Am Beispiel der Destination Hinterzarten soll untersucht werden, welche aktuellen und evtl. auch zukünftigen Herausforderungen die Akteure des Tourismus in Hinterzarten beschäftigen, und welche Strategien angewendet werden, um diesen Herausforderungen zu begegnen.
Die Forschungsfragen der vorliegenden Bachelorarbeit sollen somit lauten: "Welche Herausforderungen tun sich im Tourismus in Hinterzarten auf? Wie wird diesen Herausforderungen begegnet?“
Im Vorfeld ergeben sich neben der Forschungsfrage Fragen, wie z.B.: Haben alle Akteure die gleichen Herausforderungen? Wer entwickelt entsprechende Strategien? Welche Aspekte stellen keine Herausforderung dar? Die Beschäftigung mit Herausforderungen und Strategien der verschiedenen Akteure einer Destination kann dabei helfen, ein tieferes Verständnis für diese Destination zu entwickeln. Darüber hinaus könnten die Ergebnisse einen Ausgangspunkt für weitere Arbeiten darstellen und so zur Lösungsfindungen bzw. neuen Ansätzen und Strategien beitragen.
An dieser Stelle sei nochmals festgehalten, dass sich die Arbeit ausschließlich mit den Herausforderungen der Akteure in Hinterzarten beschäftigt. Der Hochschwarzwald bzw. der Schwarzwald wurden nicht als Untersuchungsgebiet ausgewählt, da dies im begrenzten Rahmen der Bachelorarbeit einen Informationsverlust zur Folge gehabt hätte. Der Ort Hinterzarten wurde bewusst gewählt, da er eine bekannte touristische Destination im Schwarzwald ist, welcher über eine gewisse Bandbreite an verschiedenen touristischen Angeboten verfügt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Forschungsgebiet Tourismus
2.1 Einordnung des Tourismus
2.2 Touristen
2.3 Touristische Anbieter & touristische Produkte
2.4 Touristische Destination
3. Forschungsgebiet Hinterzarten
3.1 Entwicklung des Tourismus in Hinterzarten
3.2 Hinterzarten als touristische Destination
3.2.1 Touristisches Angebot in Hinterzarten
3.2.2 Ortsbegehung Hinterzarten
3.3 Einbindung Hinterzartens in den Schwarzwald
4. Methodik
4.1 Identifikation allgemeiner Herausforderungen des Tourismus
4.2 Identifikation der Herausforderungen des Tourismus in Hinterzarten
4.3 Befragung von Experten des Tourismus in Hinterzarten
4.3.1 Identifikation von Experten
4.3.2 Erstellung eines Leitfadens für die Interviews
4.3.3 Durchführung der Experteninterviews
4.3.4 Auswertung der Experteninterviews ,
4.3.4.1 Auswertung der Transkripte mittels qualitativer Inhaltsanalyse
5. Identifikation allgemeiner Herausforderungen des Tourismus
5.1 Demographie
5.2 Ökonomie
5.3 Wertewandel
5.4 Ökologie/Umwelt
6. Zeitungsanalyse Hinterzarten
6.1 Corona und dessen Nachwirkungen
6.2 Krieg und neue Unsicherheiten
6.3 Fachkräftemangel
6.4 Neue Ansprüche
7. Kombination der Ergebnisse der Zeitungsanalyse und dem Modell von Steinecke
8. Ergebnisse der Expertenbefragungen
8.1 Keine Herausforderungen
8.1.1 Keine Herausforderungen im Bereich Wirtschaft
8.1.2 Keine Herausforderungen im Bereich Umwelt
8.1.3 Keine Herausforderungen im Bereich Wertewandel
8.1.4 Keine Herausforderungen im Bereich Demographie
8.2 Herausforderungen
8.2.1 Herausforderungen im Bereich Wirtschaft
8.2.2 Umweltbedingte Herausforderungen
8.2.3 Herausforderungen im Bereich Wertewandel
8.2.4 Herausforderungen im Bereich Demographie
8.3 Strategien
8.3.1 Strategien für Herausforderungen im wirtschaftlichen Bereich
8.3.2 Strategien für Herausforderungen im Bereich Umwelt
8.3.3 Strategien für Herausforderungen aus dem Bereich Wertewandel
8.3.4 Strategien für Herausforderungen aus dem Bereich Demographie
8.4 Fazit des Ergebnisteils der Expertenbefragungen
9. Diskussion der Ergebnisse der Expertenbefragungen
9.1 Corona
9.2 Nachfrageschwankungen
9.3 Umwelt
9.4 Wertewandel
10. Fazit
11. Anhang
11.1 Exemplarisches Transkript (T2)
11.2 Leitfadeninterview
11.3 Codier Schema
11.4 Quellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
„Ohne eine klare Strategie werden Herausforderungen zu Problemen und Probleme zu Katastrophen“ (John C. Maxwell). Die Feststellung Maxwells betont, welche Dringlichkeit die Entwicklung von Strategien hat. Dies gilt vor allem für einen Markt wie den des Tourismus, welcher ständigen Veränderungen durch gesellschaftliche, wirtschaftliche, technologische, politische und soziodemographische Prozesse unterliegt (vgl. Steinecke 2011: 293) und durch ein hochkompetitives Umfeld gekennzeichnet ist (vgl. Schmude und Namberger 2010: 133). Eine schnelle Anpassung und die Entwicklung von effektiven Strategien als Antwort auf Herausforderungen ist für die Anbieter von touristischen Produkten überlebenswichtig. In der tourismusgeographischen Literatur finden sich zahlreiche allgemeine Darstellungen zu den Herausforderungen im Tourismus. Strategien werden jedoch in diesem Zusammenhang kaum vorgestellt. Am Beispiel der Destination Hinterzarten soll daher untersucht werden, welche aktuellen und evtl. auch zukünftigen Herausforderungen die Akteure des Tourismus in Hinterzarten beschäftigen, und welche Strategien angewendet werden, um diesen Herausforderungen zu begegnen.
Die Forschungsfrage(n) der vorliegenden Bachelorarbeit soll somit lauten: „Welche Herausforderungen tun sich im Tourismus in Hinterzarten auf? Wie wird diesen Herausforderungen begegnet?“.
Im Vorfeld ergeben sich neben der Forschungsfrage Fragen, wie z.B.: Haben alle Akteure die gleichen Herausforderungen? Wer entwickelt entsprechende Strategien? Welche Aspekte stellen keine Herausforderung dar? Die Beschäftigung mit Herausforderungen und Strategien der verschiedenen Akteure einer Destination kann dabei helfen, ein tieferes Verständnis für diese Destination zu entwickeln. Darüber hinaus könnten die Ergebnisse einen Ausgangspunkt für weitere Arbeiten darstellen und so zur Lösungsfindungen bzw. neuen Ansätzen und Strategien beitragen.
An dieser Stelle sei nochmals festgehalten, dass sich die Arbeit ausschließlich mit den Herausforderungen der Akteure in Hinterzarten beschäftigt. Der Hochschwarzwald bzw. der Schwarzwald wurden nicht als Untersuchungsgebiet ausgewählt, da dies im begrenzten Rahmen der Bachelorarbeit einen Informationsverlust zur Folge gehabt hätte. Der Ort Hinterzarten wurde bewusst gewählt, da er eine bekannte touristische Destination im Schwarzwald ist, welcher über eine gewisse Bandbreite an verschiedenen touristischen Angeboten verfügt.
2. Forschungsgebiet Tourismus
Freyer (2011: 01) definiert Tourismus folgendermaßen: „Tourismus oder Fremdenverkehr umfasst den nationalen und internationalen Reiseverkehr, d.h. Verkehr von Reisenden (oder Touristen) zwischen Heimatort und Reiseziel, den vorübergehenden Aufenthalt (Orts-) Fremder am Reiseziel Ergänzend zu Freyers Definition kann der Definition der World Tourism Organisation (UNWTO) entnommen werden, dass es sich bei touristischen Aktivitäten um solche handelt, welche außerhalb des alltäglichen Umfeldes stattfinden und „nicht länger als ein Jahr ohne Unterbrechung“ (UNWTO 1993 in Schmude und Namberger 2015: 02) andauern. Tourismus kann auf unterschiedlichste Weise charakterisiert werden, z.B. nach Reisezweck, touristischem Produkt (z.B. Wintertourismus, Städtetourismus, Gesundheitstourismus usw.), Dauer, Herkunft und Zielgebiet, Transport und Arten von Unterbringungen (vgl. UNWTO 2010).
2.1 Einordnung des Tourismus
Der Tourismus gehört zum Dienstleistungssektor (vgl. Hopfinger 2007: 715) und wird als „Leitökonomie des 21. Jahrhunderts“ (ebd.) bezeichnet. Der Tourismus verzeichnet nicht nur eine enorme wirtschaftliche Bedeutung, sondern genießt auch einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert: Nach Steinecke handelt es sich in den Industrieländern beim Reisen inzwischen nahezu um ein „ungeschriebenes Bürgerrecht“ (Steinecke 2010: 05), welches teilweise schon als eine Art Grundbedürfnis empfunden wird (vgl. ebd.). Dies äußert sich bspw. in Umschreibungen wie: „die schönsten Tage des Jahres“ (Headerich 2020: 76, Steinecke 2010: 05), oder der Tatsache, dass man sich heutzutage eher für das Nicht-Reisen rechtfertigen muss als für das Reisen (vgl. Freyer 2015: 90). Die Auswirkungen des Coronavirus auf den Tourismussektor und die kollektive Sehnsucht nach dem Verreisen wird durch Schlagzeilen wie: „Endlich wieder Urlaub: Veranstalter erwarten Rekordsaison“ (Westfalen-Blatt 24.03.2022) oder „Corona Blues ade: Endlich wieder Urlaub“ (Fallstaff Travel 25.10.2021) unterstrichen. Die Schlagzeilen weisen sowohl auf die beschriebene gesellschaftliche Stellung hin als auch auf die Tatsache, dass das Reisen teilweise, wie von Steinecke beschrieben, als Grundbedürfnis angesehen wird. Andere Meinungen widersprechen dieser Einschätzung (siehe unten).
Die Motivation hinter dem „Urlaub machen“ oder „Verreisen“ kann verschiedenster Natur sein: Steinecke (2010: 30) erwähnt „die Wanderlust“ (ebd.) als einen „menschlichen Urtrieb“ (ebd.), den Ausdruck individueller Interessen (Erholung, Abstand zum Alltag) oder auch gesellschaftliche Normen (Positionierung im gesellschaftlichen und sozialen Raum, Demonstration eigener/gesellschaftlicher Werte sowie Zugehörigkeit) (vgl. Steinecke 2011: 47). Trotz der oben erwähnten Tatsache, dass das Reisen teilweise als Grundbedürfnis angesehen wird (vgl. Steinecke 2010: 30, Freyer 2015: 78) bemerkt Kreisel: „Bei all dem sollte nicht vergessen werden, dass Freizeit, Urlaub und Tourismus für große Teile der Weltbevölkerung bis heute noch kaum ein Thema sind.“ (Kreisel in Becker et al. 2004: 84).
Touristische Praktiken haben verschiedene Auswirkungen auf Räume und Gesellschaft: „die Bewegung im Raum [...], „die in den Quell- und Zielräumen vorhandenen natürlichen oder vom Menschen geschaffenen Strukturen sowie die von reisenden oder ortsansässigen Menschen in diesen Räumen ausgelösten Prozesse und Veränderungen, die ihrerseits wiederum auf Reisende und Bereiste zurückwirken und ihr (Reise-) Verhalten beeinflussen [.]“ (Hopfinger 2007: 717). Das beschriebene Zusammenspiel aus Menschen und Raum ist nach Hopfinger (2007: 717) „konstruierende[s] Element“ der Freizeit- und Tourismusgeografie, welche ein junger Zweig der Geographie ist (vgl. ebd.).
2.2 Touristen
Die UNWTO definiert Touristen als Besucher, die mindestens eine Nacht am besuchten Ort (vgl. Freyer 2011: 05) verbringen Touristen sind nach Steinecke durch folgende Merkmale gekennzeichnet: Sie sind ortsfremd, ihr Aufenthalt ist zeitlich begrenzt (umfasst jedoch mindestens eine Übernachtung), ebenso sind sie Konsumenten (ihr Aufenthalt verfolgt keine dauerhafte berufliche Tätigkeit) (vgl. Steinecke 2011: 12). In der Literatur ist zumeist die Rede vom „neuen Touristen“ (vgl. Hopfinger 2007: 726). Der neue Tourist ist in seinem Konsumverhalten „multioptional und hybrid“ (ebd.). Es ist nicht mehr möglich ein bestimmtes Konsummuster einer bestimmten Gesellschaftsschicht oder Klasse zuzuweisen (vgl. ebd.).
2.3 Touristische Anbieter und touristische Produkte
Angesichts der sich wandelnden Bedürfnisse und Anforderungen von Touristen sowie einer Abkehr vom sog. „Kaufhaustourismus“ (Hopfinger 2007: 725) der 1970'er-Jahre, hat sich auch die Angebotsseite gewandelt. Sie zeichnet sich trotz des Vorhandenseins einiger großer Unternehmen durch Differenz und Heterogenität aus (vgl. ebd.). Touristische Anbieter kennzeichnen sich durch ihr Angebot von Konsumgütern und Dienstleistungen, welche von Touristen nachgefragt werden. Ohne die touristische Nachfrage würden ihre Konsumgüter und Dienstleistungen nicht in einem nennenswerten Umfang existieren (vgl. UNWTO 2022). Die Anbieter sind verantwortlich für die Herstellung eines touristischen Produktes. Dieses besteht aus dem Leistungsbündel der verschiedenen touristischen Akteure. Mängel in einem Element des Leistungsbündels können die Qualität des gesamten Leistungsbündels beeinflussen (vgl. Steinecke 2011: 68). Das touristische Produkt ist weiterhin dadurch gekennzeichnet, dass es nicht lagerungs- und transportfähig ist, dass es unabhängig von der Nachfrage hohe Sicherungs- und Bereitstellungskosten veranschlagt und dass die Bereitstellung und die Nutzung der Leistung zeit- und ortsgleich stattfinden (vgl. Steinecke 2011: 69).
2.4 Touristische Destination
„Ein[e] [touristische Destination] ist ein physischer Raum mit oder ohne administrativen und/oder analytischen Grenzen, in dem ein Besucher übernachten kann. Es handelt sich um die Ansammlung [.] von Produkten und Dienstleistungen sowie von Aktivitäten und Erfahrungen entlang der touristischen Wertschöpfungskette.“ (UNWTO 2019: 22). Destinationen bilden die fundamentale Einheit bei der Analyse touristischer Phänomene (vgl. Zemla 2016: 02). Destinationen enthalten ursprüngliche Angebotsfaktoren bspw. Landschaft, Flora, Fauna sowie abgeleitete Angebotsfaktoren (vorhanden aufgrund der touristischen Entwicklung) bspw. Übernachtungsmöglichkeiten, Touristeninformationen usw. (vgl. Scherhag 2018).
3. Forschungsgebiet Hinterzarten
Hinterzarten ist eine Gemeinde im Südschwarzwald. Sie liegt circa 25 km östlich von Freiburg und 1400m über NN (vgl. Diercke Weltatlas 2008: 24). Die Gemeinde zählt zum Stand Juni 2021 2.611 Einwohner und verfügt über eine Fläche von 3.336,7 ha, von der 73% auf Waldfläche entfällt (vgl. Gemeinde Hinterzarten 2021). Die Landesanstalt für Umwelt in Baden- Württemberg beschreibt das Landschaftsbild Hinterzartens wie folgt: „Typische streubesiedelte Schwarzwaldlandschaft mit ausgedehnten Waldflächen, Hecken, Wiesen, Weiden und Feldern; Felslandschaften des Höllentales und der Ravenna-Schlucht; ökologisch zusammenhängender Raum von besonderer Eigenart, Vielfalt und Schönheit“ (ebd. 2022).
3.1 Entwicklung des Tourismus in Hinterzarten
Im Jahr 1148 wurde Hinterzarten erstmals urkundlich erwähnt, es kam zu großen Rodungen und einer Besiedlung durch Bauern. Bereits ab dem 13. JH wurde Hinterzarten aufgrund von Schwefelquellen zu einem beliebten Wallfahrtsort (vgl. Schwarzwaldregion 2022). Durch die Uhrmacherei, das alljährliche Treffen der Uhrmacher zur Jahresabrechnung in Hinterzarten, der Nutzung von Wirtshäusern in Hinterzarten als Pferdewechselstationen und dem Zuzug der Glashändler, erlangte Hinterzarten als Gemeinde große Bedeutung (vgl. Gemeinde Hinterzarten 2022). Ende des 19. JH kam es durch die Ankunft erster Sommerfrischler und dem Bau der Höllentalbahn zur touristischen Erschließung des Ortes (vgl. Schwarzwaldregion 2022, Gemeinde Hinterzarten 2022). In den 1950-1960er Jahren kam es zu einem starken Anstieg der Ankunftszahlen von Touristen. Amann (2009) beschreibt, dass die deutsche Farbfilmproduktion „Schwarzwaldmädel“ (1950) fast schon einen Marketingstreifen für den Schwarzwald darstellte. Der Film verbreite ein Bild von idyllischer Heimat, dichten Wäldern und „saftigen Wiesen“ (Amann 2009) und „beförderte damit die Schwarzwald-Hochkonjunktur“ (ebd.). Der Bau der ersten Sprungschanze 1923 und spätere (olympische) Siege des nordischen Kombinierers Georg Thoma sorgten weiterhin für einen hohen Bekanntheitsgrad Hinterzartens (vgl. Gemeinde Hinterzarten 2022). Der amtierende Bürgermeister Hinterzartens, Klaus-Michael Tatsch, bestätigt dies: „Der Name Georg Thoma hat den Schwarzwald erst richtig bekanntgemacht und den Tourismus ins Laufen gebracht [.]“ (SWR Sport 2022).
Die Aufzeichnungen des statistischen Landesamtes Baden-Württemberg über die Übernachtungen in Hinterzarten von 1984-2021 (vgl. Statistisches Landesamt Baden- Württemberg) bestätigen die touristische Beliebtheit des Ortes. Für das Jahr 1984 konnten 409.546 Übernachtungen verzeichnet werden. Die Übernachtungszahlen für die Jahre danach blieben in dieser Größenordnung. Der tiefste Wert (nach dem Wert des coronabedingten Einbruchs im Jahr 2021 mit 339.814 Übernachtungen) lag bei 385.937 Übernachtungen im Jahr 1998. Im Rekordjahr 2019 konnten für die Gemeinde Hinterzarten 499.515 Übernachtungen, davon 175.191 von Gästen mit Wohnsitz im Ausland, vermerkt werden (vgl. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg). Der Statistik ist weiterhin zu entnehmen, dass die Aufenthaltsdauer absank: 1984 betrug die durchschnittliche Aufenthaltsdauer sechs Tage, während sie 2021 vier Tage betrug. Selbst im Rekordjahr 2019 betrug die durchschnittliche Aufenthaltsdauer 3,7 Tage. Bei gleichzeitig hohen Übernachtungszahlen dürfte die Abnahme der Aufenthaltsdauer mit dem Trend zu Zweit- oder Drittreisen zu begründen sein (vgl. Kreisel in Becker et al. 2004: 75).
3.2 Hinterzarten als touristische Destination
„Hinterzarten ist das St. Moritz des Südschwarzwaldes.“ (Erdenbrink o.J.: 20). In vielen Reiseführern wird Hinterzarten als eine Destination des Wintertourismus vorgestellt (vgl. Erdenbrink o.J.: 20; Bail 2016: 54; Abel 2022: 229). Vor Ort können Touristen „Winterromantik, Hüttenzauber, Winterwanderwege und schöne Loipen“ (Erdenbrink: 20) erleben. Weiterhin werden im Sinne der Sommerfrische die vielfältigen Wanderwege („Premiumwanderwege“ (Abel 2022: 230), „Schwarzwälder Genießerpfade“ (Mein Schwarzwald 2020: 61) beworben. Häufig werden in den entsprechenden Reiseführern Outdoor-Aktivitäten direkt mit kulinarischen Erlebnissen in Verbindung gebracht. So wird z.B. der Mathislehof mit seinem „urigen Vesperladen“ (Abel 2022: 233) am Wanderweg zum Oberzartner Weiher, der Ospelehof mit seinem „Bio-Hofladen in Panoramalage“ (ebd.) oder der neue Säbelthoma- Wanderweg mit seiner eigenen „Milchhisli“ (Mein Schwarzwald 2020: 61) beschrieben. Das „Natur-Erleben“ (Schwarzwald-Tourismus Info 2022) ist auf diese Weise mit verschiedenen Sinnen möglich und nach Abele (2022: 235) „ein Beispiel gelebter Schwarzwälder Produktkultur“.
3.2.1 Touristisches Angebot in Hinterzarten
Auf der Tourismus-Website der Gemeinde Hinterzarten sowie auf derjenigen der Schwarzwald Tourismus GmbH wird Hinterzarten durch seine Wanderwege, die hochwertigen Wellness- und Gesundheitsangebote und sein „Niemals-langweilig-Umfeld“ (Gemeinde Hinterzarten 2022) beworben. Als sehenswerte Orte in Hinterzarten werden der Genießerpfad Säbelthomaweg, das Hochmoor, der Mathisleweiher, das Skimuseum sowie die Skisprungschanzen (vgl. ebd.) genannt. Die Gemeinde informiert darüber hinaus auf der Tourismus-Website über täglich stattfindende Angebote und Events (z.B. Kutschfahrten, Sonderausstellungen, Tanznachmittage, Bauernmärkte, Konzerte, Schneeschuhwanderungen usw.) (vgl. Gemeinde Hinterzarten 2022).
3.2.2 Ortsbegehung Hinterzarten
Um ein Gefühl für die Destination Hinterzarten und die touristischen Strukturen vor Ort zu erhalten, wurde eine zweistündige Ortsbegehung am 23.11.2022, vormittags, durchgeführt: Die starke touristische Prägung Hinterzartens fiel ebenso auf wie die als besonders rein und frisch empfundene Luft.
Im Ortskern befinden sich viele Hotels, Ferienhäuser und kleine Geschäfte des täglichen Bedarfs (Bäckerei, Metzger, Bank usw.). Souvenirgeschäfte und Anbieter Schwarzwälder Delikatessen sind ebenfalls vorhanden. Es finden sich jedoch wenige Geschäfte, die Waren oder Dienstleistungen anbieten, die über den touristischen Bedarf im direkten Sinne hinausgehen. Weiterhin gibt es sowohl für Autos als auch für Fahrräder E-Ladestationen. Das Tourismusinformationszentrum liegt direkt zusammen mit dem Hauptsitz der Hochschwarzwald GmbH im Ortskern. Das Tourismusinformationszentrum bietet großzügige Öffnungszeiten (9-17 Uhr) und versorgt die Besucher bereits im Eingangsbereich mit einer Vielzahl von Prospekten und Flyern zu Hinterzarten und dem Hochschwarzwald. Die Informationsflyer beziehen sich jeweils auf verschiedene Themen wie z.B. den Säbelthomaweg, die Hochschwarzwaldcard, Kulinarik usw. Die Infomaterialien sind insgesamt modern und ansprechend aufbereitet.
In vielen Bereichen (Straßennamen, Schule, Infotafeln usw.) fallen Bezüge zu Hinterzartens Verbindung zum Skisport auf. Am Horizont des Ortes sind die Skisprungschanzen unverkennbar. Die Identität Hinterzartens scheint nicht nur durch den Wintersport geprägt zu sein, sondern auch durch den Schwarzwald: Nahezu jedes Geschäft bietet Produkte mit Bezug zum Schwarzwald an (von der Herkunft, als auch symbolisch dargestellt durch den roten Bollenhut). Die Gerichte der Speisekarten weisen ebenfalls ein starkes Schwarzwaldthema auf (zumeist gekennzeichnet mit „regional“ oder „aus der Region“ oder der ortsgenauen Herkunft der Produkte).
Im Ort sind bereits am Vormittag viele Touristen mit Rucksäcken und Wanderstöcken unterwegs. Bei einem Rundgang durch den Ort fällt das breite und vielfältige Beherbergungsangebot Hinterzartens auf: Es gibt zahlreiche Ferienhäuser, Übernachtungsmöglichkeiten auf dem Bauernhof, 3 Sterne Hotels, Hotel Garnis oder auch 4 Sterne Superior bzw. 5 Sterne Häuser. Das Angebot der 4 Sterne Superior und 5 Sterne Häuser ist sehr umfangreich (vielfältige Verwöhnprogramme inkl. Specials, wie einem frühen Poolfrühstück, Teatime, bis zu 18 Sauna- und Poolmöglichkeiten in einem Haus, Mehrgangmenüs usw.) und scheint, den parkenden Autos nach zu urteilen, eine wohlhabende Klientel anzulocken. Viele Hotels bieten auch begleitete Wandertouren an.
Besonders auffällig war die scheinbar hohe Belegung der Ferienhäuser und Hotels trotz der Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Ortsbegehung (23.11.2022) kein Feiertag war oder Schulferien stattfanden.
3.3 Einbindung Hinterzartens in den Schwarzwald
Hinterzarten ist Mitglied der Hochschwarzwaldtourismus GmbH und der Schwarzwald Tourismus GmbH. Die Hochschwarzwaldtourismus GmbH bzw. die Schwarzwald Tourismus GmbH sind regionale Tourismusorganisationen (vgl. May in Becker et al. 2004: 400) und zuständig für Marketing, Entwicklung sowie Vernetzung der Destinationen im Hochschwarzwald bzw. Schwarzwald (vgl. Schwarzwald Tourismus GmbH 2022). Eine Vernetzung der Orte im Schwarzwald findet bspw. über die KONUS-Gästekarte statt (Karte zur freien Nutzung des ÖPNVs). Die durch den Slogan „Erlebnis-Reich“ (Mein Schwarzwald 2020b: 33) beworbene „Hochschwarzwaldcard“ ist eine Vorteilskarte mit Rabatten und Gratisbesuchen für ausgewählte Attraktionen. Hinterzarten ist weiterhin Teil des Naturparks Südschwarzwald (vgl. Naturpark Südschwarzwald 2022). Der Naturpark Südschwarzwald kümmert sich „um den Erhalt, die Pflege und die Entwicklung der Erholungslandschaft.“ (ebd.).
4. Methodik
Drei Zwischenziele sollen dabei helfen, die Forschungsfrage: „Welche Herausforderungen tun sich im Tourismus in Hinterzarten auf? Wie wird diesen Herausforderungen begegnet?“ zu beantworten:
a) Identifizierung allgemeiner Herausforderungen im Tourismus (4.1)
b) Identifizierung der Herausforderungen des Tourismus in Hinterzarten (4.2)
c) Befragung von Tourismusexperten in Hinterzarten auf Basis der Ergebnisse der Zwischenziele a) und b) (4.3)
4.1 Identifizierung allgemeiner Herausforderungen des Tourismus
Zur Identifizierung allgemeiner Herausforderungen des Tourismus wurde ein Modell des Tourismusgeographen Steinecke (2011: 293) herangezogen.
4.2 Identifizierung der Herausforderungen des Tourismus in Hinterzarten
Die Identifizierung der Herausforderungen des Tourismus in Hinterzarten erfolgte auf Basis einer Zeitungsanalyse. Im Rahmen der Zeitungsanalyse wurden sieben Onlineartikel aus dem Zeitraum 19.09.2019-20.10.20222 zum Thema Herausforderungen des Tourismus in Hinterzarten analysiert.
4.3 Befragung von Experten des Tourismus in Hinterzarten auf Basis von Ergebnissen der Zwischenziele a) und b)
Die Ergebnisse der Zwischenziele a) und b) sollten die Grundlage für die Expertenbefragung darstellen.
4.3.1 Identifizierung von Experten
Nach der Definition von Meuser und Nagel (1997: 484) gilt: „Als Experte gilt jemand, der auf einem begrenzten Gebiet über klares und abrufbares Wissen verfügt. Seine Ansichten gründen auf sicheren Behauptungen und seine Urteile sind keine bloße Raterei oder unverbindliche Annahmen[.]“. Nach Meuser und Nagel (vgl. 1997: 443) hängt der Expertenstatus vom Forschungsgegenstand ab.
Um Experten für den Tourismus in Hinterzarten zu finden, wurde zunächst eine Übersicht über touristische Anbieter und Verantwortliche für den Tourismus in Hinterzarten erstellt. Auf diese Weise konnten verschiedene Akteure, wie z.B. Hoteliers, Vermieter von Ferienwohnungen, Gastronomen, Vermittelnde, verwaltende und planerische Akteure, wie z.B. Mitarbeiter der Hochschwarzwald GmbH, Vorsitzende von touristischen Zusammenschlüssen oder von Vereinen, ausfindig gemacht werden. Nach der Bestandsaufnahme wurden mögliche Experten per E-Mail oder telefonisch kontaktiert. Von 14 kontaktierten möglichen Experten waren 5 zu einem Interview bereit. Aus denjenigen Experten, die für ein Interview zugesagt hatten, ergaben sich Vertreter folgender Positionen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Aufstellung der befragten Experten
4.3.2 Erstellung eines Leitfadens für die Interviews
Um theoretische Grundlagen miteinzubeziehen und dem Interview eine Struktur zu geben, wurde beschlossen, die Interviews in vier Themenblöcke aufzuteilen, entsprechend dem Modell von Steinecke, welches unten (Abschnitt 5) näher vorgestellt wird (Wirtschaft, Umwelt, Demographie und Wertewandel). Danach wurde das Modell von Steinecke mit den Erkenntnissen der Zeitungsartikelanalyse kombiniert. Die Erkenntnisse dieser Kombination wurden dann in einer Ergebnistabelle festgehalten (siehe Abschnitt 7, Tabelle 1). Diese Erkenntnisse wurden sodann den vier Themenblöcken des Leitfadeninterviews thematisch passend zugeordnet und dienten der Verfeinerung der Basisgliederung. Die Verfeinerung der Themenblöcke sollte eine möglichst genaue und zielführende Interviewführung ermöglichen.
4.3.3 Durchführung der Experteninterviews
Die Experteninterviews wurden entweder per Video-Chat (Zoom oder Microsoft Teams), persönlich vor Ort, oder auch telefonisch durchgeführt. Bevor das Interview begann, wurden die Experten nach ihrem Einverständnis zur Aufzeichnung gefragt. Die Basis der Experteninterviews stellte der bereits oben beschriebene Leitfaden dar. In manchen Themenblöcken wurden, abhängig von der Erzählmenge und Ergiebigkeit der Informationen der Experten, detaillierter nachgefragt. In einigen wenigen Situationen mussten Fragen übersprungen werden, da nach eigener Einschätzung des Experten in diesem Bereich keine konkreten Erfahrungen vorlagen. Das Vertiefen und teilweise auch das Umgehen von einzelnen Fragen sind dabei nach Mayer (2009: 37) wesentliche Elemente des Leitfadeninterviews
4.3.4 Auswertung der Experteninterviews
Nach Aufzeichnung der Experteninterviews wurden die Audiodateien verschriftlicht (transkribiert). Eine Transkription ist dabei jedoch keine neutrale Wiedergabe des Gesagten, sondern enthält nach Mattissek und Reuber (2013: 191) eine erste Interpretation, da bereits eine Reduktion der Primär- und Sekundärdaten (Gesprochenes Wort und Tonbandaufnahme) durch die Niederschrift vorliegt. Die Tonbandaufnahmen wurden möglichst nah am Schriftdeutschen transkribiert, da in den geführten Interviews vor allem die Sachinformation von Interesse war. Um die Lesbarkeit zu verbessern, wurden Satzbaufehler behoben. Einleitende Worte, Verabschiedungen und sehr ausschweifende Erzähleinleitungen wurden ausgelassen, um eine gut erschließbare Transkription zu erhalten (vgl. Mattissek und Reuber 2013: 194).
4.3.4.1 Auswertung der Transkripte mittels qualitativer Inhaltsanalyse.
Die Transkripte wurden mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse (inhaltlich strukturierende Inhaltsanalyse) nach Kuckartz (2022) erschlossen. Die qualitative Inhaltsanalyse wird von Kuckartz für eigenständig erhobene Daten als qualitative Auswertungsmethode empfohlen, weil sie ein konkretes methodisches Vorgehen ermöglicht, das die Daten in ihrer Gänze analysiert (vgl. Kuckartz 2022: 33).
Die von Kuckartz empfohlenen Schritte der qualitativen Inhaltsanalyse wurden auf die Transkripte wie folgt angewendet:
Schritt 1: Initiierende Textarbeit:
Die initiierende Textarbeit wird von Kuckartz (2022: 119, auch Lamnek und Krell 2016: 200) als einleitender Schritt der qualitativen Inhaltsanalyse empfohlen. Ziel ist es, einen Überblick über das Datenmaterial zu erlangen, erste mögliche Kategorien und relevante Themen zu erkennen und auf mögliche überraschende Befunde aufmerksam zu werden (vgl. Kuckartz 2022: 122). Die Transkripte wurden intensiv gelesen, zentrale Begriffe, welche im Bezug auf die Forschungsfrage wichtig erschienen, wurden markiert. Um die jeweiligen Transkripte in ihren Entstehungskontext einzuordnen, wurden Notizen zur interviewten Person und dem Entstehungskontext beigefügt (vgl. Flick in Mattissek und Reuber 2013: 202).
Schritt 2: Entwicklung von Hauptkategorien:
Im zweiten Schritt sollen die Hauptkategorien entwickelt werden (vgl. Kuckartz 2022: 133). Kuckartz schlägt vor, die Hauptkategorien direkt aus der Forschungsfrage, dem „theoretischem Bezugsrahmen“(ebd.) oder dem Leitfadeninterview abzuleiten (vgl. ebd.). Um das erhobene Datenmaterial auszuwerten, wurden zwei Modelle für mögliche Hauptkategorien entwickelt: Das erste Modell bezog die Hauptkategorien aus der Forschungsfrage. Die entsprechenden Hauptkategorien waren nach dem ersten Modell: Herausforderung, keine Herausforderung, Strategien. Das zweite Modell bezog die Hauptkategorien aus den Themenblöcken des Leitfadeninterviews. Die Hauptkategorien bestanden nach dem zweiten Modell aus: Wirtschaft, Umwelt, Wertewandel und Demographie.
Schritt 3: Codierung der Transkripte anhand von Hauptkategorien:
Im dritten Schritt soll das Material anhand der in Schritt 2 entwickelten Hauptkategorien codiert werden. Die Textabschnitte der Transkripte wurden jeweiligen Hauptkategorien thematisch entsprechend zugeordnet (vgl. Kuckartz 2022: 134). Um beide in Schritt 2 entwickelten Modelle zu testen, wurde dieser Schritt zweimal ausgeführt. Die Wahl für das Hauptkategorienmodell fiel auf jenes Model, welches Bezug auf die Forschungsfrage nahm. Das Modell hatte die Hauptkategorien: Keine Herausforderung, Herausforderung und Strategien. In Bezug auf die Forschungsfrage und die spätere Gliederung des Ergebnisteils (vgl. Kuckartz 2022: 135) schien dieses Modell am zielführendsten.
Schritt 4: Induktive Subkategorienbildung:
Im vierten Schritt soll es darum gehen, die Hauptkategorien weiter auszudifferenzieren (vgl. Kuckartz 2022: 138). Dazu wurden die Subkategorien deduktiv gebildet. Eine deduktive Subkategorienbildung kann nach Kuckartz bspw. anhand des Interviewleitfadens geschehen (vgl. ebd.). Aus dem Interviewleitfaden wurden daher die Subkategorien Wirtschaft, Umwelt, Wertewandel und Demographischer Wandel abgeleitet. Die bestehenden Hauptkategorien (Herausforderung, keine Herausforderung, Strategie) wurden durch die aus dem Leitfaden abgeleiteten Subkategorien (Wirtschaft, Ökologie, Demographischer Wandel, Wertewandel) somit differenziert.
Schritt 5: Zweiter Codierungsprozess:
In einem zweiten Codierungsprozess soll nun das erarbeitete Schema aus Haupt- und Subkategorien angewandt werden. Nach Kuckartz (2022: 142) ist es möglich, dass bestehende Subkategorien ggf. erweitert und präzisiert werden müssen (vgl. ebd.). Eine weitere Präzisierung musste lediglich bei zwei Subkategorien vorgenommen werden. Die Hauptkategorien und die Subkategorien wurden tabellarisch festgehalten und jeweils mit Definition, Beispiel und Codierregel versehen. Die Tabelle entspricht dem Codierleitfaden, der eine genaue Zuordnung von Textpassagen der Transkripte zu den entsprechenden Kategorien ermöglicht. Der Codierleitfaden kann im Anhang eingesehen werden.
Die Ergebnisse der Experteninterviews werden in Abschnitt 8 vorgestellt.
5. Identifizierung allgemeiner Herausforderungen im Tourismus
Zur Identifizierung allgemeiner Herausforderungen im Tourismus wurde ein Modell des Geographen Steinecke aus seinem Werk „Tourismus“ (2011) herangezogen. Das Modell zeigt vier Steuerungsfaktoren (Ökonomie, Ökologie, Wertewandel und Demographie) auf, welche jeweils miteinander verzahnt sind (vgl. Steinecke 2011: 293). Jeder einzelne Steuerungsfaktor führt nach Steinecke zu „Veränderung der Reisemotive, des Reiseverhaltens und der touristischen Raumstruktur“ (2011: 293). Mit Hilfe der Ausführungen Steineckes und denen weiterer Tourismusgeographen sollen diese Steuerungsfaktoren, inklusive der durch sie ausgelösten Veränderungen, zunächst ausgeführt und konkretisiert werden. Anschließend sollen die aus den beschriebenen Umständen resultierenden Herausforderungen für den Tourismus abgeleitet werden. Es wird ausschließlich auf die Veränderungen eingegangen, die Steinecke in seinem Buch behandelt.
5.1 Demographie
Demographie bedeutet so viel wie die Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes der Bevölkerung (vgl. Thurich 2011). Steinecke beschränkt sich in seinen Ausführungen zum Steuerungsfaktor „Demographie“ auf die sich verändernde Altersstruktur in Deutschland und den damit verbundenen Folgen für den Tourismus.
Der Anteil der älteren Bevölkerung (älter als 65 Jahre) betrug im Jahr 2009 20%. Für das Jahr 2060 geht man von einem Anteil von 34% aus (vgl. Schmude und Namberger 2010: 134). Steinecke bezeichnet die Zielgruppe der Senioren als einen „Wachstumsmarkt“ (2011: 57). Es wird jedoch betont, dass diese keinesfalls eine einheitliche Zielgruppe bilden: So gibt es bspw. Personen, die gar nicht, andere wiederum stark auf Hilfestrukturen angewiesen sind (vgl. Hübner und Born 2000: 40). Steinecke schreibt der Zielgruppe folgende Eigenheiten zu: Überdurchschnittlich viele Alleinreisende, starke Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel, Nutzung von Angeboten von Reiseveranstaltern, geringere Saisonalität. Beliebte Urlaubsformen sind der Natur-, Wander-, Kultur- und Gesundheitstourismus (vgl. Steinecke 2011: 57). Hübner und Born (2000: 42) führen weiterhin an, dass diese Zielgruppe die Unterbringung im Hotel bevorzuge und großen Wert auf „Bequemlichkeit und Komfort“ lege (ebd.).
Die Vergrößerung dieser Nachfragegruppe bringt für touristische Anbieter neue Anforderungen und Herausforderungen mit sich, wie z.B . die Bereitstellung von geschultem Personal, da diese Zielgruppe überdurchschnittlich viel Wert auf Persönlichkeit, Wertschätzung und Service lege (vgl. Veres et al. 2018: 121). Wichtig ist ferner die Anpassung der bestehenden Infrastruktur an die Bedürfnisse älterer Touristen, bspw. Handläufe, geringere Einstiegshöhe der Dusche, barrierefreie Zugangsmöglichkeiten, usw. (vgl. Hübner und Born 2000: 40).
5.2 Ökonomie
Die hohe Nachfrage nach Freizeitgütern ist nach Steinecke auf Faktoren wie Globalisierung, Wirtschaftswachstum, Massenfreizeit und steigende Mobilität zurückzuführen. Weiterhin führt er an, dass die deutschen Haushalte seit den 1990ern mit „Gütern des langfristigen Bedarfs“ (ebd.) ausgestattet seien und ein Budget für Freizeitaktivitäten grundsätzlich vorhanden (vgl. Steinecke 2011: 294) sei. Der hohe Konsum an Freizeitgütern in den letzten Jahrzehnten führte zu einer Zunahme von Anbietern dieser Freizeitgüter. Gleichzeitig nahm die Reiseerfahrung der Touristen zu (vgl. Steinecke 2011: 294). Die Konkurrenzsituation der Anbieter und die hohe Reiseerfahrung führen zu einer gestiegenen Bedeutung des PreisLeistungs-Verhältnisses. Diese Entwicklung wird durch steigende Lebenshaltungskosten sowie steigende Kosten für Gesundheits- und Altersvorsorge verschärft (vgl. Steinecke 2011: 293). Auch die Angebotsseite würde von steigenden Kosten getroffen (vgl. ebd.). Zusätzlich komme es auf der Nachfrageseite zu einer „neuen sozialen Ungleichheit“ (Steinecke 2011: 289), die sich in einem zunehmenden Gegensatz zwischen Zeit-Wohlstand und KaufkraftWohlstand ausdrücke (vgl. ebd.). Steinecke schlussfolgert daraus, dass es Nachfragegruppen geben wird, die auf der einen Seite über ein hohes finanzielles Budget für Freizeitaktivitäten verfügen („The Strugglling Upper Class“), auf der anderen Seite aber ein geringes Freizeitbudget hat. Dem gegenüber existiert die Nachfragegruppe, die über ein hohes Budget an Freizeit verfügt, jedoch kein hohes finanzielles Budget zur Verfügung hat („Shredder and Downshifter“). Steinecke erwartet durch diese Entwicklung eine stärkere Polarisierung des Marktes in Billigurlaube und Luxusreisen (vgl. Steinecke 2011: 294).
Schlussfolgernd tun sich für den Tourismus folgende Herausforderungen auf: Erstens der Umgang mit steigenden Kosten. Die Weitegabe von gestiegenen Kosten ist in einem Markt, der von „preispolitischen Maßnahmen“ (Steinecke 2011: 289) und einem hohen Konkurrenzdruck geprägt ist, nicht ohne weiteres möglich. Zweitens der Umgang mit der Preissensibilität der Touristen. Nach Steinecke ist es notwendig, der gestiegenen Preissensibilität der Touristen (vgl. ebd.) Angebote gegenüberzustellen, die alle Kosten transparent aufzeigen und eine gewisse Produktsicherheit vermitteln (vgl. ebd.).
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- Johanna Blei (Author), 2023, Touristische Herausforderungen in Hinterzarten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1353831
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