Die Zielsetzung dieser Diplomarbeit liegt darin, einen Gesamtüberblick über die Rechtsübersetzung und die dabei benutzten Hilfsmittel zu verschaffen. Diese Arbeit besteht aus zwei Teilen: einem theoretischen und einem empirischen.
Im Rahmen der Theorie wird das erste Kapitel, neben einer allgemeinen Einführung in die Fachsprache, der Rechtssprache gewidmet. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit den Rechtstexten, ihrer Struktur und Funktion sowie mit den verschiedenen juristischen Textsorten. Im dritten Kapitel geht es um die Rechtsübersetzung. So werden die Arten der Rechtsübersetzung, die Übersetzungstheorien und die Methoden und Verfahren der Rechtsübersetzung diskutiert. Zusätzlich werden in diesem Kapitel die Hilfsmittel zur Übersetzung juristischer Texte, einschließlich der Kompetenzen des Übersetzers, die verschiedenen lexikographischen Nachschlagewerke, Parallel- und Hintergrundtexte sowie elektronische Hilfsmittel eingeführt.
Das letzte Kapitel im theoretischen Teil befasst sich mit der Rechtsvergleichung und ihrer Beziehung zur Rechtsübersetzung.
Im empirischen Teil bzw. letzten Kapitel meiner Arbeit beschäftige ich mich mit arabischen Heiratsurkunden und Eheverträgen, die ich in die deutsche Sprache übersetzt habe, mit anschließender Interpretation. Schließlich folgt ein Schlusswort und ein Glossar Arabisch – Deutsch, das die in den zu übersetzenden Texten vorkommenden Fachbegriffe und Ausdrücke beinhaltet.
Inhaltsverzeichnis
0. Einleitung
Teil I: Theoretische Grundlagen
1. Rechtssprache
1.1 Fachsprache
1.1.1 Definition
1.1.2 Gliederungsebenen von Fachsprachen
1.1.2.1 Die horizontale Ebene
1.1.2.2 Die vertikale Gliederung
1.1.3 Eigenschaften von Fachsprachen
1.1.3.1 Semantische Eigenschaften
1.1.3.2 Lexikalische Eigenschaften von Fachsprachen
1.1.3.3 Syntaktische und morphologische Eigenschaften
1.1.3.3.1 Selektion und Funktionswandel
1.1.3.3.2 Eigenschaften von Sätzen
1.1.3.4 Graphemische und phonologische Eigenschaften von Fachsprachen
1.1.3.4.1 Graphemische Eigenschaften
1.1.3.4.2 Phonologische Eigenschaften
1.1.4 Funktionen von Fachsprachen
1.2 Recht und Sprache
1.3 Rechtsterminologie
1.3.1 Die Eigenschaft der Rechtsbegriffe
1.3.1.1 Bestimmte und unbestimmte Rechtsbegriffe
1.3.1.2 Definierte Rechtsbegriffe
1.3.2 Definition
1.4 Charakteristika der Rechtssprache
1.4.1 Der Bezug zur Gemeinsprache
1.4.2 Polysemie
1.4.3 Intertextualität
1.4.4. Standardisierte Formeln
1.4.5 Besonderheiten der Gesetzessprache
1.5 Rechtssprachliche Phraseologie
2. Rechtstexte
2.1 Struktur und Funktion
2.2 Juristische Textsorten
2.2.1 Rechtsliteratur
2.2.2. Gesetze
2.2.3 Rechtsprechung
2.2.4 Verträge
3. Rechtsübersetzung
3.1 Arten der Rechtsübersetzung
3.1.1 Interlinguale Rechtsübersetzung
3.1.2 Intralinguale Rechtsübersetzung
3.2 Übersetzungstheorien
3.2.1 Allgemeine Übersetzungstheorien
3.2.1.1 Relevanz-Theorie nach GUTT
3.2.1.2 Hermeneutik nach STOLZE
3.2.1.3 Prototyp-Theorie nach SNELL-HORNBY
3.2.1.4 Texttypologie nach REISS
3.2.1.5 Skopostheorie nach REISS / VERMEER
3.2.2 Eigene Theorie für die Übersetzung von Recht
3.3. Methoden und Verfahren der Rechtsübersetzung
3.3.1 Übersetzungsmethoden
3.3.2 Übersetzungsverfahren
3.4 Hilfsmittel zur Übersetzung rechtlicher Texte
3.4.1 Definition
3.4.2 Das Wissen des Rechtsübersetzers
3.4.2.1 Übersetzerische Kompetenz
3.4.2.2 Juristische Kompetenz
3.4.2.3 Rechtssprachliche Kompetenz
3.4.3 Lexikographische Nachschlagewerke
3.4.3.1 Fachliche Sprachwörterbücher, Sachwörterbücher und Allbücher
3.4.3.2 Wissen - Informationen - Lexikographische Daten
3.4.3.3 Sprachliche vs. nicht-sprachliche, semantisch- (fach)enzyklopädische vs. (fach)enzyklopädische Daten
3.4.4 Parallel- und Hintergrundtexte
3.4.4.1 Paralleltexte
3.4.4.2 Hintergrundtexte
3.4.5 Elektronische Hilfsmittel
3.4.5.1 Die Datenbank
3.4.5.1.1 Wissensvoraussetzungen des Hilfsmittelbenutzers
3.4.5.1.2 Hilfsmittelbenutzung
3.4.5.1.3 Hilfsmittelfunktionen
3.4.5.1.4 Das prototypische Datenbankprogramm JUSLEX
3.4.5.2 IATE
3.4.5.3 Elektronische Korpora
4. Rechtsvergleichung beim Übersetzen rechtlicher Texte 67
4.1 Formen der Rechtsvergleichung
4.1.1 Makro- und Mikrovergleichung
4.1.1.1 Makrovergleichung
4.1.1.2 Mikrovergleichung
4.1.2 Angewandte und dogmatische Rechtsvergleichung
4.1.2.1 Angewandte Rechtsvergleichung
4.1.2.2 Dogmatische Rechstvergleichung
4.2. Vergleichung
4.2.1 Vergleichbarkeit
4.2.1.1 Vergleich nach institutioneller Typologie
4.2.1.2 Vergleich nach systematischen Kategorien
4.2.2 Rechtsqualität
4.2.3 Funktionalitätsprinzip
4.3 Phasen der methodologischen Prozess der Rechtsvergleichung nach CONSTANTINESCO
4.3.1 Erste Phase: Feststellen
4.3.2 Zweite Phase: Verstehen
4.3.3 Dritte Phase: Vergleichen
4.4 Das Verhältnis von Rechtsübersetzung und Rechtsvergleichung
4.4.1 Übersetzen als Hilfsmittel der Rechtsvergleichung
4.4.2 Rechtsvergleichung als Hilfsmittel der Rechtsübersetzung
4.4.3 Rechtsübersetzung und Rechtsvergleichung als gleichberechtigte Disziplinen
Teil II: Der empirische Teil
5. Übersetzungen aus der arabischen Sprache in die deutsche Sprache mit Beobachtung
5.1 Einführung
5.2 Deutsche Übersetzungsvorschläge aus dem Arabischen
5.2.1 Die marokkanische Heiratsurkunde
5.2.2 Der ägyptische Ehevertrag
5.2.3 Die libanesische Heiratsurkunde
5.3 Beobachtungen zur Übersetzung
6. Schlusswort
7. Glossar
8. Literaturverzeichnis
Anhang
0. Einleitung
Alles Übersetzen scheint mir schlechterdings ein Versuch zur Auflösung einer unmöglichen Aufgabe. Denn jeder Übersetzer muss immer an einer der beiden Klippen scheitern, sich entweder auf Kosten des Geschmacks und der Sprache seiner Nation zu genau an Original oder auf Kosten seines Originals zu sehr an die Eigentümlichkeiten seiner Nation zu halten. Das Mittel hierzwischen ist nicht bloß schwer, sondern geradezu unmöglich.1 Wilhelm von Humboldt
Vor allem gilt die Rechtsübersetzung als einer der schwierigsten Typen der Translation. Sie stellt in jedem Fall eine große Herausforderung für die Übersetzer dar, die nicht nur rein sprachliche Kenntnisse, sondern auch Rechtskenntnisse besitzen müssen. Im Zuge der Globalisierung steigt die Nachfrage nach qualitativer Übersetzung im Rechtsbereich an und ist ein unverzichtbarer Bestandteil der juristischen Tätigkeit geworden. So dass man die Rechtsübersetzung als Brücke zwischen Rechtskulturen bezeichnen kann.
Die Zielsetzung der vorliegenden Diplomarbeit besteht darin, einen Gesamtüberblick über die Rechtsübersetzung und die dabei benutzten Hilfsmittel zu verschaffen. Diese Arbeit besteht aus zwei Teilen: einem theoretischen und einem empirischen.
Im Rahmen der Theorie wird das erste Kapitel, neben einer allgemeinen Einführung in die Fachsprache, der Rechtssprache gewidmet. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit den Rechtstexten, ihrer Struktur und Funktion sowie mit den verschiedenen juristischen Textsorten.
Im dritten Kapitel geht es um die Rechtsübersetzung. So werden die Arten der Rechtsübersetzung, die Übersetzungstheorien und die Methoden und Verfahren der Rechtsübersetzung diskutiert. Zusätzlich werden in diesem Kapitel die Hilfsmittel zur Übersetzung juristischer Texte, einschließlich der Kompetenzen des Übersetzers, die verschiedenen lexikographischen Nachschlagewerke, Parallel- und Hintergrundtexte sowie elektronische Hilfsmittel eingeführt.
Das letzte Kapitel im theoretischen Teil befasst sich mit der Rechtsvergleichung und ihrer Beziehung zur Rechtsübersetzung.
Im empirischen Teil bzw. letzten Kapitel meiner Arbeit beschäftige ich mich mit arabischen Heiratsurkunden und Eheverträgen, die ich in die deutsche Sprache übersetzt habe, mit anschließender Interpretation.
Schließlich folgt ein Schlusswort und ein Glossar Arabisch - Deutsch, das die in den zu übersetzenden Texten vorkommenden Fachbegriffe und Ausdrücke beinhalt
Teil I: Theoretische Grundlagen
1. Rechtssprache - Rechtssprache als Fachsprache
1.1 Fachsprache
1.1.1 Definition
In den Wissenschaften stellt die Fachsprache das Mittel der Fachkommunikation dar. Hoffmann definiert die Fachsprache als „die Gesamtheit aller sprachlichen Mittel, die in einem fachlichen begrenzbaren Kommunikationsbereich verwendet werden, um die Verständigung zwischen den in diesem Bereich tätigen Menschen zu gewährleisten.“ (zit. nach Kalverkämper 1998:48)
Andererseits bezeichnen Möhn / Pelka die Fachsprache als: „Variante der Gesamtsprache, die der Erkenntnis und begrifflichen Bestimmung fachspezifischer Gegenstände sowie der Verständigung über sie dient und damit den spezifischen kommunikativen Bedürfnissen im Fach allgemein Rechnung trägt.“ (zit. nach Kalverkämper 1998:48)
Eine weitere Definition der Norm DIN 2342 - 1 „Begriffe der Terminologielehre Grundbegriffe“ lautet: „ Bereich der Sprache, der auf eindeutige und widerspruchsfreie Kommunikation in einem Fachgebiet gerichtet ist und dessen Funktionieren durch eine festgelegte Terminologie entscheidend unterstützt wird.“ (zit. nach Arntz 2001:55)
Die Fachsprache spielt beim Repräsentieren des Fachwissens eine große Rolle und hat die spezielle Aufgabe, die Wissenschaften durch sprachliche Ausdrucksmittel zu ordnen, zu definieren und zu klassifizieren. Diese Ausdrucksmittel vermehren sich - je nach Fachgebiet - so schnell, dass die Fachlexiken schon nach kurzer Zeit veralten, was den Wortschatz der Fachsprachen umfangreicher als den der Gemeinsprache macht. (Stolze 1999:21)
Außerdem weist die Fachsprache spezifische Merkmale auf. Sie ist in erster Linie an Fachleute gebunden, kann sowohl schriftlich als auch überregional sein, verwendet bestimmte grammatische und sprachliche Mittel der Sprachebenen und sie ist charakterisiert durch spezifische Auswahl und Zusammenstellung der sprachlichen Mittel zu einem speziellen Zweck. (Kalverkämper 1998:48)
1.1.2 Gliederungsebenen von Fachsprachen
1.1.2.1 Die horizontale Ebene
Die Abgrenzung der Fachsprachen gegeneinander erfolgt durch eine horizontale Gliederung, die von den Kommunikationsbereichen bzw. Fachgebieten bestimmt wird, zum Beispiel Technik, Wirtschaft, Recht, Medizin, Naturwissenschaften usw. (Hoffmann 1998:191). Diese Bereiche lassen sich ihrerseits in mehrere hierarchische Ebenen unterteilen; so folgt zum Beispiel die Gliederung folgendermaßen: Technik, Elektrotechnik, Elektronik, Analogietechnik ... usw. (Arntz 2001:56). Allerdings kann man nicht eine begrenzbare Zahl der Fachsprachen feststellen; die Zahl der Fachsprachen entspricht der vorhandenen Fachgebiete, die sich dank der wissenschaftlich-technischen Entwicklung immer wieder vermehren (Hoffmann 1998:191).
Neben der horizontalen Gliederung, die die Fachsprachen - nach Fachbereichen - voneinander unterscheidet, variiert jede einzelne Fachsprache auf der vertikalen Gliederung.
1.1.2.2 Die vertikale Gliederung
Die vertikale Gliederung stellt die innere Schichtung der einzelnen Fachsprachen dar; so wirkt sie sich auf den Abstraktionsgrad und damit auf den Fachwortschatz bzw. auf den sprachlichen Stil aus. Mitte der 1960er Jahre unterscheidet Ischreyt zwischen drei Schichten des Fachsprachengebrauchs und teilt die technischen Fachsprachen im Rahmen einer Dreiergliederung in Wissenschafts-, Verkäufer- bzw. fachliche Umgangs- und Werkstattsprache (zit. nach Niederhaus 2011:43).
a) „Die wissenschaftlich-technische Fachsprache“ stellt die obere Abstraktionsstufe mit dem höchsten Grad an Fachlichkeit und Exaktheit dar.
b) Die „Werkstattsprache“ verbindet einen geringeren Grad an Exaktheit mit einem höheren Maß an Allgemeinverständlichkeit, welche die Kommunikation unter den Betriebsangehörigen erleichtert.
c) Die „Verkäufersprache“ richtet sich mit ihrer hohen Variationsbreite an bestimmte Zielgruppen außerhalb des Faches. (Stolze 1999:24)
1987 stellte Hoffmann folgende Gliederungskriterien für die Bestimmung der Schichten fest: a) die Abstraktionsstufe; b) die äußere Sprachform; c) das Milieu; d) den Kommunikationsträger und Kommunikationsteilnehmer. Dadurch ordnet Hoffmann die Fachsprachen in fünf Gruppen und bietet dabei ein komplexes Fünfschichtenmodell, dargestellt in den folgenden Stufen: A) „theoretische Grundlagenwissenschaften“, B) „experimentelle Wissenschaften“, C) „angewandte Wissenschaften und Technik“, D) „materielle Wissenschaften“ und E) „Konsumtion“. (Niederhaus 2011:43) In fünfstufiger Rangfolge nennt die Gliederung von A bis E bestimmte „Milieus“ der Fachkommunikation mit einem abnehmenden Abstraktionsgrad der Lexik, wobei die Sprachen der theoretischen Grundlagenwissenschaften die höchste Stufe darstellt und die Sprachen der Konsumtion die niedrigste. (zit. Stolze 2009:52)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Stolze 2009:52)
Eine weitere Einteilung der Fachsprachen auf der vertikalen Ebene bietet Walther v. Hans in einem dreidimensionalen Modell der Schichtung, das die drei Achsen a) Kommunikationsdistanz, b) Handlungen sowie c) Adressaten umfasst, und damit das Verhältnis zwischen den Kommunikationsteilnehmern behandelt. Nach Hahn variiert die Achse „Kommunikationsdistanz“ von der direkten face-to-face-Kommunikation bis zur anonymen Kommunikation über zahlreiche unbekannte Instanzen, wobei er die drei Stufen „eng“, „mittel“ und „weit“ nennt. Die Achse „Handlungen“ teilt sich in drei Kategorien „Instruktion“, „Information“ und „Organisation“, und auf der Achse „Adressaten“
unterscheidet Hahn vier Kategorien „Nutzung“, „Vermittlung“, „Technologie“ und „Wissenschaft“. (zit. nach Stolze 2009:51)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Stolze 2009:51)
1.1.3 Eigenschaften von Fachsprachen
1.1.3.1 Semantische Eigenschaften
Auf der semantischen Ebene ist es sinnvoll, das von A.J. Greimas eingeführte Konzept der Isotopie - die deutlichste Form des Bedeutungszusammenhangs zwischen den Lexemen auf der Ebene des Textes - zu erwähnen. Diese Bedeutungsbeziehungen basieren auf verschiedenen Arten der semantischen Äquivalenz. Folgende Formen gehören dazu: a) die Wiederholung, b) die kontextuelle Synonymie, c) die Antonymie, d) die Paraphrasierung, e) die Hyper- und Hyponymie, f) die Kohyponymie, und schließlich g) die Pro-Formen. (Baumann 1998:409).
Dabei realisieren eine Reihe von Vertextungsmitteln Abfolgen von semantischen Äquivalenzen:
a. Lexeme als Topiks, die in regulären semantischen Beziehungen zueinanderstehen. Als Topikpartner sind alle semantischen Einheiten, die durch eine der o.g. semantischen Äquivalenzbeziehungen miteinander in Beziehung treten, gemeint.
b. Bezeichnungsketten oder Isotopieketten, deren Elemente im jeweiligen Text Bezug auf das gleiche Objekt nehmen.
c. Implizite semantische Äquivalenzbeziehungen - oder die sogenannte Konnexe - durch quasilogische Verknüpfungen von Satzinhalten. (Baumann 1998:409).
Für eine Annäherung an die Strukturen des Abbildes des Sachverhaltskomplexes in einem Fachtext beruht die Fachtextbedeutung zumeist auf der Integration des logisch semantischen Gehalts der Texteme unter einem einheitlichen fachthematischen Gesichtspunkt.
Zugleich spielen die Termini in den Fachtexten eine große Rolle, indem sie Abbilder einer Klasse fachlicher Sachverhalte und Prozesse fixieren. Als das typische Mittel der Nomination haben Termini in Fachtexten die Aufgabe Fachbegriffe zu benennen bzw. ihren Inhalt exakt festzulegen. Bei vielen lexikalisch-semantischen Fachtextanalysen kann man feststellen, dass Termini die zentralen Elemente der Isotopieketten von Fachtexten bilden. (Baumann 1998:409)
1.1.3.2 Lexikalische Eigenschaften von Fachsprachen
Fachliche Inhalte werden über die Lexik durch Fachwortschätze und Terminologie transportiert. Die Fachlichkeit eines Textes oder einer Äußerung lässt sich durch den verwendeten Fachwortschatz charakterisieren, der als Subsystem des Gemeinwortschatzes gilt. Die Systematisierung des Fachwortschatzes erfolgt nach bestimmten Prinzipien. Auf diese Weise können semantische paradigmatische Beziehungen wie Synonymie, Polysemie, Homonymie und Hyperonyme festgestellt werden. Währenddessen können die lexikalischen Systeme in ihrem Aufbau und Charakter von Fachgebiet zu Fachgebiet unterschiedlich sein. (Hoffmann 1998:424) Die begriffliche Ordnung und die Systematik eines Faches werden durch den Fachwortschatz sprachlich mehr oder weniger genau gegliedert. In diesem Bereich wird zwischen Fachwörtern und Termini unterschieden. Dabei wird dem Fachwort der Status eines Terminus verliehen, wenn seine Bedeutung genau definiert wird. Termini werden in der Regel folgende Merkmale zugeordnet: Klarheit, Exaktheit, Eindeutigkeit, Genauigkeit, Explizitheit, Wohldefiniertheit und Kontextunabhängigkeit. Allerdings wird diese traditionelle Vorstellung unter dem Einfluss der modernen Linguistik und Kognitionswissenschaften immer wieder kritisiert. Ein weiterer Grund für diese Kritik ist ein grundlegender Widerspruch der traditionellen Terminologiearbeit, indem Termini und Terminologien beim Streben nach Verbesserung der Fachkommunikation von einem idealistischen Terminusbegriff und unrealistischer Vorstellungen von Fachkommunikation ausgehen. Daraufhin werden Synonyme und Uneindeutigkeiten als Haupthindernis der Verständigung nicht in Anspruch genommen. Ebenso wird der heuristische Wert sprachlicher Unschärfe nicht gesehen. Einerseits sind Eindeutigkeit und Exaktheit der Termini von großer Bedeutung. Andererseits könne, laut den Terminologen, eine übertriebene Einhaltung der Ordnung, Stabilisierung und Normu2ng ein Hindernis für den wissenschaftlichen Fortschritt sein (Fraas 1998:429).
1.2.3.3 Syntaktische und morphologische Eigenschaften
Besonders wichtig ist der Wortschatz der Fachsprachen. Jede Fachsprache hat eine eigene Terminologie als Teilsystem ihres lexikalischen Gesamtsystems entwickelt. Fachsprachliche Teil- oder Subsysteme bzw. eine allgemeine Erweiterung durch die Fachkommunikation sind in der Grammatik nicht vorhanden. Stattdessen soll der Gebrauch der syntaktischen und morphologischen Mittel bei Berücksichtigung des normativen Regelwerks eingeschränkt werden, indem eine begrenzte Zahl von fachlich determinierten Aussagen bestimmter Art in der Fachkommunikation anhand von grammatischen Kategorien und Regeln und in der gleichen syntaktisch- morphologischen Form formuliert werden. (Hoffmann 1998:416)
1.2.3.3.1 Selektion und Funktionswandel
Im Rahmen der Spezialuntersuchungen zur Syntax und Morphologie kann man zwischen zwei Begriffen unterscheiden: Selektion bzw. Selektivität und Funktionswandel bzw. Umfunktionierung. Einerseits bedeutet das Wort „Selektion“ nicht nur die Auswahl bestimmter Konstruktionen und Formen bei der Abfassung von Fachtexten, sondern wird auch als ein quantitatives Merkmal, nämlich die auffällige Häufigkeit in der Fachkommunikation, in Betracht gezogen. Auf der anderen Seite geht es beim Funktionswandel um die qualitative Änderung der (grammatischen) Bedeutung oder um einen Kategoriewechsel. Beide Erscheinungen sind eng miteinander verbunden; so bedingt die Übernahme einer bestimmten, fachlich determinierten Funktion, z. B. der Anonymisierung oder der Explizität, die Häufigkeit bestimmter sprachlicher Kategorien, Konstruktionen und Mittel, z.B. die unpersönlichen oder passivischen Verbformen oder die Attributiven Ergänzungen. Daraufhin tritt eine Darstellung quantitativer und qualitativer Eigenschaften von Sätzen, Satzkonstituenten, Wortklassen und Wortformen ein. (Ed.)
1.2.3.3.2 Eigenschaften von Sätzen
Besonders unterschiedlich ist die Länge der Sätze in den einzelnen Fachsprachen. Die Untersuchungen zur Satzlänge werden aus funktionalistischer Sicht und im Rahmen des Konzeptes der Subsprachen durchgeführt; so wird dabei sowohl zwischen dem wissenschaftlichen Stil und anderen Stilen, als auch zwischen einzelnen Subsprachen bzw. Fachsprachen verglichen. (Ed.)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 41.1: Satzlängen (Hoffmann 1998:417)
Doch werden die Vergleiche durch unterschiedliche Merkmale erschwert. So wird das Zählen der Wörter durch mehrere Faktoren beeinflusst, etwa bei der Definition des Satzes, bei der Abgrenzung der „Erscheinungsformen“ der Sprache und bei der Auswahl der Textkorpora. Zu beachten ist ebenfalls bei den Einzelsprachen die Unterschiede in der Flexion, das Vorhandensein oder Fehlen von Artikeln u.ä bzw. die Binnendifferenzierung der Fachsprachen nach Schichten und Textsorten.
Neben der Häufigkeit komplexer Sätze in Fachtexten sind ebenfalls deren Komplexitätsgrade zu berücksichtigen. Schon im einfachen erweiterten Satz beginnt die Komplexität bei der Zahl und Art der sogenannten sekundären Satzglieder. Generell ist jedoch das Auftreten von Satzgefügen mit ihren unterschiedlichen Arten von Nebensätzen besonders aufschlussreich (Hoffmann 1998:417).
Weitere Eigenschaften der Sätze in Fachtexten sind Valenz und. Distribution der Verben. Dabei wird die Frage gestellt, inwieweit die Fachkommunikation mit ihren Fügungsrealitäten die Fügungspotenzen der jeweiligen Sprache ausschöpft. Im Deutschen wird dem Verb ein Drei-Stufen-Modell entworfen. So wird erstens die Zahl der obligatorischen sowie fakultativen Mitspieler ermittelt, dann die syntaktische Umgebung festgehalten und anschließend den Bedeutungen der Aktanten nachgespürt. Andererseits liegen bei der semantischen Klassifizierung der Verben große Unterschiede z.B. „Verben der Verwendung/ Benutzung, des Produzierens/Verursachens, des Übergebens/Überlieferns/Beförderns, des Veränderns/Umwandelns, der Bewegung/Ortsveränderung/Veranlassung, des Auswählens/Entnehmens, des Festlegens/Befestigens usw.
Im Rahmen der Realisierung der Fügungspotenzen der Verben werden oft durch die Verwendung der Verben in Fachtexten die semantische Valenz und die syntaktische Distribution eingeschränkt. Daraufhin reduziert der fachliche Kontext die Polysemie der Verben bis zu einem gewissen Grade (Hofmann 1998:420). Anschließend lassen sich die Verben und ihre Aktanten anhand der Valenz und Distribution in semantischen Klassen resümieren, die ihrerseits eine Grundlage für fachliche Aussagen sowie deren Modellierung entwickeln.
Wissenschaftliche Sachverhalte müssen kurz und präzise als nichtverbale Informationsträger (z.B. Tabellen, Graphiken, Abbildungen), syntaktische Kompression, lexikalische Kompression und Renomination bzw. Substitution erläutert werden. Am bedeutendsten ist die syntaktische Kompression oder Kondensation. Dabei handelt es sich um Verdichtungen von expliziten Strukturen, indem man einen bestimmten Inhalt entweder mit einem Nebensatz oder mit einer nicht satzartigen Struktur ausdrückt. Bei der Kondensation wird „selbständige Prädikation“ unterdrückt bzw. wird das finite Verb durch verkürzende Formen wie Nominalisierung des Verbs, Apposition, Partizipialkonstruktion und satzwertiger Infinitiv ersetzt. Typisch für Fachtexte sind folgende Kondensationsformen: Genitiverweiterungen, präpositionale Substantivgruppen, einfache und erweiterte Attribute, Partizipialgruppen, Ellipsen, Aufzählungen und die Asyndese, die von den einzelnen Fachtextsorten unterschiedlich gebraucht werden (Hoffmann 1998:421).
Charakterisiert werden die Sätze in Fachtexten ebenfalls durch die Anonymisierung, die auch als Unpersönlichkeit, Subjektschub oder Deagentivierung bezeichnet wird. Sie lässt sich durch unterschiedliche sprachliche Mittel ausdrücken, z.B. durch die Pronomen wir, man und es, durch das Passiv und das Reflexiv, durch unpersönliche und allgemeinpersönliche Verbformen, Prädikate, Verbalsubstantive, unvollständige Nebensätze in Gestalt von Partizipial-, Gerundial- und Infinitivkonstruktionen. Allerdings können aufgrund der Unterschiede in den einzelnen Sprachen Äquivalenzprobleme bei der Übersetzung entstehen (Hoffmann 1998:424).
1.1.3.4 Graphemische und phonologische Eigenschaften von Fachsprachen
1.1.3.4.1 Graphemische Eigenschaften
Zu den traditionellen Buchstaben (Grapheme) gehören andere graphische Einheiten im Buchstabenformat, nämlich die (arabischen) Ziffern, Interpunktionszeichen und Sonderzeichen wie +, -, % u.a.m. Außerdem sind segmentübergreifende (suprasegmentale) graphische Phänomene neben den Einzelgraphemen zu zählen, sofern sie distinktive Qualität besitzen. Hierbei ist die Rede von Erscheinungen mit graphematischer Qualität. Diese graphematischen Mittel erscheinen direkt auf einzelnen Zeilen als vertikale Abweichungen von der Zeilenachse durch Hoch- oder Tiefstellung, z. B. mit Variationen der Schriftgröße super- oder subskribierter Einheiten und auch als Auszeichnungsformen wie Sperrung, Versalsetzung, Kapitälchen, Kursive usw. Auch flächenorientierte Besonderheiten können graphematische Qualität besitzen z.B. Rasterung, Umrandung, Einzug u.a.m. Im fachsprachlichen Gebiet gibt es eine Variation der schriftlichen Gestaltung von dominanten Gebrauchsweisen und gar Normen in einzelnen Fachsprachen bis zu partikulären Texteinrichtungsusancen einzelner fachsprachlicher Zeitschriften. (Kohrt 1998:439).
1.1.3.4.2 Phonologische Eigenschaften
Im phonologischen Bereich gibt es keine Unterschiede zwischen den Fachsprachen und den jeweiligen Gemeinsprachen. Allerdings sind die einzelnen Fachsprachen durch einen stärkeren Ausbau des peripheren phonematischen Systems charakterisiert, da viele Termini aus anderen Sprachen übernommen werden, was zu einer Erhöhung der Zahl phonotaktischer Kombinationsmöglichkeiten führt. Zum Signalisieren des fachsprachlichen Gebrauch der Wörter werden manchmal sog. Spelling pronunciations - an die graphische Form angelehnter Ausspracheweisen - gebildet. (Kohrt 1998:441) Die Abkürzungen in den Texten lassen sich in verschiedenen Arten aussprechen. Abkürzungen mit einem einzigen Buchstabengraphem werden in ihrer Vollform lautlich ausgeführt. Solche mit mehreren Buchstabengraphemen werden entweder durch Nennung der Namen der Buchstabengrapheme in der Reihenfolge genannt (z.B. AEG mittels [a:], [e:], [ge:]) oder als eigenständiges Wort (z.B. VEBA als [fe:ba.]) ausgesprochen. Fachsprachlich wird meistens die letzte Option ausgeführt. Außerdem gibt es lautlich induzierte Verkürzungen, die in Form eines phonologischen Wortes realisiert werden (z.B. DESY für Deutsches Elektronen Synchroton) (Kohrt 1998:441).
1.1.4 Funktionen von Fachsprachen
Als „funktionaler Sprachstil“ haben Fachsprachen je nach Situation und Zweck verschiedenen Funktionen. Von den sprachlichen Grundfunktionen sind folgende typisch für Fachsprachen: deskriptiv, instruktiv und direktiv. Deskriptiv sind beispielsweise Beschreibungen von Gegenständen oder Sachverhalten in Lexika oder Fachbüchern. Ratgeber, Dokumentationen und Gebrauchsanweisungen mit Anweisungen, Ratschlägen oder Empfehlungen haben eine instruktive Funktion; und als direktiv sind Handlungsaufforderungen oder -unterlassung in Vorschriften und Anordnungen gekennzeichnet. (Möhn 1984: 6)
1.2 Recht und Sprache
Die Sprache ist das erste Arbeitsinstrument der Juristen, wodurch der Gesetzgeber seine Absichten in Form von Gesetzen entwerfen kann und die Gerichte ihre Entscheidungen in eine sprachliche Form bringen. So bedingt das Funktionieren eines Rechtssystems sprachlich fixierte Bestimmungen (Arntz 2001:206). Allerdings können schon innerhalb eines Rechtssystems mit einer einzigen Sprache fachlich und / oder sprachlich motivierte Kommunikationsprobleme entstehen, die bei zwei Rechtsordnungen mit jeweils einer anderen Sprache noch komplizierter werden können.
Im Gegenteil zu den anderen Wissenschaften haben Rechts- und Sprachwissenschaft wegen der großen Zahl von Rechtsordnungen und Sprachen nicht mit einem einheitlichen Gegenstandsbereich zu tun. In diesem Zusammenhang führen die Bedürfnisse der Praxis zu einer engen Beziehung zwischen Rechtswissenschaft und Sprachwissenschaft eine bedeutende Rolle. So haben immer mehr Juristen mit ausländischen Rechtsordnungen und mit anderen Sprachen bzw. Fachsprachen zu tun. Diese unterschiedlichen Fachkenntnisse können eines der größten Probleme für das Verständnis einer fremden Rechtsordnung darstellen. Ebenfalls muss der Übersetzer beim Übersetzen juristischer Fachtexte sowohl über sprachliche und übersetzerische Fähigkeiten als auch juristisches Fachwissen verfügen. Außerdem nehmen Rechtstexte auch im beruflichen Alltag des Sprachmittlers an Bedeutung zu (Arntz 2001:207).
Die Rechtssprache als Fachsprache unterscheidet sich von den technischen Fachsprachen, die der Kommunikation zwischen Fachleuten dienen, dadurch, dass die Rechtssprache an zwei Adressatengruppen gerichtet ist, nämlich die Juristen und die Rechtsbefolger bzw. die Bürger. So müssen Rechtstexte, insbesondere gesetzliche Vorschriften, auch für den juristischen Laien verständlich sein. (Arntz 2001:208).
1.3 Rechtsterminologie
Wie es schon erwähnt wurde, hat die Rechtssprache zwei verschiedene Adressaten, die Juristen und die Rechtsbefolger. Daher unterscheidet sie sich von anderen Fachsprachen, da sie Fachausdrücke aus beiden Bereichen, Termini und Begriffswörter, enthält (Stolze 2009:103).
Die Rechtsbegriffe als Hauptinformationsträger im Text, bilden anhand ihrer Beziehungen zueinander den fachlich kognitiven Hintergrund des jeweiligen Textes. Sie repräsentieren die Inhalte der Rechtsordnung. Aus diesem Grund werden ihre sprachlichen Repräsentationsformen von einer spezifischen nationalen Rechtsordnung bestimmt (Sandrini 1999:30). Da jeder Staat über sein eigenes Rechtssystem verfügt, hat er eine eigene juristische Terminologie, selbst wenn die Rechtssprache eines Staates in einem anderen Staat ebenfalls als Rechtssprache gilt. So sind innerhalb eines Sprachraumes so viele unterschiedliche Rechtssprachen vorhanden wie es Staaten gibt, die dieselbe Sprache als Rechtssprache benutzen. Z.B. gibt es innerhalb der deutschen Sprache unterschiedliche Rechtssprachen, etwa die österreichische Rechtssprache, die Rechtssprache Deutschlands, die der Schweiz, die Liechtensteins, die Belgiens, die Südtirols und die deutsche Rechtssprache der Europäischen Union (Pommer 2006:17). Infolgedessen stellt das Wort „Rechtssprache“ einen Sammelbegriff für die Vielfalt nationaler Rechtssprachen dar, die sich sowohl inhaltlich als auch formal voneinander unterscheiden. Besonders erheblich sind die terminologischen Unterschiede, wenn es sich um Rechte verschiedener Rechtskreise handelt. Die Begriffe im juristischen Kontext dienen der Kategorisierung. Sie sind autoritative Kategorien, die in Typen, Arten oder Klassen von Handlungen, Fällen oder Situationen eingeteilt werden und auf welche eine Reihe von Prinzipien und Regeln eines Landes definiert und genau abgegrenzt werden (Pommer 2006:18). Sie sind somit „systembedingt geformt“. Manchmal kann ein und derselbe Terminus innerhalb eines Sprachraumes unterschiedliche Begriffe in verschiedenen Rechtssystemen haben. In diesem Zusammenhang kann die Bedeutung von Begriffen in verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedlich begrenzt sein, was das Übersetzen von Rechtstexten schwierig macht. Besonders bei sog. unbestimmten Rechtsbegriffen stellt diese Inkongruenz der Terminologie eine der Hauptschwierigkeiten dar (Pommer 2006:19).
1.3.1 Die Eigenschaft der Rechtsbegriffe
1.3.1.1 Bestimmte und unbestimmte Rechtsbegriffe
Wenn gemeinsprachliche Wörter wie Mensch, Geburt, Vater, Verwandtschaft usw. juristisch benutzt werden, werden sie auf einige spezifische Verwendungsweisen festgelegt, was zu Verständnisschwierigkeiten für den Laien führt. Laut dem Bürgerlichen Gesetzbuch sollen die Normen der Gemeinsprache beachtet werden. Allerdings stellen das semantische Variieren von Gruppe zu Gruppe und die Entwicklung dieser Normen ein Problem dar. Was früher zum Beispiel ein Skandal war, könnte heute gesellschaftlich normal sein. In diesem Zusammenhang gibt es „unbestimmte“ bzw. „wertausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe“, die die Rechtssprache als Fachsprache inexakt machen, für sie aber notwendig sind, wie Treue und Glauben, Schutz der Persönlichkeit, Sicherheit und Ordnung, freie Meinungsäußerung, usw. Diese Bezeichnungen der Rechtsgüter werden dann im Rahmen der geltenden Rechtsordnung im Einzelfall und nach den jeweiligen örtlich und zeitlich herrschenden Anschauungen und rechtserheblichen Umständen ausgelegt (Stolze 2009:104). Allerdings richtet sich die notwendige Wertung nicht nach der persönlichen Ansicht eines Richters, sondern nach der allgemeinen Auslegung eines „objektiven Sittengesetzes“.
Andererseits verwenden Juristen sog. „bestimmte“ Rechtsbegriffe aus der Gemeinsprache, wie Kauf, Tausch, Miete, Beleidigung, Raub, Schulden usw. (Stolze 2009:105) Durch die Beschreibung ihrer rechtserheblichen natürlichen Merkmale im sog. gesetzlichen Tatbestand wird die juristische Bedeutung dieser Wörter fixiert (Stolze 2009:105).
In diesem Zusammenhang vergleicht Stolze (2009:105) in einem Beispiel die Abgrenzung zwischen Diebstahl und Betrug im Strafgesetzbuch:
„Diebstahl“ ist laut gemeinsprachlichem Wörterbuch (WAHRIG) „das unrechtmäßige Ansichbringen fremden Eigentums, das Stehlen“. Und „Betrug“ ist „Täuschung in der Absicht, sich einen Vorteil zu verschaffen, sich zu bereichern“.-
Hierzu sagt § 242 StGB: „Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, dieselbe sich rechtswidrig zuzueignen, wird wegen Diebstahls (.) bestraft. Der Versuch ist strafbar“. Hier werden also die Ausdrücke Ansichbringen, Eigentum, unrechtmäßig genauer rechtlich definiert.-
Zum „Betrug“ heißt es in der Gesetzesquelle (§ 263 StGB): „Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird (.) bestraft. Der Versuch ist strafbar.“-
Zur Abgrenzung finden wir eine Begründung des BGH: „ Beide Tatbestände schlössen einander aus; für den Diebstahl im Gegensatz zum Betrug sei es kennzeichnend, dass der dem Verletzten zugefügte Schaden ausschließlich durch eine eigenmächtige Handlung des Täters herbeigeführt werde, während der Schaden beim Betrug infolge der Vermögensverfügung des (vom Täter getäuschten) Verletzten eintrete (BGHSt, S.209)“ (zitiert nach SIMONNAES 1998,219).
1.3.1.2 Definierte Rechtsbegriffe
Die definierten Rechtsbegriffe sind Fachwörter, die für gedanklich definierte Phänomene stehen, etwa Beziehungen und Handlungen in ihrer rechtlichen Bedeutung.
Gelehrt werden solche Begriffe durch die juristische Fachausbildung, wie etwa Beförderungserschleichung für „Schwarzfahren“, oder Besitz als „tatsächliche Sachherrschaft“ und Eigentum als „rechtliche Verfügungsmacht“. (Stolze 2009:106) Außerdem gibt es andere Fachausdrücke, wie Buchgrundschuld, Zwangsvollstreckung, Gläubigerverzug, Freispruch, Gleichstellung u.a., die lexikographisch als juristische Termini in den Fachwörterbüchern relativ gut dokumentiert, und in ihrer Wortbildung als Fachausdrücke erkennbar sind. Weiterhin gelten rechtswissenschaftliche Begriffe, wie etwa Unterlassungsklage, Idealkonkurrenz, Subsidiarität, als Ergebnis noch weitgehender Abstraktion, derer genau definierter Begriffsinhalt in der juristischen Ausbildung gelehrt wird. (Stolze 2009:107)
1.3.2 Definitionen
Juristische Definitionen dienen der sprachlichen Präzision. Allgemein gesprochen bezeichnet Pozzi „Definition“ als Abgrenzung sowohl der materiellen bzw. immateriellen Gegenstände der außersprachlichen Wirklichkeit als auch der Wörter der Sprache und der Vorstellungen von den Gegenständen der außersprachlichen Wirklichkeit. In diesem Zusammenhang unterscheidet man zwischen mehreren Arten von Definition, die auf verschiedene Fragen antworten, die Realdefinition auf die Frage: „was ist x?“, die Nominaldefinition auf die Frage „was bedeutet y?“ und die Begriffsdefinition auf die Frage „was ist z?“ (zit. nach Wiesmann 2004:41).
In der klassischen Logik lassen sich die Realdefinition und die Begriffsdefinition daran messen, indem die Erste etwas Wesentliches über die materiellen und immateriellen Gegenstände der außersprachlichen Wirklichkeit auszusagen und mit Definitionen Erkenntnisse über diese Wirklichkeit zu gewinnen und zu vermitteln hat und die Letzte das Wesentliche von den durch Abstraktion gewonnenen Vorstellungen von materiellen und immateriellen Gegenständen der außersprachlichen Wirklichkeit erfasst (Wiesmann 2004:42). Juristische Definitionen können ihrerseits je nach Funktion, Verfasser und Empfänger des Textes verschiedene Formen annehmen. Sie können zudem je nach Urheber und juristischem Handlungsbereich einen unterschiedlichen Status haben.
So stellen die Legaldefinitionen, also Definitionen des Gesetzgebers, bei der Auslegung eines Ausdrucks im Gesetz eine Voraussetzung dar, indem sie dem Text eine Geltungsautorität vermitteln. Die Legaldefinitionen zeigen die wichtigsten Begriffsmerkmale auf, die keine definierte Definition des Begriffs geben, sondern einen Auslegungsspielraum zum Zwecke von der Rechtsfortbildung zulassen (Mushchinina 2009:107).
Die Legaldefinition kann nicht für jeden Begriff formuliert werden. Besonders wichtig sind Legaldefinitionen in den folgenden Fällen, die man berücksichtigen muss:
1. Der Terminus entsteht durch den Gebrauch von Benennungen, die in der Gemeinsprache oft verwendet werden (und eventuelle polysem sind);
2. Der Terminus kommt in einer Rechtsnorm vor, deren Ziele innerhalb der Rechtsordnung speziell sind;
3. Der Begriff wird von der Rechtslehre und der Rechtsprechung unterschiedlich erfasst. (Mushchinina 2009:108)
Beim Fehlen einer Legaldefinition werden die Definitionen von der Rechtsprechung und der Rechtslehre formuliert. Die Definitionen der Rechtsprechung haben die Aufgabe, den Auslegungsspielraum, den eine Legaldefinition zulässt, durch ihre konkrete Bezogenheit auf einen Lebenssachverhalt, auszufüllen, indem sie die Legaldefinition bezüglich der Merkmale, die für den jeweiligen Fall relevant sind, präzisieren. Die Funktionen der Definitionen der Rechtslehre bestehen darin, dass sie Begriffe definieren, die in der Gesetzgebung nicht definiert sind und die vom Gesetzgeber gegebenen Definitionen anhand einer kritischen Analyse ihrer sprachlichen Form des fachlichen Inhalts präzisieren. (Mushchinina 2009:109)
1.4 Charakteristika der Rechtssprache
1.4.1. Der Bezug zur Gemeinsprache
Ein enger Bezug besteht zwischen der Gemeinsprache und der juristischen Sprache, die neben der Fachtermini auch unzählige Ausdrücke der Gemeinsprache beinhaltet, da das Recht alle Lebenssachverhalte regelt. Dieser enge Bezug zur Gemeinsprache weist darauf hin, dass die Rechtssprache interpretatorisch offen ist. Es wird zwischen zwei semantischen Ebenen unterschieden, nämlich die Ebene des terminologisierten Fachwortschatzes, die die allein von Experten verwendeten Fachausdrücke und Rechtsbegriffe beinhaltet, und die Ebene der Gesetzessprache, die aus der Gemeinsprache übernommene Ausdrücke enthält, die mit einer neuen fachlichen Bedeutung integriert werden (Pommer 2006:22). Dies kann aber zu Übertragungsproblemen bzw. Verständigungsschwierigkeiten zwischen Experten und Laien führen, da sie denselben Ausdruck mit unterschiedlichen Bedeutungen verwenden. Während der Experte ihn in Kenntnis der bedeutungsdeterminierenden inhaltlichen institutionellen und gesellschaftlichen Aspekte benutzt, orientiert sich der Laie dabei an konventionalisierten Gebrauchsweisen in der Gemeinsprache wegen der Unkenntnis der rechtsmethodisch entwickelten Bedeutungsdefinitionen. Auf der anderen Seite bietet die Rechtsvergleichung die erforderlichen Mittel für die Entwicklung und Fortbildung der universalen Rechtsterminologie, um die Inhalte des ausländischen Rechts beschreiben zu können. Allerdings sind einheitliche, übernationale Rechtstermini nur sinnvoll, wenn sie gegenüber den nationalen einen neuen Begriffsgegenstand erfassen. Darum ist eine zweckmäßig begrenzte Auswahl hinsichtlich derjenigen nationalen Rechtsbegriffe zu treffen, was die Erforderlichkeit des Rückgriffs auf nationale Termini erweist (Pommer 2006:23).
1.4.2 Polysemie
Wegen der Mehrdeutigkeit der Wärter muss jeder verwendete Begriff im Recht bezweifelt werden, da er nur in seinem „Kernbereich“ deutlich ist, außerhalb aber Unschärfe aufweist. So verwendet der Gesetzgeber oft dasselbe Wort oder denselben Begriff in verschiedenen Gesetzen in unterschiedlicher Bedeutung (Ed.). Diese Mehrdeutigkeit, Ungenauigkeit, Unbestimmtheit, die Porosität und die „offene Sprachstruktur“ erschweren die Kommunikation in der Rechtssprache und bereiten dem juristischen Übersetzer und dem Rechtsvergleicher Schwierigkeiten. Ebenfalls stößt die Rechtsanwendung auf Schwierigkeiten. In bestimmten Fällen würde möglicherweise eine enge Umschreibung der Tatbestände durch den Gesetzgeber zu umständlichen und undurchsichtigen Formulierungen führen; außerdem könnte der Gesetzgeber - bei eng umgrenzten Regelungen - den Abstraktionsgrad zu niedrig wählen und daraufhin unabsichtlich regelungsbedürftige Fälle von der gewünschten Rechtsfolge ausschließen. Zudem kann er sich im Ausdruck vergreifen oder einen unpassenden Begriff wählen, oder auch keine ausdrückliche Anordnung treffen, wenn er regelungsbedürftige Sachverhalte übersieht. So soll die Unbestimmtheit gesetzlicher Anordnungen dadurch vorläufigen werden, dass die Unklarheiten durch Auslegung und Lückenfüllung zu einer bloß überwindet werden.
Allgemein gesprochen hat ein Wort mehrere Sememe. Die Tatsache, dass die Wörter fast immer mehrdeutig oder polysem sind, stellt kein Problem für die Kommunikation und das gegenseitige Verstehen dar (Pommer 2006:24). Durch den Kontext, durch das Vorwissen und durch die Umstände der Situation wird dann geklärt, welches Semem gemeint ist und eine der Bedeutungen des Wortes aktualisiert. Beim Übersetzen rechtlicher Texte soll der Übersetzer mehrdeutige Wörter oder Sätze nicht interpretieren, sondern versuchen, diese Mehrdeutigkeit genau wie möglich wieder zu geben (Pommer 2006:25).
1.4.3 Intertextualität
Die Gesetze sind auf eine so komplexe Weise miteinander verknüpft, dass man von einer Intertextualität sprechen kann. So gelten allgemeine Rechtsbegriffe als Voraussetzungen für ganze Gesetzeswerke und können auch in andere Gesetze übernommen werden. Der Rechtstext ist ein Bestandteil der Rechtsordnung eines Landes; auf dieser Grundlage werden Rechtstexte übersetzt. (Ed.) Somit ist ein umfangreiches juristisches Wissen erforderlich, um hinter den Begriffen stehende Konzepte, Vorstellungen und Bedeutungen ermitteln zu können.
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1 Das schrieb Wilhelm von Humboldt in einem Brief an Schlegel im Jahre 1796. Zitiert in. Keller, Rudi: Linguistik und Literaturübersetzen. Narr Verlag, Tübingen 2000, S. 7.
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- Bouchra Adnani (Author), 2013, Die Rechtsübersetzung. Einführung und Hilfsmittel zur Translation juristischer Texte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1356583
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