Ingwer (Zingiber officinale Rosc.) ist eines der weltweit meistverwendeten Gewürze und eine traditionelle Heilpflanze, die seit mehreren tausend Jahren in verschiedenen Medizinsystemen, unter anderem in der Ayurveda-Medizin verwendet wird.
Zielsetzung der vorliegenden Bachelorarbeit ist es, auf der Basis eines grundlegenden Verständnisses des Ingwers und seiner bioaktiven Substanzen ein tieferes Wissen über seine therapeutische Anwendung und Wirkmechanismen in der ayurvedischen Medizin im Vergleich zur westlichen Medizin zu erarbeiten. Daraus ergibt sich die zentrale Forschungsfrage: Wie kann insgesamt das therapeutische Potenzial des Ingwers und seiner bioaktiven Substanzen eingeschätzt werden? Zur Beantwortung dieser Forschungsfrage wurde eine umfassende Literaturrecherche durchgeführt.
In der westlichen Medizin wird Ingwer bisher therapeutisch gegen Übelkeit und Erbrechen aufgrund von Reise-/Seekrankheit, Operationen, Brechreiz und Schwangerschaften, zur Behandlung von dyspeptischen Beschwerden sowie Erkältungen und Grippe, als entzündungshemmendes Mittel bei Migräne, rheumatischen und Muskelbeschwerden und zur Appetitanregung verwendet. Hierzu lieferten klinische Studien zum Großteil die nötige Evidenz. In der ayurvedischen Medizin gilt Ingwer als 'Universalheilmittel' und wird bei zahlreichen weiteren Erkrankungen eingesetzt. Er wird im menschlichen Organismus schnell resorbiert, im Gewebe verteilt und in Form von Metaboliten ausgeschieden. Dabei stellen seine wichtigsten bioaktiven Substanzen die Scharfstoffe Gingerole und Shogaole dar. Seine Wirkungen werden über antioxidative, antimikrobielle, antiinflammatorische, analgetische, spasmolytische, immunmodulatorische, antikanzerogene, antiemetische, antihyperlipidämische und antihyperglykämische Mechanismen vermittelt. Bis zu einer Tagesdosis von 6g erwies sich Ingwer als ein sicheres und nebenwirkungsarmes Medikament, das auch für Kinder, Schwangere und Stillende geeignet ist.
Inhaltsverzeichnis
Danksagung
Inhaltsangabe
Abstract
Inhaltsverzeichnis
I. Abbildungsverzeichnis
II. Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Forschungsfragen
1.3 AufbauderArbeit
2. Methodik
2.1 Literaturrecherche
2.2 Auswahl der Literatur
2.3 Methodenkritik
3. Klassifizierungvonlngwer
3.1 Geschichte und Herkunft
3.2 Botanik
3.3 Bioaktive Substanzen
3.4 Pharmakokinetik
4. Bioaktivität und Wirkungen von Ingwer
4.1 Antioxidative Effekte
4.2 Antiinflammatorische und analgetische Effekte
4.3 AntikanzerogeneEffekte
4.4 Wirkung auf Übelkeit und Erbrechen
4.5 Wirkung aufden Gastrointestinaltrakt
4.6 Wirkung auf Diabetes und metabolisches Syndrom
4.7 WeiterebioaktiveEffekte
4.8 Nebenwirkungen bzw. Toxizität
5.Therapeutische Anwendung von Ingwer
5.1.in derayurvedischen Medizin
5.2.in der westlichen Medizin
6. Diskussion
7. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
I. Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Illustration von Zingiber officinale
Abbildung2: Ingwer-Rhizom
Abbildung 3: Chemische Strukturen der Gingerol- und Shogaol-Analoga und von Zingeron
Abbildung 4: The potential mechanism for the antioxidant action of 6-shogoal
Abbildung 5: The molecular mechanism of main ginger constituents (i.e., 10-gingeridone, 6-
shogaol, and 6-gingerol) in inflammation
Abbildung 6: Several signaling pathways are involved in the anticancer mechanisms of 6-gingerol
Abbildung 7: Ginger and its active compounds improve lipid and glucose metabolism through multiple mechanisms, including regulation oftheAMPK, PPARs, and NF-kB signaling pathways
Abbildung 8: Übersicht der Bioaktivität von Ingwer
II. Abkürzungsverzeichnis
5-HT 5-Hydroxytryptamin
Bax B-cell lymphoma 2-associated X protein
Bcl-2 B-cell lymphoma 2
CDK cyclinabhängige Kinase
COX Cyclooxygenase
CRP C-reaktives Protein
EMA Europäische Arzneimittel-Agentur
ESCOP European Scientific Cooperative on Phytotherapy
FD Funktionelle Dyspepsie
H. pylori Helicobacter pylori
HbA1c Hämoglobin A1c
HDL-C High-Density-Lipoprotein-Cholesterin
HMPC Committee on Herbal Medicinal Products
HOMA-IR Homeostatic Model Assessment for Insulin Resistance
IL Interleukin
KEAP1 Kelch-like ECH-associated protein 1
LD50 Orale letale Dosis 50
LDL-C Low-Density-Lipoprotein-Cholesterin
Mß-Rezeptor MuskarinischerAcetylcholinrezeptor des Subtyps 3
MDA Malondialdehyd
MetS Metabolisches Syndrom
NAFLD Nichtalkoholische Fettlebererkrankung
NF-kB Nuklearfaktor-kappa B
NOAEL No Observable Adverse Effect Level
Nrf2 Nuclear factor erythroid 2-related factor 2
NSAID Nicht-steroidale entzündungshemmende Medikamente
OA Osteoarthritis
OS Oxidativer Stress
PGE2 Prostaglandin E2
PPAR-y Peroxisom-Proliferator-aktivierter Rezeptor y
RCT Randomisierte kontrollierte Studie
RDS Reizdarmsyndrom
ROS Reaktive Sauerstoffspezies
RSV Respiratorischer Synzytial-Virus
T2D Typ-2-Diabetes mellitus
TG Triglyceride
TNF-a Tumornekrosefaktor-a
TRPV1 Transienter Rezeptor-Potential-Kationenkanal der Unterfamilie V (fürvanilloid), Subtyp 1
WHO World Health Organization
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich mich bei all denjenigen bedanken, die zu der Anfertigung dieser Bachelorarbeit und derAbsolvierung meines Studiums beigetragen haben.
Zuallererst gebührt mein Dank Frau Prof. Dr. Natalie Bäcker, die meine Bachelorarbeit betreut und begutachtet hat. Für die hilfreichen Anregungen, Beantwortung meiner Fragen und die konstruktive Kritik bei der Erstellung dieserArbeit bin ich ihr überaus verbunden.
Bedanken möchte ich mich bei meiner Tante Katja für ihre Ideen, die maßgeblich zur Themenwahl dieser Bachelorarbeit beigetragen haben.
Außerdem möchte ich meiner Oma Bärbel für ihr Interesse und das Korrekturlesen meiner Bachelorarbeit danken.
Ein besonderer Dank gilt meinem Partner Luis, der in Höhen und Tiefen immerfür mich da war und mich liebevoll und motivierend über das Studium hinaus unterstützte.
Ich möchte mich bei meinem Vater bedanken, der mir mein Studium durch seine Unterstützung ermöglicht hat und mir mit Rat und Tat zur Seite stand.
Ich bin meiner verstorbenen Mutter sehr dankbar, dass sie in mir mein Interesse für Ernährung geweckt und stets angeregt hat und mich so auf diesen Lebensweg führte.
Abschließend möchte ich Gott danken, der mir das Wissen, die Intelligenz und den Glauben in meine Fähigkeiten schenkte.
Laura Fröhlich
Buhlenberg, 12.12.2021
Inhaltsangabe
Ingwer (Zingiber officinale Rose.) ist eines der weltweit meistverwendeten Gewürze und eine traditionelle Heilpflanze, die seit mehreren tausend Jahren in verschiedenen Medizinsystemen, u. a. in derAyurveda-Medizin verwendet wird.
Zielsetzung der vorliegenden Bachelorarbeit ist es, auf der Basis eines grundlegenden Verständnisses des Ingwers und seiner bioaktiven Substanzen ein tieferes Wissen über seine therapeutische Anwendung und Wirkmechanismen in der ayurvedischen Medizin im Vergleich zur westlichen Medizin zu erarbeiten. Daraus ergibt sich die zentrale Forschungsfrage: Wie kann insgesamt das therapeutische Potenzial des Ingwers und seiner bioaktiven Substanzen eingeschätzt werden?
Zur Beantwortung dieser Forschungsfrage wurde eine umfassende Literaturrecherche durchgeführt, die sich aus Datenbanken (z. B. PubMed, EBSCO), Google Scholar, Lehrbüchern und weiterer Fachliteratur zusammensetzte. Dabei wurden die Ergebnisse relevanter Studien analysiert, miteinanderverglichen und dargelegt.
In der westlichen Medizin wird Ingwer bishertherapeutisch gegen Übelkeit und Erbrechen aufgrund von Reise-/Seekrankheit, Operationen, Brechreiz und Schwangerschaften, zur Behandlung von dyspeptischen Beschwerden sowie Erkältungen und Grippe, als entzündungshemmendes Mittel bei Migräne, rheumatischen und Muskelbeschwerden und zur Appetitanregung verwendet. Hierzu lieferten klinische Studien zum Großteil die nötige Evidenz. In der ayurvedischen Medizin gilt Ingwer als .Universalheilmittel' und wird bei zahlreichen weiteren Erkrankungen eingesetzt. Er wird im menschlichen Organismus schnell resorbiert, im Gewebe verteilt und in Form von Metaboliten ausgeschieden. Dabei stellen seine wichtigsten bioaktiven Substanzen die Scharfstoffe Gingeroie und Shogaole dar. Seine Wirkungen werden über antioxidative, antimikrobielle, antiinflammatorische, analgetische, spasmolytische, immunmodulatorische, antikanzerogene, antiemetische, antihyperli- pidämische und antihyperglykämische Mechanismen vermittelt. Bis zu einer Tagesdosis von 6 g erwies sich Ingwer als ein sicheres und nebenwirkungsarmes Medikament, das auch für Kinder, Schwangere und Stillende geeignet ist.
Es stellte sich heraus, dass einerseits einige der therapeutischen Potenziale von Ingwer bereits ausgeschöpft werden, andererseits noch weitere ungenutzte Potenziale im Hinblick auf die Behandlung von Dysmenorrhoe, akutem Atemnotsyndrom, männlicher Fruchtbarkeitsstörung, Colitis ulcerosa und Stoffwechselstörungen wie Typ-2-Diabetes mellitus, metabolisches Syndrom und nichtalkoholische Fettlebererkrankung bestehen.
Schlüsselwörter: Ingwer, Zingiber officinale, Ayurveda, therapeutisches Potenzial, Bioaktivität, Pharmakokinetik
Abstract
Ginger (Zingiber officinale Rose.) is one of the world's most widely used spices and a traditional medicinal plant that has been used for several thousand years in various medical systems, including Ayurvedic medicine.
The objective of this Bachelor's thesis is to develop a deeper knowledge of its therapeutic application and mechanisms of action in Ayurvedic medicine compared to Western medicine, based on a fundamental understanding of ginger and its bioactive substances. This leads to the central research question: How can the overall therapeutic potential of ginger and its bioactive substances be assessed?
To answer this research question, a comprehensive literature search was carried out, consisting of databases (e.g. PubMed, EBSCO), Google Scholar, textbooks and other specialist literature. The results of relevant studies were analysed, compared and presented.
In Western medicine, ginger has been used therapeutically for nausea and vomiting due to travel/seasickness, surgery, nausea and pregnancy, to treat dyspeptic complaints as well as colds and flu, as an anti-inflammatory agentfor migraine, rheumatic and muscle complaints and to stimulate appetite. For the most part, clinical studies have provided the necessary evidence. In Ayurvedic medicine, ginger is considered a 'universal remedy' and is used for numerous other diseases. It is rapidly absorbed in the human organism, distributed in the tissue and excreted in the form of metabolites. Its most important bioactive substances are the pungents gingerols and shogaols. Its effects are mediated via antioxidant, antimicrobial, anti-inflammatory, analgesic, spasmolytic, immunomodulatory, anticarcinogenic, antiemetic, antihyperlipidaemic and antihyperglycaemic mechanisms. Up to a daily dose of 6 g, ginger proved to be a safe drug with few side effects, which is also suitable for children, pregnant women and nursing mothers.
It turned out that, on the one hand, some of the therapeutic potentials of ginger are already exploited, and on the other hand, there are still further untapped potentials regarding the treatment of dysmen- orrhoea, acute respiratory distress syndrome, male fertility disorder, functional dyspepsia, ulcerative colitis and metabolic disorders such as type 2 diabetes mellitus, metabolic syndrome and non-alcoholic fatty liver disease.
Keywords: ginger, Zingiber officinale, Ayurveda, therapeutic potential, bioactivity, pharmacokinetics
1. Einleitung
Seit prähistorischen Zeiten waren Kräuter und Gewürze als Heilpflanzen die Grundlage für nahezu alle medizinischen Therapien, bis im 19. Jh. synthetische Medikamente entwickelt wurden (Rastogi, 2014, S. 107). Heute werden Kräuter und Gewürze, insbesondere in der westlichen Kultur, überwiegend für kulinarische Zwecke eingesetzt (Rastogi, 2014, S. 107). Als integraler Bestandteil der täglichen Ernährung bieten sie nicht nurAbwechslung, Geschmack, Farbe und Aroma, sondern liefern gleichzeitig Nährstoffe und zahlreiche gesundheitsfördernde bioaktive Substanzen (Rastogi, 2014, S. 107). So werden Heilpflanzen allgemein als .chemische Goldgruben' bezeichnet, da sie eine Vielzahl natürlicher Stoffe enthalten, die im menschlichen Organismus eine positive Bioaktivität entfalten (Kumari et al., 2020, S. 605). Demnach beinhalten sie nach wie vor unschätzbares präventives und therapeutisches Potenzial.
Medizinisch ebenso bedeutsam wie kulinarisch, ist Ingwer (Zingiber officinale Rose.) eine der bedeutendsten Gewürz- und Heilpflanzen. Demzufolge wurde er vom Verein zur Förderung der naturgemäßen Heilweise nach Theophrastus Bombastus von Hohenheim zur „Heilpflanze des Jahres 2018“ gekürt (Vogel, 2017). Seit der Antike wird er in verschiedenen traditionellen Heilsystemen wie derayurvedischen Medizin für ein breites Spektrum von Erkrankungen und Beschwerden eingesetzt (Pagano et al., 2020, S. 1). Darüber hinaus ist er nicht nur in der indischen Küche, sondern weltweit eines der meistverwendeten Gewürze (Garcia-Casal et al., 2016, S. 5; Premila, 2006, S. 13).
1.1 Problemstellung
Die allopathische Behandlung von Krankheiten wie Osteoarthritis (OA), Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Diabetes basiert auf synthetischen Arzneimitteln wie nicht-steroidalen entzündungshemmenden Medikamenten (NSAID), synthetischen Antidiabetika sowie Chemo- und Strahlentherapeutika, die meist hohe wirtschaftliche Kosten und zahlreiche unerwünschte Nebenwirkungen mit sich bringen (Rasheed, 2020, S. 2). Aus diesem Grund wird jederzeit nach einer sicheren, nebenwirkungsarmen und kostengünstigen Alternative zur Bekämpfung von Krankheiten gesucht.
Pflanzliche Arzneimittel oder aus ihnen isolierte Komponenten besitzen den Vorteil, ein geringes Toxizitätsprofil vorzuweisen und gleichzeitig auf mehreren Signalwegen wirken zu können (Zadorozhna & Mangieri, 2021). So wird Ingwer bspw. bereits als Phytotherapeutikum zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen in der westlichen Medizin eingesetzt. Traditionell findet er jedoch bei vielen weiteren nicht miteinander verbundenen Krankheiten als präventive und therapeutische Maßnahme Anwendung (Garcia-Casal et al., 2016, S. 5).
1.2 Zielsetzung und Forschungsfragen
Ziel dieser Arbeit ist es, das therapeutische Potenzial des Ingwers anhand der Evidenzlage zu den bislang erforschten Wirkungen einzuschätzen. Daraus ergibt sich die Frage: Welche Wirkungen weisen Ingwer und seine bioaktiven Substanzen im menschlichen Organismus auf und welches therapeutische Potenzial im Hinblick auf die Prävention und Therapie von Krankheiten ergibt sich daraus? Die zugrunde liegenden Wirkmechanismen sollen hierbei durchleuchtet werden. Zur Beantwortung der Forschungsfrage muss zusätzlich untersucht werden, in welchen Bereichen Ingwer bereits in der westlichen Medizin im Vergleich zu seiner traditionellen Anwendung in der ayurvedischen Medizin eingesetzt wird. Insgesamt soll ein Überblick über den aktuellen Forschungsstand gegeben sowie Forschungslücken und -bedarf aufgezeigt werden.
1.3 AufbauderArbeit
Die Arbeit gliedert sich wie folgt: Zunächst wird die angewandte Methodik mit samt Literaturrecherche, Auswahl der Literatur und Methodenkritik erläutert. Daraufhin wird im dritten Kapitel die IngwerPflanze in ihre Geschichte und Herkunft, ihre Botanik, ihre bioaktiven Substanzen und ihre Pharmakokinetik klassifiziert. Anschließend wird in Kap. 4 die wissenschaftliche Evidenzlage der Bioaktivität und der Wirkungen des Ingwers aufgezeigt und die zugehörigen Wirkmechanismen durchleuchtet. Hierbei werden einerseits seine antioxidativen, antiinflammatorischen und analgetischen sowie antikanzerogenen Effekte, und andererseits seine Wirkung auf Erkrankungen wie Übelkeit und Erbrechen, Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts und Diabetes und metabolisches Syndrom (MetS) untersucht. Darüber hinaus wird ein Überblick zu weiteren bioaktiven Effekten gegeben. Das Kapitel schließt mit einer Untersuchung des Sicherheitsprofils von Ingwer ab. Im folgenden Kapitel findet der Vergleich seiner therapeutischen Anwendung in der ayurvedischen und westlichen Medizin statt. Auf Grundlage dessen werden die Studienergebnisse diskutiert und Schlüsse daraus gezogen. Ein Fazit und ein kurzer Ausblick auf die Anforderungen an zukünftige Studien beschließen die Arbeit.
2. Methodik
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde eine Sekundärforschung mittels umfassender Literaturrecherche durchgeführt. Im Folgenden werden der Rechercheprozess, die Auswahlkriterien und Limitationen sowie mögliche Fehler dargelegt.
2.1 Literaturrecherche
Für den theoretischen Rahmen dieser Arbeit wurde in folgenden Datenbanken nach Literatur zur Gewürz- und Heilpflanze Ingwer, Ayurveda-Pflanzenheilkunde, westlichen Phytotherapie (Pflanzenheilkunde), Medizin und Biochemie recherchiert: EBSCO, SpringerLink, Science-Direct und Ernährungs-Umschau. Zur weiteren Quellensuche diente eine Internetrecherche mit Hilfe der Suchmaschinen Google und Google Scholar. Die Quellen setzten sich aus Lehrbüchern, Fachbüchern und Artikeln aus wissenschaftlichen Zeitschriften zusammen. Darüber hinaus wurde bei relevanten Publikationen die Schneeballmethode angewandt.
Um einen Überblick über die aktuellen wissenschaftlichen Studien zum therapeutischen Einsatz von Ingwer zu bekommen, wurde nach Primär- und Sekundärliteratur in PubMed und den Cochrane Library databases recherchiert. Die folgenden Suchbegriffe wurden verwendet: Ingwer, Ginger, Zingiber officinale, Z. officinale, Gingerol und Shogaol. Die jeweiligen Treffer wurden nach dem Vorhandensein der Suchbegriffe im Titel und/oder Abstrakt der wissenschaftlichen Arbeit gefiltert. Des Weiteren wurden die Suchbegriffe jeweils um den zu untersuchenden Themenbereich ergänzt: z. B. ((ginger[Titlej) OR (zingiber officinale[Title]) OR (z. officinale[Title]) OR (gingerol[Titlej) OR (sho- gaol[Title])) AND (nausea[Title/Abstractj). Zusätzlich wurden weitere Filteroptionen genutzt und die Ergebnisse zum Teil nach systematischen Reviews und Metaanalysen oder randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) gefiltert. Die Selektion der Ergebnisse erfolgte anhand der im nächsten Unterkapitel dargestellten Kriterien.
2.2 Auswahl der Literatur
Um eine auswertbare Anzahl an Studien zu erhalten, wurden die in Tab. 1 ersichtlichen Ein- und Ausschlusskriterien verwendet. Von den verbliebenen Studien wurden Titel und Abstrakte sowie ggf. die Volltexte gesichtet und auf Relevanz geprüft. Nach der Zusammenstellung der Studienauswahl wurden die Studien auf ihren Evidenzgrad, ihre interne Validität sowie externe Generalisierbarkeit analysiert. Es wurde beurteilt, ob die Ergebnisse der Studien auf die Allgemeinheit übertragbar oder weitere valide Studien vonnöten sind. Somit wurde die wissenschaftliche Evidenzlage der Wirkungen des Ingwers überprüft, um sein therapeutisches Potenzial einschätzen zu können. Die Studienergebnisse wurden zudem zur Erläuterung der Wirkmechanismen herangezogen.
Tab. 1. Ein- und Ausschlusskriterien der Literaturauswahl
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung.
2.3 Methodenkritik
Die angewandte Methode weist gewisse Limitationen auf, die sich auf die Aussagekraft dieser Arbeit ausgewirkt haben könnten. Es wurden nicht alle verfügbaren Datenbanken für die Literaturrecherche verwendet und auch nicht sämtliche themenrelevante Literatur in die Arbeit einbezogen, da diese Fülle den Rahmen gesprengt hätte. Zur Bestimmung des therapeutischen Potenzials des Ingwers wurde sich ferner auf die meistuntersuchten und relevantesten therapeutischen Anwendungsgebiete beschränkt, womit weitere mögliche Wirkungen nicht in die Analyse eingingen. Um den aktuellen Forschungsstand widerzugeben, wurde auf die Aktualität der Studien geachtet, indem vorzugsweise jüngere Studien und Übersichtsarbeiten der letzten fünf Jahren zitiert wurden. Das Datum der Literaturergebnisse konnte jedoch nicht konsequent eingeschränkt werden, da ansonsten einige für die Ergebnisse dieser Arbeit relevanten Werke keine Erwähnung gefunden hätten, z. B. eine Studie aus dem Jahr 1988 zur Wirkung von Ingwer auf die Reisekrankheit bei Seefahrern/Seefahrerinnen (Grentved et al., 1988). Auch konnten nur Artikel in deutscher und englischer Sprache berücksichtigt werden.
3. Klassifizierung von Ingwer
Als populäre Gewürz- und Heilpflanze besitzt Ingwer eine weit zurückreichende Geschichte (Duke, 2003, Kap. Introduction). Seine pharmakologische Wirkung beruht auf den enthaltenen bioaktiven Substanzen, die im Organismus aufgenommen, metabolisiert und anschließend wieder ausgeschieden werden.
3.1 Geschichte und Herkunft
Ingwer besitzt seinen Ursprung im indischen Subkontinent (Duke, 2003, Kap. Introduction). Ein indisches Sprichwort besagt, jede gute Eigenschaft sei im Ingwer enthalten (Duke, 2003, Kap. Introduction). Antike Historikerinnen nehmen an, dass bereits um 3000 v. Chr. der Besitz von Ingwer oder seiner Handelswege Wohlstand symbolisierte (Duke, 2003, Kap. Introduction). Der chinesische Philosoph Konfuzius verwendete ca. 2500 Jahre v. Chr. täglich Ingwer zum Würzen seiner Speisen (Duke, 2003, Kap. Introduction). Als Bestandteil von mehr als der Hälfte aller traditionellen chinesischen Arzneimittel, spielt er bis heute eine große Rolle in der chinesischen Küche und Medizin (Duke, 2003, Kap. Introduction; Glover, 2007, S. 152). Auch im antiken Griechenland und Rom galt Ingwer als bekanntes Heilmittel (Schrott & Ammon, 2012, S. 332). Seefahrer*innen führten auf ihren langen Reisen zwischen Südostasien und China Töpfe mit Ingwerpflanzen mit sich, um ein frisches Lebensrnittel zu haben und Krankheiten wie Skorbut vorzubeugen (Mapatac, 2020, S. 6). Ca. 215 v. Chr. wurde die chinesische Prinzessin Tai nach ihrem Tod mit Zimt, Galgant, Pfeffer und Ingwer begraben (Duke, 2003, Kap. Introduction).
Etwa 100 v.Chr. verwendete der königliche Toxikologe Mithridates VI. Ingwer als Arzneimittel (Duke, 2003, Kap. Introduction). Der griechische Arzt und Pionier der Pharmakologie Pedanios Di- oskurides begleitete ca. 47 n. Chr. die römischen Armeen und verwendete Ingwer bei Magenproblemen (Duke, 2003, Kap. Introduction). In den mitgeführten Schriften der „Materia Medica“ (Arzneimittellehre) wurde Ingwer zudem als Aphrodisiakum empfohlen (Duke, 2003, Kap. Introduction). Auch in dem Werk zur Naturkunde, „Naturalis historia“, des römischen Gelehrten Plinius Secundus (Plinius der Ältere, 23-79 n. Chr.) ist die medizinische Verwendung von Ingwer, zu finden (Kumari etal.,2020,S.608).
Im 2. Jh. n. Chr. wurde Ingwer von China nach Alexandria in Ägypten importiert (Duke, 2003, Kap. Introduction). Am Ende des Jh. wurde er in China erstmals offiziell als Heilpflanze anerkannt. Später fand er in angelsächsischen Arzneibüchern Erwähnung.
Ab dem frühen Mittelalter wurde Ingwer auch in vielen Teilen Europas eingeführt (Rimbach et al., 2015, S. 266). Ab diesem Zeitpunkt verbreitete sich seine Anwendung als Gewürz- und Heilpflanze weltweit (Garcia-Casal et al., 2016, S. 5).
Im Jahr 595 n. Chr. betrieben der Gründer des Islams Mohammed und seine Frau Chadidscha ein mekkanisches Geschäft, das Weihrauch, Myrrhe und orientalische Gewürze, u. a. Ingwer, vertrieb (Duke, 2003, Kap. Introduction). Die Angehörige muslimischen Glaubens erschufen ein jahrhundertelanges Monopol auf den Gewürzhandel. Im Koran wird Ingwer in Form eines Getränkes als himmlisch und spirituell bezeichnet, während er in der Bibel keine Erwähnung findet.
Er wurde in die heute deutschsprachigen Gebiete um ca. 900 n. Chr. über den Handel eingeführt (Rimbach et al., 2015, S. 266). Eine Straße in Basel, in der mit Gewürzen gehandelt wurde, wurde nach dem Ingwer als „Imbergasse“ benannt, denn er war eines der wichtigsten Gewürze im Mittelalter (Nair, 2019, S. 246). Die Benediktinernonne und natur- und heilkundige Universalgelehrte Hildegard von Bingen erforschte 1098-1179 n. Chr. neben zahlreichen weiteren Gewürz- und Heilpflanzen auch die Anwendungs- und Wirkungsweisen des Ingwers (Duke, 2003, Kap. Introduction).
Im Jahr 1280 n. Chr. berichtete Marco Polo über den Anbau und die Verwendung von Ingwer in China und Indien (Duke, 2003, Kap. Introduction; Glover, 2007, S. 152). Dank seiner Asienreisen kann die Zeit von 1300 bis 1500 als Zeitalter der Gewürzentdeckungen bezeichnet werden (Mapatac, 2020, S. 9). In Europa waren asiatische Gewürze jedoch vorerst teuer (Mapatac, 2020, S. 8). Im 13. und 14. Jh. war ein Pfund Ingwer äquivalent zu einem Schaf (Bode & Dong, 2011, S. 132). In Sirup eingelegter Ingwer, so genannter grüner Ingwer, galt als Delikatesse (Nair, 2019, S. 246). Medizinisch wurde er häufig als Karminativum, blähungstreibendes Mittel, eingesetzt (Nair, 2019, S. 245).
Etwa im 15. Jh. begann der Gewürz-Export aus Indien über neu errichtete Handelsrouten auf dem Meer (Mapatac, 2020, S. 10). Der damalige König von Portugal, Manuel I., erschuf viele neue Gewürzmärkte in ganz Europa (Mapatac, 2020, S. 10). Portugiesische Sklavenhalterführten Ingwer in Westafrika ein mit dem Ziel, die Fruchtbarkeit der Versklavten zu steigern (Duke, 2003, Kap. Introduction). Ingwer war eine der ersten postkolumbianischen Einführungen durch Spanierinnen in Westindien (Glover, 2007, S. 151).
Während der Regentschaft von Heinrich VIII. in England wurde Ingwer gegen die Pest empfohlen (Nair, 2019, S. 246). Zur selben Zeit erlangte er als Bestandteil im Lebkuchen große Beliebtheit, das später zum Lieblingsgebäck von Königin Elisabeth I. und ihrem Hofstaat wurde (Nair, 2019, S. 246). Englische Gastronomen/Gastronominnen rührten ab dem Mittelalter bis zum Ende des 19. Jh. gemahlenen Ingwer mit einem glühenden Schürhaken in ihr ausgeschenktes Bier und Ale (Nair, 2019, S. 246). 1597 n. Chr. verfasste der englische Chirurg und Botaniker John Gerard (1546-1607) seine Kräuterkunde, die ca. 1 300 Arten umfasste (Duke, 2003, Kap. Introduction). Er beschrieb Ingwer als aphrodisierend und verdauungsfördernd (Duke, 2003, Kap. Introduction; Nair, 2019, S. 246). Etwa 1915 n. Chr. waren die Eklektiker1, eine Gruppe von ca. 25 000 Ärzten/Ärztinnen von Ingwer und anderen Naturheilmitteln überzeugt (Duke, 2003, Kap. Introduction).
Im Jahr 2000 importierten die USA ca. 19 000 Tonnen gemahlenen Ingwer im Wert von ca. 15 Mio. US-Dollar (Duke, 2003, Kap. Introduction). Heutzutage ist Ingwer in fast allen Gemüseläden und Apotheken als Gewürz- und Arzneipflanze erhältlich und auf Platz sieben unter den meistverwendeten Gewürzen weltweit (Mapatac, 2020, S. 21; Schrott & Ammon, 2012, S. 332).
3.2 Botanik
Der Begriff Ingwer besitzt zwei Bedeutungen: die Ingwer-Pflanze, auch Ingwerstaude genannt und das Ingwer-Rhizom als Teil der Pflanze. Die botanische Bezeichnung für die Ingwer-Pflanze lautet Zingiber officinale, erstbeschrieben durch den englischen Botaniker William Roscoe im Jahr 1807 (Kumari et al., 2020, S. 606). Sie ist eine monokotyle (einkeimblättrige) Pflanze aus der Gattung Zingiber innerhalb der Familie der Ingwergewächse (Zingiberaceae), die in die natürliche Ordnung der Ingwerartigen (Zingiberales) gehört (Matissek, 2019, S. 830; Nair, 2019, S. 245; Rimbach et al., 2015, S. 266; Torres et al., 2015, S. 5). Die Familie der Zingiberaceae ist mit ca. 1 500 Arten eine der größten Familien im Pflanzenreich (Sirirugsa, 1999). Darunter befinden sich auch die Gewürze Kardamom (Elettaria cardamomum L.) und Kurkuma (Curcuma longa L.) (Vasala, 2012, S. 319). Die Gattung Zingiber umfasst ca. 150 Arten (Nair, 2019, S. 257). Die botanische Bezeichnung für das Ingwer-Rhizom lautet Zingiberis rhizoma (Staesche, 1970, S. 436).
Laut Nair leiten sich der lateinische Begriff .Zingiber' sowie die meisten heutigen Bezeichnungen für Ingwer aus dem südindischen tamilischen Wort Jngiver' ab, das Ingwer-Rhizom bedeutet (Nair, 2019, S. 245-246). Früher nahmen andere Forschende an, der Begriff habe seinen Ursprung im altindischen Sanskrit-Wort .sringavera', was, gemäß der Form des Rhizoms, .geweihartig' oder .hornförmig' bedeutet (Nair, 2019, S. 246). Sanskrit wurde in den entsprechenden Regionen jedoch kaum gesprochen (Nair, 2019, S. 246). Der Namens-Zusatz .officinale' bezieht sich auf die medizinischen Eigenschaften des Rhizoms (Kumari et al., 2020, S. 606). In einigen Sprachen existieren zwei verschiedene Bezeichnungen für frischen und getrockneten Ingwer, was darauf hindeutet, dass beide Formen unterschiedlicheAnwendungsgebiete besitzen (s. Kap. 5.1) (Nair, 2019, S. 246).
Das Ingwer-Rhizom ist keine Wurzel, sondern ein Wurzelstock (s. Abb. 2) (Rimbach et al., 2015, S. 266). Dieser wächst horizontal als fleischiges, stärkereiches Sprossachsensystem mit Schuppenblättern unter der Erde (Goerg, 2017, S. S44; Nair, 2019, S. 262; Rimbach et al., 2015, S. 266). Aus ihm entspringen seitlich flache, verkehrt eiförmige, 1-3 cm lange Äste, die als .Finger' bezeichnet werden (World Health Organization [WHO], 1999, S. 278). Das gelbe Innere ist von einer korkartigen, braunen Rinde umgeben (Goerg, 2017, S. S43). Das Rhizom ist ein sich vegetativ vermehrendes Überdauerungsorgan der Ingwerstaude (s. Abb. 1) (Rimbach et al., 2015, S. 266). Die Ingwerstaude ist eine ausdauernde (mehrjährige), krautige Pflanze mit faserigen und fleischigen Wurzeln (Nair, 2019, S. 260; Rimbach et al., 2015, S. 266). Aus dem Wurzelstockwachsen im Frühjahr sowohl 0,6—1,5 m hohe, grüne, schilfähnliche Laubsprosse mit schmalen lanzettlichen Blättern von etwa 15-30 cm Länge und 8-20 mm Breite als auch Blütenstiele, die als längliche Ähren enden (Schrott & Ammon, 2012, S. 332; WHO, 1999, S. 277). Die Blütenstände besitzen weiße oder gelbe Blüten mit purpurfarbenen Lippen, die rote Kapselfrüchte hervorbringen (s. Abb. 1) (Lim, 2016, S. 471; Rimbach et al., 2015, S. 266; Schrott & Ammon, 2012, S. 332).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1. Illustration von Zingiber officinale
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an (Köhler, 2018).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2. Ingwer-Rhizom
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Margo555,2021 "
1 Blütenknospe; 2 Blüte; 3 äußeres Perigon, auseinandergebreitet; 4 Blütenlängsschnitt mit dem äußeren und inneren Staubgefäß, vergrößert; 5 Honiglippe mit den äußeren Staubgefäßen; 6 Stempel mit Staubgefäßen; 7 oberer Teil des Griffels mit der Narbe; 8 und 9 Fruchtknoten im Längs- und Querschnitt
Ingwer gedeiht am besten im Schatten innerhalb eines tropischen Klimas mit 1 500 mm Regen pro Jahr oder zusätzlicher Bewässerung (Lim, 2016, S. 471; Rimbach et al., 2015, S. 266). Er verträgt jedoch keine Staunässe (Lim, 2016, S. 471). Der Boden sollte gedüngt, durchlässig, lehmig oder schwammig und fruchtbar sein. Ursprünglich stammt er aus den feuchtwarmen Tropen in Mittel- und Südostasien (Rimbach et al., 2015, S. 266). Heute wird er in allen tropischen Klimaten als einjähriges Gewächs kultiviert (Nair, 2019, S. 260; Rimbach et al., 2015, S. 266). China, Taiwan, Indien, Nigeria, Sierra Leone, die westindischen Inseln und Australien zählen von rund 50 Ländern zu seinen wichtigsten Anbaugebieten (Rimbach et al., 2015, S. 266; M. Zhang et al., 2021, S. 712).
Es lassen sich zwei Formen von Ingwer unterscheiden: schwarzer Ingwer, der ungeschält von einem graugelblichen Kork umgeben ist und weißer Ingwer, der geschält eine gelbliche oder bräunliche Farbe besitzt (H. Hahn & Michaelsen, 1996, S. 94; Staesche, 1970, S. 436). Der Zeitpunkt der Ernte des Ingwer-Rhizoms orientiert sich an seinem Reifegrad (Goerg, 2017, S. S43). Sein Geschmack ist scharf und leicht süß mit einem würzig-zitronigen Aroma (Goerg, 2017, S. S43). Er ist besonders mild, wenn er unreifschon nach ca. 5 Monaten geerntet wird (Goerg, 2017, S. S43). Dann wird er in seiner ganzen Form oder in Stücke geschnitten zum Verkauf angeboten (Goerg, 2017, S. S43). Dabei wird er nach der Größe, nach dem Herkunftsort und dem Behandlungsverfahren sortiert (Staesche, 1970, S. 436). Bei der Ernte von 8-9-monatigen Rhizomen sind die Aromen ausgereifter und haben sich stärker entfaltet (Goerg, 2017, S. S43). In diesem Zustand werden sie entweder in Sirup gekocht und zu kandiertem Ingwer weiterverarbeitet oder getrocknet, entrindet und zum Gewürz pulverisiert (Goerg, 2017, S. S43). Da sich die Verarbeitungsverfahren je nach Anbauland unterscheiden, fällt auch der Grad der Schälung sowie der Gehalt an ätherischen Ölen und Scharfstoffen unterschiedlich aus (Staesche, 1970, S. 436). Um den Verlust an ätherischen Ölen innerhalb der dicht unter der Korkschicht sitzenden Exkretzellen in der Rinde möglichst gering zu halten, wird in Jamaika und Indien der Kork nichtweggeschnitten, sondern vorsichtig abgekratzt (Staesche, 1970, S. 436). Zur Verhinderung von Schimmelbildung während des Trocknungsprozesses wird das geschälte Ingwer-Rhizom mit schwefliger Säure behandelt oder in Kalklösung eingelegt und damit gebleicht (Matissek, 2019, S. 830). Zu den wichtigsten Ingwer-Sorten zählen Jamaika-Ingwer, MalabarIngwer, Westafrikanischer Ingwer, Japanischer Ingwer, Chinesischer Ingwer in Scheiben und eingemachter oder kandierter Ingwer (Staesche, 1970, S. 436-437). Die chemischen Bestandteile des Ingwers werden im nächsten Unterkapitel dargestellt.
3.3 Bioaktive Substanzen
Ingwer besteht aus flüchtigen Verbindungen, den ätherischen Ölen und allen weiteren nichtflüchtigen Verbindungen (Nair, 2019, S. 219). Es wurden bereits über 400 chemische Inhaltsstoffe identifiziert (Bischoff-Kont & Fürst, 2021). Die Zusammensetzung dieser Bestandteile ist abhängig von der Sorte, der Region, den agroklimatischen Bedingungen, dem Reifegrad, dem Verarbeitungszustand und der Lagerung (Vasala, 2012, S. 320). Es befinden sich derzeit zwölf nach ihren Herkunftsorten bezeichnete Sorten, die geschmacklich recht unterschiedlich sind, im Handel (Schilcher et al.,2016,S. 165).
Ingwer ist reich an bioaktiven Substanzen wie phenolische und terpenische Verbindungen, die für die physiologischen Effekte und die organoleptischen, also geruchs- und geschmacksbestimmenden Eigenschaften verantwortlich sind (Mao et al., 2019, S. 185; Mapatac, 2020, S. 56). Die wichtigsten dabei sind: Gingeroie, Shogaole, (6)-Paradol, (6)-Gingerdiol, Gingeron A, Zingeron, Diarylheptanoide und Hexahydrocurcumin und seine Derivate (Curcuminoide) (Nair, 2019, S. 351).
Bei den Polyphenolen handelt es sich um Gingeroie, Gingerdiole, Gingerdione, Dihydrogingerdione, Shogaole und Paradole (Heinrich et al., 2018, S. 244). Gingeroie, Shogaole und verwandte Verbindungen sowie einige ätherische Öle und andere nichtflüchtige Verbindungen, wie Kohlenhydrate und Fettsäuren bilden die Oleoresine, die geschmackgebenden Extrakte des Ingwers (Nair, 2019, S. 335).
Die Gingeroie sind in den Ölzellen des Rhizoms enthalten und, im Gegensatz zu den ätherischen Ölen, nicht wasserdampfflüchtig (Kumari et al., 2020, S. 609; Mapatac, 2020, S. 56). Als Hauptsubstanzen in frischem Ingwer sind sie für dessen Schärfe verantwortlich (Mao et al., 2019, S. 185; Mapatac, 2020, S. 56). Sie lassen sich nach ihrer Kettenlänge einteilen in das am häufigsten vorkommende 6-Gingerol sowie in 4-Gingerol, 8-Gingerol, 10-Gingerol und 12-Gingerol (s. Abb. 3) (Akbar, 2020, S. I960; Kumari et al., 2020, S. 609). Untersuchungen lassen darauf schließen, dass der Gingerolgehalt in Abhängigkeit zum Herkunftsland keine signifikanten Unterschiede aufweist (Nair, 2019, S. 337). Gingeroie sind thermisch instabil und können daher bei Dehydratisierungsreaktionen durch Hitzebehandlung oder längere Lagerung in Shogaole und diese wiederum in Paradole umgewandelt werden (Akbar, 2020, S. I960; Kumari et al., 2020, S. 609; Mao et al., 2019, S. 185). Shogaole sind doppelt so scharf wie Gingeroie und verleihen demnach dem getrockneten Ingwer den schärferen Geschmack (s. Abb. 3) (Heinrich et al., 2018, S. 244). Sie stellen wichtige Biomarker für die Oualitätskontrolle von ingwerhaltigen Produkten dar (Akbar, 2020, S. 1961). 6-Sho- gaol ist das häufigste Dehydratisierungsprodukt, aber auch Zingeron ist in getrockneten und extrahierten Ingwerprodukten in größerer Menge vorhanden (s. Abb. 3) (Kumari et al., 2020, S. 609; Vasala, 2012, S. 320). Der Gesamtgehalt an ätherischen Ölen, Gingeroien und Shogaolen nimmt durch Schneiden und mit steigender Trocknungstemperatur ab (Akbar, 2020, S. 1961). Dabei stellt das Trocknen in der Sonne das schonendste Trocknungsverfahren dar, das am meisten ätherisches Öl und Oleoresin konserviert (Akbar, 2020, S. 1961). Weitere phenolische Verbindungen des Ingwers sind Ouercetin, Gingerenon-A und 6-Dehydrogingerdion (Mao et al., 2019, S. 185).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3. Chemische Strukturen der Gingerol- und Shogaol-Analoga und von Zingeron
Quelle: L.-L. Li et al., 2019; Semwal et al., 2015, S. 556.
Das Ingwer-Rhizom enthält 1-4 % wasserdampfflüchtige ätherische Öle, die aus sauerstoffhaltigen Monoterpenen, Monoterpen-Kohlenwasserstoffen und Sesquiterpen-Kohlenwasserstoffen bestehen (Mapatac, 2020, S. 56; WHO, 1999, S. 280). Insbesondere die Monoterpenbestandteile bringen das Aroma zum Ausdruck (Mapatac, 2020, S. 56). Sie sind im ätherischen Öl des frischen grünen Rhizoms in größerer Menge enthalten als in dem des getrockneten Ingwer-Rhizoms (Mapatac, 2020, 10 S. 56). Aus letzterem werden die ätherischen Öle mittels Hydro- oderWasserdampfdestillation, Extraktion mit überkritischem CÖ2Oder Lösungsmittelextraktion gewonnen (Nair, 2019, S. 338). Aus frischem Ingwer können dabei 0,31 ± 0,08 % ätherisches Öl extrahiert werden (Akbar, 2020, S. 1961-1962). Die Sesquiterpene tragen weniger zum Aroma, jedoch maßgeblich zum Geschmack des Ingwers bei (Mapatac, 2020, S. 56). Ihre Hauptanteile im Ingweröl sind a-Zingiberen und ß- Bisabolen (Heinrich et al., 2018, S. 244). Des Weiteren befinden sich unter den Sesquiterpenverbin- dungen Geranial, (+)-ar-Curcumen, ß-Sequiphellandren, a-Farnesen und ß-Zingiberen (Akbar, 2020, S. 1961; Kumari et al., 2020, S. 609; Mao et al., 2019, S. 185). In den ätherischen Ölen können über 70 flüchtige Inhaltstoffe gefunden werden, wobei eine geringere Anzahl auf eine höhere Qualität des Ingwers hindeutet (Nair, 2019, S. 341; Vasala, 2012, S. 320). Ein Teil der ätherischen Öle gehen beim Trocknungsprozess verloren (Vasala, 2012, S. 320). Bestimmte Ingweröle, z. B. australisches Ingweröl, entfalten ein besonders zitroniges Aroma, da sie einen hohen Gehalt an den Isomeren, Neral und Geranial aufweisen, die zusammen als Citral bezeichnet werden (Mapatac, 2020, S. 72).
Neben den bioaktiven Bestandteilen enthält Ingwer auch Polysaccharide, Lipide, Proteine, Vitamine, Mineralstoffe, Spuren von reduzierendem Zucker, organische Säuren und Ballaststoffe (Mao et al., 2019, S. 185; Nair, 2019, S. 218). Bemerkenswert ist der hohe Gehalt an Vitamin C, Mangan, Natrium, Chlor und Eisen (Nair, 2019, S. 219). Den bioaktiven Substanzen des Ingwers sind seine medizinischen Anwendungen und Wirkungen zu verdanken, die in Kap. 4 durchleuchtet werden.
3.4 Pharmakokinetik
Um die bioaktiven Verbindungen von Ingwer zu bewerten, ist Kenntnis über die tatsächlich aufgenommenen Wirkstoffe erforderlich, die zum Verständnis der therapeutischen Wirkmechanismen beitragen. Die Pharmakokinetik des Ingwers und seiner bioaktiven Substanzen, insbesondere der Gingeroie und Shogaole, umfasst deren Absorption, Verteilung, Metabolisierung und Ausscheidung im Organismus (M. Zhang et al., 2021, S. 737).
Zick et al. (2008) führten zur Untersuchung der Pharmakokinetik von 6-, 8- und 10-Gingerol sowie von 6-Shogaol eine Eskalationsstudie an 27 Probanden/Probandinnen durch. Nach oraler Verabreichung von Ingwerextrakt (0,1 g-2,0 g/Person) und 0,25-72 Stunden späterer Blutabnahme konnte bei keinem der Teilnehmenden mehr freies 6-Gingerol, 8-Gingerol, 10-Gingerol und 6-Shogaol im Plasma nachgewiesen werden. Dies entsprach Eliminationshalbwertszeiten von < 2 Stunden. In einer weiteren klinischen Studie von Yu et al. (2011) erhielten zwölf Freiwillige 24 Tage lang Ingwerextrakt in einer Dosis von 2 g/d. Dabei konnten ausschließlich geringe Konzentrationen von freiem 10-Gingerol und 6-Shogaol mit Höchstwerten von 9,5 ± 2,2 und 13,6 ± 6,9 ng/ml im Plasma nachgewiesen werden. Vierundzwanzig Stunden nach der letzten Einnahme wurdejedoch kein freies 6, 8- und 10-Gingerol sowie 6-Shogaol mehr im Plasma gefunden. Die Halbwertszeiten derAnalyten und Metaboliten betrugen 1-3 h. Aufgrund dieser kurzen Halbwertszeiten wurde trotz mehrfacher täglicherVerabreichung keineAkkumulation im Plasma oderim Dickdarmgewebe beobachtet.
Ähnliche Ergebnisse konnten nach oralerVerabreichung von 6-Gingerol an Ratten festgestelltwerden (G. H. Ding et al., 1991; Nakazawa & Ohsawa, 2002). Hierbei konnte zu keinem Zeitpunkt freies 6-Gingerol im Urin oder in der Galle gefunden werden. L.-L. Li et al. (2019) untersuchten die Konzentrationen von acht Verbindungen einschließlich 6-Gingerol, 6-Shogaol, 8-Gingerol, 8-Shogaol, 10-Gingerol, 10-Shogaol, Zingeron und 6-lsodehydrogingenon nach oraler Verabreichung von 400 mg/kg Ingwerextrakt in Plasma und Gewebe von Ratten. Dabei wurden alle Analyten in unterschiedlichen Konzentrationen schnell in den Blutkreislauf aufgenommen. Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit, wiesen Gingeroie ähnliche Wirkstoff-Zeit-Kurven wie Shogaole auf. Shogaole wurden hingegen schneller absorbiert und verweilten länger im Organismus, was der Grund für ihre höhere biologische Aktivität sein könnte. Obwohl 6-Gingerol, die häufigste bioaktive Substanz im Ingwer ist, war seine Plasmakonzentration niedrig (255,4 ± 44,7 pg/L). Zingeron wurde schnell resorbiert (Höchstzeit Tmax = 0,7-0,3 h), dauerhaft aufrechterhalten und langsam eliminiert. Die Absorptionszeit von 6-lsodehydrogingenon war mit Tmax =1,1 ±0,2h deutlich länger.
Nach Absorption werden 6-, 8-, 10-Gingerol, 6-Shogaol und Zingeron im menschlichen Organismus entwederzu Glucuronid- oderzu Sulfatkonjugaten metabolisiert (Zick et al., 2008). Eine Ausnahme bilden 10-Gingerol und 6-Shogaol, die in der Studie von Zick et al. (2008) lediglich als Glucuronide vorlagen. Des Weiteren wurde das 6-Gingerol-Sulfat-Konjugat nur oberhalb einer Dosis von 1,0 g Ingwerextrakt nachgewiesen. Nach oralerVerabreichung von 50 mg/kg 6-Gingerol an Ratten, wurden ca. 48 % der Dosis als (S)-[6]-Gingerol-4'-O-ß-Glucuronid über die Galle und ca. 16 % in Form von sechs Arten von kleineren Nebenmetaboliten wie Vanillinsäure und Ferulasäure über den Urin ausgeschieden (Nakazawa & Ohsawa, 2002). Daneben wird 6-Gingerol auch über die Leber ausgeschieden (Naora et al., 1992). Es wurden bis zu acht Metaboliten aus 6-Gingerol gebildet (Pfeiffer et al., 2006). In ähnlicher Weise wurde auch 6-Shogaol in Form seiner Metaboliten zu 78,5 +/- 4,5 % über die Galle und zu 11,8 +/- 2,7 % über den Urin ausgeschieden (Asami et al., 2010). Diese Metaboliten können ebenso biologische Aktivität aufweisen wie ihre Ausgangsstoffe (H. Chen et al., 2012).
Das pharmakologische Potenzial von Ingwer spiegelt sich zudem in einer hohen Gewebeverteilung wider (L.-L. Li et al., 2019). In der Studie von L.-L. Li et al. (2019) wurden nach oralerVerabreichung von 400 mg/kg Ingwerextrakt an Ratten Konzentrationen von 6-Gingerol, 6-Shogaol, 8-Gingerol, 8- Shogaol, 10-Gingerol und Zingeron in Gehirn, Herz, Lunge, Milz, Leber, Niere, Magen und Dünndarmgewebe nachgewiesen. 10-Shogaol und 6-lsodehydrogingenon bildeten hierbei die Ausnahme, was vermutlich daraufzurückzuführen ist, dass sie entweder nur schwer in die Gewebe eindringen konnten, bis zur Gewebeentnahme zu langsam absorbiert wurden oder Bindungen mit Proteinen eingingen. Eine Spur von 6-lsodehydrogingenon ließ sich allerdings im Lungengewebe nachweisen. Die Gingeroie und Zingeron waren nach 0,33 h in den Geweben, insbesondere im Magen, im Darm, in der Leber, in der Lunge und in den Nieren verteilt. Nach 3 h nahmen die Konzentrationen deutlich ab. Diese Befunde deuten darauf hin, dass der Magen-Darm-Trakt und die Lunge die Zielorgane und die Leber und Nieren die Metabolisierungs- und Ausscheidungskanäle darstellen (L.-L. Li et al., 2019). Darin liegt die pharmakokinetische Grundlage für die therapeutische Wirkung von 6-Gingerol, 6-Shogaol, 8-Gingerol, 8-Shogaol, 10-Gingerol und Zingeron auf das Verdauungs- und Atmungssystem. Aus diesem Grund wird Ingwer seit der Antike in der traditionellen Medizin schwerpunktmäßig zur Behandlung von Magen-Darm-Erkrankungen eingesetzt (M. Zhang et al., 2021, S. 738). Darüber hinaus konnten 6-Shogaol und Zingeron die Blut-Hirn-Schranke überwinden und im Gehirn nachgewiesen werden, was Hinweise auf ein Potenzial zur Behandlung von Hirnerkrankungen liefert (L.-L. Li etal.,2019).
4. Bioaktivität und Wirkungen von Ingwer
Die bioaktiven Substanzen des Ingwers sind für eine Vielzahl pharmakologischer Aktivitäten verantwortlich. In experimentellen Studien zeigten sie antioxidative, antimikrobielle, antiinflammatorische, analgetische, spasmolytische (krampflösende), immunmodulatorische, antikanzerogene, antiemetische, antihyperlipidämische, antihyperglykämische, antiatherosklerotische, positiv inotrope2, chola- goge (gallentreibende) sowie Speichel- und Magensaftsekretion und Tonus und Peristaltik des Darms fördernde Wirkungen (H. Li et al., 2019; Mao et al., 2019; Pagano et al., 2020; Schilcher et al., 2016, S. 165; Schrott & Ammon, 2012, S. 332). Nachfolgend werden Studien zur Wirksamkeit und den Wirkmechanismen von Ingwer in der Behandlung von oxidativem Stress (OS), Entzündungen und Schmerzen, Krebserkrankungen, Übelkeit und Erbrechen, Erkrankungen des Verdauungssystems sowie von Diabetes und MetS dargestellt.
4.1 Antioxidative Effekte
Der Zellstoffwechsel erzeugt im Körper freie Radikale und reaktive Sauerstoffspezies (ROS), die die Funktion antioxidativer Enzyme hemmen und Zell- und Gewebeschäden verursachen (Mohd Yusof, 2016, S. 193; Morvaridzadeh et al., 2021). Das antioxidative Abwehrsystem des Organismus beinhaltet endogene enzymatische Antioxidantien wie Glutathionperoxidase, Superoxiddismutase und Katalase sowie nicht-enzymatische Antioxidantien wie Vitamine, Polyphenole, Flavonoide und Mineralien, die dem als Radikalfänger entgegenwirken (Mohd Yusof, 2016, S. 193). Kommt es jedoch zu einem Ungleichgewicht in diesem System und zur Anhäufung von ROS, entsteht OS (Mohd Yusof, 2016, S. 193). Dieser spielt eine zentrale Rolle in der Pathophysiologie vieler chronischer und altersbedingter Krankheiten wie Arteriosklerose, MetS, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2- Diabetes mellitus (T2D), Krebs und neurogenerative Erkrankungen (Mohd Yusof, 2016, S. 193; Morvaridzadeh et al., 2021).
Verantwortlich für die antioxidativen Effekte des Ingwers sind die enthaltenen Substanzen wie Alkaloide, Terpenoide, ß-Carotin, Vitamin C und Polyphenole einschließlich Flavone, Flavonoide, Rutin und Glykoside (Morvaridzadeh et al., 2021). Die antioxidative Aktivität ist besonders lager- und hitzeempfindlich und nimmt mit zunehmender Kettenlänge ab (Akbar, 2020, S. 1961; Nair, 2019, S. 336). In vitro wies getrockneter Ingwer eine höhere antioxidative Aktivität auf als frischer, da die Anzahl der phenolischen Verbindungen 5,2-, 1,1- bzw. 2,4-mal höher war (Mao et al., 2019). Zudem besaßen Ingwerextrakte, die mit den Lösungsmitteln Methanol und Ethanol hergestellt wurden, eine höhere Radikalfänger- und Reduktionskraftaktivität als Extrakte, die mit Wasser hergestellt wurden (Sahardi & Makpol, 2019). Die Radikalfängeraktivität steht zudem in Abhängigkeit zur Gingerol-Kon- zentration (Mohd Yusof, 2016, S. 193). 6-Gingerol, 8-Gingerol, 10-Gingerol und 6-Shogaol erwiesen sich als besonders effektiv gegen 1,1-Diphenyl-2-picrylhydrazyl, 2,2-diphenyl-1-picrylhydrazyl, Hy- peroxid-Anion und Hydroxyl-Radikal (Mohd Yusof, 2016, S. 193).
In vitro und in vivo Studien ergaben, dass Ingwer seine antioxidativen Effekte, über die Aktivierung des Nuclear factor erythroid 2-related factor 2 (Nrf2) Signalwegs und die Expression verschiedener antioxidativer Enzyme ausübt (Jalali et al., 2020). Nrf2 ist ein Transkriptionsfaktor, der Organe und Zellen schützt, indem er die Expression der zytoprotektiven Moleküle bei OS reguliert (Sahardi & Makpol, 2019). Er befindet sich verbunden mit seinem hemmenden Partner Kelch-Iike ECH-associ- ated protein 1 (KEAP1) im Zytosol der Zellen (Sahardi & Makpol, 2019). Dort bewirkt Ingwer die Trennung von Nrf2 und KEAP1, woraufhin Nrf2 in den Zellkern verlagert wird, an das antioxidative Reaktionselement bindet und die Transkription antioxidativer Gene wie Thioredoxin 1 (Trx1), Thioredoxinreduktase 1 (TrxRl) und Hämoxygenase-1 (HO-1) initiiert (Sahardi & Makpol, 2019). Dadurch wird die Bildung von ROS und die Lipidperoxidation, die Lipidperoxidradikale hervorbringt, gehemmt und der Spiegel des Glutathions (GSH), einem wichtigen Antioxidans steigt an, womit insgesamt die antioxidative Aktivität erhöht wird (s. Abb. 4) (Jalali et al., 2020; Mao et al., 2019).
Abb. 4. „The potential mechanism for the antioxidant action of 6-shogoal. Abbreviations: Nrf2, nuclear factor erythroid 2-related factor 2; Keapl, Kelch-like ECH-associated protein 1; NQO1, nicotinamide adenine dinucleotide phosphate (NADPH) quinone dehydrogenase 1; HO-1, heme oxygen- ase-1; GCLC, glutamate-cysteine ligase catalytic subunit; GCLM, glutamate-cysteine ligase modifier subunit; Trx1, thioredoxin 1; TrxRl, thioredoxin reductase 1; AKR1B10, Aldo-keto reductase family 1 member B10; FTL, ferritin light chain; GGTLA4, y-glutamyltransferase-like activity 4; ROS, reactive oxygen species; GSH, glutathione; ARE, antioxidant response element”
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Zur Untersuchung der Wirkung von Ingwer auf wichtige Parameter des OS am Menschen haben Morvaridzadeh et al. (2021) eine systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse von zwölf RCTs durchgeführt. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass der Verzehr von Ingwer die Aktivität der Glutathionperoxidase und die totale antioxidative Kapazität signifikant erhöht und den Malondialdehyd (MDA)- Spiegel im Vergleich zu Kontrollgruppen signifikant senkt. MDA ist ein Markerfür die Lipidperoxidation. Auch die Katalase-Aktivität wurde erhöht, jedoch nicht signifikant. Sie ist wesentlich zur Neutralisierung schädlicher Wasserstoffperoxidradikale. Eine frühere Arbeit von Jalali et al. (2020) bestätigt anhand 25 RCTs mit 285 Versuchspersonen, dass eine Ingwersupplementierung die totale antioxidative Kapazität signifikant erhöht und die MDA-Werte senkt.
Die antioxidative Aktivität von Ingwer spielt auch in der Linderung von Entzündungs- und Schmerzprozessen eine Rolle, die im Folgenden behandelt werden.
4.2 Antiinflammatorische und analgetische Effekte
Chronische Entzündungen werden mit einer Vielzahl von Krankheiten in Verbindung gebracht, u. a. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus, Arthritis, Alzheimer, Lungen- und Autoimmunerkrankungen (Mazidi et al., 2016).
Entzündungen spiegeln einen komplexen Immunprozess wider, an dem verschiedene Mediatoren wie pro- und antiinflammatorische Zytokine beteiligt sind (Rahmani et al., 2014, S. 127). Präklinische Studien identifizierten 10-Gingerdion, 6-Gingerol, 6-Shogaol und 8-Paradol als entzündungshemmende Substanzen im Ingwer, insbesondere aufgrund ihrer Auswirkungen auf den Nuklearfaktor- kappa B (NF-KB)3 -Signalweg (s. Abb. 5) (Kubra & Rao, 2012, S. 661; Pagano et al., 2020, S. 4). Ingwer konnte die NF-Kß-Aktivierung hemmen und dessen Genprodukte, die an der Zellproliferation, also der Zellvermehrung und an der Angiogenese, dem Wachstum von Blutgefäßen, beteiligt sind, regulieren (Koolman & Röhm, 2019, S. 459, 468; Rahmani et al., 2014, S. 128). Zudem hemmte er die Synthese von proinflammatorischen Zytokinen wie lnterleukin-1 (IL-1), TNF-a und IL-8 (Rahmani et al., 2014, S. 127). Darüber hinaus spielt Ingwer eine erhebliche Rolle im Arachidonsäure-Stoffwechsel, indem er die Prostaglandin- und Leukotrien-Biosynthese durch Unterdrückung der 5-Lipo- xygenase, der Cyclooxygenasen (COX) oder der Prostaglandinsynthetase, hemmt (Butt & Sultan, 2011, S. 388; Rahmani et al., 2014, S. 127). Dadurch verhindert er die Thrombozytenaggregation, die Zusammenlagerung von Blutplättchen, einschließlich der Bildung von Thromboxan B (Butt & Sultan, 2011, S. 388). Des Weiteren hemmt Ingwer die Induktion von Entzündungsgenen (s. Abb. 5) (Rahmani et al., 2014, S. 127). Seine schmerzlindernde Wirkung kann auf die Hemmung der Prostaglandin-Biosynthese, der NF-KB-Aktivierung und des transienten Rezeptor-Potential-Katio- nenkanal der UnterfamilieV (fürvanilloid), Subtyp 1 (TRPV1) sowie aufseine antioxidativeAktivität zurückgeführt werden (Rondanelli et al., 2020). 6-Gingerol und 6-Shogaol linderten neuropathische Schmerzen über Serotonin (auch 5-Hydroxytryptamin (5-HT))-Rezeptoren bzw. über TRPV1 (Pagano et al., 2020, S. 4).
Abb. 5. „The molecular mechanism of main ginger constituents (i.e., 10-gingeridone, 6-shogaol, and 6-gingerol) in inflammation. AP-1, activator protein 1; COX2, cyclooxygenase; IKKb, inhibitor of nuclearfactor kappa-B kinase subunit beta; iNOS, inducible nitric oxide synthase NF-AT, nu- clearfactor of activated T cells; NF-kB, nuclearfactor kappa B; PKC, protein kinase C”
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Zur Untersuchung der Wirkung von Ingwer auf Entzündungs- und OS-Marker im Serum, führten Jalali et al. (2020) eine systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse von 20 RCTs durch. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass Ingwer eine statistisch signifikante Wirkung auf die Serumwerte des Akutphase-Proteins C-reaktives Protein (CRP), von TNF-a und IL-6 sowie auf die totale antioxidative Kapazität und MDA hat. Der Effekt von Ingwer auf den Prostaglandin E2 (PGE2)-Serumspiegel war geringfügig signifikant. In einerweiteren systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse von Mor- varidzadeh et al. aus demselben Jahr, die 16 RCTs (n = 1 010 Teilnehmende) umfasste, konnte die signifikante Wirkung von Ingwer bei der Senkung der CRP-, hochsensitiven CRP (hs-CrP)- und TNF- a-Serumwerte bestätigt werden. Die Ingwer-Supplementierung konnte hingegen keinen signifikanten Einfluss auf die Werte von IL-6 und der löslichen Isoformen der Zelladhäsionsmoleküle (sICAM) zeigen, was jedoch auf die Heterogenität und geringe Studienanzahl zurückzuführen sein könnte (Morvaridzadeh et al., 2020). Auch Mazidi et al. (2016) kamen in ihrer systematischen Übersichtsarbeit zu dem Schluss, dass eine Ingwersupplementierung den CRP-Spiegel senkt.
[...]
1 Ein/Eine Eklektikern ist ein „Philosophen], der[/die] aus verschiedenen philosophischen Systemen das Passende auswählt und zu einem eigenen System verarbeitet“ (Duden, 2021).
2 Positive Inotropie bedeutet, dass die Schlagkraft des Herzens gesteigert wird.
3 Der NF-kB ist ein Transkriptionsfaktor, der an der Modulation verschiedener biochemischer Reaktionen, einschließlich Entzündungsreaktionen und der Modulation des Tumornekrosefaktor-a (TNF-a)-Spiegels, beteiligt ist (Morvaridzadeh et al., 2020).
- Citation du texte
- Laura Fröhlich (Auteur), 2021, Die Wirkung der bioaktiven Substanzen des Ingwers (Zingiber officinale) auf den menschlichen Körper und sein therapeutisches Potenzial, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1355512
-
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X.