In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist es auffällig, dass das Amt des amerikanischen Präsidenten zumeist von Republikanern dominiert wurde. Angefangen mit der achtjährigen Amtszeit des 34. US-Präsidenten Dwight David Eisenhower (1953-1961), bis hin zum 41. US-Präsident George Herbert Walker Bush aus Texas (1989-1993) identifizierte sich die große Mehrheit der Präsidenten mit der republikanischen Partei. Erst im Jahre 1993 zog mit Clinton nach zwölf Jahren wieder ein demokratischer Präsident für mehrere Jahre ins Weiße Haus ein.
Mit dem Beginn der Präsidentschaft Eisenhowers, der seinerzeit nach zwanzigjähriger demokratischer Herrschaft wieder eine Präsidentschaftswahl für die Republikaner gewinnen konnte, bestimmten republikanische Präsidenten im Zeitraum von 1952 bis 1994 folglich insgesamt achtundzwanzig Jahre die Geschicke des Landes und prägten somit die nationale und internationale Politik der Vereinigten Staaten von Amerika nachhaltig.
Eine zweite Auffälligkeit ist hierbei, dass der Kongress in dem besagten Zeitraum überwiegend in demokratischer Hand lag. Während das Repräsentantenhaus (House of Representatives) nach den Zwischenwahlen (midterm elections) des Jahres 1954 bis einschließlich 1994 von demokratischen Mehrheiten beherrscht wurde, verfügte der Senat (Senate) ebenfalls über breite demokratische Mehrheiten. Eine Ausnahme bildeten dabei lediglich die Jahre 1981 bis 1987, in denen die republikanischen Senatoren in der Überzahl waren.
Auf den ersten Blick könnte nun die Vermutung angestellt werden, dass es durch den beinahe kontinuierlichen Zustand der geteilten Regierung (split government oder divided government) zu einer Blockade bzw. zu einem Stillstand der Politik und der Regierbarkeit des Landes gekommen sei. Doch zeigt sich in der innen- und außenpolitischen Entwicklung der USA, dass das Zustandekommen konstruktiver Politik trotzdem überwiegend möglich war. Daher muss gefragt werden, wie dies im Zeitraum der gut vier Dekaden gelingen konnte. Inwiefern war der jeweilige republikanische Präsident in der Lage, seine politischen Zielsetzungen zu realisieren? Spielten die Unterschiede in der Parteiidentifikation des Präsidenten und den Kongressmehrheiten überhaupt eine Rolle? Welche Faktoren entschieden letztendlich über den Erfolg des jeweiligen Präsidenten?
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Allgemeine theoretische Einleitung zum politischen System der Vereinigten Staaten von Amerika: Eckpunkte und Grundlagen
2.1 Der Präsident als Exekutive
2.2 Die Wahl des Präsidenten
2.3 Der Kongress als Legislative
2.4 Die Wahlen des Kongresses
2.5 Gegenseitige Kontrolle durch Hemmungen und Gleichgewichte
2.6 Amerikanisches Wahlverhalten
3. Entscheidende Faktoren für erfolgreiche Politik von US-Präsidenten im System der Gewaltentrennung zwischen 1952 und 1994 anhand ausgewählter Beispiele
3.1 Einführung und methodische Erläuterungen
3.2 Wahl und Wiederwahl
3.2.1 Beispiel 1: Eisenhower und die Wahlen von 1952 und 1956
3.2.2 Beispiel 2: Nixon und die Wahlen von 1968 und 1972
3.2.3 Beispiel 3: Reagan und die Wahlen von 1980 und 1984
3.2.4 Fazit
3.3 Persönlichkeit
3.3.1 Beispiel 1: Ronald W. Reagan
3.3.2 Beispiel 2: Dwight D. Eisenhower
3.3.3 Beispiel 3: George H. W. Bush
3.3.4 Fazit
3.4 Führungsstil und Organisation
3.4.1 Beispiel 1: Nixons Reorganisation des Weißen Hauses
3.4.2 Beispiel 2: Eisenhowers Effektivität im Hintergrund
3.4.3 Beispiel 3: Reagans Souveränität und Optimismus
3.4.4 Fazit
3.5 Politisches Geschick in der Zusammenarbeit mit dem Kongress
3.5.1 Allgemeine Rahmenbedingungen in der Interaktion zwischen Weißem Haus und Capitol Hill
3.5.2 Beispiel 1: Eisenhowers Vermittlungstalent
3.5.3 Beispiel 2: Reagans Kommunikationsgeschick
3.5.4 Fazit
4. Resümee
4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
4.2 Ausblick
5. Summary
Literaturverzeichnis
Anhang
Tabelle 1: Die US-Präsidenten und ihre Vizepräsidenten in den Jahren 1953-2001
Tabelle 2: Die US-Präsidentschaftskandidaten und ihre Vizepräsidentschaftskandidaten der Jahre 1952-1992
Tabelle 3: Elektorenstimmen (Electoral Votes) und Volkswahlstimmen (Popular votes) in den Wahlen 1952-1992
Tabelle 4: Parteienkontrolle des Kongresses und der Präsidentschaft in den Jahren 1953-1997
1. Einleitung
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist es auffällig, dass das Amt des amerikanischen Präsidenten zumeist von Republikanern dominiert wurde. Angefangen mit der achtjährigen Amtszeit des 34. US-Präsidenten Dwight David Eisenhower (1953-1961), folgte ihm nach den vergleichsweise kurzen Regierungszeiten der demokratischen Präsidenten John Fitzgerald Kennedy (1961-1963) und Lyndon Baines Johnson (1963-1969) der Kalifornier Richard Milhous Nixon (1969-1974) als 37. US-Präsident ins Weiße Haus nach Washington (D.C.). Nach dessen Rücktritt am 8. August 1974 übernahm sein Vizepräsident Gerald Rudolph Ford (1974-1977), ebenfalls ein Republikaner, als eingesetzter Präsident die Amtsgeschäfte. Im Anschluss daran begann nach der nur vierjährigen Regierungszeit des Demokraten James Earl Carter (1977-1981) die Ära des republikanischen Präsidenten Ronald Wilson Reagan (1981-1989). Auch sein Nachfolger, der 41. US-Präsident George Herbert Walker Bush aus Texas (1989-1993) identifizierte sich mit der republikanischen Partei. Erst im Jahre 1993 zog mit William Jefferson Clinton nach zwölf Jahren wieder ein demokratischer Präsident ins Weiße Haus ein.
Mit dem Beginn der Präsidentschaft Eisenhowers, der seinerzeit nach zwanzigjähriger demokratischer Herrschaft wieder eine Präsidentschaftswahl für die Republikaner gewinnen konnte, bestimmten republikanische Präsidenten im Zeitraum von 1952 bis 1994 folglich insgesamt achtundzwanzig Jahre die Geschicke des Landes und prägten somit die nationale und internationale Politik der Vereinigten Staaten von Amerika nachhaltig.
Eine zweite Auffälligkeit ist hierbei, dass der Kongress in dem besagten Zeitraum überwiegend in demokratischer Hand lag. Während das Repräsentantenhaus (House of Representatives) nach den Zwischenwahlen (midterm elections) des Jahres 1954 bis einschließlich 1994 von demokratischen Mehrheiten beherrscht wurde, verfügte der Senat (Senate) ebenfalls über breite demokratische Mehrheiten. Eine Ausnahme bildeten dabei lediglich die Jahre 1981 bis 1987, in denen die republikanischen Senatoren in der Überzahl waren.
Auf den ersten Blick könnte nun die Vermutung angestellt werden, dass es durch den beinahe kontinuierlichen Zustand der geteilten Regierung (split government oder divided government) zu einer Blockade bzw. zu einem Stillstand der Politik und der Regierbarkeit des Landes gekommen sei. Doch zeigt sich in der innen- und außenpolitischen Entwicklung der USA, dass das Zustandekommen konstruktiver Politik trotzdem überwiegend möglich war. Daher muss gefragt werden, wie dies im Zeitraum der gut vier Dekaden gelingen konnte. Inwiefern war der jeweilige republikanische Präsident in der Lage, seine politischen Zielsetzungen zu realisieren? Spielten die Unterschiede in der Parteiidentifikation des Präsidenten und den Kongressmehrheiten überhaupt eine Rolle? Welche Faktoren entschieden letztendlich über den Erfolg des jeweiligen Präsidenten?
Zur Klärung dieser Fragestellungen beginnt der erste Teil der vorliegenden Arbeit mit einer allgemeinen theoretischen Einleitung zum politischen System der Vereinigten Staaten von Amerika. Hier werden wesentliche Koordinaten und Eckpunkte behandelt, die als Grundlage für das Verständnis des politischen Prozesses dienen sollen. In Kapitel 2.1 werden die Aufgabenbereiche und Befugnisse des Präsidenten, der die alleinige Exekutive des Bundesstaates bildet, dargelegt, bevor in Kapitel 2.2 wichtige Eckpunkte des komplexen Präsidentschaftswahlverfahrens näher entfaltet werden. Das Kapitel 2.3 skizziert die Zusammensetzung der beiden Häuser Senat und Repräsentantenhaus und beschreibt die wesentlichen Aufgaben ihrer Abgeordneten. Das anschließende Kapitel 2.4 gibt einige grundlegende Informationen zu den Wahlen der beiden Kongresshäuser. Im folgenden Kapitel 2.5 wird schließlich das Zusammenspiel von Legislative und Exekutive im System der Gewaltentrennung thematisiert. Dabei werden – ausgehend von den Kernelementen der Politik wie beispielsweise dem Gesetzgebungsverfahren – die gegenseitigen Hemmungen und Balancen zwischen Präsident und Kongress aufgezeigt, die letztendlich im Sinne der Verfassungsväter vor einem einseitigen Machtmissbrauch schützen sollen. Abgerundet wird diese kurze Einführung in das politische System der Vereinigten Staaten von Amerika mit einem Blick auf das amerikanische Wählerverhalten (Kapitel 2.6). Die Entwicklungen der letzten Dekaden des 20. Jahrhunderts zeigen gewisse Veränderungen beim Urnengang der Amerikaner, wie zum Beispiel die zunehmende Stimmenaufspaltung zwischen Kongress- und Präsidentenwahl. Als Folge daraus stand die Politik des amtierenden Präsidenten immer wieder unterschiedlichen parteilichen Mehrheits-verhältnissen im Kongress gegenüber.
Im Hauptteil der Untersuchung wird an einer Reihe von ausgewählten Beispielen gezeigt und erläutert, welche Einzelfaktoren für den Erfolg der Präsidenten entscheidend waren. Aus den gewählten republikanischen Präsidenten Eisenhower, Nixon, Reagan und Bush (senior) ergibt sich, dass ihre politischen Erfolge in unterschiedlichen Nuancen auf vier grundlegende Faktoren zurückzuführen sind. Zunächst bildete die Wahl eine gewichtige Grundlage für die Erfolgsaussichten des Regierungschefs. Der Verlauf des Wahlkampfes, die Deutlichkeit seines Ergebnisses sowie eine erfolgreiche Wiederwahl waren für sein politisches Handeln sehr bedeutsam (Kapitel 3.2). Zweitens spielten Aspekte seiner Persönlichkeit im Umgang mit der Öffentlichkeit und den politischen Institutionen des Landes eine bedeutsame Rolle. Um nämlich bei den amerikanischen Bürgerinnen und Bürgern Popularität zu erlangen, war der Regierungschef gezwungen, seine Person effizient zum Zwecke seiner politischen Bestrebungen einzusetzen (Kapitel 3.3). Drittens kam seinem Führungsstil und der Organisation seines Regierungsapparates eine hohe Bedeutung zu. Sowohl die Auswahl seines persönlichen Mitarbeiterstabes als auch die Fokussierung auf einzelne Politikfelder beeinflussten seinen Erfolg (Kapitel 3.4). Eng verbunden mit dem zuletzt angeführten Aspekt war die Fertigkeit und Fähigkeit des Präsidenten, mit dem Kongress umzugehen. Wenn er es verstand, seine legislativen Initiativen über entscheidende Ausschussvorsitzende auf die Agenda der Kongresshäuser zu bringen und zudem bei den Abgeordneten Vertrauen zu erzeugen, war der Präsident in der Lage, seine Vorstellungen politisch zu verwirklichen (Kapitel 3.5).
2. Allgemeine theoretische Einleitung zum politischen System der Vereinigten Staaten von Amerika: Eckpunkte und Grundlagen
2.1 Der Präsident als Exekutive
Im Rahmen dieser allgemeinen Einführung in das politische System der Vereinigten Staaten von Amerika sollen zunächst die wesentlichen Aufgabenbereiche und Befugnisse des Präsidenten beschrieben und erläutert werden. Um die Verflechtungen dieses Präsidialamtes in den politischen Prozess befriedigend klären zu können, ist es hierbei sinnvoll mitunter Vergleiche zu parlamentarischen Regierungssystemen anzudeuten.
Zunächst bildet der Präsident laut Artikel II, Absatz 1 der US-amerikanischen Verfassung die alleinige Exekutive. In einem System der strikten Gewaltentrennung bedeutet dies, dass dem Präsidenten formal die Möglichkeit der Gesetzesinitiative verschlossen bleibt.[1] Obwohl die Verfassungsväter im Präsidialamt die Funktion des Staatoberhauptes und die Funktion des Regierungschefs vereinten, fehlt also die direkte Verbindung zur legislativen Gewalt, die beim Kongress liegt.[2] Anders als in parlamentarischen Systemen vieler europäischer Staaten, in denen die Gewalten geteilt sind, ist es dem amerikanischen Präsident untersagt, gleichzeitig als Abgeordneter im Kongress zu wirken oder Teil der richterlichen Gewalt zu sein.
In seiner dritten Hauptfunktion fungiert der amerikanische Präsident als Oberbefehlshaber (Commander-in-Chief) über die Streitkräfte. Im Falle eines militärischen Angriffs auf die Vereinigten Staaten von Amerika steht es ihm zu, die militärischen Geschicke der Armee zu koordinieren und Befehle zu erteilen. Dabei muss ihm auch der Verteidigungsminister (Secretary of Defense) bei gegebenenfalls abweichender Meinung Folge leisten. An dieser Stelle müssen die allgemeinen Aufgabenbereiche seines Kabinetts, das jeder Präsident nach seiner Wahl ernennt, geklärt werden. Zwar verfügt er über eine stattliche Anzahl von Ministern (secretaries), doch haben diese nur die Funktion von Zuarbeitern ohne politische Statur. Anders als beispielsweise im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, in dem ein Minister sein Ressort souverän führt und auch Entscheidungen gegen die Meinung des Regierungschefs treffen kann, hat der amerikanische Präsident absolute Richtlinienkompetenz und kann sich über Entscheidungen eines Ministers schlichtweg hinwegsetzen und diese nach seinen politischen Vorstellungen korrigieren. Trotzdem muss der Präsident die Auswahl seiner Kabinettsmitglieder genau bedenken, denn er bedarf bei deren Berufung der Zustimmung des Senates. Daher muss er versuchen, „regionale, ethnische, religiöse und rassische Gruppierungen zu befriedigen sowie ideologische Gegensätze der Wählerkoalition zu integrieren.“[3] In der Realität kommt es daher immer wieder vor, dass der Regierungschef aufgrund dieser Bürde einige seiner Kabinettsmitglieder erst am Beginn seiner Amtszeit näher kennen lernt und sich mit ihnen arrangieren muss.
Viertens kommt dem Präsidenten die Funktion des ersten Diplomaten (Chief Diplomat) zu. Er ist befugt, Verträge auszuhandeln und die außenpolitischen Interessen seines Landes zu vertreten; bei Vertragsabschlüssen benötigt er dazu allerdings wiederum die Zustimmung des Senates.[4] Diese Befugnis hat im Laufe des ausgehenden 20. Jahrhunderts, in dem die USA als einzige Weltmacht verblieben ist, eine immer gewichtigere Bedeutung erhalten.
Die fünfte Aufgabe des Präsidenten bildet die Ernennung der Bundesrichter am Obersten Gerichtshof (Supreme Court) der USA mit einfacher Zustimmung des Senats. Da die Richter ihr Amt auf Lebenszeit innehaben, kommt diesem Privileg des Präsidenten eine enorme politische Bedeutung zu.[5]
Der Präsident hat neben den genannten Hauptaufgaben auch eine „quasi-legislative Funktion“, die an dieser Stelle nur angerissen werden soll.[6] Wie oben bereits angedeutet, verhindert die US-amerikanische Verfassung einen direkten Einfluss der Exekutive auf die Legislative. „In der Praxis stammt jedoch ein Großteil der Gesetzesvorschläge aus der Exekutive.“[7] Um diese in Gesetze münden zu lassen, muss der Präsident den Kongress dazu bringen, seine Vorschläge zu behandeln und am Ende auch zu beschließen. Hieraus wird ersichtlich, dass der Präsident über gewisse Instrumentarien verfügt, um Druck auf die Legislative auszuüben und so seine politischen Ziele zu verwirklichen. Beispielsweise kann er die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf ein bestimmtes Themenfeld lenken und so für ein Gesetzesprojekt werben.[8]
Zur Vervollständigung seines Sachbereichs muss noch ergänzt werden, dass er im Rahmen des amerikanischen Selbstverständnisses im Laufe der mehr als zweihundertjährigen Geschichte zur „Symbolfigur der nationalen Einheit“ geworden ist.[9] Besonders in Krisenzeiten steht die Nation zumeist hinter ihrem Präsidenten und fordert Führungsstärke und ein entschlossenes Vorgehen. Diese ideelle Funktion gehört daher zum politischen Verständnis und darf nicht unterschätzt werden.
Seit dem Beginn der modernen Präsidentschaft (Modern Presidency) unter Präsident Franklin D. Roosevelt hat der Amtsinhaber eine aktivere Rolle im politischen System übernommen, denn die Zunahme an sowohl innen- als auch außenpolitischen Belangen erfordert für den Präsidenten einen groß angelegten Beratungs- und Mitarbeiterstab. Dieser wurde mit der Einrichtung des Executive Office unter Präsident Franklin D. Roosevelt in den 1930er Jahre verwirklicht, das sich aus dem White House Office und diversen Beraterstäben zusammensetzt.[10] Dem Präsidenten ist es dadurch ermöglicht, seine wichtigsten Berater und Vertrauensleute um sich zu postieren und diese in allen politischen Fragen zu konsultieren. Durch das riesige Aufgabenspektrum, welches von der Ausarbeitung der politischen Agenda bis hin zur Beziehungspflege zum Kongress reicht, hat sich diese Einrichtung zur Schaltzentrale der amerikanischen Regierungspolitik mit administrativer Funktion und hoher politischer Bedeutung entwickelt.[11] Ein entscheidender Faktor für seine politische Effizienz ist also, welche Mitglieder der Amtsinhaber in diesen Beraterstab beruft.
Abschließend bleibt noch zu erwähnen, dass der Präsident faktisch mit keinem politischen Mittel, wie etwa das im europäischen Parlamentarismus vielfach verwendete Misstrauensvotum, abgesetzt werden kann. Gemäß Artikel II, Absatz 4 der US-amerikanischen Verfassung besteht zwar die Option eines durch den Kongress eingeleiteten Amtsenthebungsverfahrens (impeachment), doch ist dies nüchtern betrachtet kein politisches Instrument sondern eher eine juristische Instanz.[12]
2.2 Die Wahl des Präsidenten
Nach der knappen Ausführung der präsidialen Aufgabenbereiche und Befugnisse geht das folgende Kapitel auf Eckpunkte der Präsidentschaftswahl ein. Hierbei sollen vor allem das grundlegende Wahlverfahren sowie verfassungsmäßige Voraussetzungen für eine Kandidatur angesprochen werden.
Um Präsident der Vereinigten Staaten zu werden, müssen Bewerber zunächst einmal einige formelle Richtlinien erfüllen, die im Artikel II Absatz 1 der US-amerikanischen Verfassung geregelt sind. Danach muss der Kandidat gebürtiger Amerikaner sein und das Mindestalter von fünfunddreißig Jahren erreicht haben. Außerdem muss er seit mindestens vierzehn Jahren in den Vereinigten Staaten von Amerika wohnhaft sein, um bei einer Wahl antreten zu können. Wie im vorherigen Kapitel bereits erwähnt, regelt zudem Artikel I Absatz 6, dass er kein Mitglied der Legislative sein darf. Eine strikte Trennung von Amt und Mandat, wie sie in parlamentarischen Demokratien meist unbekannt ist, soll an dieser Stelle nochmals hervorgehoben werden.
Des Weiteren gibt es genaue Bestimmungen über Zeitspannen und Fristen über die Amtsdauer des amerikanischen Präsidenten. Seine Amtszeit ist auf vier Jahre festgelegt; folglich wird auch in absoluter Regelmäßigkeit alle vier Jahre gewählt, selbst wenn ein Amtsinhaber aufgrund von Rücktritt oder Tod aus dem Amt ausscheiden muss. In einem solchen Fall wird der Vizepräsident vereidigt und übernimmt bis zum nächsten regulären Wahltermin automatisch die Amtsgeschäfte. Nach einer Amtsperiode hat der Präsidentschaftsinhaber freilich das Recht zur Wiederwahl anzutreten, doch laut XXII. Zusatzartikel, der im Jahre 1951 verabschiedet wurde, beträgt die maximale Amtsdauer nur noch zehn Jahre. Dies wird dadurch begründet, dass der Präsident nur zweimal gewählt werden darf, also acht Jahre im Amt bleibt. Sollte er für seinen ausgeschiedenen Vorgänger in sein Amt berufen worden sein, so darf er nur dann zu einem wiederholten Mal bei der Präsidentschaftswahl antreten, wenn er weniger als zwei Jahre als eingesetzter Präsident regiert hat.
Der Weg zur Kandidatur und das Wahlverfahren zum amerikanischen Präsidenten, das hier nur in knappster Form zusammengefasst werden soll, orientiert sich wiederum an Eckpunkten der Verfassung, doch hat sich im Laufe der Geschichte der Modus der Kandidatenauswahl vielschichtig verändert.[13] Ein Wahljahr beginnt meist im Januar mit den Vorwahlen (Primaries) und Caucuses. Je nach einzelstaatlicher Regelung entscheiden entweder die Bürger selbst oder gewählte Delegierte über die Kandidaten. In den einzelnen Wahlbezirken versucht sich die oft große Anzahl von Bewerbern, die ihren Wahlkampf weitgehend aus Spenden und eigenem Privatvermögen finanzieren, zu profilieren und um Stimmen zu ringen.[14] Ein Kandidat hat in der Regel nur dann eine Chance bis in die Phase des Nominierungsprozesses vorzurücken, wenn er sich in den entscheidenden Primaries und Caucuses gegen seine Konkurrenten durchsetzen kann.
Nachdem er diese Hürde genommen hat, tritt er auf einem nationalen Parteitag (National Convention) auf, wo er seit der jüngsten Vergangenheit nur noch formal von den Delegierten nominiert wird. Bis zur Wahl 1968 war es allerdings so, dass die Delegierten auf den National Conventions ihren Kandidaten nach tagelanger Debatte selbst wählten. Doch setzte sich danach die Entwicklung durch, dass fortan nur noch die Vorwahlen die Auswahl der Kandidaten dominieren sollten, weil dort die auf den Kandidaten verpflichteten Delegierten gewählt werden.[15] Die National Conventions der beiden großen Parteien finden im Juli bzw. August statt. Nach der offiziellen Nominierung von Präsidentschaftskandidat (presidential ticket) und Vizepräsidentschaftskandidat (running-mate) folgt zwischen September und November die entscheidende Phase des Hauptwahlkampfes (general election campaign).
Am Wahltag, der auf den ersten Dienstag nach dem ersten Montag im November festgesetzt wurde, wählen die Bürger in jedem Einzelstaat ihren Kandidaten. Wer dann die Mehrheit der Stimmen hat, erhält alle Wahlmännerstimmen (Electoral Votes) des jeweiligen Staates (winner-takes-it-all-Prinzip) für das Wahlmännergremium (Electoral College), welches sich einige Wochen später konstituiert, um den Präsidenten zu wählen. So reicht für den jeweiligen Präsidentschaftskandidaten auch schon die dünne Mehrheit der Bürger eines Staates aus, um die Stimmen im Wahlmännergremium sicher zu haben. Die Anzahl der Wahlmänner im Electoral College richtet sich nach der Einwohnerzahl eines Staates gemessen an der Gesamtbevölkerung. Sie ergibt sich somit aus der Anzahl der Kongressmitglieder (435 Abgeordnete des Repräsentantenhauses plus 100 Mitglieder des Senats). Die Aufteilung sieht vor, dass jeder Staat über mindestens drei Wahlmännerstimmen verfügt. Aufgrund der Regelung des XXIII. Zusatzartikels aus dem Jahre 1961 kommen dazu noch drei Wahlmännerstimmen aus dem Regierungsbezirk in Washington (District of Columbia), obwohl dieser kein Staat ist, sodass der Präsidentschaftskandidat im Wahlmännergremium für eine erfolgreiche Wahl 270 Stimmen benötigt.
Daraus folgt, dass selbstverständlich vor allem die Staaten von den Kandidaten hart umkämpft werden, die über eine große Zahl von Wahlmännerstimmen verfügen.[16] Diese Regelung schließt auch die Möglichkeit ein, dass ein Kandidat zwar die Mehrheit der Wahlmännerstimmen (electoral votes) innehat, doch nicht über die Mehrheit der Volksstimmen (popular votes) verfügt.[17] Obwohl also am beschriebenen Wahltag nur die Zusammensetzung des Wahlmännergremiums, das erst einige Wochen später den Präsidenten tatsächlich wählt, von den US-Bürgern gewählt wird, ist die Präsidentschaftswahl in der Regel bereits zu diesem Zeitpunkt entschieden: „The electorate’s vote and the result are known on election day […] but, under the terms of the Constitution, the formal election only takes place some weeks later through the Electoral College.“[18] Somit wird der Präsident zwar formal in einer indirekten Wahl bestimmt, doch faktisch wird er direkt vom Volk gewählt. Die Vereidigung und Amteinführung (inauguration) des neuen Präsidenten schließlich erfolgt seit der zweiten Amtszeit Franklin D. Roosevelts immer am 20. Januar. In dieser gut zweimonatigen Übergangszeit (transition) von der Wahl bis zur Amtseinführung benennt der zukünftige Präsident in der Regel seine Minister sowie seine persönlichen Mitarbeiter.[19] Bis zu dieser Festsetzung durch den XX. Zusatzartikel im Jahre 1933 begann der Präsident seine Amtsgeschäfte zuvor stets am 4. März.
2.3 Der Kongress als Legislative
In diesem Kapitel sollen die wichtigsten Arbeitsschwerpunkte des Kongresses sowie dessen Zusammensetzung im Hinblick auf das politische System beschrieben werden. Dies ist zwingende Voraussetzung, um das Verhältnis zur Exekutive klären zu können und somit die Verflechtungen der beiden Gewalten zu untersuchen.
Zunächst besteht der Kongress aus einem Senat (Senate) und einem Repräsentantenhaus (House of Representatives). Dieses System des symmetrischen Bikameralismus wird von Artikel I, Absatz 1 der US-amerikanischen Verfassung bestimmt. Nach Absatz 3 desselben Artikels entsendet jeder Staat unabhängig von seiner Bevölkerungszahl jeweils zwei Senatoren in den Senat (insgesamt 100 Senatoren), was die Gleichheit aller Staaten im Bund repräsentieren soll. Im Repräsentantenhaus hingegen, welches aus 435 Mitgliedern besteht, richtet sich die Zahl der Abgeordneten nach der Bevölkerungszahl der Einzelstaaten. Je mehr Einwohner also ein Staat hat, desto mehr Mandate stehen ihm im Repräsentantenhaus zu; folglich verfügt jeder Staat aber zumindest über einen Abgeordneten. Um Bevölkerungsverschiebungen festzustellen, findet alle zehn Jahre eine Volkszählung (census) statt, aufgrund dessen die Verteilung der Abgeordneten und der Wahlkreise neu errechnet wird.[20] Somit wirkt sich ein Bevölkerungsrückgang oder –zuwachs auch auf das politische Gewicht der Einzelstaaten innerhalb des Bundes aus.
Im nächsten Schritt sollen die wesentlichen vier Aufgaben und Funktionen des Kongresses kurz benannt werden. Die primäre Aufgabe des Kongresses ist die Gesetzgebung (legislation): „As elected representatives of the people, members of Congress are expected to make laws that reflect the will of the people who elect them.”[21] Gemäß Artikel I Absatz 1 der US-amerikanischen Verfassung sind allein die beiden Kongresshäuser dazu befugt, Gesetzesinitiativen (bills) in einem fragmentierten System aus unzähligen Ausschüssen und Unterausschüssen auszuarbeiten und zu diskutieren. Zweitens regelt der Kongress die Haushaltsverabschiedung (power of the purse), um so die Ausgaben des Staates, die meist vom Präsidenten vorgeschlagen werden, zu regulieren.[22] Als dritte Funktion hat der Kongress laut Artikel II, Absatz 4 das alleinige Recht ein Amtsenthebungsverfahren (impeachment) gegen den amtierenden Präsidenten einzuleiten. Um mit diesem juristischen Instrument Erfolg zu haben, müssen zwei Drittel der Senatoren der Klage zustimmen. Die vierte Hauptaufgabe des Kongresses, auf die im weiteren Verlauf der allgemeinen Einführung in das politische System noch näher eingegangen wird, ist die permanente Begutachtung des politischen Handelns der Exekutive (oversight).[23] Vor allem zur Erfüllung dieser Kontrollfunktion erfährt der Kongress eine breite Unterstützung von Untersuchungsbehörden und wissenschaftlichen Informationsdiensten, wie beispielsweise dem Congressional Research Service, dessen ungeheure Anzahl von Mitarbeitern die Abgeordneten mit Mitteilungen und Nachrichten versorgt.[24]
Den Kongressabgeordneten, die kein Mitglied der Exekutive sein dürfen, kommt folglich ein gewichtiger Aufgabenbereich der bundesstaatlichen Politik zu, obwohl ihre zentrale Funktion zunächst die Interessenvertretung ihrer Wahlkreise (districts) ist. Dabei geht es ihnen vor allem darum, finanzielle Bedürfnisse zu befriedigen und ebenso als Schaltstelle zwischen Bürgern und Politik zu fungieren. Damit die Repräsentanten eng an ihren Wahlkreis gebunden sind, müssen sie dort auch wohnhaft sein.[25]
Um als Kongressabgeordneter für den jeweiligen Staat gewählt zu werden, muss der Bewerber hauptsächlich folgende Qualifikationen mitbringen: „Vertrautheit mit den Problemen der Bürger und hoher Bekanntheitsgrad im Wahlkreis bleiben Voraussetzungen für den Wahlerfolg.“[26] Schon beim Wahlkampf angefangen, muss sich ein Abgeordneter in seiner Arbeit vollkommen individuell organisieren. Ein persönlicher Mitarbeiterstab sowie eine weitgehend eigene Finanzierung müssen als Bedingungen genannt werden, so dass eine gute Vernetzung zu den Bürgern ermöglicht werden kann: „Candidates have to fund advertising campaigns, staff salaries, and travel costs.“[27] Diese hohe Verantwortlichkeit für den eigenen Wahlkreis spiegelt sich im Abstimmungsverhalten des Angeordneten wider. Bei Entscheidungsfindungen im Kongress muss er sich alleinig auf sein Gewissen und – wie schon mehrfach angedeutet – auf die Interessen seines Wahlkreises berufen, weil der Regelfall einen Fraktionszwang der Parteien, zu denen sich die Abgeordneten trotzdem zählen, im Kongress nicht vorsieht.[28] In einem Punkt ist es jedoch entscheidend, welche Partei sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus die Majorität besitzt, denn die Mehrheitsfraktion entscheidet über die Bestellung der Ausschussvorsitzenden, welche für den Gesetzgebungsprozess eine signifikante Rolle spielen: „They [the representatives] are almost entirely independent of their national party, except for the fact that if their party loses the election they will lose their committee chairmanship.“[29]
Aus den bisherigen Ausführungen zur Arbeit des Kongresses wird deutlich, dass im Vergleich zu einem europäischen Parlament vorherrschend keine straffe Organisation existiert. Diese Fragmentierung ist durchaus so gewollt, denn der Kongress wird als „halbsouveräne“ Gewalt im politischen System der Vereinigten Staaten von Amerika gesehen, weil er auf der einen Seite die wichtigste Aufgabe der Gesetzgebung zu erfüllen hat, doch auf der anderen Seite „punktuell und indirekt anderen Gewalten“ unterliegt.[30]
2.4 Die Wahlen des Kongresses
In diesem Kapitel geht es um die Wahlen des Senats und des Repräsentantenhauses. Dabei sollen vor allem die Wahlberechtigung, die Wahlperioden und wesentliche Bestimmungen behandelt werden. Die Klärung dieser Punkte ist für das Verständnis des politischen Systems unabdinglich, denn die im letzten Kapitel angesprochene Fragmentierung des Kongresses, die sich auf das Zusammenspiel zwischen Legislative und Exekutive auswirkt, wird auch in einigen Aspekten des Wahlmodus ersichtlich.
Die Mitglieder des Repräsentantenhauses werden in jedem einzelnen US-Bundesstaat alle zwei Jahre gewählt.[31] Dabei fällt der Wahltag ebenso wie bei der Präsidentschaftswahl auf den ersten Dienstag nach dem ersten Montag im November. Genaue Bestimmungen zur Durchführung dieser Wahl regeln wiederum die Einzelstaaten. Nach knapp zwei Monaten beginnt dann für die Repräsentanten der Staaten am 03. Januar die erste Sitzungsperiode, wobei der Kongress danach in unregelmäßigen Abständen tagt. Um Abgeordneter im Repräsentantenhaus zu werden, müssen die Bewerber älter als fünfunddreißig Jahre sein und zudem seit mindestens sieben Jahren die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzen.[32]
Der Wahlmodus des Senats gestaltet sich etwas anders. Alle einhundert Senatoren werden für den Zeitraum von sechs Jahren in ihr Amt gewählt, wobei alle zwei Jahre versetzt ein Drittel der Senatoren gewählt wird. Durch diese gestaffelten Amtszeiten erfolgt also alle zwei Jahre eine neue Zusammensetzung des Senats, sofern die Amtsinhaber, die ihren Dienst meistens über vergleichsweise lange Zeiträume ausüben, ausscheiden sollten. Als formale Kriterien gelten für die Bewerber für die Position eines Senators, dass sie mindestens dreißig Jahre alt sein müssen und bereits seit mindestens neun Jahren amerikanische Staatsbürger sein müssen.[33] Dass die Senatoren ebenso wie die Mitglieder des Repräsentantenhauses direkt von den Bürgern gewählt werden können, wurde durch den XVII. Zusatzartikel im Jahre 1913 eingeführt. Zuvor wurden beide Senatoren von den Einzelstaatslegislativen bestimmt.[34]
Weiterhin stellt sich vor allem bei den langjährigen Amtszeiten der Senatoren die Frage, wie die Regelung von Vakanzen erfolgt. Bei vorzeitigem Ausscheiden eines Senators ist der jeweilige Staat befugt, bis zur nächsten Wahl einen Vertreter, der vom Gouverneur ernannt wird, einzusetzen. Eine Ausnahme bildet lediglich der Staat Arizona, in dem in solchen Fall eine außerplanmäßige Neuwahl angesetzt wird.[35] Bei den Mitgliedern des Repräsentantenhauses existiert keine einheitliche Vakanzregelung. Je nach Zeitspanne bis zum nächsten Wahltermin wird entweder eine neue Wahl angesetzt oder ist es auch möglich, dass der Platz für eine Weile unbesetzt bleibt.[36]
Im föderalen System der Vereinigten Staaten von Amerika liegen vergleichsweise viele politische Kompetenzen bei den Einzelstaaten. So verhält es sich auch mit dem Wahlrecht. Da die Amerikaner über kein zentrales Bundeswahlgesetz und demnach auch über kein Bundeswahlrecht verfügen, fällt die Zulassung und Registrierung der Wähler den Einzelstaaten zu.[37] Erst seit Mitte der 1960er Jahre kann der Bund in einzelnen Fällen eingreifen und beispielsweise durch Gesetze wie den Voting Rights Act Wähler zentral registrieren.[38] Die Ausweitung und langsam fortschreitende Demokratisierung des Wahlrechts auf immer größere Teile der Bevölkerung sowie der Abbau von Restriktionen zur Verhinderung der Registrierung einzelner Bevölkerungsgruppen sind problematische Kapitel der amerikanischen Geschichte, die hier nicht näher ausgeführt werden können, aber in diesem Zusammenhang doch erwähnt werden müssen.[39]
Zusammenfassend kann im Hinblick auf die Fragestellung festgehalten werden, dass durch die getrennt ablaufenden Wahlen von Kongress (Legislative) und Präsident (Exekutive) die Möglichkeit gegeben ist, dass beide Gewalten in der Hand unterschiedlicher Parteien liegen können. Wie in einem solchen Fall eine konstruktive Politik zustande kommen kann, wird im Hauptteil der Arbeit, der auf zahlreiche Beispiele eingeht, zu diskutieren sein.
2.5 Gegenseitige Kontrolle durch Hemmungen und Gleichgewichte
Nachdem die beiden getrennten Gewalten der Legislative und der Exekutive sowie deren Wahlmodi vorgestellt worden sind, eröffnet sich im Folgenden die Frage nach deren Verhältnismäßigkeit. Anders als in einem parlamentarischen Regierungssystem gibt es keine direkte Einwirkungsmöglichkeit des Kongresses auf den Präsidenten bei einer politischen Meinungsverschiedenheit.[40] Auch hat umgekehrt der Präsident in der politischen Auseinandersetzung mit dem Kongress keine Instrumente der Disziplinierung, wie zum Beispiel die Möglichkeit einer Auflösung des Kongresses oder der Festsetzung von Neuwahlen.[41] Um aber einerseits aktive Politik gestalten zu können und andererseits die gegenseitige Kontrolle zu gewährleisten und Machtmissbrauch zu verhindern, existiert ein System von Hemmungen und Gleichgewichten (checks and balances), welches eine zu große Machtfülle einer Gewalt verhindern soll. Obwohl einige dieser politischen Regelungen bereits in den vorangegangenen Kapiteln angesprochen worden sind, sollen auf die wichtigsten an dieser Stelle, auch im Hinblick auf die judikative Gewalt, noch einmal näher eingegangen werden.
Zunächst muss hier die Hauptaufgabe des Kongresses, die Gesetzgebung (legislation) benannt werden. Das Verfahren, ein Gesetz auf den Weg zu bringen und für rechtskräftig zu erklären, funktioniert laut Artikel I Absatz 7 der US-amerikanischen Verfassung folgendermaßen: Eine Gesetzesinitiative (bill) geht von einem Kongressmitglied aus und wird, je nach Themengebiet, in den dafür zuständigen Ausschuss (committee) entsendet. Der Vorsitzende dieses Ausschusses (chairman) gilt an dieser Stelle als mächtige Figur, weil er darüber entscheidet, ob der Initiative weiterhin nachgegangen wird oder ob sie bereits, wie in den überwiegenden Fällen, in dieser frühen Phase des Verfahrens scheitern wird.[42] In einem positiven Fall berät der jeweilige Ausschuss über die bill, diskutiert sie und nimmt gegebenenfalls Änderungen vor. Als nächsten Schritt muss der Kongress eine Mehrheit in beiden Häusern für die vorliegende Gesetzesinitiative finden. Manchmal kommt es vor, dass der Senat und das Repräsentantenhaus unabhängig von einander einen ähnlichen Entwurf ausgearbeitet haben. Dann greift ein Vermittlungsausschuss (conference committee) ein, um einen Kompromiss zwischen beiden Häusern herzustellen.[43] Nach dieser Prozedur muss der Präsident als Exekutive das Gesetz unterzeichnen, damit es Rechtskräftigkeit erlangt. Er kann allerdings auch innerhalb von zehn Tagen von seinem Vetorecht (presidential veto) Gebrauch machen und das Gesetz blockieren. Dann gelangt das Gesetz zurück in den Kongress und das Veto kann mit einer Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern überstimmt werden. Sollte diese Mehrheit jedoch nicht erreicht werden, ist der Gesetzesentwurf gescheitert.[44] An diesem ersten Beispiel wird so das gegenseitige Kontrollieren und Einschränken der legislativen und exekutiven Gewalten deutlich.
Ein zweites Beispiel für das System der Hemmungen und Gleichgewichte ist das bereits erwähnte Amtsenthebungsverfahren (impeachment) gegen den Präsidenten, das vom Repräsentantenhaus in Gang gesetzt werden kann und mit der Zustimmung von zwei Dritteln der Senatoren abgeschlossen werden muss. Des Weiteren kann der Kongress die Einberufung eines Untersuchungsausschusses gegen ein Mitglied der Exekutive einleiten. Der Präsident selbst und sein engster Mitarbeiterstab des Weißen Hauses sind durch ein rechtliches Privileg (executive privilege) zwar vor solchen Anhörungen geschützt, doch ist dieses Instrument zur Kontrolle der Exekutive gefürchtet.[45]
Ein dritter Punkt ist die Haushaltsverabschiedung (power of the purse), die im Zuständigkeitsbereich des Kongresses liegt. Auch hier wird infolgedessen die Handlungsfreiheit und Macht des Präsidenten eingeschränkt.[46]
Eine vierte Kontrollfunktion des Kongresses bezieht sich auf die außenpolitischen Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika. Wenn der Präsident politische Bündnisse und Verträge mit anderen Staaten aushandelt bzw. vollzieht, bedürfen diese der Zustimmung von zwei Dritteln des Senats (treaty power). In diesem Zusammenhang muss auch die Kontroverse des Kriegsfalles angesprochen werden. Obwohl der Präsident der Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist, hat nur der Kongress das Recht Krieg zu erklären.[47] Trotzdem führten die Präsidenten Eisenhower und Johnson Kriege in Korea und Vietnam auch ohne Zustimmung des Kongresses, weil sie im Zuge der Machtausweitung der Exekutive das Recht des Kongresses aushöhlten. Als Reaktion darauf verabschiedete der Kongress im Jahre 1973 den War Powers Act, welcher dem Präsidenten gestattet, amerikanische Soldaten für einen bestimmten Zeitraum in einen Auslandseinsatz zu entsenden. Nach dieser Frist ist er allerdings gezwungen den Kongress zu konsultieren das weitere Vorgehen abzustimmen.[48]
Abschließend soll die Rolle der judikativen Gewalt der Vereinigten Staaten von Amerika, des Obersten Gerichtshofs (Supreme Court), angerissen werden. Die wesentliche Aufgabe des US-Gerichtes, das kein Normenkontrollverfahren – wie es in vielen europäischen Systemen vorhanden ist – kennt, ist die Verfassungsinterpretation: „If an appropriate case is brought before them, they can assess the constitutionality of any law passed, or action undertaken, by either the federal government or the state governments.”[49] Die neun Bundesrichter, die über die Fälle entscheiden, werden vom Präsidenten auf Lebenszeit ernannt (Artikel II, Absatz 2 der US-amerikanischen Verfassung). Diese direkte Einflussnahme der Exekutive auf das Personal am Supreme Court erfordert erneut eine Zustimmung der Senatoren mit einfacher Mehrheit.[50] Somit wird deutlich, dass auch der Oberste Gerichtshof, der sich weitgehend aus politischen Belangen heraushält, in das System der Hemmungen und Gleichgewichte eingebettet ist.
Als Zwischenfazit kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass das beschriebene System der gegenseitigen Kontrollen zwar einen Machtmissbrauch einzelner Gewalten verhindert, dass aber stets die Gefahr der Blockade und des politischen Stillstandes gegeben ist. Vor allem der Präsident als Regierungschef muss gute Strategien entwickeln, um seine Politik durchsetzen zu können.
2.6 Amerikanisches Wahlverhalten
In den bisherigen Ausführungen wurde deutlich, dass die Wähler in den getrennt ablaufenden Wahlen von Kongress und Präsidialamt auch häufig Kandidaten unterschiedlicher Parteien bevorzugen. Diese fehlende Kontinuität in ihrer Stimmabgabe soll im folgenden Kapitel näher beleuchtet werden. Dabei spielen ausschlaggebende Gründe für die Wahlentscheidungen sowie die sich daraus ergebenden Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte eine Rolle.
Zunächst beschreibt der Journalist Theodore H. White das traditionelle amerikanische Wählerverhalten als ein Spannungsfeld aus Vergangenheit und Zukunft. Der amerikanische Wähler versucht bei seiner Wahlentscheidung seine Vergangenheit und Tradition, zu der der soziale Status, die Vorurteile und das Wahlverhalten der Familie zählen, und seine Zukunftsvorstellungen und Wünsche abzuwägen.[51] Hierbei spielen Sehnsüchte, Ängste und vor allem individuelle Interessen eine gewichtige Rolle. Innerhalb dieser Schranken pendelt der Wähler somit hin und her und versucht so zu einer Entscheidung zu kommen, welche zur Wahl stehenden Kandidaten am ehesten seinen Vorstellungen entsprechen.
Ein weiterer Aspekt für seine Wahlentscheidung richtet sich nach der Herkunft und der politischen Tradition des Wählers. Während bis in die 1960er Jahre das regionale Wahlverhalten, welches aus der Geschichte Amerikas erwachsen ist, in vielen Landesteilen gut einzuschätzen war, ist dies in der jüngeren Vergangenheit relativ undurchsichtig geworden: „Die Bereitschaft zum Wechsel der Fronten ist gewachsen, die Wähler sind unberechenbarer geworden.“[52] Ein typisches Beispiel hierfür sind die amerikanischen Südstaaten, die über Jahrzehnte als Solid South von konservativen Demokraten beherrscht waren. Mit Einsetzen der Entwicklung der Bürgerrechtsbewegungen am Ende der 1950er Jahre, gefolgt von den Rassenunruhen und dem Beginn der Gleichberechtigung in den 1960er und frühen 1970er Jahren zeigte sich vor allem bei den Präsidentschaftswahlen in diesem Zeitraum, dass die Berechenbarkeit des Südens in Wahlen sukzessiv dahinschwand.
Bei den Wahlen von Exekutive und Legislative, die, wie in den vorherigen Kapiteln 2.2 und 2.4 beschrieben, stets am selben Wahltag stattfinden, ist das Phänomen der Stimmenaufspaltung (vote splitting oder ticket splitting) immer wieder zu erkennen. Dies meint ein unterschiedliches Abstimmungsverhalten bei den Wahlen der Kongressabgeordneten und den Präsidentschaftskandidaten.[53] Wie ist dies zu erklären? Wahlforscher geben hierfür oft die Begründung, dass beim Entscheidungsfindungsprozess des Wählers immer wieder die folgenden Aspekte in dieser Reihenfolge ausschlaggebend sind: Kandidaten – Themen – Parteiidentifikation.[54] Folglich sind die Persönlichkeit des Kandidaten sowie seine politischen Zielsetzungen beim Wähler absolut entscheidend. Politische Themen und Prinzipien und vor allem das Zugehörigkeitsgefühl zu einer politischen Partei spielen nur eine untergeordnete Rolle: „They [the voters] split their tickets among the two major political parties since all the candidates of one party do not represent what they think are the best alternatives.”[55]
Es bleibt dementsprechend festzuhalten, dass der amerikanische Wähler zunehmend zu einem rationalen Wahlverhalten tendiert: „Der Vormarsch des ticket splitting und die steigende Zahl der Wechselwähler […] signalisieren abnehmende Parteibindungen.“[56] Entscheidende Faktoren für die Auswahl eines Kandidaten – unabhängig davon, ob für das Präsidentenamt oder als Kongressabgeordneter antritt – sind dessen Ideen und Zielsetzungen, die er im Hinblick auf die jeweils aktuell vorherrschenden innen- und außenpolitischen Problematiken verfolgen will. Überschneiden sich diese mit den Interessen des Wählers und vertritt der Kandidat sie mit Überzeugung und Authentizität, so wird er die Stimme des Wählers gewinnen.
Als Konsequenz für den politischen Prozess ergibt sich daraus, dass feste Wählerkoalitionen, wie beispielsweise die von Franklin D. Roosevelt in den 1930er Jahren geschmiedete New Deal Coalition, im Wesentlichen bestehend aus weißen Südstaatlern, Schwarzen, Katholiken und Gewerkschaftlern, nicht mehr verfügbar sind. Als zuverlässige Garanten für den Wahl- und Politikerfolg eines Präsidenten gelten seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts andere Faktoren, da die unterschiedlichen Gruppierungen als Wechselwähler sich nicht mehr allein einer Partei für einen längeren Zeitraum zuordnen lassen.
Abschließend muss festgehalten werden, dass sich diese Entwicklung im amerikanischen Wählerverhalten letztendlich auch auf das Zusammenspiel zwischen Präsident und Kongress auswirkt. Um seine politischen Zielsetzungen in den stark fragmentierten Kongresshäusern zu verwirklichen, muss er die Fähigkeit besitzen, überparteiliche Koalitionen zu schmieden. Einzelheiten und ausführlichere Betrachtungen dazu werden im Hauptteil der Arbeit an konkreten Beispielen behandelt werden.
[...]
[1] Vgl. Hübner, Emil: Das Politische System der USA. Eine Einführung, München 52003, 109.
[2] Im weiteren Verlauf des Kapitels wird noch auf die Möglichkeiten der Einflussnahme des Präsidenten auf das Gesetzgebungsverfahren eingegangen. Außerdem werden die wichtigsten Funktionen, Befugnisse und Aufgabenbereiche sowie die Zusammensetzung der beiden Kongresshäuser in Kapitel 2.3 behandelt.
[3] Shell, Kurt L.: Kongress und Präsident, in: Lösche, Peter/von Loeffelholz, Hans-Dietrich (Hg.): Länderbericht USA, Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Band 401, Bonn 42004, 233.
[4] Vgl. Ashbee, Edward/Ashford, Nigel: US Politics Today, Manchester 1999, 90.
[5] Vgl. Ebd., 101.
[6] Lösche, Peter: Merkmale der Präsidialdemokratie, in: Informationen zur politischen Bildung. Das politische System der USA, Nr. 283, II/2004, 12.
[7] Hübner, Emil: Das Politische System der USA, 110.
[8] Ferner gibt es viele andere Strategien für den Präsidenten um auf den Kongress einzuwirken, die sowohl in Kapitel 2.5 und vor allem in Kapitel 3.5.1 ausführlicher behandelt werden.
[9] Shell, Kurt L.: Kongress und Präsident, 227.
[10] Vgl. Woll, Peter/Binstock, Robert H.: America’s Political System, New York 1979, 350.
[11] Vgl. Hübner, Emil: Das Politische System der USA, 132.
[12] Vgl. Ashbee, Edward/Ashford, Nigel: US Politics Today, 72.
[13] Vgl. Schantz, Harvey L.: The Presidential Selection Process, in: Ders. (Hg.): American Presidential Elections. Process, Policy, and Political Change, New York 1996, 13-22.
[14] Vgl. Ashbee, Edward/Ashford, Nigel : US Politics Today, 167f.
[15] Vgl. Schantz, Harvey L.: The Presidential Selection Process, 14.
[16] Vgl. Ashbee, Edward/Ashford, Nigel : US Politics Today, 168.
[17] Die politischen Auswirkungen eines solchen Falles werden in Kapitel 3.2 an Beispielen näher diskutiert.
[18] Ashbee, Edward/Ashford, Nigel : US Politics Today, 174.
[19] Vgl. Ebd., 176.
[20] Vgl. Woll, Peter/Binstock, Robert H.: America’s Political System, 255f.
[21] Ebd., 264.
[22] Vgl. Ashbee, Edward/Ashford, Nigel : US Politics Today, 69.
[23] Vgl. Ebd., 70f.
[24] Vgl. Ebd., 73.
[25] Vgl. Ebd., 74.
[26] Shell, Kurt L.: Kongress und Präsident, 212.
[27] Ashbee, Edward/Ashford, Nigel : US Politics Today, 178.
[28] Näheres hinzu findet sich in Kapitel 3.5 des Hauptteils, das unter anderem das Abstimmungsverhalten der Kongressabgeordneten im Hinblick auf die Fragestellung beleuchtet.
[29] Coyle, David C.: The United States Political System and How It Works, New York 1967, 69.
[30] Lösche, Peter: Kongress – Fragmentierte Legislative, in: Informationen zur politischen Bildung. Das politische System der USA, Nr. 283, II/2004, 28.
[31] Vgl. Coyle, David C.: The United States Political System and How It Works, 75.
[32] Vgl. Ashbee, Edward/Ashford, Nigel : US Politics Today, 73f.
[33] Vgl. Ebd., 74.
[34] Vgl. Ebd., 74.
[35] Vgl. Coleman, Kevin J. u.a.: Presidential Elections in the United States: A Primer, Huntington 2001, 15.
[36] Vgl. Ebd., 16.
[37] Vgl. Hübner, Emil: Das Politische System der USA, 79.
[38] Vgl. Coleman, Kevin J. u.a.: Presidential Elections in the United States, 48.
[39] Vgl. dazu Wasser, Hartmut/Eilfort, Michael: Politische Parteien und Wahlen, in: Lösche, Peter/von Loeffelholz, Hans-Dietrich (Hg.): Länderbericht USA, Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Band 401, Bonn 42004, 343f.
[40] Vgl. Hübner, Emil: Das Politische System der USA, 108.
[41] Vgl. Ebd., 108.
[42] Vgl. Ashbee, Edward/Ashford, Nigel : US Politics Today, 75f.
[43] Vgl. Woll, Peter/Binstock, Robert H.: America’s Political System, 287.
[44] Vgl. Ashbee, Edward/Ashford, Nigel : US Politics Today, 76.
[45] Vgl. Ebd., 71f.
[46] Vgl. Shell, Kurt L.: Kongress und Präsident, 216.
[47] Vgl. Ashbee, Edward/Ashford, Nigel : US Politics Today, 72.
[48] Vgl. Shell, Kurt L.: Kongress und Präsident, 221.
[49] Ashbee, Edward/Ashford, Nigel : US Politics Today, 50.
[50] Vgl. Ebd., 71.
[51] Vgl. White, Theodore H.: The Making of the President 1960, New York 1961, 211.
[52] Hübner, Emil: Das Politische System der USA, 89.
[53] Vgl. DeVries, Walter/Tarrance, Lance Jr.: The Ticket-Splitter. A New Force in American Politics, Grand Rapids 1972, 37.
[54] Vgl. Ebd., 90.
[55] Ebd., 122.
[56] Wasser, Hartmut/Eilfort, Michael: Politische Parteien und Wahlen, 336.
- Quote paper
- Tobias Kollmann (Author), 2006, Republikanische Präsidenten in Zeiten demokratischer Kongressmehrheit 1952-1994, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135405
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