Die vorliegende Arbeit beleuchtet die Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Gottesverständnis und im Heilsverständnis zwischen Islam und Christentum. Judentum, Islam und Christentum sind die drei großen monotheistischen Religionen dieser Welt. Jeder gläubige Anhänger einer dieser drei Religionen kann Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede zwischen dem eigenen Glauben und dem Glauben der anderen bemerken. Aus den Gemeinsamkeiten kann Gemeinschaft erwachsen – aus den Unterschieden aber kann Konflikt entstehen, wie es in der Geschichte oft geschehen ist und auch unsere Zeit prägt. Solche Konflikte jedoch stehen im Widerspruch zu den gemeinsam geglaubten Anteilen der Offenbarung und verdunkeln die Botschaft monotheistischer Religion überhaupt.
Unterschiede im Glauben können bei näherer Betrachtung nur dann zu Konflikten führen, wenn sie den jeweils anderen Gläubigen in seiner Glaubensidentität so tief verunsichern, dass er denkt, den Anhänger der anderen Religion verbal oder physisch bekämpfen zu müssen. Eine solche Dynamik des Konflikts ist jedoch alles andere als unausweichlich und bedingt immer den Missbrauch der eigenen Religion, denn Unterschiede im Glauben können – und sollen – vielmehr dazu führen, dass der Gläubige sein eigenes Verständnis schärft und nicht danach trachtet, das Verständnis des anderen zu negieren. Auf solcher Grundlage kann statt Konflikt vielmehr ein sehr fruchtbarer Dialog entstehen, der beiden Seiten zugute kommt.
Grundlegend für eine solche, positive Dynamik und die Überwindung von religiösen Konflikten ist zum einen eine tolerante Haltung gegenüber der jeweils anderen Glaubenswelt, zum anderen aber auch die nötige Demut, die eigene Vorstellung zwar für sich selbst als absolute Wahrheit zu erkennen, ohne diesen Anspruch dem anderen jedoch auch nur im Ansatz zuzumuten. Diese Aspekte versucht die Arbeit näher zu beleuchten.
Inhalt
A Einleitung
B Hauptteil
1 Gemeinsamkeiten zwischen Islam und Christentum
1.1 Gottesverständnis
1.2 Heilsverständnis
2 Unterschiede zwischen Islam und Christentum
2.1 Gottesverständnis
2.2 Heilsverständnis
3 Lektionen für den Dialog zwischen Islam und Christentum
C Schluss
A Einleitung
Judentum, Islam und Christentum sind die drei großen monotheistischen Religionen dieser Welt. Jeder gläubige Anhänger einer dieser drei Religionen kann Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede zwischen dem eigenen Glauben und dem Glauben der anderen bemerken. Aus den Gemeinsamkeiten kann Gemeinschaft erwachsen – aus den Unterschieden aber kann Konflikt entstehen, wie es in der Geschichte bedauerlich oft geschehen ist und auch unsere Zeit prägt. Solche Konflikte jedoch stehen im Widerspruch zu den gemeinsam geglaubten Anteilen der Offenbarung und verdunkeln die Botschaft monotheistischer Religion überhaupt.
Unterschiede im Glauben können bei näherer Betrachtung nur dann zu Konflikten führen (oder, was der häufigere Fall ist, bestehende politische Konflikte befeuern), wenn sie den jeweils anderen Gläubigen in seiner Glaubensidentität so tief verunsichern, dass er denkt, den Anhänger der anderen Religion verbal oder physisch bekämpfen zu müssen. Eine solche Dynamik des Konflikts ist jedoch alles andere als unausweichlich und bedingt immer den Missbrauch der eigenen Religion, denn Unterschiede im Glauben können – und sollen – vielmehr dazu führen, dass der Gläubige sein eigenes Verständnis schärft und nicht danach trachtet, das Verständnis des anderen zu negieren. Auf solcher Grundlage kann statt Konflikt vielmehr ein sehr fruchtbarer Dialog entstehen, der beiden Seiten zugute kommt.
Grundlegend für eine solche, positive Dynamik und die Überwindung von religiösen Konflikten ist zum einen eine tolerante Haltung gegenüber der jeweils anderen Glaubenswelt, zum anderen aber auch die nötige Demut, die eigene Vorstellung zwar für sich selbst als absolute Wahrheit zu erkennen, ohne diesen Anspruch dem anderen jedoch auch nur im Ansatz zuzumuten. Wie zwei Pfeiler tragen Toleranz und Demut eine Brücke der Vernunft über den vermeintlichen Abgrund zwischen beiden Religionen.
Diese Haltung von Toleranz und Demut kann sich beispielhaft inspirieren lassen durch eine Einsicht des Kirchenvaters Gregor von Nyssa: „Die ganze Lehre über das unaussprechliche Wesen, auch wenn sie durchaus gottwürdige und hohe Gedanken darzubieten scheint, ist nur Goldgleichnis, nicht Gold selbst. Denn es ist nicht möglich, das über alles Begreifen Gute wirklich anschaulich zu machen.“1
Während Gregor von Nyssa etwa 300 Jahre vor dem Aufkommen des Islams lebte und diesen folglich nicht gekannt haben kann, dachte Nicolaus Cusanus über 1000 Jahre später in seinem Werk De Pace Fidei konkret an den Islam, als er nach der Eroberung Konstantinopels durch die Türken in demselben Geist einen ähnlichen Gedanken formulierte: „ una religio in rituum varietate “ (eine Religion in unterschiedlichen Riten).2
Ähnliche Aussagen trafen auch islamische Gelehrte wie Muhiyuddin Muhammad Ibn Arabi: „Der Prophet (Allahs Segen und Frieden auf ihm) wurde gefragt: ‚Hast du deinen Herrn gesehen?‘, und er antwortete: ‚Er ist Licht. Wie sollte ich Ihn sehen? Der Schleier der Macht war noch gesenkt und wird niemals angehoben. Er ist zu gewaltig für das Auge, um sich über Ihn äußern zu können.‘ (…) Die Unfähigkeit, zur Erkenntnis zu gelangen, ist in sich selbst Erkenntnis.“3
Noch zurückhaltender und mystischer drückte es der sufische Gelehrte Maulana Jalalud Din Rumi al Balkhi ra aus: „Die Seele empfängt Gotteserkenntnis allein durch die Seele und nicht durch das Denken. Aus Sprache und Büchern kann Erkenntnis nicht sein, sie kommt nach der Leerheit im Denken.“4
Im Kern geht es um die sokratische Einsicht „Ich weiß, dass ich nichts weiß“5, dass also unser Nichtwissen von Gott unendlich größer ist als das Wenige, welches wir in den monotheistischen Religionen teilweise gemeinsam und teilweise unterschiedlich im Glauben aussagen können.
Die vorliegende Arbeit soll aus diesem Geist der Toleranz und Demut heraus im Folgenden exemplarisch die Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Gottesverständnis und im Heilsverständnis zwischen Islam und Christentum beleuchten.
B Hauptteil
Gottesverständnis und Heilsverständnis gehören zu den zentralen Aussagen und Grundfragen von Religion. Alle Religion kreist um Gott und um das Heil, weil dem Menschen – regelmäßig auch dem Ungläubigen – bewusst ist, dass sein Leben für sich genommen keineswegs heil ist. Die Gläubigen sehen Heilsmacht im Göttlichen, d.h. in der kosmischen im Unterschied zur menschlichen Existenz. Das Heil kommt nicht durch menschliche Unternehmung zustande, sondern ist Ausfluss göttlichen Seins und Wirkens.
Īmān ( إِيمان ) ist im Islam der Glaubensakt schlechthin, d.h. die „Überzeugung mit dem Herzen, das Aussprechen mit der Zunge und die Handlung mit dem Körper. Īmān kann nur bestehen, wenn diese drei Dinge vorhanden sind. Īmān steigt durch Gehorsam, fällt durch Sünde und kann fallen, bis nichts mehr von ihm übrigbleibt.“6
Diese Vorstellung korrespondiert sehr eng mit dem christlichen depositum fidei, dem Glaubensgut, welches die Kirche den Gläubigen in seiner Gesamtheit verpflichtend „vor Augen stellt“, wie es bspw. in den Texten des Zweiten Vatikanums immer wieder heißt,7 und welches gipfelt in dem Πιστεύομεν („Wir glauben an…“), d.h. in den Glaubenssätzen des Apostolischen Glaubensbekenntnisses sowie der christlichen Glaubensbekenntnisse der ersten Konzilien.8
Aus diesen Glaubensaussagen beider Religionen wollen wir im Folgenden schöpfen, um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Gottes- und Heilsverständnis zu beleuchten.
1 Gemeinsamkeiten zwischen Islam und Christentum
1.1 Gottesverständnis
Beide Religionen sind monotheistisch, d.h. sie glauben an einen alleinigen Gott. Im Islam wird dieses Prinzip als Tauhīd bezeichnet und ist u.a. in der Sure 6,151 ausgedrückt: „Geselle Ihm nichts in der Verehrung bei.“9 Man kann einen direkten Bezug mit dem ersten der Zehn Gebote der jüdisch-christlichen Bibel herstellen: „Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.“ (Ex 10,3)
In beiden Religionen ist Gott allmächtig, allwissend und allgegenwärtig. Die Sure 42,11 sagt aus: „Da gibt es nichts wie Ihn, und Er ist der Alles-Hörer und Alles-Seher.“10 Und die Sure 48,10 besagt: „Die Hand Allahs ist über ihren Händen.“11 In der Bibel lässt uns dies bspw. denken an das Wort Jesu Christi: „Verkauft man nicht fünf Spatzen für ein paar Pfennig? Und doch vergißt Gott nicht einen von ihnen. Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt.“ (Lk 12,6-7)
Beide Religionen sehen in Gott den Schöpfer des Alls und von allem. Tauhid ar-Rubūbiyyah (Allahs Einzigkeit in der Herrschaft) oder einfach Tauḥīd ( توح ) heißt dieses Glaubensprinzip im Islam: „Ich bezeuge, dass der Schöpfer des gesamten Universums mit den Sternen, den Planeten, der Sonne, dem Mond, dem Himmel, der Erde mit allen bekannten und unbekannten Formen des Lebens Allah ist. Er ist der Schöpfer und Planer aller Dinge und Abläufe. Er ist es, der Leben und Tod gibt, und Er ist es, der alles erhält und ihm Schutz verleiht.“12 Dieselbe Überzeugung spiegelt sich im Christentum in den einleitenden Sätzen aller Glaubensbekenntnisse, z.B. das Nizänische Glaubensbekenntnis aus dem Jahr 325: „Wir glauben an den einen Gott, den allmächtigen Vater, den Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren.“13
Beide Religionen betonen überdies die Bedeutung von Gottesliebe und Gottesdienst. Erkenntnis Gottes bis hin zu mystischer Vereinigung mit Gott ist gleichermaßen ein Leitmotiv beider Religionen. Von den traditionellen „99 schönsten Namen Gottes“ im Islam weist fast keiner einen Widerspruch zu göttlichen Bezeichnungen und Attributen der Bibel auf.14
Eine zentrale Eigenschaft Gottes für beide Religionen ist die Barmherzigkeit. „Im Namen Gottes, des barmherzigen Erbarmers“ – so lautet die Einleitung (fast) aller Suren des Korans.15 Dies lässt unmittelbar an die Aussage Jesu Christi denken: „Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!“ (Lk 6,36)
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1 Gregor von Nyssa, Auslegung des Hohenliedes 3, in: Alfons Heilmann / Heinrich Kraft, Texte der Kirchenväter, Eine Auswahl nach Themen geordnet, 1, München (Kösel), 1963, 37f.
2 Walter Andreas Euler, Una religio in rituum varietate: Der Beitrag des Nikolaus von Kues zur Theologie der Religionen, in: Jahrbuch für Religionswissenschaft und Theologie der Religionen, 3, Freiburg (Herder), 1995, 67-82.
3 Muhiyuddin Muhammad Ibn Arabi, Vom Wesen Gottes: Die Majestät und die Schönheit Allahs, Scotts Valley (Createspace Independent Publishing Platform), 2013, 21.
4 Zitate von Maulana Jalalud Din Rumi al Balkhi ra, https://talmeez.wordpress.com/2010/12/03/zitate-von-maulana-jalalud-din-rumi-al-balkhi-ra/ (26.01.2023).
5 Platon, Apologie des Sokrates, https://www.projekt-gutenberg.org/platon/apologie/apo004.html (27.01.2023)
6 Nasser Malik, Islam Fatwa, Glossar, https://islamfatwa.de/glossar/310-iman (26.01.2023).
7 Vgl. Karl Rahner / Herbert Vorgrimler, Kleines Konzilskompendium, Freiburg (Herder), 23, 1991.
8 Vgl. Heinrich Denzinger / Peter Hünermann, Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, Freiburg (Herder), 37, 1991.
9 Muhammad Taqi-ud-Din Al-Hilāli / Muhammad Muhsin Khan, Interpretation of the meanings of the noble Quar’ān in the English Language. Riad (Darussalam), 1998, 190, eigene Übersetzung.
10 Muhammad Taqi-ud-Din Al-Hilāli / Muhammad Muhsin Khan, Interpretation of the meanings of the noble Quar’ān, 784.
11 Ibid.
12 Muhammad Taqi-ud-Din Al-Hilāli / Muhammad Muhsin Khan, Interpretation of the meanings of the noble Quar’ān, 783.
13 Heinrich Denzinger / Peter Hünermann, Kompendium der Glaubensbekenntnisse, 62f.
14 Vgl. Andreas Renz, Islam (Lehrbrief 12). Theologie im Fernkurs / Domschule Würzburg, 2016, 48.
15 Vgl. Andreas Renz, Islam, 49, sowie Friedrich Rückert, Der Koran in der Übersetzung von Friedrich Rückert, Hrsg. Hartmut Bobzin. Mit erklärenden Anmerkungen von Wolfdietrich Fischer, Würzburg (Ergon), 2001.
- Citar trabajo
- Dr. Martin Heipertz (Autor), 2023, Islam und Christentum. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Gottes- und Heilsverständnis beider Religionen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1352475
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