Die Gestalt Jesus von Nazareth unterliegt, wie die anderer Religionsstifter auch, vielen Spekulationen. Seitdem sich die Ansicht durchgesetzt hat, dass der historische Jesus und der Jesus der biblischen Erzählungen nicht ein- und dieselbe Person sind, befasst sich auch die Wissenschaft mit der Frage, wie viel über den historischen Menschen abseits der religiösen Figur aussagbar ist. Diese als „Third Quest“ bekannt gewordene Forschungsrichtung hat bereits gute Ergebnisse hervorbringen können, die es uns erlauben, Thesen über das Leben Jesu zu formulieren, die nicht nur durch die Heilige Schrift gestützt werden. Doch beziehen sich diese meist nur auf den Anfang und das Ende seiner Lebenszeit. Für die Zeit zwischen seiner Jugend und seinem Auftreten als Messias hat man keinerlei Hinweise entdecken können. Am wahrscheinlichsten scheint es, Jesus habe den Beruf seines Vaters ergriffen und sei Handwerker gewesen, bis er sich eines Tages entschloss als religiöser Lehrer zu wirken. Zu dieser Variante gibt es allerdings noch weitere, welche meist behaupten, Jesus habe weite Reisen unternommen, um Wissen anzusammeln, das er später an seine Schüler weitergab. Eine dieser Thesen ist die Jesus-in-Indien-Legende. Sie darzustellen, wird Ziel dieser Arbeit sein. Dazu werde ich ihrer Entstehungsgeschichte entlang gehen und mit den Autoren beginnen, die erstmalig in ganzen Werken über diese Legende geschrieben haben. Daraufhin beschreibe ich die moderne Form der Legende anhand ihrer heutigen Autoren. Die leitgebende Fragestellung wird dabei nicht sein, ob die Legende historische Abläufe richtig erfasst oder nicht. Das Ziel wird vielmehr sein zu sehen, wie sie argumentiert, wie sie funktioniert, um so ihren Reiz darzustellen und zu erklären, warum sie sich als These im populärwissenschaftlichen Feld einerseits hält, jedoch auf der anderen Seite auch stark angefeindet wird. Dies wird die Basis für mein Fazit bilden in dem ich darauf eingehen werde, wie man mit einer solchen These in wissenschaftlichem Rahmen umgehen kann.
Inhaltsverzeichnis
0 Einleitung
1 Die Geschichte der Jesus-in-Indien-Legende
2 Die „alten Quellen“
2.1 Das Leben des Issa – Nicholas Notovitch
2.2 Das Leben des St. Issa
2.3 Ghulam Ahmad
2.4 Das Wassermann-Evangelium
3 Die modernen Autoren
3.1 Die moderne Jesus-in-Indien-Legende
3.2 Verbindungen zwischen Israel und Indien
3.2.1 Die Urgeschichte nach der JiIL
3.2.2 Die zwölf Stämme
3.3 Jesus von Nazareth
3.3.1 Die Kreuzigung Jesu
3.3.2 Grablegung und Heilung
3.3.3 Das Grabtuch und die Essener
3.3.4 Tod in Kashmir
4 Fazit
Literaturverzeichnis
0 Einleitung
Die Gestalt Jesus von Nazareth unterliegt, wie die anderer Religionsstifter auch, vielen Spekulationen. Seitdem sich die Ansicht durchgesetzt hat, dass der historische Jesus und der Jesus der biblischen Erzählungen nicht ein- und dieselbe Person sind, befasst sich auch die Wissenschaft mit der Frage, wie viel über den historischen Menschen abseits der religiösen Figur aussagbar ist. Diese als „Third Quest“ bekannt gewordene Forschungsrichtung hat bereits gute Ergebnisse hervorbringen können, die es uns erlauben, Thesen über das Leben Jesu zu formulieren, die nicht nur durch die Heilige Schrift gestützt werden. Doch beziehen sich diese meist nur auf den Anfang und das Ende seiner Lebenszeit. Für die Zeit zwischen seiner Jugend und seinem Auftreten als Messias hat man keinerlei Hinweise entdecken können. Am wahrscheinlichsten scheint es, Jesus habe den Beruf seines Vaters ergriffen und sei Handwerker gewesen, bis er sich eines Tages entschloss als religiöser Lehrer zu wirken.[1] Zu dieser Variante gibt es allerdings noch weitere, welche meist behaupten, Jesus habe weite Reisen unternommen, um Wissen anzusammeln, das er später an seine Schüler weitergab. Eine dieser Thesen ist die Jesus-in-Indien-Legende. Sie darzustellen, wird Ziel dieser Arbeit sein. Dazu werde ich ihrer Entstehungsgeschichte entlang gehen und mit den Autoren beginnen, die erstmalig in ganzen Werken über diese Legende geschrieben haben. Daraufhin beschreibe ich die moderne Form der Legende anhand ihrer heutigen Autoren. Die leitgebende Fragestellung wird dabei nicht sein, ob die Legende historische Abläufe richtig erfasst oder nicht. Das Ziel wird vielmehr sein zu sehen, wie sie argumentiert, wie sie funktioniert, um so ihren Reiz darzustellen und zu erklären, warum sie sich als These im populärwissenschaftlichen Feld einerseits hält, jedoch auf der anderen Seite auch stark angefeindet wird. Dies wird die Basis für mein Fazit bilden in dem ich darauf eingehen werde, wie man mit einer solchen These in wissenschaftlichem Rahmen umgehen kann.
1 Die Geschichte der Jesus-in-Indien-Legende
Um die Jesus-in-Indien-Legende, kurz JiIL, verstehen zu können, benötigt man zu Beginn einen Blick auf ihre Entstehungsgeschichte. Als bisher einziger hat Günter Grönbold versucht, eine Darstellung dieser Entstehungsgeschichte zu geben. Ihm zufolge gibt es zu verschiedenen Zeiten immer wieder neue, voneinander abhängige Werke, die der heutigen JiIL als Grundlage dienen. Auf Basis seiner Darstellung lassen sich Entstehungsphasen nachzeichnen.
Grönbold sieht die Anfänge der JiIL in den Schwärmereien des 18. und 19. Jahrhunderts für alles Indische, insbesondere der Schriftsprache Sanskrit. Weil Indien als das Ursprungsland der großen indogermanischen Sprachfamilie galt, wurde schnell angenommen, dass auch der Mensch dort seine frühesten Wurzeln habe und man durch genaue Suche altes, verschollenes Wissen wiederentdecken könne.[2] Als Beispiel für einen solchen Schwärmer nennt Grönbold Louis Jacolliot, der in seinen „Indischen Studien“ Sprachvergleiche unternimmt. Diese Vergleiche, so Grönbold, entbehrten jeglicher Grundlage und nahezu alle Zitate seien falsch.[3] Dennoch sei Jacolliot so erfolgreich gewesen, dass seine Theorien eine weite Verbreitung fanden und insbesondere seine Ergebnisse aus Wortvergleichen für die JiIL übernommen wurden.[4]
In einer zweiten Phase entstehen im späten 19. Jahrhundert drei Texte, die für Grönbold die eigentliche Grundlage der JiIL bilden:
1. Das Testament des St. Issa – ein vom Russen Nicholas Notovitch verfasster Text, welcher die Übersetzung eines Sanskrit-Originals aus dem Kloster Hemis im Himalaya-Gebirge sein soll.
2. Das Buch „Jesus starb in Indien“ vom muslimischen Inder Mirza Ghulam Ahmad, Gründer der Ahmadiyya-Sekte.
3. Das Wassermann-Evangelium vom amerikanischen Medium Levi Dowling, der seine ihm in Meditation geoffenbarten Visionen niedergeschrieben hat.
Diese drei Quellen werden im weiteren Verlauf noch ein wenig näher beleuchtet, da vor allem das Testament des St. Issa für die Entstehung der modernen JiIL von grundlegender Bedeutung ist.
In der letzten Phase werden die Texte der zweiten Phase als Quellen von verschiedensten Autoren herangezogen und immer mehr zu einer Theorie mit offenkundig wissenschaftlichem Anspruch ausgebaut. Zu nennen sind hier Paramesch Choudhury, Siegfried Obermeier und Andreas Faber-Kaiser die teilweise zeitgleich und in Antwort aufeinander geschrieben haben. Modernster Vorreiter ist allerdings Holger Kersten der sich gleich mit fünf Büchern dem Thema der Reise Jesu nach Indien widmet. Bei ihm findet sich die zurzeit ausgereifteste Form einer JiIL.
In den folgenden Kapiteln soll nun ein Blick auf die Quellen der zweiten und dritten Phase geworfen werden, um ein Verständnis für die Inhalte der JiIL und ihre innere Motivation entwickeln zu können.
2 Die „alten Quellen“
2.1 Das Leben des Issa – Nicholas Notovitch
Gerade von moderneren Autoren wird immer wieder auf Nicholas Notovitch verwiesen, der im Jahre 1887 eine Reise nach Ladakh, Tibet unternahm und dort im buddhistischen Kloster Hemis auf Schriftstücke stieß, die das Leben, Wirken und den Tod eines heiligen Issa zum Inhalt hatten. Den in Pali verfassten Text lässt Notovitch mit Hilfe seines Bergführers übersetzen und veröffentlicht ihn dann 1894 zunächst auf Französisch, danach auf Englisch.
2.2 Das Leben des St. Issa
Das Leben des St. Issa (im Folgenden LIN = Leben des Issa nach Notovitch) enthält im Prinzip zwei Erzählungen. Die Erste ist eine Art Zusammenfassung des AT. Sie berichtet vom Leben der Israeliten in Ägypten, von Mose und vom Exodus (LIN Kap. 1-3).
Kapitel IV behandelt die Geburt des Issa bis zu seinem 13. Lebensjahr, in dem er beschließt, sich den Kaufleuten auf dem Weg zum Sindh anzuschließen „um sich in der Kenntnis des göttlichen Wortes zu vervollkommnen und die Gesetze der großen Buddhas zu studieren.“ (LIN IV, 13) Kapitel V erzählt von Issas Lehrjahren in Indien, bei verschiedensten Lehrmeistern (Jainas, Brahmanen, Vaishyas und Shudras) und wie er die dortigen Lebensverhältnisse ablehnt: „Er lehnte sich mächtig dagegen auf, daß ein Mensch sich anmaße, seine Mitmenschen ihrer Menschenrechte zu berauben. ‚Wahrlich’, sagte er, ‚Gott, der Vater, macht keinen Unterschied zwischen seinen Kindern, sie sind ihm alle gleich lieb.’“ (LIN V, 11) Die brahmanischen Priester beschließen daraufhin seinen Tod, doch Issa kann fliehen. (LIN VI, 1-2) Er lernt Pali und predigt „verschiedenen Völkern“ auf seinem Weg vom Himalaya nach Westen. (LIN VI, 3-5) Die Kapitel VI bis VIII beschreiben Issas Reise nach Israel, wo er im Alter von 29 Jahren ankommt. Er kümmert sich um das unter den Römern leidende Volk und verbreitet seine Lehre der Nächstenliebe auch in Israel. (LIN IX) In Kapitel X predigt er im Jerusalemer Tempel.
Auch damit erregt er Feindseligkeiten wie zuvor in Indien woraufhin ihn Pilatus festnehmen lässt. Kurz darauf lässt er ihn jedoch wieder frei, weil ihm die Schriftgelehrten Israels keine böse Tat nachweisen können. (LIN X + XI, 1-3) In den folgenden Tagen wird Jesus durch Spione des Pilatus überwacht und durch Fragen getestet. (LIN XI, 4; XII) Schließlich wird er doch wieder festgenommen: „Aber der Gouverneur Pilatus fürchtete die zu große Popularität des heiligen Issa, der seinen Widersachern zufolge das Volk aufwiegeln wolle, um sich zum König ausrufen zu lassen. Er trug einem seiner Agenten auf, ihn anzuklagen.“ (LIN XIII, 3) Issa wird gefoltert und mit zwei weiteren gekreuzigt.
[...]
[1] Vgl. Ebner, Martin. Jesus von Nazareth in seiner Zeit. Ebner vertritt die These, Jesus habe auf dem Weg zum jährlichen Pesach-Fest in Jerusalem Johannes den Täufer in der Wüste getroffen und sei daraufhin sein Schüler geworden. Jesus habe aber das Reich Gottes als bereits angebrochen verstanden, während Johannes noch darauf wartete. So sei Jesu eigener Schülerkreis entstanden.
[2] Vgl Grönbold, Günter. Indien. 36
[3] Vgl Grönbold, Günter. Indien. 40
[4] Vgl Grönbold, Günter. Indien. 23 – 27, 41
- Quote paper
- Mark Bothe (Author), 2009, Die Jesus-in-Indien-Legende. Über eine alternative Lebensgeschichte des Jesus von Nazareth, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135122
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