Als es um die Themenfindung zu meiner Studienarbeit für das mediävistische Proseminar „Die Hussiten“ ging, entschied ich mich für die Auseinandersetzung mit dem Thema „Laurentius von Březová und seine Hussitenchronik.“, trotz der durchaus interessanten anderen zur Auswahl stehenden Themen, wie zum Beispiel „‚Nationalsozialismus’ im 14./15. Jahrhundert.“ Dies geschah aus folgendem Grund. Nach der Lektüre der zur Verfügung gestellten Březová-Texte hatte man das Gefühl, eine Art Zwiespalt zwischen wertfreien chronistischen Tätigkeiten und indirekten Sympathiebezeugungen beim Autoren vorzufinden. Diese Entdeckung machte man nicht selten, und sie schürte mein Interesse an diesem Mann. Daher hatte ich beschlossen über die Texte des Readers und das gehörte Březová-Referat hinaus, den Menschen, der diese wichtigste Quelle zur „Hussitischen Revolution“ zwischen 1414 und 1421 verfasst hatte, zu studieren.
Dabei ging es mir in erster Linie nicht darum, sein Leben und sein Lebenswerk vorzustellen, sondern vielmehr eine bestimmte Problemfrage zu erörtern. Wenn man sich dessen bewusst ist, dass Březová in den Diensten Wenzels an dessen königlicher Kanzlei tätig war, und darüber hinaus die verurteilungspflichtige Gewalt der Taboriten in Böhmen detailliert kannte, entstehen Schwierigkeiten mit dem Verständnis seiner Sympathie zur hussitischen Häresie. Der Vergleich mit der Böhmischen Chronik von Aeneas Silvio Piccolomini unter Punkt 4.1. wird hierbei zur beispielhaften Veranschaulichung zu Hilfe genommen. Konnte man denn im 15. Jahrhundert in den Diensten der Konservativen eine so wertfreie, aber doch reformbefürwortende schriftliche Situationsdarstellung über viele Jahre hinweg tätigen? Oder ist vielleicht gerade ausschließlich in dieser Position „zwischen den Fronten“ eine zwar beeinflusste, jedoch von gesundem pazifistischen Menschenverstand gezeichnete Wiedergabe der Geschehnisse möglich.
Schließlich berechtigen die vorangegangenen Überlegungen zu der folgenden zentralen Fragestellung: „Wie rechtfertigt ein spätmittelalterlicher Geschichtsschreiber eine Häresie?“
Inhalt:
1. Einleitung
2. Wer war Laurentius von Březová?
2.1. Seine Vita und seine Werke
2.2. Die Hussitenchronik
3. Bezieht er Stellung zur hussitischen Häresie?
3.1. Über die Hussiten im utraquistischen Sinne
3.2. Über Kirche und Kaiser
3.3. Über die Taboriten
4. Darf ein Chronist werten?
4.1. Vergleich mit Aeneas Silvio Piccolomini
4.2. Březová – ein ehrlicher Zeitzeuge
5. Literaturverzeichnis
5.1. Quellen/Literatur
5.2. Weiterführende Literatur
1. Einleitung
Als es um die Themenfindung zu meiner Studienarbeit für das mediävistische Proseminar „Die Hussiten“ ging, entschied ich mich für die Auseinandersetzung mit dem Thema „Laurentius von Březová und seine Hussitenchronik.“, trotz der durchaus interessanten anderen zur Auswahl stehenden Themen, wie zum Beispiel „‚Nationalsozialismus’ im 14./15. Jahrhundert.“ Dies geschah aus folgendem Grund. Nach der Lektüre der zur Verfügung gestellten Březová-Texte hatte man das Gefühl, eine Art Zwiespalt zwischen wertfreien chronistischen Tätigkeiten und indirekten Sympathiebezeugungen beim Autoren vorzufinden. Diese Entdeckung machte man nicht selten, und sie schürte mein Interesse an diesem Mann. Daher hatte ich beschlossen über die Texte des Readers und das gehörte Březová-Referat hinaus, den Menschen, der diese wichtigste Quelle zur „Hussitischen Revolution“ zwischen 1414 und 1421 verfasst hatte, zu studieren.
Dabei ging es mir in erster Linie nicht darum, sein Leben und sein Lebenswerk vorzustellen, sondern vielmehr eine bestimmte Problemfrage zu erörtern. Wenn man sich dessen bewusst ist, dass Březová in den Diensten Wenzels an dessen königlicher Kanzlei tätig war, und darüber hinaus die verurteilungspflichtige Gewalt der Taboriten in Böhmen detailliert kannte, entstehen Schwierigkeiten mit dem Verständnis seiner Sympathie zur hussitischen Häresie. Der Vergleich mit der Böhmischen Chronik von Aeneas Silvio Piccolomini unter Punkt 4.1. wird hierbei zur beispielhaften Veranschaulichung zu Hilfe genommen. Konnte man denn im 15. Jahrhundert in den Diensten der Konservativen eine so wertfreie, aber doch reformbefürwortende schriftliche Situationsdarstellung über viele Jahre hinweg tätigen? Oder ist vielleicht gerade ausschließlich in dieser Position „zwischen den Fronten“ eine zwar beeinflusste, jedoch von gesundem pazifistischen Menschenverstand gezeichnete Wiedergabe der Geschehnisse möglich.
Schließlich berechtigen die vorangegangenen Überlegungen zu der folgenden zentralen Fragestellung: „Wie rechtfertigt ein spätmittelalterlicher Geschichtsschreiber eine Häresie?“
2. Wer war Laurentius von Březová?
In diesem Kapitel werde ich nun den Chronisten und sein wichtigstes Werk kurz vorstellen.
2.1. Seine Vita und seine Werke
Als Sohn einer Familie des niederen böhmischen Landadels wurde Vavřinec z Březové, so die tschechische Übersetzung seines Namens, 1370 oder 1371 wahrscheinlich in Prag geboren, wo er auch fast sein ganzes Leben verbrachte. Durch den bescheidenen Familienbesitz konnte er studieren, und so promovierte der Kleriker im März des Jahres 1394 zum Magister der Freien Künste. Březová wurde 1400 Schreiber im Prager Rathaus und gelang so in die Dienste des Königs Wenzel, der Böhmen zu jener Zeit regierte. Man nimmt an, dass er um 1402 die Aufsehen erregenden Predigten des Magisters Johannes Hus in der Betlehemskapelle der Altstadt gehört haben dürfte und somit schon in jungen Jahren mit der zentralen Figur und den Ideen des Hussitismus in Berührung kam. Ein weiterer interessanter Aspekt Březovás Biographie ist die Teilnahme als „Plutarch“ an der großen philosphischen Quodlibet-Disputation im Januar 1411 unter Leitung von eben jenem Jan Hus. Die konziliarisch angeordnete Verbrennung der Magisterkollegen Hus und Jeronimus im Jahre 1415 bzw. 1416 war daher ein gewaltiger Schock für den Gewalt verabscheuenden Chronisten. Jedoch war dies die Einleitung für die hussitische Revolution, welche eben auch den Autoren Laurentius von Březová berühmt werden lies. Bis zu seinem Tod um 1438 schrieb er nicht nur die besagte Chronik, sondern wirkte unter anderem als Übersetzer von Texten verschiedener Sprachen ins Tschechische oder Latein, z.B. dem „Traumbuch“. Verfasst wurde durch ihn auch eine umfangreiche Weltchronik, und er war als Echtheitsprüfer wichtiger Urkunden Prags tätig.[1]
Zweifelsohne ist zu sagen, dass auf die Hussitenchronik wegen Ihrer Ausmaße und Ihrer Wichtigkeit ein besonderes Augenmerk gelegt werden muss.
2.2. Die Hussitenchronik
„De gestis et variis accidentibus regni Bohemiae“ (Über die bewegenden und verändernden Ereignisse des Böhmischen Königtums), so der lateinische Arbeitstitel des Buches. Überliefert wurde dieses Werk in einigen späteren Handschriften, da es selbst nicht erhalten und auch die älteste gefundene Handschrift verschollen ist. Die ursprünglichen Abschriften sind auf Latein und darunter gibt es zwei, welche in Prag gefunden wurden, wahrscheinlich in Klöstern hergestellt.[2]
Der zweite, wohl richtige Prolog des Textes lässt erste Wertungen Březovás zu interpretieren. Darauf möchte ich jedoch an späterer Stelle eingehen.
Die Chronik umfasst die Zeit von 1414 bis 1421, also von der Einberufung des Konstanzer Konzils bis zur Schlacht um Kuttenberg und bricht dann plötzlich ab mit dem Satzanfang: „Et facto mane -.“ (Und als der Morgen angebrochen war - .).[3] Wieso hier so abrupt abgeschlossen wurde, ist unbekannt.
Die Qualität der Berichterstattung des Buches kann man als vergleichsweise hoch einschätzen, da Laurentius seine 120 Kapitel chronologisch genau geordnet und detailliert ausgeführt hat. Er ist ohne Frage ein zuverlässiger Chronist trotz der Position auf Seiten der Hussiten, da er zum Beispiel die Freveltaten der Krieg führenden Parteien, also vornehmlich der Taboriten und der königlichen Kreuzzugsheere adjektivreich anklagt. Die moderne Übersetzung von Josef Bujnoch im Buch „Die Hussiten“ spiegelt eine sehr gute Gliederung und leichte Verständlichkeit wider.
Es soll nun die Stellungnahme zu den einzelnen Lagern ausgeführt werden.
3. Bezieht er Stellung zur hussitischen Häresie?
Diese Frage kann man wohl eindeutig mit „ja“ beantworten, denn seine Wortwahl lässt reichlich Platz für eine positive Analyse. Laurentius von Březová notiert nicht wie ein heutiges Computerprogramm den Verlauf von Ereignissen innerhalb der benannten Zeitperiode, sondern er charakterisiert durch seine Festlegung der Worte die Protagonisten. Außerdem kann er durch das gezielte oder ungezielte Weglassen von Vorkommnissen wiederum Partei ergreifen.
In seiner Vorrede (II) nimmt Březová schon vorweg, dass er höchst unzufrieden mit den Ereignissen in Böhmen ist. Er spricht hier von „unermeßlichem und unheilvollem Verderben“ und wendet sich damit an die „künftige Nachkommenschaft des böhmischen Geschlechtes“, welches wissentlich einen „schlimmeren Niedergang“ verhindern möge.[4]
3.1. Über die Hussiten im utraquistischen Sinne
„Utraquismus“ bedeutet Austeilung und Verehrung der göttlichen („hochheiligen“) Kommunion der Eucharistie unter beiderlei Gestalt („communio sub utraque specie“), des Brotes und des Weines.
Die Lehren der Hussiten gibt Březová ungekürzt wieder. Zum Beispiel übernimmt er die Vier Prager Artikel vollständig in sein Werk und kennzeichnet hierdurch, dass die hussitische Idee den Menschen, vor allem den Tschechen nicht vorenthalten werden sollte.[5] Seine Wertung des gemäßigten Hussitismus liest man leicht aus den folgenden Zitaten heraus:
„[…] Johannes Hus […], der in seinen Predigten Heuchelei, Pomp, Habsucht, Schwelgerei, Simonie und andere Sünden des Klerus standhaft bekämpfte und aufdeckte […], weshalb er von eben diesem Klerus sehr gehasst wurde.“[6]
„[…] die treuen Tschechen […], die Anhänger der Kommunion beiderlei Gestalt waren und sie ehrfurchtsvoll durchführten und die unter dem ungerechten Tod des Magisters Johannes Hus […] litten […].“[7]
Diese und viele andere Zitate zeigen eindeutig die Sympathie zu Hus und seinen Anhängern. Es sind zu den Utraquisten zum größten Teil nur positive Äußerungen im gesamten Werk. Die Bezeichnungen wie z.B. „ehrwürdig“, „treu“, und vor Allem „Verteidiger der Wahrheit“ legen eine gewisse Tendenziösität nahe. Dennoch nennt Březová eine Vielzahl von Fakten, vor allem aus Kämpfen. Auch hier wird Gewalt nicht verschleiert:
„[…] drangen […] in die Häuser der Juden ein und nahmen gewaltsam alles weg, was sie fanden.“[8]
[...]
[1] Bujnoch 1988, S. 9-13
[2] Bujnoch 1988, S. 13-18
[3] Březova 1988, S. 295
[4] Březová 1988, S. 34
[5] Březová 1988, S. 109-114
[6] Březová 1988, S. 37
[7] Březová 1988, S. 61
[8] Březová 1988, S. 276
- Arbeit zitieren
- Robert Leuck (Autor:in), 2003, Laurentius von Březová und seine Hussitenchronik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135022
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