Diese Thesis beschäftigt sich mit dem Luxuswohnquartier Sophienterrassen in Hamburg-Harvestehude. Ausgehend von einem Spaziergang in dem Stadtteil und einer Recherche in der lokalen Presse, in welcher der Bau dieser "gated community" kontrovers diskutiert wurde, wuchs das Forschungsinteresse. Die treibenden Fragen waren dabei, ob es sich bei dem Quartier tatsächlich um eine gated community handelt und ob dies wissenschaftlich definiert werden kann. Die zentrale Forschungsfrage der Arbeite lautet: "Inwieweit und durch welche Instrumente erzeugen hochpreisige, geschlossene Wohnanlagen im Segment der Luxusimmobilien soziale Exklusion nach außen, sowie Exklusivität und ein homogenes Bewohner:innenmilieu nach innen?"
In diesem Zusammenhang ist es relevant, welche Instrumente eingesetzt werden, um die Ziele von Exklusion und Exklusivität im Quartier zu erreichen. Es ist davon auszugehen, dass diese Instrumente bewusst eingesetzt werden, um das gewünschte homogene Bewohner:innenmilieu, die Exklusivität und die daraus resultierende sozialräumliche Trennung verschiedener sozialer Gruppen zu erzeugen. Die Arbeit ist eingebettet in Diskurse zunehmender sozialen Ungleichheit und gesellschaftlicher Polarisierung und Fragmentierung, was insbesondere in urbanen Räumen sichtbar wird. Den theoretischen Bezug der Arbeit findet sich vor allem in den Aufsätzen von Pierre Bourdieu zum Thema Raum. Er besagt, dass der soziale Raum in den physischen Raum eingeschrieben ist. Außerdem wird der städtische Raum immer von einer bestimmten Gruppe sozial angeeignet. Auch ist die städtische Umgebung der physisch realisierte soziale Raum.
Zur Untersuchung der Sophienterrassen wurden ethnografische Methoden benutzt, wobei die Grundlage teilnehmende und systematische Beobachtungen im Quartier waren. Der Fokus der detaillierten, materiellen Analyse lag vor allem auf den architektonischen, baulichen und symbolischen Gegebenheiten der Wohnanlage. Darüber hinaus sind ökonomische, soziokulturelle und rechtliche Instrumente der Ausgrenzung relevant zur Beantwortung der Forschungsfrage. Die Ergebnisse der Beobachtungen wurden mit der Analyse verschiedener Werbematerial der Sophienterrassen trianguliert. Bei der Auswertung des empirischen Materials wurde auf Methoden der Grounded Theory Methodologie zurückgegriffen.
Inhaltsverzeichnis:
I. Abbildungsverzeichnis
II. Tabellenverzeichnis
III. Abkürzungsverzeichnis
1. EINLEITUNG
1.1K0NTEXT
1.2 GESCHLOSSENE WOHNANLAGEN
1.3 FRAGESTELLUNG
2. THEORETISCHER RAHMEN
3. FORSCHUNGSDESIGN
3.1 METHODISCHES VORGEHEN
3.2 SAMPLING
4. DIE SOPHIENTERRASSEN
4.1 STÄDTEBAU
4.2 DERCAMPUS AMMITTELWEG
4.3 STADTHÄUSER
4.4 SOPHIENPALAIS
4.5 PARKVILLEN
4.6 ALSTERVILLEN
4.7 WEGE UND STRAßEN
4.8 BÄUME
4.9 BEZUG ZUR UMGEBUNG
5. DARSTELLUNG DER FORSCHUNGSERGEBNISSE
5.1 SOZIALE EXKLUSION DURCH ÖKONOMISCHES KAPITAL
5.2 SOZIALE EXKLUSION DURCH DEN OFFERIERTEN LEBENSSTIL
5.3 PHYSISCHE INSTRUMENTE DER EXKLUSION
5.4 ÜBERWACHUNG UND KONTROLLE
5.4.1 Technische Überwachung durch Kameras
5.4.2 Personelle Überwachung
5.5 SYMBOLISCHEGRENZEN
5.5.1 Pflasterung
5.5.2LichtundBeleuchtung
5.5.3 Eingangsportale
5.6 ATMOSPHÄRE
5.7 EXKLUDIERENDE GESTALTUNG ÖFFENTLICHER PLÄTZE
5.8 EXKLUSIVE BAUWERKE UND EXKLUSIVE RÄUME
5.8.1 Private, gemeinschaftlich genutzte Anlagen
5.8.2 Private, gemeinschaftlich genutzt Räume
5.8.3 Private Tiefgarage
5.9 PERSONAL ALS INSTRUMENT ZUR HERSTELLUNG VON EXKLUSIVITÄT
5.10 INSTRUMENTE DER SYMBOLISCHEN AUFWERTUNG
5.10.1 Brunnen
5.10.2Flaggen
5.10.3HistorischeBezüge
5.11 VERHÄUSLICHUNG DES STÄDTISCHEN WOHNENS
5.12 ÄSTHETISCHE HOMOGENISIERUNG
5.13 NÄHE ZU SELTENEN GÜTERN
6. FAZIT
Quellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Anhang
I. Abbildungsverzeichnis:
Abbildung 1: Sophienterrassen (Quelle: eigeneDarstellung)
Abbildung 2: Zeitlicher Verlauf (Quelle: eigene Darstellung)
Abbildung 3:Campus
Abbildung 4:Zugang
Abbildung 5:Stadthäuser
Abbildung 6: Sophienpalais
Abbildung 7:SüdseitedesPalais
Abbildung 8: Westlicher Seitenflügel des Palais
Abbildung 9: Östliche Parkvilla
Abbildung 10: Südliche Alstervilla
Abbildung 11: Privatweg
Abbildung 12: Feuerwehrzufahrt
Abbildung 13: Harvestehuder Stieg
Abbildung 14: Einfriedungen Stadthäuser
Abbildung 15: Einfriedungen
Abbildung l6:PrivaterZugang
Abbildung 17: Zugänge
Abbildung 18: Harvestehuder Stieg
Abbildung 19: EinfriedungenParkvilla
Abbildung 20: Zweifache Einfriedung
Abbildung 21: Einfriedungen am Zugang zu den Alstervillen
Abbildung 22: Einfriedungen Alstervillen
Abbildung 23: Harvestehuder Stieg
Abbildung 24: Harvestehuder Stieg
Abbildung 25: Zugang Stadthäuser
Abbildung 26: Sophienpalais
Abbildung 27: Zugang Villen
Abbildung 28: Harvestehuder Stieg
Abbildung 29: 360-Grad-Kamera
Abbildung 30: Bürgersteig am Mittelweg
Abbildung 31: Zugang Feuerwehrzufahrt
Abbildung 32: Zugang zu den Sophienterrassen
Abbildung 33: GroßteiligePflasterung
Abbildung 34: Nahaufnahme
Abbildung 35: Beleuchtung
Abbildung 36: Parkvillen orange leuchtend
Abbildung 37:Sophienpalais
Abbildung 38: Parkvilla
Abbildung 39: Sessel am Platz der Harmonie
Abbildung 40: Private Anlagen (Eigene Darstellung: Screenshot Google Maps)
Abbildung 41: Einfahrt am Mittelweg
Abbildung 42: Einfahrt am Harvestehuder Weg
Abbildung 43: Ruhender Verkehr in den Sophienterrassen
Abbildung 44: Kommunikationssäule
Abbildung 45: Brunnen am Platz der Harmonie
Abbildung 46: Brunnenplatz
Abbildung 47: Gläserne Stele mit Logo
Abbildung 48: Schachtdeckel
II. Tabellenverzeichnis:
Tabelle 1: Wohnungspreise
III. Abkürzungsverzeichnis:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Bei einem Spaziergang im Hamburger Stadtteil Harvestehude fiel dem Autor ein mit einem Zaun umschlossenes Quartier auf. Durch die Abgeschlossenheit erzeugte die Wohnanlage eine unbekannte Atmosphäre und ein Gefühl des „Fehl am Platz sein“. Dies weckte das Interesse an dem Quartier und legte den Grundstein für die vorliegende Arbeit. Eine Recherche in den lokalen Medien zeigte, dass der Bau dieser gated community medial kontrovers begleitet wurde und wird. Ist das Quartier tatsächlich eine gated community? Die Begrifflichkeit weckt spontan Assoziationen mit den USA, wo die Wohnform weit verbreitet ist (vgl. Blakely/Snyder 1999: 7). Welchen Grund gibt es für die Errichtung des Quartiers in Hamburg und welche gesellschaftliche Wirkung hat solch ein geschlossener Wohnkomplex? Dem Vorwurf der Abgeschlossenheit widerspricht Uwe Schmitz, Bauherr der Sophienterrassen, im Hamburger Abendblatt entschieden:
„Kein Verständnis hat Uwe Schmitz allerdings, wenn ihm vorgeworfen wird, die Sophienterrassen seien ein abgeschottetes Wohnquartier. Er zeigt auf den kleinen Zaun, hinter dem der Privatweg zu den Wohngebäuden führt:,Also von Abschottung kann hier wohl nicht gesprochen werden, aber die Bewohner haben auch ein Recht auf ein bisschen Privatsphäre‘“ (Gassdorf 2014: 7).
1.1 Kontext
Aktuell sind global zwei, für diese Arbeit relevante, Entwicklungen zu beobachten: stetiges Wachstum der Menschheit und zunehmende Urbanisierung. 2020 lebten 56,2% der Weltbevölkerung in Städten, was ca. 4,3 Milliarden Menschen entspricht. Zudem wird ein weiterer Anstieg dieses Anteils prognostiziert: 2050 soll er bei 68,4% liegen (vgl. UN DESA zitiert nach de.statista.com 2018: 1). Auch die Bevölkerung Hamburgs wuchs seit den 1980er Jahren auf rund 1,8 Millionen Einwohnerinnen. Dieser Zuwachs bringt unterschiedliche Entwicklungen und Bedürfnisse gesellschaftlicher Gruppen mit sich. In erster Linie dominieren Debatten über mangelnden Wohnraum, hohe Mieten und Gentrifizierung den Diskurs über die Entwicklung in Deutschland und der Hansestadt. Der Städtewachstum speist sich insbesondere aus der „Renaissance der Städte“. Dies bedeutet, dass seit mehreren Jahren das innerstädtische Wohnen attraktiv geworden ist, was Bewohnerinnen und Investorinnen gleichermaßen anspricht (vgl. Füller et al.: 2013: 31). Folge dessen sind Prozesse „der Inwertsetzung und Verdrängung“ und die „Neuordnung [.] der Bedeutungen von Stadt und Urbanität“ (ebd.: 31).
Konsequenz dieser Entwicklung ist, dass „insbesondere hochpreisige Neubauprojekte [.] veränderte Vorstellungen bezüglich der Qualität der Stadt, ihrer Nutzer_innen und Nutzungsweise“ (ebd.: 31) realisieren. Solche Projekte entwickelt auch das Investmenthaus Frankonia, welche die Sophienterrassen realisiert hat. Sie nutzt die „Renaissance der Städte“ als Motor zur Entwicklung ihrer Luxusquartiere. Der Geschäftsführer des Unternehmens erklärt den Mehrwert der Immobilien:
„Sie [die Kundinnen] profitieren nicht nur von der Bauqualität, sondern auch von dem immer noch anhaltenden Trend zum Wohnen im Zentrum. Diese Entwicklung, ist Uwe Schmitz überzeugt, ist noch lange nicht zu Ende: ,Das bedeutet für die Erwerber unserer Immobilien, dass sie ein krisenfestes Investment tätigen. Selbst wenn die Immobilienpreise mal eine Delle bekommen, wie während der Finanzkrise 2008, stabilisieren sie sichin solchenLagenimmer wieder schnell “ (Tröster 2018: 21).
Städte wandeln sich im zeitlichen Verlauf. Jedoch bewertet der Stadtsoziologe Walter Siebei diesen Wandel negativ und spricht von einer inneren, sozialen Spaltung der Städte „entlang ökonomischer und kultureller Grenzlinien“ (Siebel 2007: 128). Er geht davon aus, dass es zu einer neuen sozialräumlichen Fragmentierung kommt, der Trennung zwischen reichen und armen Viertelen und von privilegierten und benachteiligten Stadtbewohnerinnen. Gründe sind: „Wachsende materielle Ungleichheit, zunehmende kulturelle Heterogenität, eine auf Wachstumsförderung orientierte Stadtpolitik und die Deregulierung der Wohnungsversorgung“ (ebd.: 130). Die führt zu einer gesellschaftlichen Spaltung in der Stadt, der sozialräumlichen Polarisierung. Dabei sammeln sich wachsende Teile der Gesellschaft am oberen bzw. unteren Pol der sozialen Skala (vgl. ebd.: 132). Dies führt zu einer zunehmenden residentiellen Segregation in den urbanen Räumen, was die räumliche Separierung der Wohnbereiche unterschiedlicher sozialer Gruppen meint und synonym für die räumliche Ungleichverteilung von Armen und Reichen verwendet wird. Entscheidend für diese Ungleichverteilung ist der bestehende Wohnungsmarkt und dessen Praktiken (vgl. Farwick 2012: 381-384). Zudem verstehen sich Städte im Zuge der Globalisierung in weltweiter Konkurrenz mit anderen. Das Stadtmarketing kreiert deswegen häufig ein Image und präsentiert die „unternehmerische Stadt“ als Marke (vgl. Schoer 2006: 238f.). Städte werden zunehmend „markförmig und unternehmerisch organisiert“ (Wehrheim 2012: 15). Dadurch greifen neoliberale Paradigmen, wobei der politische Einfluss schrumpft und eine fortschreitende Ökonomisierung, sowie eine zunehmende Privatisierung des öffentlichen Raums folgt. Teil dessen ist ein globaler Zuwachs an geschlossenen Wohnquartieren (vgl. ebd.: 17-19). Somit werden Investorinnen zu zentralen Akteurinnen des Wandels der Städte. Auch in deutschen Städten entstehen zunehmend geschlossene Luxuswohnanlagen (vgl. ebd.: 201). Die Entstehung der Sophienterrassen ist somit kein singuläres Phänomen, weswegen sich die kritische Auseinandersetzung mit der
Wohnanlage als Fallbeispiel für ein (neues) urbanes Phänomen lohnt. Zudem ist die Frankonia einer der einflussreichsten Entwickler hinsichtlich der Realisierung von Luxuswohnanlagen in der Bundesrepublik Deutschland und realisierte Projekte in Berlin, München und Düsseldorf (vgl. Frankonia Eurobau: 2020). Geschäftsführer Uwe Schmitz, bringt das Selbstverständnis und den Anspruch der Firma auf den Punkt: „Wir wollen, dass unsere Projekte die Denkmäler von morgen sind, sie sollen auch in 100 Jahren noch gut aussehen und funktionieren“ (Tröster 2018: 20). Dies unterstreicht die Relevanz des gewählten Themas und des Interesses an den Sophienterrassen.
1.2 Geschlossene Wohnanlagen
Die USA gelten allgemein als Vorbild für die globale Verbreitung von gated communities und die dortige Entwicklung war einflussreich auf die Wohnformjedoch
„gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher städtebaulicher, sozio-politischer und sozio-ökonomischer Kontexte, in denen unterschiedliche Formen einer privatwirtschaftlichen oder gemeinschaftlichen Organisation von Nachbarschaften mit wiederum unterschiedlichen Formen der Abschottung und Bewachung kombiniert werden“ (Füller/Glasze 2014: 35).
Das Phänomen ist demnach nur zu verstehen, wenn der nationale Kontext beachtet wird. In der BRD haben die Anlagen oft keine harten Ausschließungsinstrumente wie Mauern und Zäune. Soziale Abgrenzung wird über die Architektur, die städtebauliche Gestaltung, das Serviceangebot und die spezifische Vermarktung der Anlagen erzeugt (vgl. Füller/Glasze 2014: 36). Daran schließt die vorliegende Arbeit und Fragestellung an.
1.3 Fragestellung
Die Fragestellung der Arbeit ist: Inwieweit und durch welche Instrumente erzeugen hochpreisige, gesc hlossene Wohnkomplexe im Segment der Luxusimmobilien soziale Exklusion nach außen und Exklusivität, sowie ein homogenes Bewohnerinnenmilieu nach innen? Die Fragestellung soll anhand des Fallbeispiels der Sophienterrassen untersucht und beantwortet werden. Es ist relevant zu verdeutlichen, welche Instrumente eingesetzt werden, um das Ziel der sozialen Exklusion und Exklusivität zu erreichen. Es ist davon auszugehen, dass diese Instrumente bewusst eingesetzt werden.
2. TheoretischerRahmen
Die theoretischen Grundlagen der Arbeit bilden in erster Linie die Texte des Soziologen Pierre Bourdieu zum Thema Raum. Zudem flössen noch weitere Autorinnen in die Überlegungen ein. Bourdieu beschreibt Orte als „Lokalisation“, also „die Stelle, an der ein Akteur oder Gegenstand situiert ist“ (Bourdieu 1991: 26). Zudem liefert er ein relationales Verständnis des Ausdrucks. Orte beschreiben dann die „Position, Rang in einer Ordnung“ (Bourdieu 1997: 160) von Akteurinnen. Er beschreibt die Gesellschaft als sozialen Raum, der in Felder unterteilt ist. Dieser sozialer Raum ist „durch die wechselseitige Ausschließung (oder Distinktion) der ihn konstituierenden Positionen“ (Bourdieu 1991: 26) geformt und ist hierarchisch. In ihm nehmen die Akteurinnen unterschiedliche Positionen ein und verdrängen sich hinsichtlich dieser gegenseitig. Der soziale Raum weist „die Tendenz auf, sich mehr oder weniger strikt im physischen Raum in Form einer bestimmten distributionellen Anordnung von Akteuren und Eigenschaften niederzuschlagen“ (ebd.: 26). Bourdieu folgert, „daß (sic!) alle Unterscheidungen in bezug (sic!) auf den physischen Raum sich wiederfmden im reifizierten sozialen Raum (oder [...] im angeeigneten physischen Raum)“ (ebd.: 26). Daraus ist zu schließen, dass gesellschaftliche Hierarchien und Zustände an der physischen Welt regelrecht abzulesen sind, da die Akteurinnen aufgrund ihrer gesellschaftlichen Position den physischen Raum besetzen bzw. aneignen. Bourdieu erklärt, „jeder Akteur ist charakterisiert durch den Ort, an dem er mehr oder minder dauerhaft situiert ist“ (ebd.: 26), dies ist in Relation zu anderen zu verstehen. Akteurinnen sind durch den Patz den sie im Raum einnehmen, anhand ihres Besitzes und insbesondere durch ihre Wohnräume zu „charakterisieren“ (ebd.: 26). Wohnorte, deren Größe und Innenausstattung geben Rückschlüsse auf die Stellung von Akteurinnen im sozialen Raum. Somit kann der angeeignete physische Raum als Leinwand gelten, an der sich soziale Tatbestände ablesen lassen (vgl. Schroer 2006: 88 f.). „Daraus folgt, daß (sic!) der von einem Akteur eingenommene Ort und sein Platz im angeeigneten physischen Raum hervorragende Indikatoren für seine Stellung im sozialen Raum abgeben“ (Bourdieu 1991: 26). Gesellschaftliche Hierarchien sind somit im städtischen Raum erkennbar. Des Weiteren stellt Bourdieu fest, dass es „in einer hierarchisierten Gesellschaft [.] keinen Raum [gibt], der nicht hierarchisiert ist und nicht die Hierarchien und sozialen Distanzen zum Ausdruck bringt“ (Bourdieu 1991: 26 f.). Dies ist „verschleiert durch den Naturalisierungseffekt“, d.h. über die zeitlich lange „Einschreibung der sozialen Realitäten in die physische Welt“ (ebd.: 27) werden die Hierarchien als natürlich angenommen und nicht mehr hinterfragt.
Nach Bourdieu ist der angeeignete Raum „einer der Orte, an denen Macht sich bestätigt und vollzieht, und zwar in ihrer subtilsten Form: der symbolischen Gewalt als nicht wahrgenommen Gewalt“. Aufgrund ihrer „Unsichtbarkeit“ gehören architektonische Räume zu „den wichtigsten Komponenten der Symbolik der Macht“ (ebd.: 28). Bourdieu erklärt, dass „die Struktur der räumlichen Verteilung der Machtfaktoren [...] die objektivierte Form eines Zustandes sozialer Auseinandersetzung um [.] Raumprofite darstellt“ (ebd.: 39). Diese Auseinandersetzung können sich auf individueller und kollektiver Ebene vollziehen. Bourdieu: „Faktisch geht es in ihnen um die Konstruktion von auf räumlicher Basis homogenen Gruppen, das heißt um eine soziale Segregation, die zugleich Ursache und Wirkung des exklusiven Gebrauchs eines Raumes und der für die Gruppe, die ihn besetzt hält, und deren Reproduktion notwendigen Einrichtungen darstellt“ (ebd.: 30).
Diese Gedanken Bourdieus liefern die Basis, um die Sophienterrassen im Verlauf der Untersuchung in den Kontext der Stadtgesellschaft einordnen und um die Bedeutung der Wohnanlage für die urbanen Raum fassen zu können.
3. Forschungsdesign
3.1 Methodisches Vorgehen
Beim methodischen Vorgehen im Rahmen dieser Arbeit wurde sich an der Ethnografie orientiert. Diese ist dabei weniger als bestimmte Methode, eher als ein integrierter Forschungsansatz zu verstehen, der die Instrumente der Beobachtung und der Auseinandersetzung mit Dokumenten kombiniert (vgl. Breidenstein et al. 2015: 34). Im begrenzten Rahmen einer Bachelorarbeit ist eine „vollständige“ Ethnografie nicht zu bewerkstelligen. Für die Datensammlung wurde das Quartier begangen, teilnehmend beobachtet und fotografisch dokumentiert. Bei den Begehungen wurde alles Wahrgenommene und Beobachtete in Sprachmemos und Feldnotizen festgehalten. Diese Aufzeichnungen erfolgten direkt, damit nichts vergessen oder verfälscht wurde. Deswegen wurde ein Aufnahmegerät verwendet, in welches bereits während der Beobachtung gesprochen wurde (vgl. ebd.: 374). Diese Sprachmemos wurden im Anschluss transkribiert und somit der Analyse zugänglich gemacht. Es ist anzumerken, dassjede Beobachtung und Interpretation subjektiv ist und neben der sinnlichen Wahrnehmung, insbesondere von individuellen und sozialen Faktoren des Beobachtenden abhängig ist.
Um die Fragestellung zu beantworten, lag der Fokus auf den baulichen Gegebenheiten des Quartiers. Durch die im Vorfeld erfolgte Literaturrecherche, existierten Erwartungen zu bestimmten baulichen Gegebenheiten. Deren Vorhandensein und Ausprägung wurde dann „im Feld“ überprüft. Die Systematik der Begehungen und Beobachtungen wurden im Verlauf der Untersuchung stärker, bspw. fiel die Pflasterung auf. Also wurden Begehungen unternommen, in denen sich ausschließlich auf die Beobachtung und Dokumentation dieses baulichen Elements fokussiert wurde.
Bei der Codierung wurde sich bei dem von Strauss und Corbin im Zuge der Grounded Theory Methodologie etablierten Verfahrens orientiert und das Analyseprogramm MAXQDA 2020 eingesetzt. Ziel des Verfahrens ist, die Analyse des Materials auf höhere Abstraktionsniveaus zu heben. Wobei das Material in aufeinanderfolgenden Schritten codiert wird. Grundsätzlich wurden die Codes aus dem gesammelten Material sowie aus der vorangegangenen Literaturrecherche gebildet (vgl. Strübing 2014: 535). Bei dem Verfahren wird der Datenkorpus zunächst offen codiert, was den „[...] Prozeß [sic!] des Aufbrechens, Untersuchens, Vergleichens, Konzeptualisierens und Kategorisierens von Daten [...]“ (Strauss et al. 1990: 43) beinhaltet. Aus dem generierten Datenmaterial werden kurze, in Segmente zerlegte Textpassagen herangezogen, die nacheinander bearbeitet und analysiert werden (vgl. Mey et al. 2009: 120). Diese Codes werden miteinander verglichen und ihren inhaltlichen
Gemeinsamkeiten nach gruppiert, sodass es zu einer erheblichen Reduktion der Anzahl der Einheiten kommt und so ein besserer Überblick ermöglicht wird (vgl. Strauss et al. 1990: 47). In einem nächsten Schritt werden der Datenkorpus und die entstandenen Kategorien axial codiert. Dabei werden die durch das offene Codieren generierten Daten neu zusammengesetzt, in dem die zu Kategorien zusammengefassten Codes miteinander verbunden werden (vgl. Strauss et al. 1990: 75). Die im offenen Codieren aufgebrochenen Daten werden beim axialen Codieren auf neue Art wieder zusammengefügt, indem „[.] Verbindungen zwischen einer Kategorie und ihren Subkategorien ermittelt werden [...]“ (ebd.: 76). In einem dritten Schritt werden die gebildeten Codes noch einmal selektiv codiert, mit dem Ziel der „Herausarbeitung der Kernkategorie, um die herum sich die anderen entwickelten Kategorien gruppieren lassen“ (Flick: 396 f.). Strauss und Corbin, forcieren mit dem Verfahren das Ausformulieren einer Theorie (vgl. ebd.: 397). Dies wurde in der vorliegenden Arbeit nicht getan, das Verfahren aber zu der Beantwortung der Forschungsfrage verwendet. Triangulierend zu den Beobachtungen, wurde Werbematerial der Sophienterrassen analysiert. Dabei musste sich dem Material kritisch genähert werden, weil Werbung in erster Linie „der Versuch [ist], dem Beworbenen eine den Absatz fördernde Bedeutung zu verleihen“ (Schnierer 1999: 184). Die Triangulation von Beobachtung mit anderen Mitteln der Untersuchung erhöht die Aussagekraft der Ergebnisse (Flick 2019: 285). Das Werbematerial wurde dabei in Texte überführt, die im Anschluss ebenfalls codiert wurden.
3.2 Sampling
Die Frankonia ist als Developer für die bundesweite Realisierung von Luxuswohnanlagen verantwortlich. Bislang hat sie in Berlin, München, Münster und Düsseldorf mindestens ein Quartier geschaffen. Dies begründet die Auswahl der Sophienterrassen als exemplarischen Fall, da das Investmenthaus Städte maßgeblich mitentwickelt und verändert, da private Developer erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der städtischen Struktur haben (vgl. Häußermann/Siebel 2004: 118).
4. Die Sophienterrassen
Im Folgenden wird ein Überblick über das Quartier, dessen Geschichte und städtebauliches Konzept gegeben. Die in Abbildung 1 dargestellten Sophienterrassen sind eine Luxuswohnanlage mit einer Fläche von 44.000 Quadratmetern im Hamburger Stadtteil Harvestehude am westlichen Alsterufer. Das Investitionsvolumen betrug rund 380 Millionen Euro. In der Anlage entstanden 191 Wohnungen und fünfVillen, sowie 24 Stadthäuser. Durch die Konversion des Areals muss die Entstehung der Wohnanlage von aktuellen Gentrifizierungsdiskursen abgegrenzt werden. Konversion bezeichnet die Umwandlung von brachliegenden Flächen in Wohnraum. Meist wird damit die Umwandlung von ehemals militärischen Gebieten bezeichnet. Deswegen waren zumindest unmittelbar bei der Entstehung der Sophienterrassen keine Mieterinnen von Verdrängung betroffen, wie dies häufig bei Sanierungen von Altbaubeständen und der Errichtungen von luxuriösen Eigentumswohnungen im innerstädtischen Bereichen geschieht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungl: Sophienterrassen (Quelle: EigeneDarstellung)
Abbildung 2: Zeitlicher Verlauf (Quelle: eigeneDarstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.1 Städtebau
Der Soziologie Jan Wehrheim beschreibt gated communities als „ausschließende Enklaven“ mit einer inselhaften und befestigten, räumlichen Form (vgl. Wehrheim 2012: 181-183). Vor diesem Hintergrund soll nun ein Überblick über die einzelnen Gebäude und städtebaulichen Attribute der Sophienterrasse gegeben werden. Dabei ist die Relevanz von Architektur in allen Gesellschaften zu beachten, in ihr spiegelt sich die physische Gestalt von Hierarchien, sowie der Differenz von sozialen Milieus wider. Dies ist insbesondere in der heutigen „artifiziellen Gesellschaft“ des 21. Jahrhunderts von Bedeutung (vgl. Delitz 2009: 16). Zudem gilt Architektur als das „Medium“ des Sozialen, wodurch gesellschaftliche Strukturen in der gebauten Umwelt erkennbar sind (vgl. ebd.: 22) und wird als „baukörperliche ,Gestalt‘ der Gesellschaft“ (Fischer/Delitz 2009: 9) verstanden.
Grundsätzlich ist zu sagen, dass die Bebauung des Quartiers mit den weißen und hellen Gebäuden der traditionellen Bebauung von Harvestehude folgt. Dies ist politisch für den Stadtteil vorgegeben. In der Außenalster-Verordnung heißt es in Paragraph 2:
„(1) Alle Bauvorhaben sind so zu gestalten, dass sie mit den vorhandenen Bauten in der Architektur, in der Dachausbildung und in den verwandten Baustoffen zusammengehörige Gruppen bilden.
(2) Es sind nur helle Putz- oder helle Steinbauten zugelassen.
(3) Für Dächer, die von den Straßen- und Wasserflächen (§ 1) aus sichtbar sind, sind Kupfer, graue oder braune Pfannen oder Schiefer zu verwenden“ (Außenalster-Verordnung 1953: 1).
In Abbildung 3 werden die Gebäude der Wohnanlage dargestellt, welche im Anschluss besprochen werden.
4.2 Der Campus am Mittelweg
Der Campus am Mittelweg bildet den westlichen Abschluss der Sophienterrassen. Er besteht aus einer Gruppe von drei neugebauten Bürogebäuden mit einer Fläche von 650 Quadratmetern und einer historischen Villa (vgl. Tröster 2015: 61 f.). Zusammen mit der Mikado Asiatic Gallery, welche ebenfalls vor den Sophienterrassen existierte, bilden die Gebäude den Campus. Hier befindet sich der öffentliche Park der Harmonie, welcher zusammen mit der Galerie entwickelt wurde. Dieser Teil der Sophienterrassen ist nicht abgeschlossen. Der Campus und der Park werden mit einem Aufsteiler beworben, auf welchem die ansässigen Firmen gelistet sind. In dem Park der Harmonie befindet sich ein Brunnen, welcher mit Fontäne und einem Monolithen ausgestattet ist. Logos ansässiger Firmen zieren die Bürogebäude des Campus.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Campus
4.3 Stadthäuser
Die Stadthäuser (siehe Abb. 4) liegen in der Mitte der Wohnanlage. Zehn der Häuser sind einzelne Villen mit Wohnflächen von rund 510 Quadratmetern. Zudem existieren vierzehn Doppelvillen mit Penthouses und Gartenwohnungen, mit Wohnflächen zwischen 210 und 240 Quadratmetern (vgl. Tröster 2015: 81 f.). Sie gruppieren sich um den zentralen, nichtöffentlichen Platz des Quartiers. Zudem befindet sich dort eine Grünfläche mit Spielgeräten für Kinder. Die Architektur wird von klassischen Proportionen bestimmt, was den Bezug zu Harvestehude widerspiegelt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Zugang
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Stadthäuser
4.4 Sophienpalais
Das zur Zeit des Nationalsozialismus gebaute und militärisch genutzte Gebäude liegt an der Sophienterrasse und besteht aus einem Haupt- und zwei Seitenflügeln (siehe Abb. 6). Wegen des Denkmalschutzes musste die historische Fassade erhalten werden. Es wurden Balkone und Terrassen ergänzt, um dem Anspruch an das Wohnen gerecht zu werden. Die südliche Rückseite wurde stark verändert. Dort wurden Balkone und Loggias ergänzt. Diese bauliche Veränderung ist in Abbildung 7 zu erkennen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Sophienpalais
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Südseite desPalais
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8: Westlicher Seitenflügel des Palais
4.5 Parkvillen
Die drei Parkvillen (siehe Abb. 9) liegen rund um den Sophienplatz und sind auf diesen ausgerichtet. An ihnen ist der architektonische Bezug zu der Vergangenheit am deutlichsten zu erkennen. Elemente wie die Sprossenfenster erinnern an die Gründerzeit, wo diese Bauweise allgegenwärtig war. Die charakteristischen Säulen an den Eingangsportalen weisen auf den Klassizismus hin, der als Inspirationsquelle diente. Damit wird Harvestehude Rechnung getragen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 9: ÖstlicheParkvilla
4.6 Alstervillen
Die beiden Alstervillen liegen in der Parkanlage am Harvestehuder Weg, mit freiem Blick auf das Alsterufer. In den Gebäuden existieren sechs bzw. sieben Wohnungen. Architektonisch sind die Gebäude als modern zu deuten. Im Gegensatz zu den Parkvillen und Stadthäusern ist der Bezug zu der Gründerzeit bzw. dem Klassizismus nicht klar zu erkennen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 10: SüdlicheAlstervilla
4.7 Wege und Straßen
Es führen mehrere öffentliche Straßen um das Quartier und markieren dessen Grenzen: westlich verläuft der Mittelweg, östlich der Harvestehuder Weg. Die Sophienterrasse ist nördlich gelegen und verläuft parallel zum Sophienpalais. In der Anlage gibt es private, aber öffentlich begehbare und private nichtöffentliche Wege. Diese sind Eigentum der Frankonia.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 11: Privatweg
Vom Mittelweg ist der Brunnenplatz frei zugänglich. Von dort, kann durch ein Tor die Feuerwehrzufahrt westlich des Sophienpalais benutzt werden. Dieser Weg endet an der Sophienterrasse. Das Tor lässt sich nur von innen öffnen, auf der anderen Seite existiert kein Türöffner: „Hier sind Türöffner. Ich drück mal drauf. Perfekt das geht automatisch. Also ich kann zumindest von innen nach außen gehen“ (Begehung am 11.03.2021).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 12: Feuerwehrzufahrt
Der öffentliche Harvestehuder Stieg teilt das Quartier auf der Höhe des Sophienplatz in NordSüd-Richtung zwischen Sophienterrasse und Gymnasium.
„Ich bin heute um 13 Uhr 7 an den Sophienterrassen und bin jetzt beim Wilhelm Gymnasium. Hier wird umgebaut [.] Deswegen ist der Zugang zu den Sophienterrassen [.] geschlossen“ (Begehung am 07.04.2021).
Dieser Weg ist aktuell aufgrund der Baustelle am Gymnasium und damit der Zugang vom Alfred-Beit-Weg blockiert.
„Es gibt den Harvestehuder Stieg, der ist so wie ich das sehe, auch keine private Straße. Es hängt kein Schild. Er macht also einen Knick 90 Grad Richtung runter zur Alster und da ist dann Tor und Zaun mit dem Logo und Klingelschild. Die öffentliche Straße ist plötzlich keine öffentliche Straße mehr“ (Begehungam 11.03.2021).
Der Harvestehuder Stieg (siehe Abb. 13), ist zunächst als Spielstraße deklariert und bildet die Zufahrt zur Tiefgarage. Dann geht er in den abgebildeten Weg über und wird mit einem Tor abgeschlossen. Die zunächst öffentliche Straße, wird also zu einem privaten, geschlossenen Weg. Es gibt keinen durchgängigen, öffentlichen Weg, der das Quartier in Ost-West-Richtung vom Mittelweg bis zur Alster verbindet. Dies ist ein wichtiges, planerisches Instrument, um Fremde aus der Anlage zu exkludieren und den urbanen Bewegungsflow, das Bewegungsverhalten der Menschen (vgl. Klein 2020: 390), gezielt um das Quartier zu leiten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 13: Harvestehuder Stieg
4.8 Bäume
Auf dem Areal existieren unter Naturschutz stehende Bäume. Deswegen musste die gesamte Wohnanlage mit diesen Bäumen konzipiert und gebaut werden. Am Sophienplatz unter den Eichen war der vorhandene Baumbestand namensgebend. Neben der ästhetischen Funktion sind Bäume im Städtebau wichtig für ein gutes Mikroklima und Schattenwurf. Große, alte und gesunde Bäume sind Indikator für eine gute Lebensqualität, weswegen die Namensgebung des Sophienplatz unter den Eichen aus einer Vermarktungsperspektive her sinnvoll ist. Des Weiteren erklärt die Frankonia:
„Weiterhin bestimmen alte Bäume das Bild, sie sind geschützt und die gesamte architektonische Anlage nimmt auf sie Bezug: Einige der skulpturalen Riesen stehen als Orientierungspunkte in den Sichtachsen. Das Ganze vermittelt einen ruhigen, herrschaftlichen und zugleich modernen Eindruck“ (Tröster 2018: 94).
Es wird deutlich, welchen Stellenwert und Einfluss der vorhandene Baumbestand bei der Konzeption der Anlage hatte.
4.9 Bezug zur Umgebung
Städtebaulich ist die gesamte Anlage - ausgenommen die beiden Alstervillen - auf sich bezogen. Es gilt die rechtliche Komponente beim Bau einer Wohnanlage zu beachten. Die Hamburgische Bauordnung (HBauO) stellt dazu fest:
„Bauliche Anlagen müssen nach Form, Maßstab, Verhältnis der Baumassen und Bauteile zueinander, Werkstoff und Farbe so gestaltet sein, dass sie nicht verunstaltend wirken. Bauliche Anlagen dürfen das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild nicht verunstalten“ (HBauO 2005: 13).
Bei dem Errichten einer Wohnanlage muss sich also an der Bausubstanz der Umgebung orientiert werden. Diese Orientierung konnte bei den Begehungen bestätigt werden, denn die beiden Alstervillen fügen sich in die Umgebung ein:
„Ich bin von Dammtor zirka vom US-Generalkonsulat, den Harvestehuder Weg hochgekommen und muss sagen, die Sophienterrassen bzw. die Alstervillen stechen jetzt nicht besonders heraus. An dieser Stelle also die Gebäude. Die Art und Weise auf anderen Grundstücken sind ähnlich. Natürlich sind Baustile immer leicht unterschiedlich. Dennoch sind sie auf jeden Fall vergleichbar und fügen sich ein“ (Begehung am 01.04.2021).
Auch bei nächtlichen Begehungen bestätigte sich dieser Eindruck: „Ansonsten wieder der Eindruck, dass die Sophienterrassen nichts herausstechen [...] von unten, vom Harvestehuder Weg heben sich die Villen nicht wirklich ab. Fügen sich eher in diesen promenadenartigen Hang ein“ (Begehung am 01.04.2021). In direkter Nachbarschaft liegt eine Luxuswohnanlage (H36). Diese ähnelt den Villen hinsichtlich Größe und Farbigkeit. Es gibt vergleichbare Attribute der Exklusivität wie beispielweise eine private Tiefgarage, geschlossen ist die Anlage aber nicht.
Einen anderen Eindruck vermittelt das Sophienpalais, welches sich stark von der Umgebung abhebt. Es wirkt wie ein Fremdkörper in dem Gebiet. Dem widerspricht die Frankonia entschieden: „Die Seitenflügel des Palais passen sich in Höhe und Proportion gut in das Viertel ein. Aus manchen Perspektiven wirken sie wie eigenständige, kleinere Häuser“ (Tröster 2018: 81). Weiter heißt es in dem Material:
„Selbst das Sophienpalais, das durch seine Größe als Fremdkörper gelten könnte, ist darin gut aufgehoben.
Kommt man vom Mittelweg, verdecken die alten Bäume des benachbarten Grundstückes diskret seine Flanke. Der westliche Gebäudeflügel erscheint aus dieser Perspektive wie ein eigenständiges Haus von angemessenem Format“ (Tröster 2018: 90).
Diese Interpretation der Wirkung des Gebäudes stellte sich bei den Begehungen nicht ein, „ich habejetzt gerade den Eindruck, dass der Sophienpalais als Bollwerk fungiert, der die restliche Anlage sehr abschirmt“ (Begehung am 07.04.2021) und:
„Im Kontrast dazu wirkt der Sophienpalais wie ein Fremdkörper in dem Gebiet, klar durch seine Architektur und Materialität allein, aber auch und vor allem durch seine Inszenierung: Flaggen, Fahnen, Fackeln, Licht kommt von innen durch die hohen Fenster [...]“ (Feldnotiz vom 01.04.2021).
Die von Wehrheim beschriebenen Definition von gated communities als „ausschließende Enklaven“ mit inselhafterund befestigter, räumlicher Form (vgl. Wehrheim 2012: 181-183) ist im Hinblick auf die Sophienterrassen zu folgen. Durch das städtebauliche Konzept, insbesondere des Bezugs der Anlage auf sich selbst, hat das Quartier eine inselhafte, räumliche Form. Der ausschließende Charakter der Anlage wird zudem durch die privaten und nichtöffentlich begehbaren Wege deutlich und sinnlich erfahrbar.
5. Darstellung der Forschungsergebnisse
Im Folgenden werden die Ergebnisse der Untersuchung dargestellt. Die einzelnen Kapitel geben die Kemkategorien der Analyse wieder, wobei der Fokus zunächst auf die soziale Exklusion, danach auf die Exklusivität gerichtet wird. Die beiden Konzepte stehen in keinem Gegensatz zueinander. Viel mehr bauen sie aufeinander auf und bedingen sich.
5.1 Soziale Exklusion durch ökonomisches Kapital
Unter sozialer Exklusion versteht man die Ausgrenzung von Menschen bzw. Gruppen von Menschen. Aktuell ist eine stärker werdende sozialökonomische und sozialräumliche Polarisierung zu beobachten, wobei sich diese gesellschaftliche Ungleichheit insbesondere in den Räumen der Stadt widerspiegelt. Die residentielle Segregation ist als Ausdruck städtischer Desintegration zu verstehen und beschreibt die Verräumlichung sozialer Ungleichheit. Sie bestimmt den Zugang zu Orten, sowie zu Eigentum (vgl. Müller 2012: 429). In den Sophienterrassen wird soziale Exklusion in erster Linie durch hohe Preise erzeugt. Kaufpreis und Mietzins sind Instrumente, mit denen wohnräumliche Ausgrenzung und Segregation in geschlossenen Wohnkomplexen erreicht wird (vgl. Wehrheim 2012: 206). Es existieren ökonomische Grenzen, die als maßgebliches Instrument der sozialen Exklusion zu werten sind. In der Wohnanlage sind alle Eigentumswohnungen der Villen und Stadthäuser verkauft. Lediglich im Sophienpalais werden noch Wohnungen angeboten.
Tabelle 1: Wohnungspreise
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der durchschnittliche Quadratmeterpreis in Harvestehude liegt bei ca. 8.000,00 € (vgl. LBS Bausparkasse 2021: 8). Bei Eigentumswohnungen ist ein starker Zuwachs bei der Preisentwicklung zu verzeichnen. Seit 2016 stiegen die Immobilienpreise um 47,1 %. Der niedrigste Quadratmeterpreis liegt bei ca. 6.500,00 €, der höchste bei ca. 17.500,00 €. Damit sind die angebotenen Wohnungen die mit den höchsten Quadratmeterpreisen in Harvestehude. Lediglich in drei Hamburger Stadtteilen (HafenCity ca. 24.500,00 €, Blankenese ca. 18.500,00 € und Uhlenhorst ca. 20.000,00 €) finden sich vergleichbare Höchstpreise (vgl. ebd.: 32 f.). Dies zeigt, dass die Sophienterrassen in einem etablierten und luxuriösen Gebiet liegen.
Wichtigstes Instrument der sozialen Exklusion in den Sophienterrassen ist somit die Menge an ökonomischem Kapital einer Person. Dadurch ergibt sich eine Homogenisierung und eine freiwillige Segregation der Bewohnerinnen entlang von Einkommensgrenzen, denn bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von ca. 3.400 € in Hamburg (vgl. Greive 2018), kann sich nur ein kleiner Teil der Stadtbewohner:innen das Wohnen in den Sophienterrassen leisten. Außerdem existiert in den Sophienterrassen kein öffentlich geförderter Wohnraum, was das Ziel der Frankonia, eine Anlage zu kreieren, die ausschließlich von sehr wohlhabenden Menschen bewohnt wird, verdeutlich. Somit wurde eine homogene Wohnanlage hinsichtlich des Bewohnerinnenmilieus geschaffen.
5.2 Soziale Exklusion durch den offerierten Lebensstil
Nicht nur durch ökonomisches Kapital wird soziale Exklusion erzeugt, sondern auch durch die Gestaltung der Wohnanlage und dem damit vorgegebenen Lebensstil (vgl. Wehrheim 2012: 206). Die Kulturgeographen Glasze und Füller gehen davon aus, dass eine bestimmte Ästhetik im der Wohnanlage der entscheidende Kaufanreiz für die Bewohnerinnen ist, die sich im Quartier einer bestimmten Ästhetik sicher sein können (vgl. Füller/Glasze 2014: 36).
Bourdieu erklärt, dass die geschlossensten und exklusivsten Räume von Akteurinnen vor allem soziales Kapital verlangen, ein Beispiel kann eine renommierte Adresse sein. Diese Räume produzieren wiederum soziales und symbolisches Kapital für die Akteurinnen mit Zutrittsberechtigung. Bourdieu beschreibt dies mit dem Klub-Effekt bzw. Ghetto-Effekt: ein exklusives Quartier erhöht die dort lebenden Bewohnerinnen symbolisch, während das sogenannte Ghetto, die dort Lebenden symbolisch herabsetzt (vgl. Bourdieu 1991: 32 f.). Wehrheim stellt fest, dass das Wohnen in einer gated community als Statussymbol gelten und Distinktionsgewinne hervorbringen kann (vgl. Wehrheim 2012: 187 - 189). Der von Bourdieu beschriebene Klub-Effekt gilt in der Intensität in dem diese Räume rechtlich und faktisch alle ausschließen die nicht über die im Raum gewünschten Eigenschaften verfügen oder zu mindestens eine in dem Raum unerwünschte Eigenschaft haben. „Faktisch“ meint ein Gefühl des „Fremd- und Ausgeschlossenseins“ was sich beim Eindringling in dem Raum einstellt (vgl. Bourdieu 1993: 166). Luxusräume funktionieren wie ein aktiv auf Exklusion angelegter Klub: „Einige Formen der gated communities wären ein gutes Beispiel für den Aufbau dieser Art von Exklusivräumen mit strengen Inklusions- und Exklusionsregeln“ (Schroer 2006: 99). Developer und Eigentümer:innen nehmen dann eine Position als „Gatekeeper“ ein und sorgen dafür die Lebensstilgemeinschaft und Exklusivität zu erhalten (vgl. ebd.: S. 99 f.). Der in den Sophienterrassen offerierte Lebensstil ist geprägt von Luxus, Exklusivität, Komfort und Sicherheit. Nur Menschen mit diesem Lebensstil entscheiden sich für ein Leben dort, wenn sie dazu die erforderliche Menge ökonomischen Kapitals aufbringen und die ökonomischen Grenzen übertreten können.
Von einer sozialen Durchmischung in dem Quartier ist nicht auszugehen. Hinsichtlich dieses Paradigmas der modernen Stadtplanung erklärt der Geschäftsführer der Frankonia, angesprochen auf die Verhandlungen mit unterschiedlichen Partnerinnen, bei der Realisierung eines solchen Projektes:
„Partner auf der anderen Seite sind die Städte und Gemeinden. Doch leider, so hat Uwe Schmitz immer wieder festgestellt, agiere der Staat mit seinen Gliederungen oft widersprüchlich. „Der Bund, dem über die Bundesvermögensverwaltung auch das heutige Sophienpalais gehört hatte, will Höchstpreise erzielen.
Andererseits fordern die Kommunen eine soziale Durchmischung, die der höchste Kaufpreis oft nicht hergibt. Von gestalterischen Vorstellungen ganz abgesehen. Diese Gemengelage hat meist langwierige Diskussionen mit den Kommunen zur Folge, sogar Konflikte[4]“ (Tröster 2018: 20).
Hier wird eine Konfliktlinie aufgezeigt, die zwischen dem Ziel einer sozialdurchmischten Stadtgesellschaft und dem Errichten von Luxuswohnanlagen verläuft. Bei der Entwicklung und Realisierung der Sophienterrassen setzte sich die Frankonia in diesem Konflikt durch und schuf ein Quartier, für das von ihr präferierte Milieu. Dennoch wird das Quartier als Wohnort unterschiedlicher Menschen mit unterschiedlichen Lebensstilen beschrieben:
„Eines aber spüren wahrscheinlich alle Bewohner: Die unterschiedlichen Zuschnitte der Apartments ermöglichen eine Vielfalt von Lebensformen - von Studenten überjunge Familien bis zu Senioren ist alles vertreten“ (Tröster 2018: 54).
Die Interaktion des Personals mit den Bewohnerinnen wird so dargestellt:
„Die Bewohner im Sophienpalais sind vom Alter her sehr gemischt, dementsprechend fallen auch die Anfragen zu Dienstleistungenbeim Concierge unterschiedlich aus. Viele Bewohner halten gerne einen Small Talk am Concierge-Tresen, andere sind etwas distanziert“ (Tröster 2018: 61).
Bei den Begehungen des Autors konnten kaum Menschen in dem Quartier beobachtet werden. Deswegen kann diese Aussage weder verifiziert noch falsifiziert werden. Die dortige soziale Mischung kann aber nur innerhalb der ökonomischen Grenzen stattfmden.
An einer Stelle wurde festinstalliertes Spielgerät beobachtet. Laut HBauO sind Bauherr:innen dazu verpflichtet, ab einer gewissen Größe der Wohnanlage Spielflächen zur Verfügung zu stellen.2 Ob die mit Gerät ausgestattet Spielfläche an der Südseite des Sophienpalais, die einzige ist, lässt sich durch die Geschlossenheit der Anlage nicht beantworten. Das reine Vorhandensein von Spielgeräten reicht noch nicht, um Familien als Zielgruppe der Sophienterrassen festzulegen. Es kann für diese attraktiv sein in der Wohnanlage zu wohnen, da sich durch die Geschlossenheit und die Überwachung ein erhöhtes Sicherheitsgefühl bei den Eltern einstellen kann. Es konnte bei den Begehungenjedoch keine Familien beobachtet werden.
Die Barrierefreiheit in den Sophienterrassen ist gegeben, denn die Fahrstühle der Tiefgarage bringen die Bewohnerinnen direkt in deren Wohnungen. Der Umstand der Barrierefreiheit, macht die Sophienterrassen für alte Menschen und Menschen mit körperlichen Einschränkungen attraktiv. Dennoch reicht dies nicht aus, diese Personengruppe als Zielgruppe der Sophienterrassen zu betrachten, da der Gesetzgeber die Developer von Wohnanlagen zu (teilweiser) Barrierefreiheit verpflichtet.3
5.3 Phyische Instrumente der Exklusion
Bourdieu erklärt, dass Herrschende Zugriff auf „Okkupations- oder Raumbelegungsprofiten“ haben. Der Besitz an physischen Raum bedeutet dann, dass jedes fremde und unerwünschte Eindringen unterbunden wird, also die Möglichkeit besteht Menschen und Dinge physisch auf Distanz zu halten (vgl. Bourdieu 1991: 30 f.). Füller und Glasze erklären, dass geschlossene Wohnanlagen in der BRD oft keine harten Ausschließungsinstrumente benutzen und dass soziale Exklusion über die Architektur, die städtebauliche Gestaltung, das Serviceangebot und die spezifische Vermarktung des Quartiers erzeugt wird (vgl. Füller/Glasze 2014: 36). Dennoch sind in den Sophienterrassen Mauern und Zäune vorzufmden. Die Einfriedungen (Zäune, Mauern, Hecken) markieren zunächst die Grundstücksgrenzen und zeigen, wo der öffentliche Raum in den privaten übergeht. Wobei öffentlicher Raum weder rein räumlich-territorial noch soziologisch klar abgrenzbar, meist geltenjedoch Straßen und Plätze als der öffentliche Raum. Hohe Mauern sind als eindeutige Begrenzung zwischen öffentlichem und privatem Raum zu verstehen. Zäune hingegen sind mehr eine Hürde, denn eine klare Grenze (vgl. Klamt 2012: 782 f.). In der HBauO existiert keine Verpflichtung zum Einfrieden, also des physischen Abgrenzens des eigenen Grundstücks. Die Einfriedungen an den Sophienterrassen wurden freiwillig, also ohne eine gesetzliche Vorgabe errichtet. In der HBauO ist die erlaubte Höhe der Einfriedungen geregelt:
„Bauliche Einfriedigungen an der Grenze zu öffentlichen Wegen und Grünflächen sowie an der Grenze zu benachbarten Grundstücken in der Tiefe der Vorgärten sind bis zu einer Höhe von 1,50 m, vom eigenen Grund gemessen, zulässig. Sie müssen durchbrochen sein“ (HBauO 2005: 12).
Demnach darf eine Wohnanlage eingefriedet und abgegrenzt werden, dies aber nur in einer Höhe von 1,50 m und nur mit durchbrochenen Einfriedungen. Eine blickdichte Steinmauer ist demzufolge nicht zulässig. An der sogenannten hinteren Nachbargrenze eines Grundstücks sind Einfriedungen bis 2, 00 m Höhe erlaubt.
Hinsichtlich der Fragestellung dieser Arbeit ist diese gesetzliche Komponente relevant, weil daraus hervorgeht, dass das Errichten von Wohnanlagen mit unüberwindbaren und bspw. Stacheldraht versehen Einfriedungen in der BRD nicht erlaubt ist. Dies ist in anderen Ländern hingegen üblich. Dennoch wird das Instrument in den Sophienterrassen eingesetzt. Dabei werden tote (Mauern und Zäune) und lebendige (Hecken und Büsche) Einfriedungen eingesetzt. Durch das Eingrenzen des Grundstücks wird das unerlaubte Übersteigen dieser Einfriedungen zu dem Straftatbestand des Hausfriedensbruchs.4 Neben der besitzanzeigenden und strafrechtlichen Komponente der Einfriedungen, wirken diese vor allem symbolisch. Zudem sorgen sie für Diskretion und Anonymität da die Einsicht in die Wohnanlage, erschwert oder verhindert wird.
Bei der Analyse der Einfriedungen muss zwischen den einzelnen Bereichen der Anlage differenziert werden. Der Campus mit dem dort gelegenen Park ist der einzig freizugängliche und Bereich des Quartiers, es gibt dort keine Einfriedungen.
„Außerdem gibt's hier auch überall Bewuchs, der 1,50 1,60 hoch sein wird, wo man nicht reingucken kann, nicht gut reingucken kann und auch nicht leicht einsteigen kann [...] nochmal zum Bewuchs. Hier ist auf jeden Fall überall Bewuchs, der einem die Einsicht versperren soll [.] Man hat kleine Zäune, Bewuchs, Büsche, die die Einsicht in die untersten Etagen zu erschweren“ (Begehung am 11.03.2021).
Die Zugänge der Stadthäuser sind im Bereich des Brunnenplatzes durch Tore abgegrenzt. Diese haben eine Höhe von ca. 1 m, sind mehr eine symbolische Abgrenzung, denn ein physisches Hindernis. Die Erdgeschosswohnungen in diesem Bereich sind mit einer ca. 1,50 m hohe Mischform aus Mauer, Zaun und Hecke blickdicht eingefriedet. Die einzelnen Terrassen sind durch Bewuchs voneinander abgeschirmt, was den Stellenwert von Diskretion und Anonymität in der Wohnanlage und für deren Bewohnerinnen unterstreicht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 14: Einfriedungen Stadthäuser
Differenziert muss das Sophienpalais betrachtet werden. Der Zugang an der Rückseite und der dortige Weg sind durch einen ca. 1 m hohen Zaun und Tor geschlossen. Zudem ist der Zugang zu der Feuerwehrzufahrt durch Zaun und Tor abgegrenzt. Aufgrund der Bauweise des Sophienpalais ist dieses nicht weiter eingefriedet. Lediglich die Zierflächen, an der Front des Gebäudes, sind durch einen niedrigen Zaun eingefriedet. Über den Harvestehuder Stieg erreicht man den Sophienplatz. Die Einfriedungen dort sind weitaus höher im Vergleich zu den Einfriedungen am Brunnenplatz. Diese Bereiche der Wohnanlage sind kaum einsehbar. Zudem gibt es exklusive Zugänge zu den Terrassen und Häusern des Quartiers.
„Hier sind Tore, die auch nicht leicht zu übersteigen sind [...] Hier sind sie auf jeden Fall mannshoch [.] Hier hat sich zu dem kleinen Zaun jetzt auch noch eine Mauer gesellt. Es ist aufjedenFall schwieriger reinzukommen“ (Begehung am 11.03.2021).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 15: Einfriedungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 16: Privater Zugang
Die Zugänge zu an der Tiefgarage am Sophienplatz sind mit höheren Türen versehen als die Zugänge am Brunnenplatz.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 17: Zugänge
Der aktuell versperrte Harvestehuder Stieg der dann in den Alfred-Beit-Weg übergeht, wird nach der Fertigstellung der einzige Weg sein, durch welchen Fremde das Quartier durchqueren können. Daher sind die Einfriedungen dort ca. 2,00 m hoch und blickdicht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 18: Harvestehuder Stieg
Die ca. 2,00 m hohen Einfriedungen an den Parkvillen bestehen aus Mauern, Zäunen und blickdichten Hecken. Dier Terrassen und Erdgeschosse sind somit abgegrenzt und nicht einsehbar. Diese Einfriedungen schirmen die Erdgeschosse auch untereinander ab und erzeugen so Diskretion und Anonymität.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 19: Einfriedungen Parkvilla
Insbesondere die Rückseite der südlichen Parkvilla ist durch eine Mischform aus Mauer und Hecke stark abgegrenzt. Auch das umliegende Parkareal ist durch Hecken eingefriedet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Zugänge zu den Alstervillen sind mit ca. 1 m hohen Toren eingefriedet. Die Abgrenzung ist als symbolisch zu betrachten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 21: Einfriedungen am Zugangzu denAlsterviUen
Die Außenalster-Verordnung aus dem Jahr 1953 enthält Vorgaben für die Bebauung der Grundstücke an der Alster. Es gilt, dass
„die unbebauten Teile aller Grundstücke, die im Blickfeld der Straßen- und Wasserflächen (§ 1) liegen, [...] als Gartenanlagen so auszugestalten [sind], dass sie Ausdruck werkgerechter Durchbildung sind und sich der Umgebung sowie dem parkartigen Straßen-, Orts- und Landschaftsbild der Außenalster einfügen“ (Außenalster-Verordnung 1953: 1).
Dies musste bei derKonzeption der Sophienterrassen beachtet werden. Des Weiteren geht aus der Außenalster-Verordnung hervor:
„Insbesondere darf der Einblick in die Gartenanlagen durch Bepflanzung an der Straßenseite oder durch andere Maßnahmen nicht verwehrt werden. Grundstückseinfriedigungen dürfen nicht höher als 60 cm, Hecken nicht höher als 1 m sein“ (Außenalster-Verordnung 1953: 1).
Damit ist geregelt, dass ein massives Abschirmen und Abgrenzen der Wohnanlage nicht erlaubt ist. Dies erklärt die geringe Höhe der Einfriedungen und warum die Wohnanlage hier einsichtig ist. Die Einfriedungen bestehen aus einer Konsole aus poliertem Granit, dann folgt eine Rasenfläche, wo sich Zaun und Hecken befinden.
„Zur Abschirmung gibt es Hecken, Bäume, Zäune, Mauern und Vorhänge sowie Fassaden und Balkone, die eingelassen sind ins Gebäude. Da kann man, wenn man auf dem Balkon ist, auf jeden Fall auch nicht gesehen werden, nicht sehr gut gesehen werden“ (Begehung am 01.04.2021).
Die Villen sind, auch bei Dunkelheit, wenig einsichtig, da sie in einiger Entfernung zu der Straße stehen. Die Balkone sind nach innen gesetzt, um Sichtschutz und Diskretion zu gewährleisten. Die sind Terrassen durch Hecken, Bäume und die charakteristischen Säulen der Wohnanlage blickdicht konzipiert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 22: Einfriedungen Alstervillen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 23: Harvestehuder Stieg
Das Grundstück ist zudem durch eine Hecke in nördlicher Richtung eingefriedet:
„Ich gehe jetzt den Harvestehuder Stieg längs, hier ist eine Hecke, die sehr blickdicht ist. Man kann da nicht aufs Gelände schauen, die ist ungefähr 2 Meter hoch. Ich kann nicht durchgucken“ (Begehung am 01.04.2021).
Bei dem Durchqueren des Harvestehuder Stieg fällt auf, dass der Weg beiderseitig eingefriedet ist. Damit ist der Blick in die Parkanlage, die Erdgeschosse und Terrassen der Alstervillen stark eingeschränkt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 24: Harvestehuder Stieg
Wie gezeigt werden die Sophienterrassen durch physische Instrumente abgegrenzt und abgeschirmt, hier zeigt sich das Ziel von Diskretion und Anonymität und der Ausschluss von Fremden.
5.4 Überwachung und Kontrolle
Das Quartier wird mit unterschiedlichen Instrumenten überwacht. Im Hinblick auf das geringe Sicherheitsrisiko und Kriminalitätsrate in Hamburg wirkt der Fokus der Developer auf Überwachungsmaßnahmen übertrieben. So wurden in der Hansestadt im Jahr 2020 11.018 Straftaten pro 100.000 Einwohnerinnen (vgl. Bundeskriminalamt/Statistisches Bundesamt 2021) und einer Aufklärungsquote von 47,7% registriert (vgl. Bundeskriminalamt 2021). Die Überwachung wirkt zudem nicht nur außen, sondern auch nach innen. Es findet somit auch eine Kontrolle und Überwachung der Bewohnerinnen statt (vgl. Wehrheim 2012: 190f.)
5.4.1 Technische Überwachung durch Kameras
Es wird intensiv Kameratechnik eingesetzt. Insbesondere im Vergleich zu der direkten Nachbarschaft fällt der massive Einsatz auf:
„Am Gebiet der Alstervillen ist deutlich mehr Kamera komplett außen rum. Eins, zwei, drei, vier Kameras, die die ganze Flucht und ringsum erfassen. Außerdem ist da Mauer und Zaun, der aber nicht weiter befestigt ist [...] Also bei den Alstervillen im Gegensatz zu oben hat man deutlich mehr Kameras, offensichtliche Kameras“ (Begehung am 11.03.2021).
Insbesondere an den Zugängen zum Quartier und auf den Wegen sind Überwachungskameras zu beobachten. An den Stadthäusern und dem Sophienpalais ist die Überwachungstechnik diskreter angebracht. An den Villen wird massiv und offensichtlich überwacht. Auf Schildern wird die Videoüberwachung der Anlage zudem angekündigt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 25: ZugangStadthäuser
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 26: Sophienpalais
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 27: Zugang Villen
(HBauO2005: 12).
[...]
1 „Bei Gebäuden mit mehr als drei Wohnungen ist auf dem Grundstück eine ausreichend große Spielfläche mit geeigneter Ausstattung für Kinder herzustellen. Die Kinderspielfläche muss eine Größe von mindestens 10 m2 je Wohneinheit, mindestens aber 100 m2, haben. Eine Unterschreitung dieser Größe ist zulässig, wenn sonst die zulässige Bebauung auf dem Grundstück nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand verwirklicht werden kann“
2 „(1) In Gebäuden mit mehr als vier Wohnungen müssen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei erreichbar sein; diese Verpflichtung kann auch durch barrierefrei erreichbare Wohnungen in entsprechendem Umfang in mehreren Geschossen erfüllt werden. In diesen Wohnungen müssen die Wohn- und Schlafräume, eine Toilette, ein Bad sowie die Küche oder die Kochnische barrierefrei sein [...]“ (HBauO 2005: 45).
3 „Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft“ (StGb Paragraph 123).
- Citation du texte
- Julian Trutz Müller (Auteur), 2020, Exklusivität und Exklusion im Wohnen. Die Sophienterrassen in Hamburg-Harvestehude, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1348118
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