Die Motivation für diese Arbeit, mit der obigen Fragestellung zu schreiben, war für mich persönlich von vielfältiger Natur geprägt. Erstens bedingt durch die jüngste Wahlkampfdebatte in Hessen, wo Herr Roland Koch sich als „Stimme der schweigenden Mehrheit“ (Buß 2008) auserkoren füllte und die Hilflosigkeit der Bürger gegenüber Ausländergewalt aus dem Wahlkampf „nicht ausklammern“ (Birnbaum/Haselberger 2008) wollte. Die Folgen waren Beiträge wie „Jung, brutal und nicht von hier – was ist dran am Streit um Ausländergewalt?“ in Sendungen wie „Hart aber Fair“, die die Frage in „welchem Maße die momentan beklagte Jugendgewalt denn wirklich genuin migrationsbedingt ist“ (Buß 2008) nicht wirklich klären konnten.
Was auch bei dieser ganzen Debatte auffiel war, dass die Thematik eigentlich sehr unwissenschaftlich und -theoretisch diskutiert wurde und der emotionale Aspekt eine viel größere Rolle dabei spielte. Bei meinen Recherchen habe ich dann herausgefunden, dass vor allem zur Beschreibung von eingewanderten Minderheiten Begriffe wie Ausländer oder Asylant in der Vergangenheit neu erfunden wurden, womit ethnische Fremdheit hervorgehoben und damit exklusionsrelevante Kategorien dargestellt wurden (Yildiz 2004: S. 146-147). Für mich persönlich ist diese Erkenntnis sehr interessant, da es in der mongolischen Sprache kein Wort für Fremdheit oder für die Fremden gibt und ich deshalb herausfinden wollte, wie so was entsteht kann, da ich ja auch in Deutschland zu den Fremden, bedingt durch meine Herkunft, zähle.
Die Frage, die sich mir dabei stellt, ist, ob Fremdheit ihre Entstehung einem Prozess verdankt oder ob es schon immer vorhanden ist? Um dieses zu erörtern, bediene ich mich zwei Theorien aus der Erziehungswissenschaft, da in dieser Disziplin im Zusammenhang mit Emigration und interkultureller Erziehung der Fremdheitsbegriff sehr geläufig ist. Ich werde anhand von diesen zwei traditionellen Theorien, die Entstehung und die Charakteristik von Fremdheit und anschließend ihre Defizite in der Betrachtung und Darstellung aufzeigen.
Inhaltsangabe
1 Einleitung
2 Fremdheit
2.1 Vieldeutigkeit der Fremdheit
2.2 Das Eigene und das Fremde
2.3 Fremdheit und Andersheit
3 Traditionelle Perspektiven auf die Fremdheit
3.1 Fremdheit aus der normativen Perspektive
3.2 Fremdheit aus der sozial-konstruktivistischen Perspektive
4 Schluss
5 Literatur
1 Einleitung
Die Motivation für diese Arbeit, mit der obigen Fragestellung zu schreiben, war für mich persönlich von vielfältiger Natur geprägt. Erstens bedingt durch die jüngste Wahlkampfdebatte in Hessen, wo Herr Roland Koch sich als „Stimme der schweigenden Mehrheit“ (Buß 2008) auserkoren füllte und die Hilflosigkeit der Bürger gegenüber Ausländergewalt aus dem Wahlkampf „nicht ausklammern“ (Birnbaum/Haselberger 2008) wollte. Die Folgen waren Beiträge wie „Jung, brutal und nicht von hier – was ist dran am Streit um Ausländergewalt?“ in Sendungen wie „Hart aber Fair“, die die Frage in „welchem Maße die momentan beklagte Jugendgewalt denn wirklich genuin migrationsbedingt ist“ (Buß 2008) nicht wirklich klären konnten.
Was auch bei dieser ganzen Debatte auffiel war, dass die Thematik eigentlich sehr unwissenschaftlich und -theoretisch diskutiert wurde und der emotionale Aspekt eine viel größere Rolle dabei spielte. Bei meinen Recherchen habe ich dann herausgefunden, dass vor allem zur Beschreibung von eingewanderten Minderheiten Begriffe wie Ausländer oder Asylant in der Vergangenheit neu erfunden wurden, womit ethnische Fremdheit hervorgehoben und damit exklusionsrelevante Kategorien dargestellt wurden (Yildiz 2004: S. 146-147). Für mich persönlich ist diese Erkenntnis sehr interessant, da es in der mongolischen Sprache kein Wort für Fremdheit oder für die Fremden gibt und ich deshalb herausfinden wollte, wie so was entsteht kann, da ich ja auch in Deutschland zu den Fremden, bedingt durch meine Herkunft, zähle.
Die Frage, die sich mir dabei stellt, ist, ob Fremdheit ihre Entstehung einem Prozess verdankt oder ob es schon immer vorhanden ist? Um dieses zu erörtern, bediene ich mich zwei Theorien aus der Erziehungswissenschaft, da in dieser Disziplin im Zusammenhang mit Emigration und interkultureller Erziehung der Fremdheitsbegriff sehr geläufig ist. Ich werde anhand von diesen zwei traditionellen Theorien, die Entstehung und die Charakteristik von Fremdheit und anschließend ihre Defizite in der Betrachtung und Darstellung aufzeigen.
2 Fremdheit
Bevor wir die Frage, ob die Fremdheit defizitär betrachtet und dargestellt wird, beantworten, muss die Begrifflichkeit der Fremdheit erläutert werden.
2.1 Vieldeutigkeit der Fremdheit
Die Deutung von Fremdheit ist sehr vielfältig und kann laut Waldenfels (in Waldenfels 2006: S.112) auf drei Dimensionen oder Bereiche aufgeteilt werden:
- Fremd, als das Äußere, welches außerhalb des eigenen Bereichs auftaucht und dem Inneren entgegensteht (Gegensatz Äußeres/Inneres- als ein Ort des Fremden),
- Fremd, als das, was Anderen gehört, im Gegensatz zum Eigenen (Gegensatz Fremdes/Eigenes- als Besitz) und
- Fremd, als das, was von anderer Art ist, im Gegensatz zum Vertrauten (Gegensatz Fremdartiges/Vertrautes- als Art des Verständnisses).
Laut M’bedy liegt diesen drei Dimensionen, eine Verneinung zu Grunde, die bestimmt, was als fremd bezeichnet wird (M’bedy 1994: S. 31), d. h. das Grundelement und die Grundvoraussetzung der Definition und die „formale Wahrnehmung“(M’bedy 1994: S. 31) der Fremden und/oder der Fremdheit ist die Negation. Beim Gegensatz Äußeres/Inneres erfolgt eine Verneinung der Zugehörigkeit. „Eine Person, ein Ding, ein Ereignis [gehört] nicht zu einer Gruppe, zu einer Menge, einer Klasse […]. Unter diesem formalen Begriff der Fremden gehört der, der nicht von hier ist, im physiologischen Sinn auch der Fremdkörper […] und fremde, d.h. nicht uns gehörende Hunde etc.“ (M’bedy 1994: S. 32-33).
Beim Gegensatz Fremdartiges/Vertrautes erfolgt eine Verneinung des Wissens. Hier wird „eigentlich nichts vom Gegenstand behauptet, sondern der Sprecher behauptet etwas von sich selbst, nämlich nicht zu wissen, wie ein Ding, eine Person zu identifizieren ist“ (M’bedy 1994: S. 34).
2.2 Das Eigene und das Fremde
Das Eigene und das Fremde sind immer mit einander verflochten. Fremdheit beginnt mit der Differenz. Begriffe wie fremd und eigen haben „einen relationalen Charakter“ (Waldenfels 2006: S. 117) und heben das Eine vom Anderen ab. Diese Unterscheidung „als Prozess der Differenzierung [setzt] eine gewisse Indifferenz voraus“ (Waldenfels 2006: S.117), d.h. man geht davon aus, dass Eigenes und Fremdes in einander verflochten sind. Zu beachten ist, dass diese Verflechtung nicht in eine vollständige „Verschmelzung“ (Waldenfels 2006: S.118) übergeht, aber es bedeutet, dass es auch keine definitive „Disparatheit“ (Waldenfels 2006: S.118) zwischen eigen und fremd existiert. Daraus ergibt sich, dass es das absolut oder das total Fremde, sowohl im interpersonellen als auch im interkulturellen Bereich nicht gibt (Waldenfels 2006: S.118). Deshalb wird in dieser Arbeit versucht nicht vom Fremden, sondern von den Fremden zu sprechen.
2.3 Fremdheit und Andersheit
Einer der wichtigsten Abgrenzungen, die hier erfolgen muss, ist die Abgrenzung von Andersheit und Fremdheit. Andersheit ist gleichzusetzen mit Verschiedenheit. Es ist eine „Abgrenzung, die eines vom anderen unterscheidet“ (Waldenfels 2006: S.113) und führt so, zu einer so genannten „durchgängigen Reversibilität der Standorte: Asiaten sind keine Europäer, so wie umgekehrt Europäer keine Asiaten sind“ (Waldenfels 2006: S.113). Aber dennoch bleiben Europäer und Asiaten trotz aller Unterschiede Menschen, d.h. die Unterscheidung vollzieht sich in einem durchgehenden Medium (Waldenfels 2006: S.113). Bei der Andersheit existiert auch ein hierarchisches Gefälle, wobei nur „die eine Seite der Differenz deutlich markiert [wird und] die andere nicht“ (Waldenfels 2006: S.113).
Aber die Fremdheit ist mehr als die Andersheit, die Fremden kommen im Gegensatz zum Anderen „von anderswoher“ (Waldenfels 2006: S.113), während das Eigene sich, um das Selbst gruppiert. Die Unterscheidung zwischen Eigenem und Fremden ist nicht gleichzusetzen mit bloßer Ausgrenzung, sondern sie ist ein „Prozess der Ein- und Ausgrenzung“ (Waldenfels 2006: S.114).
3 Traditionelle Perspektiven auf die Fremdheit
Traditionell wird Fremdheit in der Erziehungswissenschaft aus zwei Perspektiven gedeutet und dargestellt. Die erste ist die normative (existentielle) Perspektive, wobei die Fremdheit eine Eigenschaft von Dingen, Menschen und Gruppen ist. Sie wäre eine „natürliche Kategorie, also eine anthropologische Konstante“ (Yildiz 2004. S.145). Aus der zweiten, sozial-konstruktivistischen Perspektive ist die Fremdheit „ein gesellschaftlich konstituiertes und kontextspezifisches Phänomen. Dabei spielen soziale Prozesse und Kontexte eine wichtige Rolle, denn sie sorgen dafür, dass „ in denen [erst] Fremdheit definiert wird und gesellschaftliche Relevanz erlangt“ (Yildiz 2004: S.145).
3.1 Fremdheit aus der normativen Perspektive
Wie oben schon erwähnt ist die Fremdheit aus der normativen Perspektive etwas existentielles, eine quasi natürliche Tatsache des sozialen Lebens, Eigenschaft und Merkmal von Menschen und Dingen.
Die „normative Deutung von der Fremdheit [wird] besonders dann verwendet […], wenn die Situation von eingewanderten Minderheiten und deren Nachkommen thematisiert wird“ (Yildiz 2004: S. 145).
Aus der normativen Sicht aus, tragen die Migranten selbst zum Bild des Fremden bei. Dabei stützte ich mich auf eine Studie von Alfred Schütz (in Lippitz 1994): Das Fremdwerden des Fremden als Selbsterfahrung, als dramatischer Verlust der eigenen Identität. Er setzt voraus, dass in einer Ingroup durch alltägliche Prozesse der Interaktion und gemeinsam geteilten Situationsdefinitionen und Wissensvorräten ein sozialer Habitus entsteht, der zur „sozialen Ausstattung jedes Gruppenmitglieds“ (Lippitz 1994: S. 177) gehört. Der Migrant, der nun freiwillig oder auch nicht zu einer neuen Gruppe hin zustößt, findet sich nun in folgender Not. Er trifft mit seinem spezifischen sozialen Habitus auf einer ihn, nicht gänzlich aber doch unbekannten Habitus, bedingt durch die fremde Sprache und den unvertrauten Sitten und Gewohnheiten des Gastgeberlandes (Lippitz 1994: S. 177). In die Alltagskultur des Gastgeberlandes hinein geworfen funktioniert sein bewährter sozialer Habitus nicht mehr und seine Nichtgruppenzugehörigkeit wird für die Bevölkerung des Gastgeberlandes sichtlich, noch bevor er ein Wort sagt, zum Beispiel durch Grußrituale am Anfang einer Begegnung. „Infolge dessen agiert der Fremde ungeschickt, unsicher, widersprüchlich, tastend“ (Lippitz 1994: S. 178) und wirkt für die Anderen als ein weniger zuverlässiger und vertrauenswürdiger Mensch. Er sorgt selber mit, dass er als Fremder stigmatisiert wird. Wo erfährt er dann Hilfe zur Behebung seiner Not? Meistens nicht von den Ingroup-Mitgliedern, sondern von anderen Fremden wie er selbst, die die gleichen sozialen Habitus haben oder hatten. Wen sie untereinander mit ihrem sozialen Habitus interagieren, so wird die Fremdartigkeit der Gruppe für die Gastgeber noch deutlicher. So kann der Migrant dem Gastgeberland „außer das bloße Faktum seiner Existenz nichts […] bieten […]. Das Abstrakte wird zur existentiellen Größe des Fremden“ (Lippitz 1994: S. 179).
Wenn man nun Fremdheit als etwas Existentielles betrachtet, so ergibt sich daraus als Folge eine Entpersonalisierung der Menschen (mit oder ohne Emigrationshintergrund), da sie nicht als Subjekte betrachtet werden, „die in der Auseinandersetzung mit der Umwelt ihre jeweilige Individualität entwickeln“ (Yildiz 2004. S. 151). Staat dessen werden sie als ethnisch Fremde angesehen, wobei ihre biographische Ressourcen und Kompetenzen nicht berücksichtigt werden oder als „Desintegrationsfaktor, also als Abweichung von der eigenen Normalität“ (Yildiz 2004: S. 151) betrachtet werden.
[...]
- Quote paper
- Zaya Davaadorj (Author), 2008, Ist die Darstellung und Betrachtung der Fremdheit defizitär?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135594
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.