Der Roman „Bleiweiß“ wurde von der Autorin Gabriele Weingartner verfasst und im Jahr 2000 veröffentlicht. Es handelt sich hierbei um ein Werk, welches deutsch – deutsche Verhältnisse widerspiegelt, die geprägt sind von Missverständnissen und Verletzungen. Der Protagonist Folke versucht, das östliche Paradies seiner Kindheit in seinem Bewusstsein zu rekonstruieren, wird dabei aber empfindlich von einem ehemaligen Bewohner dieses vermeintlichen Paradieses gestört. Es kommt zu einem Zusammentreffen, welches weitreichende Folgen für das weitere Leben des Protagonisten haben wird. Der Roman zeigt Spannungen zwischen Ost und West sowohl vor als auch nach der Wende auf, er schlägt einen zeitlichen Bogen von den späten 30er Jahren bis in die Gegenwart. Doch reicht diese zeitliche Ansiedlung rund um die Wende allein aus, um den Roman als Wenderoman zu betiteln?
Im Folgenden werde ich untersuchen, welche Bedeutung die Wende in dem Roman „Bleiweiß“ hat. Dabei werde ich aufzeigen, wie sich in dem Buch das Verhältnis von Personen aus Ost und West durch die Wende verändert. Aufbauend auf diese Untersuchungen werde ich der Frage nachgehen, ob „Bleiweiß“ als Wenderoman klassifiziert werden kann. Diese Fragestellung ist nahe liegend, da der Roman sowohl die Zeit vor der Wende als auch die Zeit danach behandelt und des Weiteren im Osten sowie im Westen angesiedelt ist.
Um die von mir gestellten Fragen beantworten zu können, werde ich zuerst Ernst und Folke als Repräsentanten von Ost und West analysieren. Dafür werde ich die sprachlichen und inhaltlichen Unterschiede zwischen diesen beiden Figuren untersuchen und die Figuren miteinander vergleichen. Daraufhin werde ich die Beziehung der beiden zueinander vor der Wende betrachten, um anschließend den Einfluss der Wende auf diese Beziehung zu kennzeichnen. Letzteres werde ich tun, indem ich das Verhältnis von Ernst und Folke nach der Wende untersuche. Abschließend werde ich versuchen, auf Basis der von mir gewonnen Erkenntnisse und einer eigenen Definition des Begriffes die Frage zu beantworten, ob es sich hier tatsächlich um einen Wenderoman handelt. Diese Art des Vorgehens bietet sich an, da sich die Frage nach einem Wenderoman am besten beantworten lässt, wenn man die Rolle der Wende im Roman untersucht. Bei „Bleiweiß“ eignen sich die beiden Figuren Ernst und Folke besonders gut für diese Art der Untersuchung. Sie haben beide tragende Rollen und werden ausführlich charakterisiert.
Gliederung
1 Einleitung
2 Ernst und Folke als Repräsentanten von Ost und West
2.1 Unterschiede auf sprachlicher Ebene
2.2 Unterschiede auf inhaltlicher Ebene
3 Begegnungen zwischen Ost und West
3.1 Vor der Wende
3.2 Nach der Wende
4 Inwieweit handelt es sich bei „Bleiweiß“ um einen Wenderoman?
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Der Roman „Bleiweiß“ wurde von der Autorin Gabriele Weingartner verfasst und im Jahr 2000 veröffentlicht. Es handelt sich hierbei um ein Werk, welches deutsch – deutsche Verhältnisse widerspiegelt, die geprägt sind von Missverständnissen und Verletzungen.[1] Der Protagonist Folke versucht, das östliche Paradies seiner Kindheit in seinem Bewusstsein zu rekonstruieren, wird dabei aber empfindlich von einem ehemaligen Bewohner dieses vermeintlichen Paradieses gestört.[2] Es kommt zu einem Zusammentreffen, welches weitreichende Folgen für das weitere Leben des Protagonisten haben wird. Der Roman zeigt Spannungen zwischen Ost und West sowohl vor als auch nach der Wende auf, er schlägt einen zeitlichen Bogen von den späten 30er Jahren bis in die Gegenwart.[3] Doch reicht diese zeitliche Ansiedlung rund um die Wende allein aus, um den Roman als Wenderoman zu betiteln?
Im Folgenden werde ich untersuchen, welche Bedeutung die Wende in dem Roman „Bleiweiß“ hat. Dabei werde ich aufzeigen, wie sich in dem Buch das Verhältnis von Personen aus Ost und West durch die Wende verändert. Aufbauend auf diese Untersuchungen werde ich der Frage nachgehen, ob „Bleiweiß“ als Wenderoman klassifiziert werden kann. Diese Fragestellung ist nahe liegend, da der Roman sowohl die Zeit vor der Wende als auch die Zeit danach behandelt und des Weiteren im Osten sowie im Westen angesiedelt ist.
Um die von mir gestellten Fragen beantworten zu können, werde ich zuerst Ernst und Folke als Repräsentanten von Ost und West analysieren. Dafür werde ich die sprachlichen und inhaltlichen Unterschiede zwischen diesen beiden Figuren untersuchen und die Figuren miteinander vergleichen. Daraufhin werde ich die Beziehung der beiden zueinander vor der Wende betrachten, um anschließend den Einfluss der Wende auf diese Beziehung zu kennzeichnen. Letzteres werde ich tun, indem ich das Verhältnis von Ernst und Folke nach der Wende untersuche. Abschließend werde ich versuchen, auf Basis der von mir gewonnen Erkenntnisse und einer eigenen Definition des Begriffes die Frage zu beantworten, ob es sich hier tatsächlich um einen Wenderoman handelt. Diese Art des Vorgehens bietet sich an, da sich die Frage nach einem Wenderoman am besten beantworten lässt, wenn man die Rolle der Wende im Roman untersucht. Bei „Bleiweiß“ eignen sich die beiden Figuren Ernst und Folke besonders gut für diese Art der Untersuchung. Sie haben beide tragende Rollen und werden ausführlich charakterisiert.
2 Ernst und Folke als Repräsentanten von Ost und West
2.1 Unterschiede auf sprachlicher Ebene
Ein wesentlicher sprachlicher Unterschied, der bei einem Vergleich der beiden Figuren Ernst und Folke auffällt, ist, dass Folke bezüglich seiner Emotionen beschrieben wird, während bei Ernst vor allem sein Äußeres eine große Rolle spielt. Folke wird als sehr sensibel und empfindlich dargestellt, denn er „begann zu plärren wie ein Kleinkind“[4] als er das erste Mal dem ihm bis dahin fremden Horst begegnete, was ihn als etwas weinerlich und empfindlich kennzeichnet. Auch die Bezeichnung seines „mageren Rücken[s]“[5] deutet auf seine emotionale Art hin, denn die Tatsache, dass Folke ganz offensichtlich schmächtig und zartgliedrig zeigt, dass es sich hier um einen gefühlvollen Menschen handelt, dem man seine emotionale Art auch ansieht. Demgegenüber wird Ernst vor allem durch seine Behinderung, den Klumpfuß[6], seine „kleine, merkwürdig zerknitterte Physiognomie“[7], sein „seltsam unmarkantes Aussehen“[8] und seine „starken Augengläser“[9] beschrieben. Von der Großmutter wird er sogar als „hässlicher Zwerg“[10] betitelt. Hierbei handelt es sich ausschließlich um äußerliche Merkmale, die zudem hauptsächlich negative Assoziationen hervorrufen. Durch diese Art der Darstellung wird Ernst als charakterlos und im Wesentlichen unbedeutend dargestellt, während Folke als gefühlsbetont und empfindsam gekennzeichnet wird.
Ein weiterer sprachlicher Unterschied, den man herausstellen muss, sind die unterschiedlichen Arten sich zu artikulieren, welche die beiden Protagonisten verwenden. Folke zeichnet sich dadurch aus, dass er sich gewählt ausdrückt und kaum Umgangssprache verwendet. Er stellt in einer Unterhaltung mit seinem Sohn selbst fest, dass „sich seine Worte so pathetisch anhörten“[11]. Demgegenüber verwendet Ernst eine Vielzahl von umgangssprachlichen, zum Teil sogar vulgären Begriffen, wie zum Beispiel „Pisspott“[12], „meschugge“[13] und andere. Durch diese unterschiedliche Wortwahl wird hier deutlich, dass sich Ernst sprachlich nicht auf einer Ebene mit Folke befindet. Letzterer macht einen gebildeten Eindruck, während Ernst eher etwas ungehobelt erscheint. Darin drückt sich auch eine gewisse geistige Ungleichheit zwischen ihnen aus.
Die Beschreibung ihrer Art sich zu bewegen macht eine weitere Verschiedenheit zwischen den beiden deutlich. Während Folke sich normal bewegt oder sich auch mal galant “zum nahen Bücherregal [ge]schlängelt“[14], läuft Ernst sehr auffällig. Er „strolcht[e]“[15], „humpelt[e][16] oder „hinkt“[17]. Während sich der eine also schnell und ordentlich bewegen kann, hat der andere große Schwierigkeiten mit dem Laufen. Folke bewegt sich somit schneller und geschickter als Ernst und ist ihm damit körperlich überlegen. Durch die sowohl körperliche als auch geistige Dominanz ist Folke offensichtlich allgemein der Überlegene.
Auch die Bezeichnungen, die Folke und Ernst für Leewenstein verwenden, stellen einen sprachlichen Unterschied dar. Während Folke Leewenstein als „Paradies“[18] bezeichnet, nennt Ernst die Villa abfällig „Bruchbude“[19]. Für Folke ist der Osten sein persönliches Ferienparadies, er sieht Leewenstein als einen überaus positiven Ort. Ernst hingegen bringt dem Haus deutlich weniger Emotionen entgegen, er sieht Leewenstein eigentlich eher negativ. Hier wird anhand der Wortwahl deutlich, dass Folke und Ernst ein und dieselbe Sache völlig unterschiedlich wahrnehmen und einen ganz anderen Bezug dazu haben. Durch ihre unterschiedlichen Ausgangspositionen ist es ihnen nicht möglich, den Blickwinkel des anderen nachzuvollziehen.
Einen letzten wesentlichen Unterschied auf sprachlicher Ebene stellen die metaphorischen Vergleiche dar. Folke wird vom Erzähler einer Muschel gleichgesetzt:
„Wie eine Muschel schien er, die sich öffnete und wieder verschloß gegen die Planktonfäden, die in sie eindringen wollten, und vielleicht erklärt allein dieses im höchsten Grade wechselhafte, im buchstäblichen Sinne verschwommene Dasein, warum Folke das Wichtigste, was damals geschah, überhaupt nicht bemerkte, obgleich es sich direkt vor seiner Nase abspielte.“[20]
Er wird mit einem Meereswesen verglichen, welches eine, auf Grund seines Inneren besonders hohe, Wertschätzung erfährt. Da Muscheln sich nur sehr selten bewegen, kann man daraus schließen, dass Folke hier zugleich ein gewisses Maß an Ruhe und in diesem Zusammenhang auch Stärke zugeschrieben wird. Ernst hingegen erfährt aufgrund seiner Augen einen weniger sympathischen Vergleich:
„…Ernsts helle, durchdringende Augen […]. […] ohne die Brille, die er sonst tragen musste, wirkten sie wie aufgesetzte Scheiben im Gesicht der militärischen Pappkameraden, die die russischen Soldaten im Wald hatten liegen lassen.“[21]
[...]
[1] Vgl. Schumacher, Heinz: Gabriele Weingartner, Bleiweiß. In: Literaturcafé, VHS Oberhausen.
[2] Vgl. ebd.
[3] Dehmer, Ida: Weingartner, Gabriele, Bleiweiß. In: Bücherschau (1/2001).
[4] Weingartner, Gabriele: Bleiweiß. München 2000 (im Folgenden GW), S. 42.
[5] GW (2000: 18).
[6] Vgl. GW (2000: 20).
[7] GW (2000: 117).
[8] Ebd.: S. 114.
[9] Ebd.. 96.
[10] Ebd.: S. 70.
[11] Ebd.: S. 111.
[12] Ebd.: S. 116.
[13] Ebd.: S. 172.
[14] Ebd.: S. 44.
[15] Ebd.: S. 31.
[16] Ebd.: S. 68.
[17] Ebd.: S. 168.
[18] Vgl. ebd.: S. 36,81,84.
[19] GW (2000: 116)
[20] Ebd.: S. 28.
[21] Ebd.: S. 21.
- Citation du texte
- M.A. Uta Leonhardt (Auteur), 2005, Gabriele Weingartners „Bleiweiß“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135156
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