund kann ein mangelhaftes Clinical Reasoning sein, dass bspw. das vorhandene Wissen und die Erfahrung im falschen Kontext angewendet wird. (vgl. Li, Cassidy & Bromilow, 2011; Rall et al., 2001; Reason, 1994; Schaper, 2019; St.Pierre & Hofinger, 2020).
64Dies ist auch im Zusammenhang mit der begrenzten Informationsverarbeitungskapazität von Menschen zu sehen, die in komplexen, neuartigen oder selten auftretenden Fällen dazu neigen ungeeignete Vereinfachungsstragien anzuwenden. Dadurch werden manche Sachverhalte ignoriert oder simplifiziert, so dass es zu gravierenden Fehlern kommen kann (Schaper, 2019).
65Diese Zuwiderhandlungen können aber durchaus von der Bewertungsebene von außen aus als Fehler eingestuft werden und Unfälle oder unerwünschte Resultate verursachen Reason (1994). Der Routineverstoß ist bspw. eine Umgehung einer Handlungsvorgabe, da diese mit anderen Zielen nicht kompatibel ist. Der Optimierungsverstoß erfolgt aus der Intention persönliche Ziele zu erreichen oder da sich die Person sicher ist die Auswirkungen abschätzen zu können (Löber, 2012; Schaper, 2019). Die (Betriebs-) Sabotage beschreibt eine bewusst illegale Handlung, welche nach §316b StGB strafbar ist.
66Riechen, Schmecken, Fühlen, Bewegungsinformationen, Sehen und Hören (Schwegler & Lucius, 2016).
67Man spricht von einer hypothesengesteuerten Wahrnehmung, wenn schon auf einer frühen Ebene der Wahrnehmung wird ein Abgleich durchgeführt und eine unbewusste Hypothese aufgestellt um was es sich handeln könnte. Dies verkürzt die Zeit bis zur Erkennung eines Musters, kann aber auch zu einer Fehlinterpretation führen (Dörner, 1999).
68Das Ultrakurzzeitgedächtnis kann eine große Menge an Information für ca. eine halbe Sekunde zwischenspeichern, welche dann, erneut gefiltert, an das Arbeitsgedächtnis weitergegeben werden. Hier können ca. 5-7 Items bis zu 30s gehalten werden. Es ist äußert störungsanfällig für Ablenkungen, Informationen gehen schnell verloren, wenn sie nicht strukturiert, kodifiziert und werden um ins Langzeitgedächtnis aufgenommen zu werden. Die Kapazität der Langzeitgedächtnisses ist nicht begrenzt und kann über die gesamte Lebensspanne erweitert werden (Gruber, 2011).
69Umgangssprachlich spricht man von Entscheidungen, die aus dem Bauch heraus oder vom Kopf her getroffen werden (Müssig, 2017).
70Da System 1 Prozesse Heurismen verwenden als ein „schnelles, einfaches und in der Regel unbewusstes „Findeverfahren“ für Bewertungen, Interpretationen oder Entscheidungen, eine Art „mentaler Daumenregel“.“ (St.Pierre & Hofinger, 2020, S. 114). Sie finden in bekannten Kontexten Anwendung oder wenn in einer Situation schnell und auf Basis von unvollständigen Informationen eine Entscheidung getroffen werden muss. Dies kann wertvolle Zeit sparen, vor allem in kritischen medizinischen Situationen (St.Pierre & Hofinger, 2020), aber zu sog. ,cognitive bias‘ (kognitiven Verzerrungen), wenn das System 1 ,Denkfehler‘ begeht, indem es bspw. die Komplexität einer Situation unterschätzt (Haselton, Nettle & Murray, 2015).
71Dabei muss zwischen zwei Optionen entscheiden: Der Gründlichkeit (thoroughness), wenn Sicherheit und Qualität angestrebt werden oder der Effizienz (efficiency), wenn ein Ziel oder eine Vorgabe ressourcenschonend (Zeit und Aufwand) erreicht werden soll (Hollnagel, 2009).
72 Durch einen hohen Leistungs- und Zeitdruck, Arbeiten im Ermüdungszustand und einer hohen emotionalen Herausforderung, siehe Kapitel 2.
73Es können drei Arten von Stressoren unterschieden werden: Umweltbezogene Stressoren in Form von bspw. hohen Leistungsanforderungen, physische Stressoren, bspw. durch eine hohe Lärmbelastung oder psychische Stressoren, wie bspw. Zeitdruck, hohe Eigenansprüche an sich selbst, Reizüberflutung, oder eine ständige emotionale Überforderung (Ebermann & Fahnbruck, 2011; Kaluza, 2015; Rensing, Koch, Rippe & Rippe, 2006).
74 Das Konzept der Homöostaste wurde von Walter Cannon in seiner Veröffentlichung 1932 ,The Wisdom of the Body‘ publiziert und beschreibt den dynamischen Prozess der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zwischen Mensch und Umwelt (Borck, 2014; Rothgangel et al., 2010)
75 Die allostatische Stressreaktion dient in der neueren Stressforschung der langfristig ausgerichteten Anpassung an die sozialen Lebensräume. Ziel ist nicht die Vermeidung von Stress, sondern es wird vielmehr ein ausgeglichenes Anforderungsniveau angestrebt (Steinle, 2015).
76Die Orientierungsreaktion besteht aus der Aktivierung des sympathischen Nervensystems, bspw. in Form eines Anstiegs des Cortisolspiegels oder einer erhöhten Muskelspannung. Die Reaktion ist höchstindividuell und verläuft nicht zwingend in den drei Phasen der AlarmWiderstands- und Erschöpfungsphase, wie ursprünglich von Hans Selye (1976, 1981) in seinem Allgemeinen Adaptionssyndroms (AAS) angenommenen (vgl. Ebermann & Fahnbruck, 2011; Kaluza, 2015; Rothgangel et al., 2010).
77siehe Anhang A.
78 Die neuropsychologische Forschung der letzten 10 - 15 Jahre unterstützt dieses Verständnis der Stressentstehung (vgl. Ashkanasy, Troth, Lawrence & Jordan, 2017; Kupiek, 2020).
- Citar trabajo
- Ursula Frentzel (Autor), 2021, Einfluss der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) auf die Fehlerkultur im Krankenhaus, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1356811
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