Viele Student*innen sind während ihres Studiums einem hohen Maß an Stress ausgesetzt. Dieser ist mit einigen negativen Auswirkungen, sowohl die physische als auch psychische Gesundheit betreffend, verbunden. Daher ist es wichtig herauszufinden, wie diesem Stress entgegengewirkt werden kann.
Das Ziel dieser Arbeit ist es, den Stress im Studium und dessen Auswirkungen genauer zu erforschen und herauszufinden, ob die Konstrukte Achtsamkeit und Selbstmitgefühl diesem entgegenwirken können. Um die Forschungsfrage zu beantworten wurde eine quantitative Untersuchung durchgeführt, in welcher Studierende mittels eines Fragebogens befragt wurden.
Inhaltsverzeichnis
I. Tabellenverzeichnis
II. Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Stress im Studium
2.1.1 Stress
2.1.2 Stress im Studium
2.2 Achtsamkeit
2.2.1 Das Konzept der Achtsamkeit
2.2.2 Achtsamkeit und Stress
2.3 Selbstmitgefuhl
2.3.1 Das Konzept des Selbstmitgefuhls
2.3.2 Aktueller Forschungsstand
2.4 Die Rolle des Geschlechts
3 Hypothesen
3.1 Hypothese 1
3.2 Hypothese 2
3.3 Hypothese 3
4 Methode
4.1 Studiendesign
4.2 Stichprobe
4.3 Durchfuhrung der empirischen Studie
4.4 Messinstrumente
4.4.1 Soziodemografische Fragen
4.4.2 Freiburger Fragebogen zur Achtsamkeit (FFA)
4.4.3 Self-Compassion Scale (SCS)
4.4.4 Aufmerksamkeitsfrage
4.4.5 Perceived Stress Questionnaire (PSQ)
4.4.6 Subjektiv wahrgenommene Leistung
5 Statistische Analyse
5.1 Deskriptive Methoden
5.2 Hypothesenprufende Verfahren
5.2.1 Hypothese 1 T1
5.2.2 Hypothese 2 U
5.2.3 Hypothese 3
6 Ergebnisse
6.1 Deskriptive Ergebnisse
6.2 Hypothesenprufende Ergebnisse
6.2.1 Hypothese 1
6.2.2 Hypothese 2
6.2.3 Hypothese 3
6.3 Explorative Ergebnisse
7 Diskussion
7.1 Diskussion der deskriptiven Ergebnisse
7.2 Diskussion der hypothesenprufenden Ergebnisse
7.2.1 Hypothese 1
7.2.2 Hypothese 2
7.2.3 Hypothese 3
7.3 Diskussion der explorativen Ergebnisse
7.4 Methodendiskussion
8 Fazit und Ausblick
III. Literaturverzeichnis
IV. Anhangsverzeichnis
V. Anhange
Anhang A: Fragebogen
Zusammenfassung
Viele Student*innen sind wahrend ihres Studiums einem hohen MaB an Stress ausge- setzt. Dieser ist mit einigen negativen Auswirkungen, sowohl die physische als auch psychische Gesundheit betreffend, verbunden. Daher ist es wichtig herauszufinden, wie diesem Stress entgegengewirkt werden kann.
Das Ziel dieser Arbeit ist es, den Stress im Studium und dessen Auswirkungen genauer zu erforschen und herauszufinden, ob die Konstrukte Achtsamkeit und Selbstmitgefuhl diesem entgegenwirken konnen. Um die Forschungsfrage zu beantworten wurde eine quantitative Untersuchung durchgefuhrt, in welcher Studierende mittels eines Fragebo- gens befragt wurden.
Die Ergebnisse zeigten, dass hohe Werte in den Konstrukten Achtsamkeit und Selbstmitgefuhl mit niedrigeren Werten, bezogen auf den Stress im Studium, einhergehen. Dies bedeutet, dass die Konstrukte den Stress im Studium senken konnen. Auf dieser Grundlage ist es empfehlenswert konkrete Programme zur Stresspravention und -reduk- tion zu erarbeiten und diese an Universitaten und Hochschulen zu verbreiten, um den Stress im Studium und dessen negative Auswirkungen auf die Student*innen zu redu- zieren.
Schlagworter: Stress, Studium, negative Auswirkungen, Gesundheit, Achtsamkeit, Selbstmitgefuhl
Abstract
Many students are exposed to a high level of stress during their studies. This is associated with some negative effects, both concerning physical and mental health. Therefore, it is important to find out how the stress can be counteracted.
The aim of this thesis is to explore the stress of studying and its effects in more detail and to find out whether the constructs of mindfulness and self-compassion can counteract it. To answer the research question, a quantitative study was conducted in which students were surveyed using a questionnaire.
The results showed that high scores in the constructs mindfulness and self-compassion are associated with lower scores related to stress in studying. This means that the constructs can lower stress in studies. On this basis, it is recommended to develop concrete programs for stress prevention and reduction and to disseminate them at universities and colleges in order to reduce stress in studies and its negative effects on students. Keywords', stress, study, negative effects, health, mindfulness, self-compassion
I. Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Ergebnisse Hypothese 1
Tabelle 2: Ergebnisse Hypothese 2
Tabelle 3: Ergebnisse Hypothese 3
II. Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Geschlechterverteilung
Abbildung 2: Verteilung des hochsten derzeitig angestrebten Abschlusses
1 Einleitung
Das Thema Stress ruckt aufgrund seiner vielen negativen Auswirkungen zunehmend in den Fokus der Forschung (Schandry, 2011). Insbesondere wahrend des Studiums konnte gezeigt werden, dass Studierende viel Stress und einen hohen Leistungsdruck wahrnehmen (Buttner & Dlugosch, 2013). Konkret empfinden 31% der Studierenden den Leistungsdruck im Studium als sehr stark und weitere 48% nehmen ihn als stark wahr. Da ein Zusammenhang zwischen der Einnahme leistungssteigender Substanzen und dem Leistungsdruck im Studium festgestellt werden konnte, kann angenommen werden, dass Studierende zu einem starker risikobehafteten Gesundheitsverhalten neigen (Midden- dorff, Poskowsky, & Isserstedt, 2012). Zudem fanden Studien heraus, dass ein erhohtes akademisches Stressniveau zu einer niedrigeren psychischen Gesundheit fuhrt (Kaur & Paur, 2017) sowie an der Entstehung einer Vielzahl physischer und psychischer Erkran- kungen beteiligt ist (Schandry, 2011).
Die Konzepte der Achtsamkeit und des Selbstmitgefuhls gewinnen in der westlichen Welt immer mehr an Bedeutung. Sie haben sich sowohl im Alltag als auch in der Psycho- therapie zunehmend etabliert (Bents, Gschwendt & Mander, 2019). Vergangene Studien zeigten bereits, dass Selbstmitgefuhl bei Kindern und Jugendlichen ,,mit einer Vielzahl von positiven Konstrukten und Verhaltensweisen der psychischen Gesundheit, unter an- derem der Zufriedenheit mit dem eigenen Leben, Glucksgefuhl, soziale Verbundenheit sowie Abnahmen bei Stress, Depression und Angst in Verbindung gebracht“ werden konnten (Bents, Gschwendt & Mander, 2019, S.50). Auch dem Konstrukt der Achtsamkeit konnten, besonders in Bezug auf Stress, einige positive Eigenschaften nachgewiesen werden (Bishop et al., 2004).
Allerdings gibt es kaum Studien, welche die Konstrukte Achtsamkeit und Selbstmitgefuhl in Zusammenhang mit dem Stresserleben bei Studierenden untersuchen. Daruber hinaus gibt es bislang keine Forschung, welche zeigen konnte, dass Achtsamkeit und Selbstmitgefuhl Stress im Studium voraussagen konnen. Daher ist das Ziel dieser Arbeit herauszufinden, ob hohere Werte in Achtsamkeit und Selbstmitgefuhl zu niedrigeren Werten in Stress fuhren. Falls gezeigt werden kann, dass Achtsamkeit und Selbstmitgefuhl Stress im Studium voraussagen konnen, konnten diese Konstrukte einen Teil zur Stresspravention und -reduktion im Studium beitragen.
Die aktuelle Forschungslage zeigt, dass akademischer Stress mit vielen negativen Auswirkungen auf die Gesundheit verbunden ist (Jemmott et al., 1983; Verma, Balhara & Gupta, 2011). Zudem konnte gezeigt werden, dass er sich negativ auf die Leistung von Schulern (Menaga & Chandrasekaran, 2014) und sich im Allgemeinen negativ auf die Leistungsfahigkeit von Menschen auswirkt (Mainka-Riedel, 2013). Daher soil zudem un- tersucht werden, ob niedrigere Werte in Stress zu besseren Leistungen im Studium fuh- ren. Dies soil verdeutlich, dass die Stresspravention und -reduktion im Studium eine wichtige Rolle spielt, da akademischer Stress, falls sich die Hypothese bestatigt, mit einer Einschrankung der Leistungsfahigkeit verbunden ist.
Zudem geht aus vergangener Forschung hervor, dass Frauen, im Vergleich zu Man- nern, ein intensiveres Gefuhlserleben haben, Emotionen starker wahmehmen und Religi- ositat sowie Spiritualitat in ihrem Leben eine groBere Rolle spielen (Diener, Sandvik, und Larsen, 1985; Bryant, 2007). Auch in Bezug auf Achtsamkeit konnte eine Studie heraus- finden, dass Frauen in diesem Bereich hohere Werte zeigten (Alispahic & Hasanbegovic- Anic, 2017). Dementsprechend soil in dieser Arbeit herausgefunden werden, ob Frauen, moderiert durch die Rolle der Achtsamkeit, zu weniger Stress im Studium neigen.
Zusammenfassend wird durch die zuvor genannten Studien deutlich, dass Stress, an- gesichts der damit verbundenen Einschrankungen und Risiken, im Studium eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Diese Arbeit soil herausfinden, ob Stress bei Studierenden einen negativen Einfluss auf deren Leistungen nimmt, ob die Konstrukte Achtsamkeit und Selbstmitgefuhl diesem akademischen Stress entgegenwirken konnen und ob es einen Geschlechterunterschied in Bezug auf Achtsamkeit und Stress gibt.
Nachfolgend wird der Ubersichtlichkeit halber kurz auf die Gliederung der Arbeit eingegangen. AnschlieBend an diese Einleitung folgt der theoretische Hintergrund, in welchem die Begriffe und Konzepte von Stress, Achtsamkeit, Selbstmitgefuhl und die Rolle des Geschlechts dargestellt und in den aktuellen Forschungsstand eingeordnet werden. Aufbauend auf den im theoretischen Hintergrund behandelten Erkenntnissen, werden die Hypothesen vorgestellt. In dem nachsten Kapitel wird auf die Methodik eingegangen, welche sich in das Studiendesign, die Stichprobe, die Versuchsdurchfuhrung und die im Fragebogen verwendeten Messinstrumente unterteilt. AnschlieBend folgt die Sta- tistische Analyse, welche aus der Analyse der deskriptiven Methoden, der hypothesen- prufenden Verfahren sowie der explorativen Datenanalyse besteht. Daraufhin werden die, aus den zuvor genannten Analysen resultierenden, Ergebnisse dargestellt. Es folgt der Diskussionsteil in welchem sowohl die deskriptiven, hypothesenprufenden und explorativen Ergebnisse sowie die Methodik der Arbeit diskutiert werden. Zuletzt werden im Fazit die wichtigsten Erkenntnisse zusammengetragen und Implikationen fur zukunftige Forschung gegeben.
2 Theoretischer Hintergrund
In diesem Kapitel der Arbeit sollen die Begriffe sowie die Zusammenhange, welche fur die Untersuchung wichtig sind, erlautert werden. Zuerst wird auf den Stress im All- gemeinen, gefolgt von jenem bezogen auf das Studium eingegangen. Danach wird das Konzept der Achtsamkeit beleuchtet und dieses mit Stress, auf Grundlage des derzeitigen Forschungsstandes, in Verbindung gebracht. AnschlieBend wird das Konzept des Selbst- mitgefuhls sowie der aktuelle Forschungsstand zu diesem Thema vorgestellt. Zuletzt wird die Rolle, welche dem Geschlecht allgemein und in Hinblick auf die Stresswahmehmung zugeschrieben wird, beleuchtet. Dieses Kapitel ist fur ein umfassendes Verstandnis der vorliegenden Bachelorarbeit essenziell.
2.1 Stress im Studium
Fur das Grundverstandnis wird nachfolgend zuerst auf Stress im Allgemeinen und danach auf konkret auf den Stress im Studium eingegangen.
2.1.1 Stress
Ursprunglich stammt der Begriff „Stress“ aus dem Lateinischen und wurde von „stringere“ abgeleitet, was ubersetzt so viel wie „verengen“ bedeutet (Wippert, 2009). Im Duden wird das Wort „Stress“ als eine ,,erhohte Beanspruchung“ beziehungsweise als eine „Belastung physischer oder psychischer Art“ bezeichnet (Dudenredaktion, 2021, o. S.). Trotz dieser eher negativen Konnotationen der zuvor genannten Definitionen, liegt der Stressreaktion ein, aus evolutionarer Sicht, sehr sinnvoller Mechanismus zu Grunde, auf welchen, unter anderem, im Folgenden naher eingegangen wird (Linneweh, Heufel- der & Flasnoecker, 2011).
Im Wesentlichen ist Stress ein Prozess, welcher nach dem Modell der Stresstrias von Kaluza (2018) aus drei Teilen besteht. ,,Den Stressoren, der Stressreaktion und den personlichen Stressverstarkern“ (Kaluza, 2018, S. 7). Als Stressor werden Anforderungen bezeichnet, dessen erfolgreiche Bewaltigung als bedeutsam fur das Individuum angese- hen wird. Diese Stressoren konnen sowohl endogen als auch exogen, also auBerer oder innerer Natur, sein. Ubersteigen diese Anforderungen die eigenen Ressourcen oder wird der Stressor als bedrohlich angesehen, so kommt es zu einer Stressreaktion. In diesen, der Stressreaktion vorangegangenen, emotionalen und kognitiven Bewertungsprozessen der Stressoren und der eigenen Ressourcen liegen die groBen individuellen Unterschiede des Stressempfindens und der Stressreaktion begrundet, worauf im Laufe dieses Kapitels ge- nauer eingegangen wird (Becker-Carus, 2011). Die Stressreaktion wird als eine unangenehme Veranderung der Befindlichkeit wahrgenommen (Schandry, 2011). Sie wirkt sich sowohl auf den Korper als auch auf die Gedanken und Gefuhle einer Person und dessen Verhalten aus. Auf der korperlichen Ebene geht Stress mit einer korperlichen Aktivierung einher. Diese auBert sich zum Beispiel durch einen schnelleren Atem und Herzschlag (Kaluza, 2018). Evolutionar betrachtet ist diese Reaktion, wie eingangs er- wahnt, sehr sinnvoll, da sie den Korper auf die Flucht oder den Kampf vorbereitet, um in Gefahrensituationen eine hohere Uberlebenschance zu gewahrleisten (Schandry, 2011; Linneweh, Heufelder & Flasnoecker, 2011). Gedanken und Gefuhle betreffend ist her- ausgefunden worden, dass Stress mit negativen Gedanken und Gefuhlen einer Person ein- hergeht (Kaur & Paur, 2017). Personliche Verstarker ,,beruhen auf individuellen Motiven, Einstellungen und Bewertungen, die wesentlich dazu beitragen, dass Stressreaktionen ausgelost und/ oder verstarkt werden“ (Kaluza, 2018, S. 15).
Wie bereits erwahnt existieren groBe individuelle Unterschiede in Bezug auf das Stressempfinden und die Stressreaktion von Menschen. Zur Erklarung dieser wird das transaktionale Stressmodell von Lazarus und Folkman (1984) herangezogen. Laut dieser kognitiven Stresstheorie ist nicht die objektive Intensitat des Stressors, sondern die sub- jektive Interpretation des Individuums ausschlaggebend fur die Entstehung und die Intensitat von Stress. Die Bewertung der Situation oder des Stressors wird in drei Phasen unterteilt, welche sich aber in Hinblick auf deren Relevanz nicht unterscheiden und keiner bestimmten zeitlichen Abfolge unterliegen (Busse, Plaumann & Walter, 2006). Was be- deutet, dass sie „auch in gleichzeitigem Wechsel ablaufen konnen“ (Becker-Carus, 2011, S. 508). Nach Wahrnehmung des Stressors, welcher eine Situation oder ein Gedanke sein kann, folgt die primare Bewertung. In dieser Phase wird dem zuvor neutralen Reiz eine erste, auf Kenntnissen und Assoziationen beruhende, Bedeutung zugeschrieben. Wird der Reiz als bedrohlich oder belastend wahrgenommen, folgt die sekundare Bewertung. Die sekundare Bewertung bezieht sich auf die Bewertung aller vorhandenen Ressourcen und der Frage, ob die Anforderung mit diesen zu bewaltigen ist. Je nach Resultat dieser Phase entsteht der wahrgenommene emotionale Stress, welcher sich in Eustress oder Distress auBem kann. Eustress bezeichnet eine positive Art von Stress, in welcher er als Heraus- forderung oder Freude und die Bewaltigung als realistisch bewertet wird. Distress hingegen ist eine Form von Stress, welche als negativ sowie belastend empfunden wird, da sie von der Person als nicht mit den vorhandenen Ressourcen zu bewaltigen wahrgenommen wird. Die dritte Phase wird als Neubewertung bezeichnet (Becker-Carus, 2011). Hier wird die ursprungliche Bewertung aufgrund des Einsatzes von Bewaltigungsstrategien stetig neu bewertet (Busse, Plaumann & Walter, 2006). Der wahrgenommene Stress halt an, bis er effektiv bewaltigt wurde. Kommt es also dazu, dass die Ressourcen tatsachlich nicht ausreichen, um den Stress zu bewaltigen, halt der Erregungszustand an und kann, aufgrund der dauerhaften Adrenalin- und Cortisolausschuttung, welche im nachsten Ab- schnitt genauer erlautert werden, zu chronischem Stress und damit dauerhaften Schadi- gungen des Organismus fuhren (Becker-Carus, 2011; Mainka-Riedel, 2013).
Um allgemein die Stressreaktion noch besser zu verstehen, wird im Folgenden die Physiologie dieser beleuchtet. Im Wesentlichen sind zwei Systeme fur die Stressreaktion im Korper von Bedeutung, welche durch Weitergabe von Informationen des Hypothalamus gesteuert werden. Zum einen das sympathische Nervensystem und zum anderen die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (kurz: HPA-Achse). Der Sympathikus des peripheren vegetativen Nervensystems steuert die Aktivierung des Kor- pers, welche, wie zuvor erwahnt, auf Flucht oder Kampf ausgelegt ist. Dabei spielt die Ausschuttung der Hormone Adrenalin und Noradrenalin eine Rolle, da sie an vielen Or- ganen funktionssteigemd wirken. Die HPA-Achse setzt, vereinfacht gesagt, unter Stress Hormone, wie Cortisol, frei, die vor allem der Glukokortikoidausschuttung zur Energie- bereitstellung dienen. AuBerdem hemmen Glukokortikoide Entzundungsreaktionen und dampfen das Immunsystem. Bei langanhaltendem Stress und dem damit einhergehenden Glukokortikoidspiegel kann es zu Storungen vieler Systeme, wie dem Immunsystem, kommen (Schandry, 2011). Auch das Gehirn kann durch einen langanhaltenden Erregungszustand und dem damit einhergehenden hohen Cortisolspiegel dauerhaft geschadigt werden (Mainka-Riedel, 2013).
Aus dem heutigen Stand der Forschung geht hervor, dass Stressbelastungen zu einer Reihe physischer und psychischer Erkrankungen fuhren konnen. Laut des Diathese- Stress-Modells wird davon ausgegangen, dass das Zusammenspiel zwischen genetischen Pradispositionen und dem Einfluss von Stress zur Entwicklung einer Storung fuhrt. Grundsatzlich unterscheiden sich diese Storungen durch die Art der Stressbelastung. Wahrend akute Stressbelastung meist mit Symptomen, wie Bluthochdruck oder Schlaf- storungen (Mainka-Riedel, 2013) einhergehen, konnen chronische Stressbelastungen unter anderem zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Magengeschwuren, Depressionen, Post- traumatische Belastungsstorungen, Angststorungen, Essstorungen, Schlafstorungen, Zwangsstorungen uns Schizophrenic fuhren (Schandry, 2011).
2.1.2 Stress im Studium
Die Art von Stress im Studium ist eine besondere Form von Stress, welche als aka- demischer Stress bezeichnet wird. Akademischer Stress zeichnet sich dadurch aus, dass aufgrund von erwarteten oder eingetroffenen Frustrationen, in Zusammenhang mit dem akademischen Versagen, eine psychische Belastung entsteht (Lal, 2014). Er resultiert aus einem Ungleichgewicht von Anforderungen und Ressourcen, wobei zu erwahnen ist, dass sowohl Schuler*innen als auch Student*innen einer Vielzahl an Anforderungen und Schwierigkeiten wahrend der Schulzeit oder des Studiums ausgesetzt sind. Vergangene Studien konnten bereits belegen, dass Student*innen viel Stress wahrend des Studiums erleben (Buttner & Dlugosch, 2013). Zudem ist bekannt, dass die meisten Studierenden einen starken Leistungsdruck verspuren, welcher mit Stress in Verbindung gebracht werden konnte (Middendorff, Poskowsky, & Isserstedt, 2012). Insbesondere durch die stei- gende Selbstmordrate bei Studierenden ruckt das Thema akademischer Stress und dessen Auswirkungen weltweit immer mehr in den Fokus (Kaur & Paur, 2017).
Eine Studie von Jemmott et al. (1983) fand heraus, dass sich akademischer Stress auf die Immunfunktionen von Menschen auswirkt. Menschen mit einem hohen MaB an akademischen Stress neigen zu einer ,,erhohten Inzidenz von Infektionskrankheiten, al- lergischen Reaktionen sowie kardiovaskularen und psychiatrischen Symptomen“ (Jemmott et al., 1983, S.1400). Dies konnte auch in einer Untersuchung von Verma, Balhara und Gupta (2011) bestatigt werden. Zudem ist bekannt, dass anhaltender Stress zu einer Ausschuttung des Hormons Cortisol fuhrt, welches sich evolutionar bedingt hauptsach- lich durch Bewegung abbaut. Da es bei Stundent*innen besonders wahrend Klausurpha- sen oftmals an ausreichender Bewegung mangelt, kann es zu einem unregelmaBigen Ab- bau von Cortisol kommen. Ein hoher Cortisolspiegel kann, insbesondere uber langere Zeit, zu einer Ausbreitung des Hormons im Korper und damit dauerhaften Schadigungen des Organismus einhergehen (Mainka-Riedel, 2013).
Eine weitere Studie untersuchte den „Zusammenhang zwischen der psychischen Gesundheit und akademischem Stress von Schulern der Sekundarstufe 11“ (Kaur & Paur, 2017, S. 39). Sie konnte einen negativen signifikanten Zusammenhang zeigen, was be- deutet, dass ein niedriges akademisches Stressniveau mit einer besseren psychischen Gesundheit einhergeht (Kaur & Paur, 2017). Daruber hinaus fand eine Untersuchung, welche sich mit dem Stresserleben und der Stressreduktion von Medizinstudent*innen aus- einandersetzte, heraus, dass mogliche Folgen von Stress im Studium der Missbrauch von Alkohol und Drogen, Depressionen und Angstzustande, zwischenmenschliche Proble- men bis hin zum Selbstmord sein konnen (Shapiro, Schwartz & Bonner, 1998). Eine weitere Folge stellt ein starker risikobehaftetes Gesundheitsverhalten durch das Einneh- men leistungssteigender Substanzen zur Leistungssteigerung und Stresskompensation dar (Middendorff, Poskowsky, & Isserstedt, 2012). Die zuvor aufgefuhrten Studien verdeut- lichen, dass Stress starken Einfluss auf die korperliche und seelische Gesundheit nimmt und im Studium eine groBe Rolle spielt. Daher soil in dieser Arbeit untersucht werden wie diesem akademischen Stress entgegengewirkt werden kann.
Eine zusatzliche Belastung, welcher Studierende ausgesetzt sind, ist die sogenannte prolongierte Adoleszenz. Studierende befinden sich meist in der Entwicklungsphase der Adoleszenz. Diese Phase zeichnet sich nach Havighurst (1972) maBgeblich dadurch aus, dass eine Autonomie von den Eltern angestrebt wird. Zudem spielen Vorbereitungen auf den Beruf und die eigene Familie eine Rolle. Ein Nicht-Erreichen dieser Entwicklungs- aufgaben fuhrt zu Entwicklungskrisen. Bedingt durch das Studium verlangert sich die Ausbildungsdauer, wodurch meist eine gewisse Abhangigkeit von den Eltern bestehen bleibt und sich der Entwicklungsabschluss verzogert. Mit zunehmender Dauer der Phase nehmen die Entwicklungskrisen zu und werden belastender (Barthel, Ernst, Rawohl, Korner, Lehmann & Brahler, 2011). Daruber hinaus ist die Adoleszenz allgemein ,,eine Al- tersperiode mit schnellen und grundlegenden Veranderungen in biologischen, kognitiven, sozialen und emotionalen Bereichen“ (Zimmermann & Iwanski, 2014, S.182). Dazu zahlt, dass diese Phase haufig mit instabilen Beziehungen, einem wahrgenommenen Ruckgang der elterlichen Unterstutzung und damit vielen negativen Emotionen einher- geht (Zimmermann & Iwanski, 2014).
Als ein weiterer Stressor, in Hinblick auf das Studium, kann die sogenannte Bologna Reform genannt werden (Gusy, Lohmann & Drewes, 2010). Im Jahr 1999 beschlossen die europaischen Bildungsminister*innen einen einheitlichen Hochschulraum zu schaf- fen. Dafur wurden die Bachelor- und Masterstudiengange mit einheitlichen Qualitatsnor- men eingefuhrt (Nickel, 2011). Dies fuhrt dazu, dass das Studium einen immer schuli- scheren Charakter bekommt (Gusy, Lohmann & Drewes, 2010). Besonders Bachelorstu- dent*innen sind von der Umstellung betroffen und eine Uberlastung der Studierenden angesichts des steigenden Lernstoffumfangs, der damit einhergehenden Anforderungs- verdichtung sowie der steigenden Anzahl an Prufungen, wird haufig kritisiert. Auch konnte gezeigt werden, dass der subjektive Leistungsdruck der Student*innen wahrend des Studiums gestiegen ist (Nickel, 2011). Heublein, Hutzsch, Schreiber, Sommer und Besuch (2007) belegten, dass die Zahl der Bachelorstudent*innen, welche ihr Studium, aufgrund von Uberforderung abbrachen, zugenommen hat. Zudem heiBt es, dass Studierende seit der Umstrukturierung mehr intrinsische Motivation benotigen, um den hohen
Anforderungen Stand zu halten. Daruber hinaus fuhrte die hohere Anzahl an Prufungen im Studium dazu, dass diese zunehmend eine psychische Belastung und die Vorbereitung eine groBe Stresssituation fur Student*innen darstellt. Auch das Thema Prufungsangst spielt seitdem eine groBere Rolle. Prufungsangst ist mit einer Vielzahl psychischer und psychosomatischer Begleitsymptome und Einschrankungen des alltaglichen Lebens ver- bunden (Knigge-Illner, 2009). Dazu gehoren, unter anderem, „standige nervose Unruhe, Magen-Darm-Probleme und Schlafstorungen“ (Knigge-Illner, 2009, S.334). Aufgrund dessen kann Prufungsangst als ein ernstzunehmendes psychisches Problem angesehen werden (Knigge-Illner, 2009).
Auch der Zusammenhang zwischen Stressniveau und Leistungsfahigkeit ist bereits untersucht worden. So kamen die Forscher*innen zu dem Ergebnis, dass ein zu niedriges Stressniveau mit Unterforderung und daher mit einer niedrigeren Leistungsfahigkeit ein- hergeht. Ebenso konnte herausgefunden werden, dass ein zu hohes Stresslevel mit Uber- forderung, Unkonzentriertheit sowie Vergesslichkeit einhergeht und somit auch zu einer niedrigeren Leistungsfahigkeit fuhrt. Bei einem mittleren Stressniveau erreicht die Leistungsfahigkeit ihren Hohepunkt, wobei allerdings die Empfindungen von Stress, Uber- und Unterforderung individuell sind (Mainka-Riedel, 2013). Bezogen auf schulische Leistungen wurde erforscht, inwiefem sich Stress auf diese von Schuler*innen auswirkt. Es konnte belegt werden, dass Stress einen wesentlichen Beitrag zur Vorhersage anschlie- Bender Leistungen leistet und sich negativ auf die schulischen Leistungen auswirkt (Me- naga & Chandrasekaran, 2014). Die zuvor genannten Ergebnisse vergangener Studien geben Hinweise darauf, dass ein hohes Stressniveau im Studium die Leistungsfahigkeit von Student*innen negativ beeinflusst und zu schlechteren Leistungen fuhrt. Daher sollte untersucht werden, ob weniger Stress im Studium bessere Leistungen voraussagen kann, da dies die Relevanz von Stresspravention und -reduktion im Studium unterstreicht.
2.2 Achtsamkeit
In diesem Abschnitt wird zunachst das Konzept der Achtsamkeit sowie der aktuelle Forschungsstand zu diesem Thema vorgestellt. Danach werden die Befunde zu Achtsamkeit in Zusammenhang mit Stress aufgefuhrt.
2.2.1 Das Konzept der Achtsamkeit
„Achtsamkeit kann als ein urteilsfreies Moment-zu-Moment-Bewusstsein betrachtet werden“ (Kabat-Zinn, 2005, S. 1481). Grundlegend ist, dass die Aufmerksamkeit unvor- eingenommen, absichtsvoll und so offen wie moglich, uber eine langere Zeit, auf das Hier und Jetzt gerichtet wird. Sie kann als ein „Zustand erhohter Aufmerksamkeit und erhoh- ten Bewusstseins“ beschrieben werden (Malinowski, 2008, S.160). Man unterscheidet zwischen bewusster und muheloser Achtsamkeit. Unter bewusster Achtsamkeit versteht man die absichtsvolle Lenkung auf die Achtsamkeit. Muhelose Achtsamkeit beschreibt, die Achtsamkeit, welche unbewusst und spontan auftaucht. Zu muheloser Achtsamkeit kommt es immer haufiger, wenn die bewusste Achtsamkeit oft gefordert und praktiziert wird. Der Ursprung der Achtsamkeit liegt im Buddhismus (Kabat-Zinn, 2005), wo sie als Weg zur Beendigung des personlichen Leidens entwickelt wurde (Bishop et al., 2004). Von alien Meditationsarten ist Achtsamkeit die am weitesten verbreitete (Kabat-Zinn, 2005).
Im folgenden Teil wird auf die Prozesse des Bewusstseins, der Aufmerksamkeit, der Wahmehmung und der Informationsverarbeitung eingegangen, da sie, wie eingangs an- gedeutet, Ansatzpunkte der Achtsamkeit darstellen. Ganz allgemein besteht Bewusstsein aus der Wahmehmung und der Aufmerksamkeit. Die Wahmehmung nimmt ununterbro- chen sowohl innere als auch auBere Reize unterschwellig wahr. Diese gelangen jedoch erst in das menschliche Bewusstsein, wenn die Aufmerksamkeit auf sie gerichtet wird. Man unterscheidet zwischen zielgesteuerter und reizinduzierter Aufmerksamkeit. Bei der zielgesteuerten Aufmerksamkeit wird die Aufmerksamkeit, aufgrund eigener Ziele, wil- lentlich auf ein bestimmtes Objekt gerichtet. Unter reizinduzierter Aufmerksamkeit hingegen versteht man, dass die Aufmerksamkeit aufgrund auBerer Reize und unabhangig der eigenen Ziele auf diese Reize gerichtet wird (Gerrig & Zimbardo, 2016). Bezogen auf Achtsamkeit lasst sich daher feststellen, dass es sich um eine bestimmte Form der Auf- merksamkeitslenkung handelt, bei der die zielgerichtete Aufmerksamkeit im Fokus steht (Heidenreich & Michalak, 2003). Auch sind Wahmehmung und Aufmerksamkeit fur die Informationsverarbeitung zentral (Kiesel & Spada, 2018). Nachdem die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Reiz gerichtet wurde, folgen meist automatisch kognitive und emotionale Reaktionen. So wird der Reiz als positiv, negativ oder neutral bewertet und aufgrund fruherer Erfahrungen sowie kognitiver Schemata in einen Zusammenhang gebracht und anschlieBend auf ihn reagiert. Auch hier soil Achtsamkeit ansetzen und die Art, der Verarbeitung positiv beeinflussen. Die achtsame Reiz- oder Informationsverarbeitung ist dadurch gekennzeichnet, dass der Reiz zwar wahrgenommen, ihm aber eine nicht wertende, unvoreingenommene Haltung entgegengebracht wird. Diese ermoglicht es den Reiz objektiv zu betrachten und dementsprechend flexibler und nicht auf Grundlage von Emotionen zu handeln (Brown, Ryan & Creswell, 2007). Dies spiegelt sich auch in den achtsamkeitsbasierten Meditationen wider.
Typisch fur achtsame Meditation ist, dass die Teilnehmer ihre Aufmerksamkeit be- wusst auf ein Objekt, ein Gerausch oder eine Empfindung lenken und versuchen diese aufrecht zu erhalten. Das Objekt, das Gerausch oder die Empfindung wird als Anker ge- nutzt. Sobaid sich die Aufmerksamkeit auf aufkommende Gedanken oder Emotionen richtet, sollte dies wahrgenommen und sie bewusst auf den gewahlten Anker zuruckge- fuhrt werden. Ziel dieser Praxis ist es eine gelassene, beobachtende Haltung zu erreichen, welche Gedanken und Emotionen zwar wahrnimmt, ihnen aber nicht zu viel Bedeutung zuschreibt, sie damit nicht uberbewertet und nicht danach handelt (Malinowski, 2008). Es soil also eine achtsame Informationsverarbeitung gefordert werden (Brown, Ryan & Creswell, 2007).
Das Konstrukt der Achtsamkeit konnte bereits mit vielen positiven Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit in Verbindung gebracht werden. Es konnte gezeigt werden, dass Achtsamkeit das allgemeine Wohlbefinden, die psychische Gesundheit und die Fahigkeit zur Emotionsregulierung steigert. AuBerdem wurde festgestellt, dass eine hohere Auspragung in Achtsamkeit, mit einer hoheren Empathiefahigkeit und damit einhergehend besseren zwischenmenschlichen Beziehungen zusammenhangt. Dar- uber hinaus konnten negative Korrelationen mit Angst, Distress und Impulsivitat gefun- den werden (Brown, Ryan & Creswell, 2007).
Nicht nur im Alltag sondern auch in der Psychotherapie hat sich das Thema Achtsamkeit etabliert und gewinnt in diesem Bereich zunehmend an Bedeutung (Bents, Gschwendt & Mander, 2019). Besonders in der dialektischen Verhaltenstherapie, zur Re- duzierung von selbstverletzendem Verhalten bei Borderline-Erkrankten, kommen acht- samkeitsbasierte Meditationen vermehrt zum Einsatz. Sie sollen dazu dienen die Affekt- tolleranz zu erhohen (Bishop et al., 2004), in dem die Patient*innen aufgrund der achtsa- men Informationsverarbeitung nicht automatisch nach ihren dysfunktionalen Gedanken oder Emotionen handeln. Auch bei Zwangsstorungen werden achtsamkeitsbasierte Inter- ventionen immer haufiger eingesetzt. Zwangsstorungen sind durch Gedanken, Impulse oder Handlungen gekennzeichnet, welche immer wieder kehren und von den Betroffenen als sehr aufdringlich und belastend wahrgenommen werden (Didonna, 2009). Aufgrund dessen wird angenommen, dass die Patient*innen eine „dysfunktionale Beziehung zu ih- rem gesamten privaten Leben“ haben (Didonna, 2009, S. 189). Dort sollen achtsamkeitsbasierte Interventionen ansetzen. Sie sollen den Betroffenen helfen ihre dys- funktionalen Gedanken und Impulse wahrzunehmen und sie auch nur als solche zu be- trachten. Dementsprechend ist das langfristige Ziel, nicht sofort auf diese zu reagieren und nach ihnen zu handeln, sondem ihre Aufmerksamkeit bewusst wieder zuruck auf den gegenwartigen Moment zu richten (Didonna, 2009). Die Wirksamkeit in Bezug auf die Reduktion von Symptomen einer Zwangsstorung durch achtsamkeitsbasierte Interventionen kann angenommen werden (Hanstede, Gidron & Nyklicek, 2008). Zudem findet Achtsamkeit auch in der tiefenpsychologisch fundierten Traumatherapie zunehmend An- klang. Es wird davon ausgegangen, dass das Praktizieren von Achtsamkeit Dissoziation entgegenwirken und fur die Patient*innen entlastend wirken kann. Ziel ist es auch in diesem Ansatz, dass die Betroffenen lernen ihre Gefuhle und Gedanken nicht wertend und gelassener wahrzunehmen und diese nicht auf die auBere Realitat zu ubertragen (Redde- mann, 2006).
Eine Studie von Teasdale et al. (2000) untersuchte die Wirksamkeit der achtsam- keitsbasierten kognitiven Therapie gegenuber dem ublichen Behandlungskonzept in Hin- blick auf die Ruckfallrate bei einer rezidivierenden Major Depression. Die Studie wurde mit einer Stichprobe von 145 Probanden, mit der Diagnose rezidivierende Major Depression, durchgefuhrt. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie die Ruckfallrate, von Patienten mit drei oder mehr rezidivierenden Episoden, im Vergleich zu der Kontrollgruppe um die Halfte senken konnte und damit dem ublichen Behandlungskonzept uberlegen ist. Eine mogliche Erklarung fur diese positiven Ergebnisse ist, dass durch das Praktizieren von Achtsamkeit die Fahigkeit zur flexiblen Emoti- onsregulierung steigt. Emotionen, insbesondere negative, werden bewusst aber nicht wertend und als vorubergehend wahrgenommen. Dadurch wird angenommen, dass eine adaptivere und flexiblere Reaktion auf Emotionen entsteht (Farb, Anderson, Irving & Segal, 2014).
2.2.2 Achtsamkeit und Stress
Insbesondere in den letzten Jahren ruckt Achtsamkeit als Ansatz zur Reduktion von Stress immer mehr in den Fokus (Bishop et al., 2004). Das gut etablierte und wohl be- kannteste Programm zur Stressbewaltigung durch Achtsamkeit ist das „Mindfulness-ba- sed stress reduction“ (kurz: MBSR) Programm, auch achtsamkeitsbasierte Stressreduk- tion, von Kabat-Zinn (1990). Entwickelt wurde es hauptsachlich fur den Einsatz im kli- nischen Bereich, zur Behandlung chronischer Krankheiten. Allerdings hat es sich mitt- lerweile in vielen anderen Bereichen und auch im Alltag einiger Menschen etabliert (Bishop et al., 2004). Es beinhaltet sowohl formelle und informelle Meditation als auch eine bestimmte Form des Yogas. Der formelle Teil besteht hauptsachlich daraus, die Aufmerksamkeit auf den eigenen Atem und Korper zu lenken, wohingegen in dem informel- len Teil die Aufmerksamkeit bewusst auf den gegenwartigen Moment gerichtet wird (Goldin & Gross, 2010). Das Yoga steht fur Achtsamkeit in Bewegung (Bents, Gschwendt & Mander, 2019). Es wurde herausgefunden, dass MBSR „Symptome von Stress, Angstzustanden und Depressionen durch Modifikation der Fahigkeiten zur Regu- lierung von Emotionen reduzieren kann“ (Goldin & Gross, 2010, S. 84). Dies konnte auch eine Metaanalyse von Grossman, Niemann, Schmidt und Walach (2004) bestatigen. Auch konnte gezeigt werden, dass achtsamkeitsbasierte Stressreduktion Rumination senken kann. Unter Rumination versteht man die vermehrte Auseinandersetzung mit negativen Erlebnissen aus der Vergangenheit und die Verstrickung in negative Gedanken. Dieses Verhalten stellt fur die meisten psychischen Erkrankungen, besonders fur Depressionen, einen Risikofaktor dar (Deyo, Wilson, Ong & Koopman, 2009; Didonna, 2009). Dieser Effekt konnte auch in einer nicht-klinischen Stichprobe bestatigt werden (Chiesa & Ser- retti, 2009).
Auf dem zuvor beschriebenen MBSR Programm aufbauend, entwickelte sich die „mindfulness-based cognitive therapy“ (kurz: MBCT), auch achtsamkeitsbasierte kogni- tive Therapie genannt, welche zusatzlich Interventionen aus der kognitiven Verhaltens- therapie enthalt. Sowohl das MBSR Programm als auch die MBCT erstrecken sich uber einen Zeitraum von acht Wochen. Sie beinhalten eine Gruppensitzung pro Woche mit einer Dauer von ungefahr zwei Stunden und Ubungen, welche an sechs Tagen in der Woche von den Teilnehmer*innen alleine durchgefuhrt werden sollen. Das langfristige Ziel der MBCT ist es, dass die Patient*innen durch Achtsamkeit lernen dysfunktionale Gedanken und negative Emotionen wahrzunehmen, ihnen aber weniger Bedeutung zuzu- schreiben, um sich nicht in ihnen zu verlieren und sich letztendlich von ihnen abzuwen- den und die Aufmerksamkeit wieder auf den gegenwartigen Augenblick zu richten. Diese Therapieform wird uberwiegend bei Patient*innen mit Depressionen eingesetzt, um, durch das Erkennen und Umlenken der dysfunktionalen Gedanken, einen Ruckfall ver- meiden zu konnen (Bents, Gschwendt & Mander, 2019).
Zudem konnten vergangene Studien zeigen, dass achtsamkeitsbasierte Verfahren sowohl den wahrgenommenen Stress signifikant reduzieren als auch das Wohlbefinden stei- gern (Carmody & Baer, 2008) sowie die Coping-Strategien zur Bewaltigung von Stress im Alltag verbessern konnen (Grossman, Niemann, Schmidt & Walach, 2004). Unterstutzend wurde herausgefunden, dass Personen mit hohen Werten in Achtsamkeit generell zu weniger emotionalen Reaktionen auf externale Stressoren neigen (Arch & Craske, 2010).
Laut des transaktionalen Stressmodells von Lazarus und Folkman (1984) ist die In- tensitat des Stresserlebens von Menschen, abhangig von subjektiven Bewertungsprozes- sen. Durch das Praktizieren von Achtsamkeit wird eine, wie zuvor beschrieben, achtsame Informationsverarbeitung angestrebt. Diese beinhaltet die emotionale Komponente der Reizbewertung zu eliminieren und die Reize stattdessen objektiv wahrzunehmen (Brown, Ryan & Creswell, 2007). Auf dieser Grundlage kann angenommen werden, dass Achtsamkeit dazu beitragen kann, die Intensitat des Stresserlebens zu senken.
In der Vergangenheit wurde bereits eine Studie durchgefuhrt, welche die Effekte von Achtsamkeitstraining in Bezug auf das Stresserleben von Medizinstudent*innen unter- suchte. Insgesamt gab es drei Gruppen, zwei Experimentalgruppen und eine Kontroll- gruppe. Die Experimentalgruppen wurden gebeten das achtwochige achtsamkeitsbasierte Programm zur Stressreduktion durchzufuhren. Der Zeitraum des Experimentes wurde so gewahlt, dass das Programm wahrend der Prufungsphase durchgefuhrt wurde, um ein hohes MaB an Stress voraussetzen zu konnen. Es gab fur alle Gruppen zwei Messzeit- punkte, vor und nach der Intervention. Die Ergebnisse zeigten, dass die Durchfuhrung von Achtsamkeitstraining sowohl den Stress als auch Gefuhle von Angst und Depression deutlich reduzieren und die Empathiefahigkeit steigern konnte (Shapiro, Schwartz & Bonner, 1998). Eine weitere Studie untersuchte ebenfalls die Effekte von Achtsamkeitstraining in Hinblick auf das Stresserleben. In dieser Studie bestand die Stichprobe aus 36 Gymnasiallehrem. Auch hier wurde die Experimentalgruppe gebeten das achtwochige achtsamkeitsbasierte Programm durchzufuhren. Die Studie konnte zeigen, dass diejeni- gen, welche das Achtsamkeitstraining uber acht Wochen durchfuhrten, hohere Werte in dem Bereich der Selbstregulierung und eine vergleichsweise aufmerksamere, urteilsfrei- ere Wahmehmung aufweisen konnten. Zudem konnte bei ihnen eine bessere Schlafqua- litat festgestellt werden (Frank, Reibel, Broderick, Cantrell & Metz, 2015). Eine Unter- suchung von Song und Lindquist (2015) beschaftigte sich mit der Wirkung von Achtsamkeitstraining bei koreanischen Krankenpfleger*innen in Ausbildung. Es wurde herausgefunden, dass das Achtsamkeitstraining zu einer Abnahme von Angst, Depressionen und Stress und einer Zunahme von Achtsamkeit fuhrte.
Aufgrund der Vielzahl an positiven Effekten in Bezug auf Stress, auch unabhangig der untersuchten Stichprobe, welche achtsamkeitsbasierten Programmen in vergangenen Studien zugeschrieben wurden, soil in dieser Arbeit herausgefunden werden, ob sich Achtsamkeit auch positiv auf den Stress bei Studierenden wahrend des Studiums auswir- ken kann.
2.3 Selbstmitgefuhl
In dem nachsten Kapitel dieser Arbeit wird zu Beginn auf das Konstrukt des Selbstmitgefuhls im Allgemeinen und dessen Abgrenzungen zu anderen Konstrukten eingegan- gen. AnschlieBend wird der aktuelle Forschungsstand dargestellt.
2.3.1 Das Konzept des Selbstmitgefuhls
Unter Selbstmitgefuhl versteht man den freundlichen und verstandnisvollen Umgang sich selbst gegenuber. Dabei kommt es darauf an, diese Haltung, selbst im Fall von Schmerz oder Versagen zu wahren, anstatt sehr streng und selbstkritisch mit sich umzu- gehen. Es geht darum, seine eigenen Fehler und Schwachen zu akzeptieren und ihnen eine nicht verurteilende Haltung entgegenzubringen, anstatt sie verdrangen zu wollen (Neff, 2003). Die Definition des Selbstmitgefuhls ist kaum von der des Mitgefuhls zu unterscheiden, es beinhaltet das Erkennen des Leidens und dem damit einhergehenden Bedurfnis dieses zu senken (Bents, Gschwendt & Mander, 2019). Jedoch bezieht sich Selbstmitgefuhl nur auf das Mitgefuhl sich selbst und nicht anderen gegenuber, was jedoch nicht bedeutet, dass Menschen, die sich selbst gegenuber mitfuhlend sind, kein Mitgefuhl fur andere empfinden konnen (Neff, 2003). Es wird davon ausgegangen, dass ein selbstmitfuhlender Umgang auch den Umgang mit anderen Menschen positiv beeinflusst (Bents, Gschwendt & Mander, 2019). Vielmehr geht es darum anzuerkennen, dass „Lei- den, Versagen und Unzulanglichkeiten Teil des menschlichen Zustands sind und, dass alle Menschen, sich selbst eingeschlossen, des Mitgefuhls wurdig sind“ (Neff, 2003, S. 224). Dies stellt den Unterschied zu Selbstmitleid dar, wovon Selbstmitgefuhl dadurch klar abzugrenzen ist. Ebenfalls unterscheidet sich Selbstmitgefuhl von dem Konstrukt des Selbstwerts. Der Selbstwert eines Individuums hangt stark von dem Vergleich mit anderen Individuen sowie deren Beurteilung ab. Bei Selbstmitgefuhl kommt es hingegen darauf an, sich nur auf die eigene Person zu konzentrieren und auf soziale Vergleiche zu verzichten (Bents, Gschwendt & Mander, 2019). Das Konzept des Selbstmitgefuhls ist ursprunglich, wie das der Achtsamkeit, ein buddhistisches, da im Buddhismus unter Mitgefuhl auch das Mitgefuhl sich selbst gegenuber verstanden wird (Barnard & Curry, 2011). Dennoch sind auch die Konstrukte Selbstmitgefuhl und Achtsamkeit voneinander abzugrenzen. Zwar sollten die Gedanken und Gefuhle wahrend selbstmitgefuhlsbasierten Interventionen wahrgenommen werden, der Umgang mit ihnen unterscheidet sich aber deutlich. Selbstmitgefuhl konzentriert sich hauptsachlich auf den Umgang mit den eigenen Fehlern und Schwachen (Neff, 2003). Wahrend achtsamkeitsbasierter Interventionen hingegen werden alle Gefuhle und Gedanken im gegenwartigen Moment zwar wahrge- nommen aber nicht bewertet oder versucht sie zu andem (Kabat-Zinn, 2005).
Auch in der Psychotherapie kommt Selbstmitgefuhl vermehrt zur Anwendung (Barnard & Curry, 2011). Mittlerweile existiert eine Vielzahl selbstmitgefuhlsbasierter Therapien und Interventionen, welche zum Ziel haben, die Akzeptanz sich selbst gegen- uber zu erhohen und den kritischen Umgang mit sich sowie Gefuhle und Symptome von Scham zu reduzieren. Eine Ubersichtsarbeit zeigte, dass die Wirksamkeit in Bezug auf viele verschiedene psychische Storungen angenommen werden kann. Besonders bei Pa- tient*innen mitpsychotischen Storungen, Depressionen oder Borderline-Personlichkeits- storungen werden selbstmitgefuhlsbasierte Therapien angewandt (Graser & Stangier, 2018). Eine bekannte Therapieform, zur Forderung des Selbstmitgefuhls, ist die ..Compassion Focused Therapy“ von Paul Gilbert (2014). Ziel dieser Therapieform ist es, das Mitgefuhl sich selbst und anderen gegenuber, durch verschiedene Interventionen zu er- hohen, um starke Selbstkritik, Selbstzweifel und Gefuhle von Scharm zu reduzieren und die psychische Gesundheit, in Form von Selbstliebe und Akzeptanz, zu steigern (Gilbert, 2014).
2.3.2 Aktueller Forschungsstand
Vergangene Studien konnten feststellen, dass Selbstmitgefuhl negativ mit psycho- pathologischen Symptomen einhergeht (Barnard & Curry, 2011). Eine Metaanalyse durchgefuhrt von MacBeth und Gumley (2012) konnte bestatigen, dass Selbstmitgefuhl unter anderem Angst und Depressionen reduzieren kann. Daruber hinaus untersuchten Heffernan, Quinn Griffin, McNulty und Fitzpatrick (2010) den Zusammenhang zwischen Selbstmitgefuhl und emotionaler Intelligenz. Die Untersuchung wurde mit einer Stichprobe von 135 Krankenpfleger*innen durchgefuhrt. Es konnte festgestellt werden, dass hohe Werte in Selbstmitgefuhl mit hohen Werten in emotionaler Intelligenz einhergehen. Zudem konnten starke positive Korrelationen mit den Konstrukten Frohlichkeit und Op- timismus gefunden werden (Neff, Rude & Kirkpatrick, 2007). AuBerdem fordert Selbstmitgefuhl die emotionale Resilienz (Hupfeld & Ruffieux, 2011). Des Weiteren konnte Selbstmitgefuhl in vergangenen Studien positiv mit intrinsischer Motivation und negativ mit dem Prokrastinieren, besonders in Bezug auf akademische Arbeiten, korreliert werden (Worfel, Gusy & Lohmann, 2015).
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- Arbeit zitieren
- Carolyn Nelles (Autor:in), 2021, Stress im Studium reduzieren. Wie Achtsamkeit und Selbstmitgefühl helfen können, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1349943
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