Um die Antizipation bereits im Jugendalter als eine (mögliche) Determinante sportlicher Leistung in der Talentsichtung von Nachwuchsfußballern identifizieren zu können, müssten deutliche Leistungsunterschiede zwischen definierten Leistungsgruppen von Nachwuchsfußballern festgestellt werden. Nur minimale Unterschiede oder ein uneinheitliches Bild der Leistungsfaktoren Antizipationskorrektheit und Antizipationsleistung reichen nicht aus, um die notwendige Trennschärfe dokumentieren zu können. Diese Trennschärfe sollte im Rahmen der Studie herausgearbeitet werden, in dem der Leistungsfaktor Antizipation im Vergleich zwischen den Leistungsgruppen Hobbyfußballer, DFB-Stützpunktspieler und NLZ-Spieler in der Altersklasse der 10- bis 13-Jährigen untersucht wurde.
Im Rahmen eines Leistungstests bekamen die Versuchsteilnehmer (n = 93) unter Laborbedingungen Filmsequenzen unter Verwendung des Temporal-Occlusion-Paradigmas präsentiert. Die Filmsequenzen im Point-Light-Display-Format zeigten eine 1-gegen-1-Situation im Fußball, in der aus Verteidigersicht vorhergesagt werden sollte, ob Angreifer rechts oder links vorbeigehen. Die Stimulussequenzen waren bewusst so kurzgehalten, dass eine Entscheidung nur über die Antizipation der Bewegungsausführung der Angreifer möglich war. Da die Mannschaftssportart Fußball durch viele komplexe Spielsituationen geprägt ist, wurde auch überprüft, inwiefern sich eine Erhöhung der Situationskomplexität auf die Antizipationsleistung auswirkt. Dazu wurden in randomisierter Form Stimulussequenzen mit und ohne Täuschungshandlungen präsentiert.
Hinsichtlich der Leistungsunterschiede der Gruppen konnte kein einheitliches Bild gezeichnet werden. Zwar konnte mit Blick auf die durchschnittliche Anzahl der korrekten Antizipationsentscheidungen eine signifikant bessere Leistung der Expertengruppe NLZ-Spieler gezeigt werden. Wenn zum Faktor Antizipationskorrektheit aber der Faktor Antizipationsschnelligkeit zum Produkt Antizipationsleistung hinzugerechnet wird, wurde in der Bewegungsausführung ohne Täuschungshandlung kein signifikanter Leistungsunterschied dokumentiert. Bei Bewegungen mit Täuschungshandlung war die Leistung der mittleren Leistungsgruppe DFB-Stützpunktspieler sogar signifikant höher als bei der Expertengruppe NLZ-Spieler. Daher fehlt es an der notwendigen Trennschärfe, um Antizipation bereits im Jugendalter als eine (mögliche) Determinante sportlicher Leistung in der Talentsichtung von Nachwuchsfußballern zu identifizieren.
Inhaltsverzeichnis
- Zusammenfassung
- 1. Einleitung und Problemstellung
- 2. Theoretischer und empirischer Hintergrund
- 2.1 Problemstellung: Leistungsfaktoren im Fußball.
- 2.2 Leistungsfaktor Taktik.
- 2.3 Leistungsfaktor Technik
- 2.4 Leistungsfaktor Kondition
- 2.5 Verzahnung der Leistungsfaktoren
- 2.6 Leistungsfaktor Kognition?
- 2.7 Talentprognose des Leistungsfaktors Schnelligkeit.......
- 2.7.1 Leistungsfaktor Schnelligkeit.
- 2.7.2 Prospektive Talentdiagnose.....
- 2.7.3 Herausforderungen in der Talentprognose....
- 2.8 Leistungsfaktor Antizipation
- 2.9 Wahrnehmung
- 2.10 Wahrnehmungsprozesse
- 2.10.1 Bottom-up-Prozess.....
- 2.10.2 Perzeptuelle Organisation
- 2.10.3 Top-down-Prozess.
- 2.10.4 Wahrnehmungsebenen im Sport..\li>
- 2.10.4.1 Direkte Parameterwahrnehmung
- 2.10.4.2 Feature-Wahrnehmung
- 2.10.4.3 Wissensbasierte Wahrnehmung...\li>
- 2.10.5 Aufmerksamkeit........
- 2.10.5.1 Interne versus externale Aufmerksamkeitsfokussierung .....
- 2.10.5.2 Subprozesse der Aufmerksamkeit
- 2.10.6 Gedächtnis
- 2.10.6.1 Sensorisches Gedächtnis...\li>
- 2.10.6.2 Kurzzeitgedächtnis.........
- 2.10.6.3 Langzeitgedächtnis
- 2.10.6.4 Abruf von Gedächtnisinhalten........
- 2.10.6.5 Arbeitsgedächtnis...\li>
- 2.10.6.6 Informationsverarbeitung im Arbeitsgedächtnis
- 2.11 Analyse der perzeptuell-kognitiven Faktoren....
- 2.11.1 Laboratory Approach der Expertisenforschung...\li>
- 2.11.2 Temporal-Occlusion-Paradigma.
- 2.11.3 Point Light Display ......
- 3. Forschungshypothesen........
- 4. Methode......
- 4.1 Vorüberlegungen, Versuchsdesign und Versuchsplanung
- 4.1.1 Diagnostische Gütekriterien........
- 4.1.2 Operationalisierung, Versuchsdesign und Versuchsplanung
- 4.1.2.1 Informationsgehalt .......
- 4.1.2.2 Situationskomplexität.
- 4.1.2.3 Antizipationsschnelligkeit
- 4.1.2.4 Antizipationsleistung
- 4.1.2.5 Antizipationsschnelligkeit in den Leistungsgruppen
- 4.1.2.6 Alter und Erfahrung.
- 4.2 Empirisch-inhaltliche Hypothesen.
- 4.3 Stichprobe ......
- 4.4 Material, Geräte und Hilfsmittel.
- 4.5 Versuchsdurchführung..\li>
- 4.5.1 Testinstruktionen und Probeversuche..\li>
- 4.5.2 Testablauf....
- 4.5.3 Fragebogen..\li>
- 4.5.4 Tatsächlicher Testverlauf...\li>
- 4.6 Datenaufbereitung..\li>
- 4.7 Statistik
- 4.7.1 Statistische Kennzahlen
- 4.7.2 Statistische Methoden
- 4.7.2.1 Ausreißer...\li>
- 4.7.2.2 Normalverteilung...\li>
- 4.7.2.3 Inferenzstatistische Varianzanalyse (ANOVA)..\li>
- 4.7.2.4 Kruskal-Wallis-Test...\li>
- 4.7.2.5 T-Test für abhängige Stichproben
- 4.7.2.6 Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test.....
- 4.7.2.7 Zusammenhangshypothesen.
- 4.7.2.7.1 Persons-Produkt-Moment-Korrelation.
- 4.7.2.7.2 Bivariate Regressionsanalyse
- 4.7.2.7.3 Streudiagramm für Korrelation und Regressionsanalyse ......62
- 5. Ergebnisse
- 5.1 Deskriptive Analyse der Antizipationsentscheidungen......
- 5.2 Unterschiedshypothesen
- 5.2.1 Hypothese 1
- 5.2.2 Hypothese 2
- 5.2.3 Hypothese 3.
- 5.2.4 Hypothese 4.
- 5.2.5 Hypothese 5
- 5.2.6 Hypothese 6
- 5.2.7 Hypothese 7.......
- 5.3 Zusammenhangshypothesen....
- 5.3.1 Antizipationskorrektheit.....
- 5.3.1.1 Hypothese 1...…………………….\li>
- 5.3.1.2 Hypothese 2.......…………….\li>
- 5.3.1.3 Hypothese 3.....
- 5.3.1.4 Hypothese 4.....
- 5.3.2 Antizipationsleistung...\li>
- 5.3.2.1 Hypothese 1...…………………..\li>
- 5.3.2.2 Hypothese 2...\li>
- 5.3.2.3 Hypothese 3...…………………..\li>
- 5.3.2.4 Hypothese 4....
- Die Rolle der Antizipation in der sportlichen Leistung im Fußball
- Die Bedeutung der Antizipation für die Talentsichtung
- Die empirische Untersuchung der Antizipationsleistung von Nachwuchsfußballer*innen
- Die Analyse von Einflussfaktoren auf die Antizipationsleistung
- Die Entwicklung von Empfehlungen für die Praxis der Talentsichtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Masterarbeit untersucht die Antizipationsleistung von Nachwuchsfußballer*innen im Kontext der Talentsichtung. Die Arbeit analysiert, ob und inwiefern die Fähigkeit, Spielsituationen vorherzusehen und darauf zu reagieren, einen relevanten Faktor für die sportliche Leistungsentwicklung darstellt.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Problemstellung vor und erläutert den Forschungsstand zur Antizipation im Fußball. Das zweite Kapitel analysiert den theoretischen und empirischen Hintergrund, indem es die verschiedenen Leistungsfaktoren im Fußball beschreibt, insbesondere die Bedeutung der Kognition und die Herausforderungen der Talentprognose. Zudem wird der Zusammenhang zwischen Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Gedächtnis im Kontext der Antizipation erläutert. Kapitel 3 präsentiert die Forschungsfragen und Hypothesen der Arbeit. In Kapitel 4 werden die Methoden der Untersuchung, einschließlich der Stichprobe, des Versuchsdesigns und der statistischen Analyse, vorgestellt. Die Ergebnisse der Untersuchung werden in Kapitel 5 präsentiert. Abschließend diskutiert Kapitel 6 die Ergebnisse der Untersuchung im Hinblick auf die Forschungsfragen und Hypothesen. Die Diskussion beinhaltet zudem den Einfluss der Antizipation auf die Talentsichtung und Ausblicke für zukünftige Forschungsarbeiten.
Schlüsselwörter
Antizipation, Talentsichtung, Nachwuchsfußballer*innen, Leistungsfaktoren, Fußball, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Kognition, empirische Forschung, Talentprognose, Spielsituationen, Leistungserfassung
- Citation du texte
- Jens Kamm (Auteur), 2023, Antizipationsleistung von Nachwuchsfußballern. Sportliche Leistung in der Talentsichtung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1352225