Diese Bachelorarbeit befasst sich mit dem Thema Kultursensibilität in der Kita und mit den interkulturellen Kompetenzen von Erzieher:innen in der Arbeit mit Kindern mit Migrationshintergrund. Darüber hinaus werden in dieser Arbeit die drei Dimensionen der Kultursensibilität analysiert. Auch verschiedene interkulturelle Konzepte und Interkulturalität werden in den Bildungsplänen angesprochen, da dies für die Analyse ebenfalls wichtig ist. Die Tatsache, dass in Deutschland viele Familien mit Migrationshintergrund leben, erfordert eine kultursensible Arbeit in der Kita.
Kern der Bachelorarbeit ist es, den interkulturellen Aspekt der verschiedenen Bundesländer zu vergleichen und auf die Bedeutung der interkulturellen Kompetenz näher einzugehen. Darüber hinaus werden die Grundlagen der interkulturellen Arbeit in Kitas erörtert, wobei der:die Erzieher:in und das multikulturelle Team untersucht werden. Auch die Ziele der interkulturellen Arbeit und die Förderung der Resilienz bei Kindern werden erörtert. Das Hauptanliegen der Bachelorarbeit ist es, die Bedeutung und Wichtigkeit von interkultureller Kompetenz zu analysieren.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Begriffsbestimmungen
2.1 Integration
2.2 Migrationshintergrund
2.3 Kita (Kindertageseinrichtung)
2.4 Kultur
3 Einführung in den aktuellen Forschungsstand
3.1 Die Bedeutung interkultureller Pädagogik
4 Kultursensitiv und Interkulturell
4.1 Kultursensitivität als Grundlage interkultureller Kompetenzen
4.2 Interkulturelle Kompetenzen und interkulturelles Lernen als Bildungsziel
4.3 Interkulturalität in den Bildungsplänen
4.4 Kulturelle Vielfalt als Bereicherung
5 Grundlagen interkultureller Arbeit in den Kitas
5.1 Interkulturelle Kompetenzen von Pädagogen*innen
5.1.2 Multiprofessionelles und multikulturelles Team
5.1.3 Zielsetzungen interkultureller Arbeit
5.1.4 Sensibilisierung und professionelle Haltung
5.1.5 Resilienzförderung bei Kindern
6 Interkulturelle Arbeit in der Praxis
6.1 Interkulturelle Handlungsmaximen für die Förderung
6.1.1 Interkulturelle Zusammenarbeit
6.1.2 Unterschiedliche Sprachen
6.1.3 Unterschiedliche Erziehungsvorstellungen
6.1.4 Interkulturelle Elternarbeit
6.2 Interkulturelle Praxis in der Kita
6.2.1 Ramadan und Advent in der Kita
7 Diskussion: Pädagogische Konzepte als Brückenbauer für kultursensitive Arbeit
7.1 Vorurteilsbewusste Pädagogik: Anti-Bias-Approach
7.2 Der Situationsansatz als Grundlage der interkulturellen Pädagogik
7.3 Perspektiven interkultureller Praxis
8 Erhebungsmethode und Auswertungsmethode
8.1 Darstellung der Ergebnisse
9 Fazit
10 Literatur- und Quellenverzeichnis
11 Abbildungsverzeichnis
12 Anhang
Abstract
This bachelor thesis deals with the topic of cultural sensitivity in Kindergarten and with the intercultural skills of educator's when working with children with a migration Background. In addition, this thesis focus on and analysis the three dimensions of cultural sensitivity Also various intercultural concepts and interculturality are addressed in the educational plans, which is also important for the analysis. The fact that many families with a migration background live in Germany requires culturesensitive work in the kindergarten. The core of the bachelor thesis is to compare the intercultural aspect of the different federal states and to go into the importance of intercultural skills in more detail. In addition, the basics of intercultural work in the kindergarten are discussed, in which the educator and the multicultural team are examined. The objectives of intercultural work and the promotion of resilience in children are also discussed. The main of the bachelor thesis is to analyse the meaning and importance of intercultural skills.
In dieser Arbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und andere Geschlechteridentitäten werden dabei ausdrücklich mitgemeint, soweit es für die Aussage erforderlich ist.
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Interkulturelle Kompetenzen als Handlungskompetenz
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Migrationsspezifische Betreuungsquoten von Kindern im Alter unter sechs Jahren
Tab. 2: Bildungs- und Orientierungspläne von vier Bundesländern im Vergleich
1 Einleitung
„Unsere Welt ist bunt und nicht schwarzweiß“ (Zitat einer pädagogischen Fachkraft).
Die Arbeit in der Kita ist in zunehmendem Ausmaß durch das Aufeinandertreffen von unterschiedlichen und vielfältigen Erziehungs- und Entwicklungskonzepten der Eltern und verschiedener Kulturen, Religionen und Sprachen bestimmt. Diese besondere Vielfalt kann u. a. auf Globalisierungsprozesse zurückgeführt werden, wodurch dem Kennenlernen anderer Kulturen eine immer größere Rolle zukommt. In den letzten 40 Jahren hat sich daher die Population in Deutschland und damit auch in Kindertageseinrichtungen stark verändert. Denn Neben den klassischen Arbeitsmigranten, wie Italienern, Türken und Griechen, kamen und kommen auch heute noch zahlreiche andere Nationalitäten hinzu. Nachdem Statistischen Bundesamt lebten 2022 22,3 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland, was sich auch auf Kinder und Jugendliche bezieht, die die Kita oder Schule besuchen. Bei den Kitas liegt der Anteil der Kinder unter sechs Jahren mit Migrationshintergrund in mehreren Bundesländern bei über 50 %, so etwa in Berlin (55 %), in Baden-Württemberg (54 %), in Rheinland-Pfalz und im Saarland (jeweils 52 %) (destatis, Kinder mit Migrationshintergrund, 2010, S. 161). Auf die Betreuungsquoten von Kindern mit Migrationshintergund wird im Kapitel 5 mithilfe einer Tabelle näher eingegangen. Anhand dieser Statistik geht deutlich hervor, dass die kulturelle Vielfalt in den KiTas zunehmend in die Aufmerksamkeit rückt. Deshalb beschäftigt sich auch das Berliner Bildungsprogramm mit kultureller Vielfalt. Auch wenn die Zahl der Kinder mit Migrationshintergrund im Kindergarten bei ungefähr 50 % liegt, gibt es nach dem Kinder- und Migrationsreport des Deutschen Jugendinstituts aus dem Jahr 2013 Bedenken von Eltern mit Migrationshintergrund hinsichtlich der Berücksichtigung ihrer kulturellen Herkunft (Cinar, Deutsches Jugendinstitut, 2013, 157). Das Zusammentreffen verschiedener Kulturen im Kindergarten wird zwar als Bereicherung und als positiv beschrieben, aber von den Pädagogen*innen wird die Zusammenarbeit mit Eltern manchmal auch als problematisch oder schwierig erlebt (Interview mit Erzieherin der Kita , s. Anhang). Dennoch sollte im Mittelpunkt der Kita-Arbeit das Kind stehen. Dabei geht es vor allem darum, seine psychische und physische Entwicklung und seine kognitiven und sprachlichen Fortschritte von Beginn an zu unterstützen und zu begleiten. Außerdem sollten vor allem auch die Freude am Mitmachen und das Wohlbefinden der Kinder stets im Blick behalten werden. Um ein Wohlbefinden der Kinder und auch der Familien mit Migrationshintergrund im Kindergarten ermöglichen zu können, geht die kultursensible Arbeit im Kindergarten davon aus, dass Pädagogen*innen über interkulturelle Kompetenzen verfügen und sie auch stets in ihrer Praxis umsetzen können (Borke & Keller 2014,S. 5). Dabei verweisen die Ergebnisse von Studien darauf, dass die pädagogische Arbeit mit Eltern in Kindertageseinrichtungen verbesserungsbedürftig ist.
Die vorliegende Bachelorarbeit beschäftigt sich daher mit der folgenden Frage: Welche Bedeutung haben interkulturelle Kompetenzen der Pädagogen für die Arbeit mit Kindern mit Migrationshintergrund? Dabei wird zunächst auf wichtige Schlüsselbegriffe eingegangen. Danach werden im theoretischen Teil die zentralen Begriffe der „Kultursensibilität“ und der „Interkulturalität“ im Rahmen der Tätigkeit in einer Kita erläutert. Im Forschungsteil wird dann auf die Grundlagen interkultureller Arbeit im Kindergarten eingegangen, wobei vor allem die interkulturellen Kompetenzen der Pädagogen*innen betrachtet werden sollen. Die interkulturelle Arbeit im Allgemeinen und insbesondere in der Kita soll dabei durch Praxiseinblicke näher beleuchtet werden. Um qualitativ zu Forschen und der Forschungsfrage bestmöglich nachgehen zu können, werden mit dem pädagogischen Personal der KiTa Interviews bezüglich Kultursensitiver Arbeit und Interkulturellen Kompetenzen durchgeführt. Die durchgeführten Interviews werden im Rahmen einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring ausgewertet, um dann die Ergebnisse vorzustellen.
2 Begriffsbestimmungen
In diesem Kapitel werden für die Bachelorarbeit wichtige Begriffe erläutert und in den relevanten Kontext eingeordnet, weil sie für das Verständnis der Thematik von zentraler Bedeutung sind. Dabei ist es allerdings durchaus schwierig, konkrete Begriffsbestimmungen für alle Begriffe zu finden, da viele Autoren sich vor allem auf empirische Aussagen beziehen und die von ihnen verwendeten Begriffe nicht festlegen.
2.1 Integration
Der Begriff „Integration“ im pädagogischen Kontext geht auf das Lateinische zurück und bedeutet u. a. „(Wieder-)Herstellung“. Nach der Dudenredaktion (2013) ist Integration bildungssprachlich als „Wiederherstellung einer Einheit“, „Vervollständigung“, „Einbeziehung“ oder „Eingliederung in ein größeres Ganzes“ zu verstehen. In sozialen Einrichtungen wird der Begriff häufig mit den Begriffen der Eingliederung oder Eingliederungshilfe verknüpft. Für die Integration spielt dabei das Zusammenführen von Methoden und pädagogischen Ansätzen eine wichtige Rolle. Denn jedes Kind ist individuell und benötigt daher auch unterschiedliche Rahmenbedingungen und Integrationshilfen. Wichtige Voraussetzungen für die sogenannte gelingende Integration sind eine angemessene Ausstattung und die Qualifizierung und fachliche Begleitung der pädagogischen Fachkräfte. Deshalb sollten auch Therapeuten ihre Arbeit an die Rahmenbedingungen der Kindertageseinrichtung anpassen (Herm 2012, S.16 ff.). Daher sollte die Integration in der frühpädagogischen Praxis das Ziel verfolgen, „Kinder, die sonst ausgeschlossen wären, in ihre soziale Gruppe einzubinden, etwas wiederherzustellen, das durch eine Beeinträchtigung bedroht oder verloren geglaubt war“ (Groschwald & Rosenkötter 2015, S. 9).
2.2 Migrationshintergrund
Die in Deutschland lebenden Personen haben einen „Migrationshintergrund“, „wenn entweder sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde“ (Bundeszentrale für politische Bildung, 2020 Abs.1). In Deutschland haben aktuell nach der Bundeszentrale für politische Bildung (2020 B) 26 % der Bevölkerung einen Migrationshintergrund. An dieser Stelle ist anzumerken, dass eine Teil von diesen Personen bereits seit längerer Zeit in Deutschland lebt oder sogar geboren wurde. Denn 52 % der Menschen mit einem Migrationshintergrund sind Deutsche, ihnen wird jedoch ein „Migrationshintergrund“ zugeschrieben, weil mindestens ein Elternteil nicht in Deutschland geboren wurde (Bundeszentrale für politische Bildung, 2020 A).
2.3 Kita (Kindertageseinrichtung)
Kindertageseinrichtungen oder Kitas sind Einrichtungen der Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern im Alter von null Jahren bis zum Schuleintritt. Dabei bestimmt die Konzeption der Kita darüber, ob die Kinder in geschlossenen, teiloffenen oder offenen Gruppenstrukturen von pädagogischen Fachkräften betreut werden.
Eine Vereinheitlichung unter dem Begriff Kindertageseinrichtung bzw. Tageseinrichtung für Kinder wird deutschlandweit angestrebt (Aden & Grossmann 2011, S. 276). Dabei kann zwischen den folgenden Einrichtungen unterschieden werden:
- Kinderkrippen für Säuglinge und Kleinkinder bis zu drei Jahren
- Kindergärten für Kinder von drei Jahren bis zum Schuleintritt
- Kindertageseinrichtungen für Kinder von null Jahren bis zum Schuleintritt (Jares, 2020, Abs. 2)
Die Bezeichnung „Kita“ ist eine bei pädagogischen Fachkräften und Eltern gern verwendete und gängige Abkürzung.
2.4 Kultur
Der Begriff der Kultur bezieht sich auf alles, was der Mensch geschaffen hat, und geht auf das lateinische Wort cultura zurück, das u. a. Bearbeitung, Pflege der Natur und des Menschen im Sinne von Erziehung bedeutet (Groothoff & Stallman, 1971). Außerdem versteht man unter dem Begriff der „Kultur“ auch die Art und Weise, wie die Menschen miteinander zusammenleben. Bei der Kultur geht es also um literarische, musische und künstlerische Errungenschaften und andere Leistungen, die der Mensch u. a. durch das Verändern seiner Umgebung hervorbringt, und im engeren Sinne geistige Errungenschaften, wie z. B. die Wissenschaften oder religiöse Praktiken (Gemeinhardt, 2012; Gernhardt et al., 2013), wobei auch zwischen expliziter und impliziter Kultur unterschieden wird. Die Sitten, Gebräuchen, Erziehungsvorstellungen, Normen und Werte gehören dabei zur impliziten Kultur, während Sprache, Kleidung, Essen und Gesten zur expliziten Kultur gehören (Audebert, 2008). Der Begriff der Multikulturalität bezieht sich dabei darauf, dass Menschen verschiedener Kulturen am selben Ort miteinander zusammenleben. Durch das multikulturelle Zusammenleben kommt es immer häufiger auch zu interkulturellen Begegnungen. Um in solchen Situationen empathischer und auch sicher interagieren zu können, benötigen die Menschen interkulturelle Kompetenz (Gernhardt et al., 2013). Die Kultur ist „ein universelles, für eine Gesellschaft, Organisation und Gruppe aber sehr typisches Orientierungssystem“ und trägt stark dazu bei, wie das alltägliche Handeln eingeleitet und gesteuert wird (Thomas, 1993, S. 380).
3 Einführung in den aktuellen Forschungsstand
Die immer größere Bedeutung der kultursensiblen Pädagogik lässt sich u. a. auf den Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund in der Kita zurückführen. Dies bildet einen wichtigen Hintergrund für Forschungsarbeiten, die sich mit der interkulturellen Erziehung beschäftigen. Dabei zeigen die Forschungsergebnisse, dass die interkulturelle Erziehung in der Kita nach den Einschätzungen der Fachkräfte zwar ein zentraler Bestandteil der Pädagogik sein sollte, was allerdings zu wenig realisiert wird. Wenn aber mehr Kinder mit Migrationshintergrund die Kitas besuchen, dann wird der Bedarf an interkulturellen Konzepten und Verfahren auch größer, weil die kulturelle und sprachliche Diversität besser umgesetzt und auch als Lern- und Entwicklungschance in der Kita genutzt werden sollte (Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen 2002, S. 192). Wie die unterschiedlichen Umwelten die Entwicklung der Kinder mit Migrationshintergrund beeinflussen, ist allerdings wegen fehlender Studien bisher wenig bekannt (Leyendecker 2003, S. 383f.) Es gibt auch nur wenige empirische Erkenntnisse zur Bedeutung von interkultureller Pädagogik für den Spracherwerb aus der Sicht von Pädagogen in Kitas. In einer Studie zur Qualität in rheinland-pfälzischen Kitas, die vom Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend gefördert wurde, wurden im Jahr 2002 neben 4.113 Eltern auch 796 Pädagogen zu verschiedenen Qualitätsaspekten der pädagogischen Arbeit in der Kita befragt (QUARTA; Stuck & Wolf 2004). Die Pädagogen sollten dabei u. a. die Bedeutung der interkulturellen Erziehung in ihrer praktischen Arbeit bewerten. In diesem Zusammenhang wurde vor allem auf die Bedeutung der interkulturellen Arbeit für die Förderung der Deutschkenntnisse und auf das Erzählen von anderen Kulturen verwiesen (Joos & Betz 2004, S. 94 f.). Als weniger wichtig wurde es bewertet, zur kulturellen Herkunft der Kinder und zu anderen Religionen eine persönliche Fortbildung zu besuchen. Der Teilnahme an Fremdsprachenkursen wurde von den Pädagogen eine nur sehr geringe Bedeutung für die interkulturelle Arbeit zugeschrieben (Roux & Stuck, 2005). Um den Betreuungsquoten von Kindern mit Migrationshintergund in den jeweiligen Bundesländern besser nachgehen zu können ist nun eine Tabelle abgebildet:
Tabelle 1: Migrationsspezifische Betreuungsquoten von Kindern im Alter von unter sechs Jahren in Kindertagesbetreuung am 1. März 2009 nach Ländern
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Böttcher et al.,Destatis, Wirtschaft und Statistik, 2010, S.161)
Die Tabelle zeigt, dass mehr Kinder deutscher Herkunft in die Kita gehen als Kinder mit einem Migrationshintergund. In der Altersgruppe der unter sechsjährigen Kinder hatten die Kinder ohne Migrationshintergrund einen höheren Anteil (61 %) als die Kinder, bei denen mindestens ein Elternteil aus dem Ausland stammte (47 %)(Statistisches Bundesamt 2010, Stichtag 1.März 2009). Ebenfalls weist das Bundesland Baden- Württemberg eine hohe Zahl an Kindern mit Migrationshintergund auf. Wohingegen Thüringen nur knapp die Hälfte von Berlin mit 30,4% an Kindern mit Migrationshintergund aufweist. Jedoch ist hierbei wichtig zu erwähnen, dass andere Erziehungsvorstellungen und mangelndes Wissen über Erziehung bei den Familien mit Migrationshintergrund bei den Kindern zu sprachlichen, kognitiven, emotionalen oder motorischen Entwicklungsverzögerungen führen können (Statistisches Bundesamt, 2020). Eine gezielte Förderung dieser Kinder im Kindergarten könnte solchen Verzögerungen entgegenwirken (Karoly et al., 2005). Umso mehr ist es wichtig, die Besuchsquoten der Kinder mit Migrationshintergrund zu steigern, und die Familien zu erreichen und ihnen das Gefühl zu geben, dass sie in den Kitas willkommen sind und wertgeschätzt werden.
3.1 Die Bedeutung interkultureller Pädagogik
Ähnlich wie die Geschichte unterliegt in Deutschland auch die Pädagogik einem Wandel. Denn durch politische und gesellschaftliche Entwicklungen, wie die Europäisierung, die Globalisierung und die internationale Migration, hat sich die Bedeutung einer interkulturellen Bildung, Erziehung und Pädagogik verstärkt. Dabei sollte beachtet werden, dass Deutschland aus ökonomischen, demographischen und sozialpolitischen Gründen ein Zuwanderungsland ist (Krüger-Potratz, 2005, S. 15f.). In diesem Zusammenhang wurde erst im Jahre 1996 von der Kulturministerkonferenz beschlossen, interkulturelle Bildung als „Schlüsselkompetenz für eine pluralisierte Gesellschaft und globalisierte Welt“ zu verstehen (Krüger-Potratz, 2001, S. 36). Im Anschluss daran wurde die interkulturelle Bildung als Allgemeinbildung bestimmt, bei der alle ihre unterschiedlichen Lebensweisen einbringen sollen. Dabei bestehende Unterschiede sollten als Differenzen gefasst als Defizite verstanden werden (Mecheril, 2010, S. 9f.). Da immer mehr Menschen nach Deutschland einwanderten, reagierte auch die Pädagogik auf diese Veränderung, wodurch sie sich weiterentwickelt hat, sodass Einheimische und ausländische Kinder als gemeinsame Zielgruppe betrachtet werden (Filtzinger, 2006, S. 218). Mecheril (2010) verweist darauf, dass sich die interkulturelle Pädagogik auf die gesamte Gesellschaft richtet: „Bei der interkulturellen Pädagogik handelt sich somit um eine Pädagogik, die sich auf alle Gesellschaftsmitglieder und auf alle Handlungsbereiche bezieht (Mecheril, 2010, S. 9). Bereits in der frühen Kindheit gilt die Interkulturalität als rechtliche und sozialpädagogische Gestaltungsaufgabe als unabdingbar (Filtzinger, 2006, S. 223).
4 Kultursensitiv und Interkulturell
Wichtig für die kultursensitive oder kultursensible Pädagogik ist das Zusammenspiel von drei Kompetenzen, die aufeinander aufbauen und miteinander korrespondieren. Zu diesen drei Kompetenzen gehören die Bereiche Kenntnis, Haltung und das Leben mit der Diversität (Borke & Keller 2014, S. 99). Das Zusammenspiel der Dimensionen der Kenntnis, der pädagogischen Haltung und der gelebten Diversität ist entscheidend, damit jedem Kind individuell und seinem kulturellen Lebenskreis entsprechend begegnet werden kann. Der kultursensitive Ansatz sollte dabei ganzheitlich verstanden werden, weil sich in allen Schlüsselsituationen des pädagogischen Alltags kulturelle Unterschiede zeigen. In der heutigen Zeit, welche in einem dauerhaften Wandel ist, da sie durch Globalisierungsprozesse und Flüchtlingsströme geprägt ist , sind Kitas für Kinder und ihre Familien oftmals die erste Anlaufstelle. Deshalb spielen auch Interkulturalität und Integration eine immer größere Rolle. Letztlich bringt fast jedes zweite Kind, das eine Kita besucht, einen Migrationshintergrund mit (Statistisches Bundesamt, 2010). Wegen dieser multikulturellen Entwicklungen ist es sehr wichtig, sich mit den Themen rund um kulturelle Identität und Zugehörigkeit auseinanderzusetzen, wobei der interkulturellen Kompetenz ein besonderer Stellenwert zukommt. Aber was genau sind interkulturelle Kompetenzen? Im übertragenen Sinn geht es zunächst um eine Auseinandersetzung, eine Wechselbeziehung und einen Dialog zwischen verschiedenen Kulturen. Außerdem sollten interkulturelle Kompetenzen als ein fortlaufender Lernprozess verstanden werden, für den entsprechende Rahmenbedingungen erforderlich sind, wie Zeit, Raum, Personal, Netzwerke und eine politische und finanzielle Unterstützung. Dabei geht es um unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten, Aspekte und Ressourcen, auf die in den folgenden Kapiteln konkret eingegangen wird.
4.1 Kultursensitivität als Grundlage interkultureller Kompetenzen
Keller und Borke (Keller 2013, Borke & Keller 2014) beschreiben die Trias der kultursensiblen Pädagogik als Grundlage für interkulturelle Kompetenzen. Dabei geht es um die Dimensionen Wissen, Haltung und Leben mit Diversität (Borke & Keller 2014, S. 99). Diese drei Dimensionen werden im Folgenden näher beschrieben. Die Komponente des Wissens bezieht sich auf Kenntnisse über kulturelle Unterschiede, wobei es etwa um das Wissen über andere Religionen, Kulturen und historische oder sprachliche Unterschiede geht. Darüber hinaus ist auch das Wissen zu Migrationsgründen oder Fluchtgründen relevant (Borke & Keller 2014). Borke und Keller beziehen sich auf „das Wissen um unterschiedliche kulturelle Hintergründe, Formen und Verläufe der Entwicklung sowie kulturell bedingte elterliche und pädagogische Herangehensweisen an frühpädagogische Themen und Handlungsfelder“ (Borke & Keller 2014, S. 99). Außerdem können der Kategorie des Wissens auch Kenntnisse über verschiedene Erziehungsstile zugeordnet werden, weil es in den verschiedenen Kulturen unterschiedliche Vorstellungen von Erziehung geben kann. Dieses Wissen kann den Pädagogen auch in schwierigeren Situationen mit den Kindern oder Eltern helfen (Borke & Keller 2014, S. 100). Um Wissen über die Kulturen der Familien zu erlangen, können bereits in der Eingewöhnung Gespräche mit den Eltern geführt werden (Borke & Keller 2014). Dabei ist es weder möglich noch nötig, alles zu wissen, weil es vor allem darum geht, Interesse und Offenheit für den Erwerb von neuem Wissen zu zeigen, damit das Wissen kontinuierlich erweitert und den Eltern ein Gefühl von Wertschätzung vermittelt werden kann (Borke & Keller 2014, S. 103). Bei der zweiten Dimension geht es um die kultursensitive Haltung als eine Möglichkeit, sich mit der eigenen kulturellen Prägung auseinanderzusetzen und eigene Erfahrungen mit fremden Kulturen in Erinnerung zu rufen (Borke & Bruns et al. 2013, S. 12). Denn Menschen werden bei ihrem Wahrnehmen, Handeln und Denken stark durch ihre Erfahrungen und Werte beeinflusst, weshalb das Geschehene durch eine „kulturelle Brille“ wahrgenommen wird (Keller 2013). Allerdings kann dies auch schnell dazu führen, dass mit Vorurteilen an das Geschehen herangegangen wird. Deshalb ist es wichtig, den elterlichen Vorstellungen und kindlichen Verhaltensweisen in der pädagogischen Arbeit mit Offenheit und Interesse zu begegnen und sie im besten Falle nicht zu verurteilen. Dadurch kann auch eine Atmosphäre der gegenseitigen Wertschätzung geschaffen werden. Für den Bereich der kultursensitiven Haltung ist es also wichtig, voneinander etwas über kulturelle Unterschiede und die für eine Handlung relevanten Lösungen zu lernen (Borke & Keller 2014, S. 104). Dabei ist eine professionelle Haltung unumgänglich, die durch Empathie, kommunikative Kompetenz, kulturelles Hintergrundwissen und pädagogisches Geschick gekennzeichnet ist (Borke & Bruns et al., 2013, S. 39). Auf die einzelnen Kompetenzen wird genauer im Kapitel 5.1 zu den „interkulturellen Kompetenzen von Pädagogen“ eingegangen. Bei der dritten Dimension „Leben mit Diversität“ geht es um eine Verknüpfung der Dimensionen „Wissen“ und „Haltung“. Sie bietet unterschiedliche Handlungsoptionen für die Gestaltung eines kultursensitiven Alltags. Darüber hinaus geht es dabei auch darum, die kulturelle Vielfalt ressourcenorientiert und als eine Bereicherung zu betrachten. In diesem Zusammenhang ist es eine wichtige Voraussetzung, flexibel und individuell auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen (Keller 2013, S. 21).
4.2 Interkulturelle Kompetenzen und interkulturelles Lernen als Bildungsziel
Immer häufiger wird in den Bildungs- und Orientierungsplänen von Kitas von interkulturellen Kompetenzen und interkulturellem Lernen gesprochen, die auch als ein Bildungsziel beschrieben werden (Keller, 2013). Aber was ist mit diesen Begriffen gemeint? Eine sinnvolle Erläuterung des Begriffs „interkulturelle Kompetenzen“ bezieht sich auf „die Fähigkeit, aktiv und angemessen in interkulturellen Situationen zu kommunizieren“ (Deardorff, 2006, S. 15). Übertragen auf kleine Kinder besteht das Ziel des interkulturellen Lernens darin, Vielfalt als Normalität zu empfinden (Prengel, 2006). Bei kleinen Kindern lässt sich dies noch gut umsetzen, weil die Kinder in diesem Alter noch offen für Vielfalt sind, sodass Vorurteilen aktiv entgegengewirkt werden kann (Pejc, 2017). Das interkulturelle Lernen fokussiert sich dabei nicht nur auf Kinder mit Migrationshintergrund oder Fluchterfahrung, sondern auf alle Kinder. Den Kindern sollten auch wichtige Aspekte der Vielfalt vermittelt werden, wie beispielsweise Aussehen, Hautfarbe, Kleidung, Haarfarbe oder auch Geschlecht (Prengel 2006; Derman- Sparks, 2013, S. 280 f.). Wichtige Ziele interkulturellen Lernens sind also die Offenheit für Fremdes, Wertschätzung von Vielfalt, ein Bewusstsein für die Vielfalt, Ambiguitätstoleranz, etwa gegenüber dem Essen mit den Händen in manchen Kulturen, ein Wissen über Mehrfachidentitäten, etwa eine deutschfranzösische Identität, und Kommunikationsfähigkeit (Morgan et al. 2018). Um diese Ziele des interkulturellen Lernens vermitteln zu können, sollten die Fachkräfte über interkulturelle Kompetenzen verfügen (Deardorff, 2006). Auf die interkulturellen Kompetenzen von Pädagogen wird im Kapitel 5.1 genauer eingegangen.
4.3 Interkulturalität in den Bildungsplänen
Die kulturelle Vielfalt und Interkulturalität in der frühkindlichen Bildung sowie Entwicklung nehmen zunehmend an Bedeutung zu. Die kulturelle Vielfalt ist im Paragraph 9 des Achten Sozialgesetzbuchs (Kinder- und Jugendhilfegesetz) verankert:
§ 9 ABS. 2SGV VIII: „Bei der Ausgestaltung der Leistungen und der Erfüllung der Aufgaben sind [.] die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes oder des Jugendlichen zu selbstständigem, verantwortungsbewusstem Handeln sowie die jeweiligen besonderen sozialen und kulturellen Bedürfnisse und Eigenarten junger Menschen und ihrer Familien zu berücksichtigen [...].“
Der Paragraph verdeutlicht sehr gut, wie wichtig es ist, Interkulturalität zu berücksichtigen. Deshalb spielt die Interkulturalität auch in den jeweiligen Bildungs- und Orientierungsplänen der einzelnen Bundesländer eine große Rolle. Im Folgenden sollen die einzelnen Bildungs- und Orientierungspläne hinsichtlich der Interkulturalität näher analysiert und miteinander verglichen werden. Aufgrund der Umfangsbegrenzung der Bachelorarbeit wird dabei nur auf vier Bundesländer eingegangen. In der Tabelle 1 wird ein knapper Überblick zur Relevanz von Interkulturalität in den Bildungs- und Orientierungsplänen der vier ausgewählten Bundesländer gegeben (Keller, 2013).
Tabelle 2: Bildungs- und Orientierungspläne von vier Bundesländern im Vergleich
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: (Borke 2012, zit. n. Keller 2013 „Interkulturelle Praxis in der Kita“, S. 55ff.)
Der tabellarische Vergleich zeigt, dass das Thema Interkulturalität in allen vier Bildungsplänen zumindest angesprochen wird, auch wenn in recht unterschiedlichem Maße darauf eingegangen wird. Beim Berliner Bildungsprogramm wird schnell deutlich, dass sich die Begriffe „Kultur“ und „Interkulturalität“ als Querschnittsthema in allen Bildungsbereichen wiederfinden. Dabei betont ein Auszug aus dem Berliner Bildungsprogramm explizit die Bedeutung von Verschiedenheit: „Verschiedenen Kulturen gegenüber aufgeschlossen sein: die kulturellen und religiösen Verschiedenheiten im Leben von Menschen wahrnehmen, anerkennen und achten“ (Berliner Bildungsprogramm, 2014, S. 29). Im Bildungsplan von Nordrhein Westfalen finden sich dagegen nur wenige konkrete Hinweise. Es gibt zwar einen separaten Bereich „Natur und kulturelle Umwelt“, der Bildungsplan bietet dabei aber kaum Umsetzungsmöglichkeiten für die pädagogische Arbeit. Das Bildungsprogramm von Sachsen-Anhalt geht explizit auf interkulturelle Kompetenzen von Pädagogen im Rahmen der kultursensiblen Arbeit ein und beschreibt sie als eine unabdingbare Voraussetzung: „Kontext Orientierung als Prinzip bedeutet daher, dass Erzieherinnen und Erzieher etwas über die komplexe Lebenswelt jedes Kindes wissen müssen. Kontinuierliche Erkundungen und Diskurse sind dafür die Voraussetzungen“ (Bildungsprogramm für Kindertagesstätten in Sachsen-Anhalt, 2013, S. 38).
Diese wenigen Auszüge stehen für die Passagen, in denen auf kulturelle Vielfalt und die interkulturelle Arbeit eingegangen wird. Auch wenn dies letztlich nicht ausführlich genug umgesetzt wird, wird daran doch deutlich, dass der interkulturelle Aspekt in den Bildungsplänen dauerhaft aktualisiert und verbessert werden sollte, damit sie der gegenwärtigen kulturellen Vielfalt gerecht werden können (Borke et al., 2011; Borke & Keller, 2012). Es ist allerdings zunächst durchaus positiv, dass Interkulturalität in jedem Bildungsplan der ausgewählten Bundesländer einen Platz findet (Keller, 2014, S. 57).
4.4 Kulturelle Vielfalt als Bereicherung
„Soziale und kulturelle Vielfalt wird als Chance betrachtet, das globale Zusammenleben der Zukunft zu sichern“ (JMK & KMK 2004, S. 7).
Wie bereits verdeutlicht wurde, gewinnt die kulturelle Vielfalt in den Einrichtungen immer stärker an Bedeutung, was sich etwa in den Bildungs- und Orientierungsplänen der einzelnen Bundesländer und im Kinder- und Jugendhilfegesetz zeigt (Borke, 2013, S. 109). Dabei wird die kulturelle Vielfalt überwiegend als Bereicherung verstanden, wobei vor allem die Kinder davon profitieren können, weil sie in gemischten Teams das Miteinander von Geschlechtern, Generationen und Kulturen erleben können. Denn dadurch bieten sich ihnen mehr Identifikationsmöglichkeiten und mehr Entwicklungschancen. Dies ist allerdings nur dann möglich, wenn die Einrichtungen die Vielfalt bewusst leben und fördern. Durch die kulturelle Vielfalt in der Kita kann ein Grundstein dafür gelegt werden, dass aus den Kindern später tolerante und weltoffene Erwachsene werden. Dabei ist es eine zentrale Aufgabe für alle Pädagogen, Vielfalt positiv vorzuleben und immer wieder zu thematisieren. Eine wichtige Rolle spielt hier auch die Vielfalt im Team, wobei sich auch die verschiedenen Sprachen, die mit in die Kita gebracht werden, positiv auf die kindliche Entwicklung auswirken können. Denn durch den Kontakt mit verschiedenen Sprachen im jungen Alter kann u. a. die phonologische Bewusstheit gefördert werden. Die Kinder können dabei beim Hören von Liedern oder Geschichten in fremden Sprachen die Bedeutung aus dem Kontext erschließen, was als eine besondere kognitive Fähigkeit verstanden werden kann (Wagner, 2007, S. 18 ff.)
5 Grundlagen interkultureller Arbeit in den Kitas
Damit die Interkulturelle Arbeit in der Kita auf allen Ebenen durchgeführt werden kann, sollte sie kontinuierlich reflektiert werden, um sie dann umsetzen zu können. Deshalb wurde ein Sechs-Komponenten-Modell entwickelt (Edelbrock et al., 2012), bei dem alle sechs Komponenten gleich wichtig sind:
1. Das Konzept der Kita
2. Die pädagogischen Fachkräfte und das Team
3. Das Kind und seine Anlagen
4. Die Eltern
5. Die soziale Umwelt der Familie
6. Die Mitmenschen des Kindes in der Kita und zu Hause
Dieses Modell ist ein effizientes Hilfsmittel für die pädagogische Arbeit, das für die Situationsanalyse, die Zielfindung, die Handlungsplanung und die Evaluation eingesetzt werden kann. Angesichts der Umfangsbegrenzung der vorliegenden Bachelorarbeit wird im Folgenden nur auf das Konzept der Kita, die pädagogischen Fachkräfte und das Team und die Eltern eingegangen.
5.1 Interkulturelle Kompetenzen von Pädagogen*innen
Das Kapitel 4.1 zu den „drei Dimensionen kultursensitiver Pädagogik“ beschäftigte sich bereits mit den allgemeinen Bestandteilen der Kultursensitivität. Darüber hinaus ist es für die kultursensitive Arbeit im Kindergarten auch wichtig, auf die „pädagogische Fachkraft“ und ihre Kompetenzen einzugehen (Edelbrock et al., 2012). Der Begriff der interkulturellen Kompetenz ist dabei bereits zum Schlagwort in den öffentlichen Debatten über die Globalisierung geworden. Bildungspolitiker und Medien fordern gleichermaßen, dass frühkindliche Bildungseinrichtungen als Brücken für die gesellschaftliche Integration und die Herstellung von Chancengleichheit für alle Kinder fungieren sollen. Auch die Bildungs- und Orientierungspläne der einzelnen Bundesländer betonen immer wieder die Bedeutung der interkulturellen Kompetenzen (Borke, 2013). Deshalb wird im Folgenden näher auf die interkulturellen Kompetenzen der Pädagogen und einige Praxisbeispiele eingegangen. Aber was genau sind interkulturelle Kompetenzen? Interkulturelle Kompetenzen beziehen sich auf die Fähigkeit, mit Menschen anderer Kulturen erfolgreich und angemessen interagieren zu können und dabei einen gegenseitig zufriedenstellenden Umgang mit Menschen anderer kultureller Orientierung zu ermöglichen (Deardorff, 2006). Diese Kompetenz umfasst im Einzelnen eine wertschätzende Kommunikation, Kompetenzen im interreligiösen und interkulturellen Bereich und eine ressourcenorientierte Verwendung von Netzwerken. Darüber hinaus beinhaltet die interkulturelle Kompetenz viele weitere Komponenten, wie Wissensbestände, Fähigkeiten und Fertigkeiten in unterschiedlichen Bereichen. Die kommunikative Kompetenz ist ebenfalls von zentraler Bedeutung, weil sie eine gute und konfliktfreie Kommunikation mit Familien anderer kultureller Herkunft ermöglichen kann. Das folgende Zitat von Thomas (2011) verdeutlicht recht gut, welche Elemente die interkulturelle Handlungskompetenz umfasst und mit welchen Zielen sie verbunden ist:
„interkulturelle Handlungskompetenz zeigt sich in der Fähigkeit, kulturelle Bedingungen und Einflussfaktoren in der Wahrnehmung, im Urteilen, im Denken, in den Emotionen und im Handeln bei sich selbst und bei fremden Personen zu erfassen, zu würdigen, zu respektieren und produktiv zu nutzen und zwar im Sinne einer wechselseitigen Anpassung, einer Toleranz gegenüber Inkompatibilität und Entwicklung möglicherweise synergetischer Formen des Zusammenlebens, der Lebensgestaltung und der Bewältigung von Problemen“ (Thomas, 2011, S. 15).
Interkulturelle Kompetenz kann insofern als etwas Persönliches verstanden werden, das sich bei jedem unterschiedlich entwickelt, weil die eigene Identität durch den Kontakt und die Auseinandersetzung mit fremden Kulturen und in anderen Lebensräumen unterschiedlich geprägt wird. Interkulturelle Kompetenz ist daher auch keine Fähigkeit, die durch das Lesen eines Buches, das Hören eines Vortrags oder die Teilnahme an einem Workshop erworben werden und dann gewissermaßen automatisch verfügbar sein kann. Es handelt sich dabei vielmehr um einen lebenslangen Lern- und Entwicklungsprozess, der immer wieder neue Herausforderungen bereithält und jeweils situationsabhängig verbessert und weiterentwickelt werden muss (Keller 2013; Borke & Keller 2014). Die Beherrschung von verschiedenen Kommunikationsstrategien bei der Gestaltung des Kontakts und der Zusammenarbeit mit den Eltern ist etwa eine der interkulturellen Kompetenzen, weil die Kommunikation mit den Eltern von den pädagogischen Fachkräften oftmals ein Repertoire von flexibel einsetzbaren Handlungsoptionen verlangt, mit dem das entsprechende Wissen und die Haltung reflektiert und kultursensitiv angepasst werden können (Borke & Keller 2014). Auch bei der Gestaltung von Eingewöhnungsprozessen können diese Kompetenzen relevant sein, da jedes Kind unterschiedliche und von seinem kulturellen Hintergrund geprägte Erfahrungen in die Kita mitbringt, die in der Eingewöhnung berücksichtigt werden sollten (Borke et al., 2014; Borke & Keller 2014). Weitere Kompetenzen sind Flexibilität und Kreativität, damit die Fachkräfte den Bedürfnissen und Erwartungen der Eltern und Kinder bestmöglich entgegenkommen können (Keller, 2013; Borke & Keller, 2014). Unabhängig von der kulturellen Herkunft sollten die Pädagogen nämlich versuchen, mit allen Eltern zusammenzuarbeiten und sie gleichberechtigt in den Kita-Alltag einzubinden (Schlösser 2004, S. 10ff). Ein weiteres Element der interkulturellen Kompetenz der Pädagogen ist es, die vielfältigen Lern- und Entwicklungschancen in einer multikulturellen Gruppe wahrzunehmen. Darüber ist es möglich, für kulturelle Aufgeschlossenheit zu sorgen (Oberhumer 2007, S. 11). Pädagogische Fachkräfte sollten zudem ihre eigenen kulturellen Hintergründe analysieren sowie ihr Handeln in interkulturell geprägten Situationen auf möglicherweise vorhandene Stereotypen analysieren. Auch wenn neue und ungewohnte Situationen für Pädagogen zu Verunsicherung führen können, ist es wichtig, sie auszuhalten und an sich zu arbeiten. Denn dieser Prozess bietet eine positive Entwicklungsmöglichkeit und kann nach einem Selbstreflexionsprozess eine Erweiterung der interkulturellen Kompetenzen ermöglichen (Schmitz 2002, S. 140ff.). Dabei ist auch die Fähigkeit des professionellen und methodischen Planens, Durchführens und Reflektierens neben den Sach- und Selbstkompetenzen von besonderer Bedeutung. Die Pädagogen sollten über wichtige Selbstkompetenzen verfügen, wie Offenheit, Flexibilität und Empathie. Offenheit bezieht sich dabei auf einen vorurteilsfreien Umgang mit anderen Kulturen. Die Fachkräfte sollten frei von Schubladendenken sein und auf jede Familie individuell eingehen. Zu den Selbstkompetenzen gehören auch die Kommunikations- und Konfliktfähigkeit. Denn eine interkulturelle Kommunikation wird dadurch gefördert, wenn sich die Fachkräfte auch anderer Kommunikationsformen bewusst sind und ihre Kommunikationsfähigkeiten kontinuierlich erweitern. Pädagogische Interventionen sind vor allem dann wichtig, wenn es darum geht, jedem Kind in der Gruppe Sicherheit und Orientierung zu vermitteln, seine Teilhabe an den Aktivitäten zu sichern und seine Lern- und Entwicklungsprozesse zu fördern. Für die pädagogische Arbeit mit Kindern im Kindergarten sind dabei „Gleichaltrigen-Kontakte, Bindung und Beziehung und Entwicklungsförderung durch Individualisierung in sozialer Eingebundenheit“ von besonderer Bedeutung (Seitz, 2012, S. 24). Ein Praxisbeispiel für interkulturelle Kompetenz besteht etwa darin, durch Spiele oder auch Lernsituationen die Aufmerksamkeit aller Kinder zu wecken und damit auch Kinder mit Migrationshintergrund in das Gruppengeschehen zu integrieren. Nach Nowack (2013) sollten die Pädagogen besonders darauf achten, Vorurteile gegenüber bestimmten Gruppen, sozialen Zugehörigkeiten, kulturellen Prägungen oder Merkmalen zu vermeiden (Seitz , 2009, S. 29, paraphrasiert nach Nowack, 2013, S. 31). Deshalb sollten diepädagogischen Fachkräfte dafür geschult werden, Vielfalt undTeilhabemöglichkeiten zu fördern und alle Formen von Ausgrenzungssituationen im Kita-Alltag zu vermeiden, unabhängig davon, ob die Kinder einen Migrationshintergrund haben oder nicht. Demandewitz, Fuchs und Militzer (2001) verweisen darauf, dass es ebenfalls von Bedeutung ist und der interkulturellen Kompetenz zugeordnet werden kann, wenn die Pädagogen über ein breit gefächertes Sprachrepertoire verfügen. Dabei haben vor allem muttersprachliche Pädagogen den Vorteil, dass sie sowohl die anderen Sprachen der Familien als auch die deutsche Sprache beherrschen (Demandewitz et al., 2001). Darüber hinaus können muttersprachliche Pädagogen auch ein wichtiger Ansprechpartner für die Eltern der Kinder sein, die die gleiche Sprache sprechen. Ein muttersprachlicher Pädagoge kann auch bei der Eingewöhnung eines Kindes mit einem Migrationshintergrund eine wichtige Rolle übernehmen, weil es in den ersten Tagen für das Kind sehr hilfreich sein kann, in seiner Muttersprache angesprochen zu werden (Demandewitz et al., 2001). Dies kann beim Kind für eine gewisse Sicherheit sorgen. Auch bei der Sozialisation des Kindes und bei den Kontakten zu anderen Kindern kann der muttersprachliche Pädagoge unterstützend wirken, weil das Gespräch mit dem Pädagogen in der Muttersprache für das Kind eine Brückenfunktion beim Übergang von der Familie in die Kita haben kann (Demandewitz et al., 2001). Offenheit für Veränderungen und Flexibilität für Umgestaltungen von Planungsschritten gehören ebenfalls zu den interkulturellen Kompetenzen. Dabei steht fest, dass eine interkulturelle Pädagogik nur durch die interkulturellen Kompetenzen der Pädagogen umgesetzt werden kann. In diesem Zusammenhang geht es um unterschiedliche Fähigkeiten beim Denken, bei den Emotionen und beim Handeln. In der folgenden Abbildung 1 werden die unterschiedlichen interkulturellen Kompetenzen zusammenfassend als Handlungskompetenz dargestellt:
Abbildung 1: Interkulturelle Kompetenzen als Handlungskompetenz
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: (Schnick, 2017, „Interkulturelle Kompetenz- Grundlagen, S. 7).
Durch die Abbildung wird deutlich, aus welchen Kompetenzen die interkulturelle Kompetenz im gesamten besteht. Genauer beschrieben sind es Sozialkompetenzen, wie die Selbstreflexion, Fachkompetenzen, wie das Fachwissen oder Sprachkenntnisse, Strategische Kompetenzen, wie die Fähigkeit lösungsorientiert zu arbeiten und abschließend die persönlichen Kompetenzen, wie die Offenheit anderer oder neuen Kulturen gegenüber.
5.1.2 Multiprofessionelles und multikulturelles Team
„Die Anforderungen an frühpädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen verändern sich in komplexer Weise“ (Heimlich 2013, S. 28). Aufgrund dieser Komplexität kommt den pädagogischen Fachkräften und dem gesamten Team eine gesonderte Rolle zu. Das Personal einer Kita sollte insofern mit einer größtmöglichen Vielfalt zusammengestellt werden, wobei das Geschlecht und die Herkunft, aber auch die Qualifikation eine wichtige Rolle spielen. Daher sollten vielfältige Teams zusammenarbeiten und ihre eigenen Ressourcen verwenden, um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kinder gerecht werden zu können. So können etwa die verschiedenen Sprachen der Fachkräfte hilfreich bei der Kommunikation mit nicht deutschsprachigen Familien sein, weil die Arbeit mit den Eltern unumgänglich für die Kita ist. Das Gefühl der Zugehörigkeit kann bei Familien mit unterschiedlicher kultureller Herkunft durch ein heterogenes Team besser gefördert werden, da es die immer vielfältiger werdende Gesellschaft repräsentieren kann. Außerdem kann die Arbeit in einem Team mit pädagogischen Fachkräften mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen zu einer Veränderung und Erweiterung der pädagogischen Überzeugungen und Ziele der einzelnen Mitarbeitenden beitragen (Huijbregts et al., 2008). Austausch und Toleranz erfordern eine kulturelle Diversität im Team, weil nur dadurch die Offenheit, Bereitschaft und Fähigkeit zum Perspektivenwechsel gegenüber den Familien ermöglicht werden kann. Wichtige Voraussetzungen für die Arbeit in multikulturellen Kindertageseinrichtungen sind eine offene und reflexive Grundhaltung der Fachkräfte hinsichtlich ihrer eigenen Einstellungen gegenüber individuellen Unterschieden und eine gute Teamfähigkeit (Albers 2010, S. 29). Eine gute Teamfähigkeit bietet die Chance, in multiprofessionellen Teams zusammen zu arbeiten. Dadurch kann auf der Ebene der Fachkräfte bestehende Kompetenzen gebündelt und die Ressource für die individuelle Förderung aller Kinder eingesetzt werden.
5.1.3 Zielsetzungen interkultureller Arbeit
Das Ziel der interkulturellen Arbeit besteht darin, jedes einzelne Kind hinsichtlich seiner familiären Erfahrungen und Möglichkeiten anzunehmen, es in seiner Entwicklung zu unterstützen und zu fördern und die multikulturelle Zusammensetzung der Gruppe als Erfahrungsfeld und Lernort für einen positiven, respektvollen und selbstverständlichen alltäglichen Umgang zu nutzen. Interkulturelle Arbeit verfolgt das Ziel, zu einem produktiven Miteinander verschiedener Kulturen und Ethnien anzuregen, sodass auch bei der Wahrung und Pflege eigener kultureller Traditionen Formen einer neuen und gemeinsamen Alltagskultur entwickelt werden können (Borke & Keller 2014). Die pädagogische Fachkraft sollte dabei dazu beitragen, verstärkte Impulse für eine interkulturelle Arbeit zu liefern, sie zu unterstützen und weiterzuentwickeln. Mehrsprachigkeit ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil interkultureller Arbeit. Denn die Sprache ist eine Grundvoraussetzung für die vertiefte Erfahrung von Welt und für die soziale und individuelle Entwicklung der Persönlichkeit der Kinder. Kinder mit einem Migrationshintergrund brauchen Anregung und Förderung bei der Vermittlung der deutschen Sprache. Die Fachkraft ist gerade für Kinder anderer kultureller Herkunft eine wichtige Bezugsperson, weshalb sie sie bei ihrer Integration unterstützen sollte. Das Ziel der interkulturellen Arbeit besteht immer darin, den einzelnen Werten Respekt entgegenzubringen, sich aber auch mit anderen kulturellen Vorstellungen zu beschäftigen, um sie zu verstehen und evtl. mögliche Gemeinsamkeiten zu finden und Vorurteile abzubauen. Die Kinder sollten in ihren Stärken gefördert und es sollte ihr Interesse daran geweckt werden, einen respektvollen, offenen und verständnisvollen Umgang mit den jeweils anderen Kulturen zu entwickeln (Grosz et al., 2000).
5.1.4 Sensibilisierung und professionelle Haltung
In den vorherigen Abschnitten wurde näher auf die Bedeutung der Kultur, die kulturelle Vielfalt in der Kita und wesentliche interkulturelle Kompetenzen, sowie die professionelle Haltung der Pädagogen eingegangen. Die entscheidende und wichtigste Grundlage dafür bilden die persönliche und professionelle Haltung der pädagogischen Fachkraft und ihre Sensibilisierung für Unterschiede und Gemeinsamkeiten (Borke & Keller, 2021). Außerdem umfasst interkulturelle Kompetenz auch die Fähigkeit, in kulturübergreifenden Situationen „Unterschiede“, Probleme oder Konflikte nicht zu „kulturalisieren“, wodurch auch ein möglicherweise rassistisch motiviertes Handeln vermieden werden kann. Problemstellungen sollten also nicht auf die ethnische oder kulturelle Verschiedenheit reduziert werden, sondern es sollte versucht werden, die Gründe für mögliche Missverständnisse herauszufinden. Interkulturelle Kompetenz bezieht sich auch auf das Gefüge von Fähigkeiten und Fertigkeiten, denn diese ermöglichen einer Person, in einer kulturellen Überschneidungssituation unabhängig, flexibel, sensibel, angemessen und dadurch auch wirkungsvoll zu handeln (Borke & Keller, 2021). Weitere persönlichkeitsbezogene Bestandteile sind Kritikfähigkeit, Einfühlungsvermögen, Kooperationsfähigkeit, Flexibilität, Fehlerfreundlichkeit, eine breites Verhaltens- und Sprachrepertoire, die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel, Konfliktfähigkeit und Selbstreflexion. Außerdem unterliegt die interkulturelle Kompetenz auch einer ständigen Weiterentwicklung. Das interkulturelle Lernen verläuft dabei nicht linear, sondern als ein dynamischer Prozess. Der Grad der interkulturelles Kompetenz hängt sowohl von äußeren Rahmenbedingungen, wie Ort und Zeit, als auch von inneren Entwicklungsprozessen ab. Bei der interkulturellen Qualifizierung geht es also vor allem darum, sensibel zu „werden“ und die professionelle Haltung weiter zu stärken. Im Hintergrund steht dabei die Vorstellung, dass jeder Mensch über eine durch individuelle Erfahrungen, Einstellungen und kulturelle Prägungen bestimmte subjektive Sicht der Realität verfügt. Dies lässt sich auch durch eine individuelle „kulturelle Brille“ beschreiben, die jeden Menschen mehr oder weniger stark beeinflusst (Borke & Keller, 2021). Eine wichtige Voraussetzung für einen gelingenden interkulturellen Lernprozess sind allerdings zunächst Offenheit und die Bereitschaft zur Selbstreflexion. Dabei ist es auch wichtig, diese Brille auch abnehmen zu können, um vorurteilslos und kultursensibel handeln zu können, weil unsere Wahrnehmung subjektiv und selektiv ist. Zu erkennen, dass wir alle unsere kulturellen Brillen haben, kann dabei helfen, die eigene Kultur als etwas „Unsichtbares und Selbstverständliches“ wahrzunehmen (Keller, 2011).
5.1.5 Resilienzförderung bei Kindern
Micheline Rampe (Rampe, 2004) spricht bei der Resilienzförderung von sieben Säulen. Dabei geht es um Kompetenzen, die einen positiven Umgang mit belastenden Situationen ermöglichen können. Dazu gehören: „(...) Optimismus, Akzeptanz der Situation, Lösungsorientierung, Verlassen der Opferrolle, Übernahme von Verantwortung, der Aufbau von Netzwerken und die Zukunftsplanung“ (Rampe, 2004, o.S.). Bei der Zusammenarbeit mit den Eltern anderer kultureller Herkunft können diese Säulen eine wichtige Rolle spielen, da sie den Familien dabei helfen können, sich den neuen Herausforderungen aktiv und positiv zu stellen. Auch Rönnau-Böse und Fröhlich-Gildhoff (2010) haben sich mit dieser Thematik beschäftigt und sechs ähnliche Faktoren für die Resilienzförderung bei Kindern herausgestellt. Wenn pädagogische Fachkräfte über diese Kompetenzen verfügen, dann können sie Bewältigungsstrategien und Widerstandsfähigkeit bei den ihnen anvertrauten Kindern fördern. Durch eine angemessene Selbst- und Fremdwahrnehmung kann eine pädagogische Fachkraft die eigenen Gefühle gegenüber dem Kind klar benennen und das Kind in seinen Gefühlen spiegeln. Positive Erwartungen von Selbstwirksamkeit bei den Pädagogen können Erfolge ermöglichen, auf die sich das Kind beziehen kann. Kleine Schritte sollten gelobt werden, wobei beim Loben genau gesagt werden sollte was gut war, ohne dabei Kritik und Lob miteinander zu vermischen. Durch die soziale Kompetenz kann die pädagogische Fachkraft Konfliktlösungen aufzeigen und angemessene Formen der Selbstbehauptung vermitteln. Durch seine eigene Fähigkeit der Problemlösung kann der Pädagoge für das Kind zu einem Vorbild für den Umgang mit Misserfolg und Erfolg werden. Durch aktive Bewältigungskompetenzen kann die pädagogische Fachkraft dem Kind Bewegungsmöglichkeiten anbieten, um sich auspowern zu können. Darüber hinaus kann sie ihm aber auch Regelmäßigkeiten und Struktur für eine Entspannung eröffnen (Böse & Gildhoff, 2010; Gildhoff & Dörner 2008).
6 Interkulturelle Arbeit in der Praxis
Im folgenden Kapitel soll die Theorie der kultursensiblen Arbeit mit der Praxis im Kindergarten verknüpft und darauf angewendet werden. In diesem Zusammenhang wird im folgenden Kapitel auf interkulturelle Handlungsmaximen und die Zusammenarbeit mit den Eltern eingegangen. Um die verschiedenen Erziehungsvorstellungen der Eltern besser verstehen zu können, werden in einem kleinen Exkurs die unterschiedlichen Erziehungsstile erläutert. Am Ende des Kapitels wird die interkulturelle Arbeit in der Kita in Berlin vorgestellt.
6.1 Interkulturelle Handlungsmaximen für die Förderung
In der Kita treffen Familien mit verschiedenen kulturellen Hintergründen aufeinander. Deshalb kommt den Pädagogen eine wichtige Rolle beim Pflegen dieser Kontakte und bei der Gestaltung der Förderung der Familien zu. Die pädagogische Fachkraft ist daher nicht nur eine pädagogische Unterstützung für das Kind, sondern sollte auch die sozialarbeiterischen Tätigkeiten angemessen berücksichtigen (Titsch, 2016). Außerdem sollte der Pädagoge ein Mediator des kultursensitiven Handelns sein und mit seiner interkulturellen Kompetenz den Menschen aus anderen Kulturkreisen feinfühliger und empathischer gegenübertreten, sodass sie auch leichter erreicht werden können (Audebert et al., 2008). Bei der Interaktion mit Familien mit Migrationshintergrund kommt der Fachkraft eine große Verantwortung zu, da sie grundsätzlich für die kulturelle Mehrheit in der Gesellschaft steht. Die Fachkraft sollte daher ein mögliches Misstrauen nicht weiter verstärken und stattdessen ein Vertrauensverhältnis zu den Familien aufbauen (Audebert et al., 2008; Hepke et al., 2017). Dies kann durch den Erwerb von interkultureller Kompetenz gelingen. Zu Beginn sollten immer die familiären Hintergründe des Kindes mit Migrationshintergund in Erfahrung gebracht werden. Beim Kontakt mit Familien mit Migrationshintergrund sollte daher für eine liebevolle und wertschätzende Atmosphäre gesorgt werden (Audebert et al., 2008; Hepke et al., 2017). Denn die Pädagogen sollten versuchen, die Stärken der Kinder zu akzeptieren und zu verstehen, um dadurch auch den anderen Kindern vorleben zu können, dass kulturelle Differenzen eine Bereicherung für die Gesellschaft sein können. Nur dadurch können die Kinder ein wertschätzendes Verhältnis gegenüber Kultursensitivität und kultureller Vielfalt entwickeln (Audebert et al., 2008; Hepke et al., 2017).
6.1.1 Interkulturelle Zusammenarbeit
Um die im Kindertagesförderungsgesetz (Kitafög) geforderte Erziehungspartnerschaft zwischen der KiTa und den Eltern erfolgreich umzusetzen, ist die Transparenz von wechselseitigen Informationen essenziell. Damit die Verantwortung der Eltern für die Kinder bestärkt werden kann, ist die Wertschätzung und Anerkennung von Bedeutung. Für die pädagogische Fachkraft ist es wichtig, den Eltern unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Zugehörigkeit ohne Vorurteile zu begegnen. Das aktive Handeln dabei geht von den Pädagogen selbst aus. Sie haben das Ziel, die Erziehungspartnerschaft zu führen und geeignete Beteiligungsformen für die Eltern zu finden sowie einzurichten. Geeignete Möglichkeiten für Gesprächsrunden sind hierbei Elternabende und Gesprächskreise zusammen mit den anderen Eltern und Vertretern (Berliner Bildungsprogramm 2014, S. 49).
6.1.2 Unterschiedliche Sprachen
Darüber hinaus gibt es auch Unterschiede bei den verschiedenen Gesprächskulturen, die allerdings der Zusammenarbeit und Kommunikation mit den Eltern im Wege stehen können (Borke et al., 2011, S. 20). So kann etwa ein Handschlag bei der Begrüßung, der in der deutschen Kultur als eine normale Höflichkeit gilt, zu einer Elternreaktion führen, die für den Pädagogen unverständlich sein kann. Dazu gehört auch der Blickkontakt, weil er Offenheit und authentisches Interesse am Gesprächspartner signalisiert. Oft kommen zu den Gesprächen mit Familien mit einem Migrationshintergrund gerade bei wichtigen Themen nicht die Eltern, sondern andere Verwandte, weil die Eltern die deutsche Sprache nicht oder nicht so gut verstehen. Erfahrungsgemäß kommen dabei allerdings die Informationen auch über die Verwandten bei den Eltern an (Schlösser, 2004, S. 48f.). Die pädagogischen Fachkräfte sollten sich jedenfalls darüber im Klaren sein, dass die unterschiedlichen Gesprächskulturen eine wirksame Zusammenarbeit mit den Eltern erschweren können. Es ist aber wichtig, ressourcenorientierte Gespräche mit den Eltern zu führen, um einen guten und engen Kontakt zu ihnen aufbauen zu können. Deshalb sollten pädagogische Fachkräfte ressourcenorientiert Handeln, dass heisst, sich auf die Stärken und nicht nur auf die Probleme des Kindes fokussieren. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass pädagogischen Fachkräfte ihr Verhaltens- und Sprachrepertoire auch in freiwilligen interkulturellen Trainingsmaßnahmen erweitern können (Borke et al., 2011, S. 20). Wenn eine Fachkraft die Muttersprache der Eltern spricht, dann können die multiprofessionellen und multikulturellen Teams auch bei Kommunikationsproblemen helfen. Denn sie kann eine wichtige Ansprechpartnerin für die Eltern der Kinder sein. Darüber hinaus können auch Dolmetscher eingestellt werden, was allerdings mit hohen Kosten verbunden ist und deshalb von Kitas selten genutzt wird (Schlösser, 2004).
6.1.3 Unterschiedliche Erziehungsvorstellungen
Im Blick auf die unterschiedlichen Kulturen weltweit können stark verallgemeinernd zwei Prototypen von kulturellen Modellen unterschieden werden. Dabei geht es zum einen um das Modell der psychologischen Autonomie, das vor allem für Europa und die USA typisch ist und den Fokus auf den Individualismus des Kindes richtet. Das Modell der hierarchischen Verbundenheit ist zum anderen typisch für ländliche und an Subsistenzwirtschaft orientierte Bevölkerungsschichten in Afrika und Asien. Dabei steht nicht das Kind als Individuum im Mittelpunkt, sondern seine Integration in die Gemeinschaft, in der es aufwächst (Keller, 2011). Eine Auseinandersetzung mit diesen beiden Erziehungsstilen ist wichtig, um eine gewisse Sensibilität und ein Verständnis für die unterschiedlichen Verhaltensweisen entwickeln zu können, weil das Gegenüberstellen der unterschiedlichen Erziehungsziele gerade dann zu möglichen Konflikten führen kann, wenn die verschiedenen Orientierungen in der Kita aufeinandertreffen (Borke & Keller, 2014 S. 27). Deshalb sollten sich die pädagogischen Fachkräfte ,mit diesen Unterschieden beschäftigen, um professionell mit den unterschiedlichen Bedürfnissen umgehen zu können (Borke & Keller, 2014).
Autonomieorientierung
„Als Autonomie ist die Fähigkeit definiert, Kontrolle über das eigene Leben sowie über die eigenen Entscheidungen und Handlungen zu erlangen“ (Borke & Keller 2014, S. 17). Das Modell der Autonomieorientierung bezieht sich nach Keller (2014) „auf eine hohe Gewichtung von Autonomie und eine eher geringe Gewichtung von Verbundenheit“. Im Vordergrund steht die Person mit seinen „Wünschen, Bedürfnissen, Plänen, Vorstellungen und Zielen“ (Keller, 2013, S. 13). Eltern, die ihre Kinder autonomieorientiert erziehen, versuchen vor allem in den ersten drei Lebensjahren Talente und Interessen zu wecken, und fördern sie darüber hinaus auch darin, ihre Bedürfnisse und Wünsche klar auszudrücken, was entscheidend für die Entwicklung von Selbstwirksamkeit ist.
Verbundenheitsorientierung
„Einheit ist als psychologische und/oder ökonomische Verwobenheit zwischen Personen definiert“ (Borke & Keller 2014, S. 17). Bei Familien mit einem Migrationshintergrund zeigt sich häufiger ein verbundenheitsorientiertes Verständnis von Erziehung. Dabei steht die soziale Gemeinschaft mit ihren hierarchischen Strukturen im Zentrum, die auch die hierarchische Verbundenheit symbolisiert. Wichtige Erziehungsziele sind dabei Gehorsamkeit und Respekt, die den Kindern vermittelt werden sollen. Eine Gemeinschaftsstruktur ist erforderlich, damit die Kinder schnellstmöglich an die Lebenswelt der Erwachsenen herangeführt werden können. Dabei spielt auch eine proximale Sozialisationsstrategie eine größere Rolle, die dadurch gekennzeichnet ist, dass das Kind neben der Mutter auch andere Bezugspersonen hat (Borke & Keller 2014, S. 121).
6.1.4 Interkulturelle Elternarbeit
„Ein Kindergarten ohne Eltern ist ein Kindergarten ohne Kinder“ (Loris Malaguzzi.)
Die Zusammenarbeit zwischen den Eltern und den Kitas wird im § 22 Abs. 3 SGB VIII geregelt. In differenzierterer Weise wird darauf allerdings in den Bildungsplänen der verschiedenen Bundesländer eingegangen. Dabei werden die Eltern als ein wichtiger Bündnispartner bei der Förderung der Kinder beschrieben (Berliner Bildungsprogramm 2014). Denn die Eltern können den Pädagogen wichtige Informationen über das Kind vermitteln. Dazu zählen beispielsweise Informationen über die Erziehungswünsche und Einblicke in das sprachliche Umfeld des Kindes sowie die familiäre Situation. Darüber hinaus gibt es in der Arbeit immer wieder Momente und Situationen, bei denen die Pädagogen ohne ein Mitwirken der Eltern ratlos und die Eltern auf helfende Hinweise der Pädagogen angewiesen sind. Außerdem sollte beachtet werden, dass sich die Kinder nur dann gut entwickeln können, wenn sie spüren und erleben können, dass die Beziehung zwischen ihren Eltern und den Pädagogen in der Kita respektvoll und durch gegenseitige Wertschätzung bestimmt ist (Roth, 2014; Textor, 2015). Bei Eltern mit Migrationshintergrund sollte am besten vorher geklärt werden, ob sie Deutsch sprechen oder ein Dolmetscher erforderlich ist (Textor, 2006). Freundlichkeit und Offenheit gegenüber den Familien können eine aufgeschlossene Atmosphäre ermöglichen, in der sich die Familien wertgeschätzt fühlen, auch wenn sie nur über geringe Deutschkenntnisse verfügen. Dies kann die Familien dazu ermutigen, selbst Fragen zu stellen und ihre Wünsche zu äußern (Soltendieck, 2007, S. 39f.). Bei fehlenden Deutschkenntnissen der Eltern kann es bei der Kommunikation mit den Eltern hilfreich sein, Bilder, Hände und Füße einzusetzen. Denn die Kommunikation kann auch ohne Worte funktionieren, wenn die Mimik und Gestik richtig gedeutet werden und mit allen Sinnen zugehört wird (Kühne & Wagner, 2009, S. 127). Die Pädagogen sollten jedenfalls signalisieren, dass sie mit den Eltern kooperieren wollen, auch wenn Sprachbarrieren vorhanden sind: „Zu sprachlichen Situationen gilt grundsätzlich, dass man sich bei gutem Willen auch näher kommen und einfache Belange verstehen kann, wenn man sich rein sprachlich nicht versteht. Der gute Wille und die nonverbalen Signale sind da die ersten Türöffner“ (Schlösser, 2004, S. 38). Auch Soltendieck (2007) empfiehlt, die Kommunikation mit den Eltern mit geringen Deutschkenntnissen anschaulich zu ergänzen. Dazu gehören beispielsweise Fotos und Videos oder auch Piktogramme, mit denen wichtige Regeln und der Alltag in der Kita gut veranschaulicht werden können, um dadurch den Eltern einen Einblick in die pädagogische Arbeit verschaffen zu können (Soltendieck, 2007, S. 40) . Darüber hinaus könnten auch Pädagogen, die die Sprache der Eltern sprechen, unterstützend wirken oder auch ein anderes Elternteil oder andere Familienmitglieder könnten als Übersetzer fungieren. Denn der Austausch mit den Eltern ist sehr wichtig und unvermeidlich (Berliner Bildungsprogramm 2014). Darüber hinaus könnte für die Elternarbeit bei Sprachbarrieren auch auf einen Dolmetscher zurückgegriffen werden (Kühne & Wagner, 2009, S. 127). Auch das Festhalten von schriftlichen Informationen kann gerade von Eltern ohne Deutschkenntnisse als schwierig empfunden werden. Dabei könnten etwa zweisprachige Mitteilungen in Deutsch und der jeweiligen Muttersprache angeboten werden (Schlösser, 2004, S. 44).
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- Citation du texte
- Anonyme,, 2023, Kultursensible Arbeit in der Kita. Interkulturelle Kompetenzen der Pädagogen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1355494
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