1. Einleitung
sed et aduersus conuicia malosque rumores et famosa de se ac suis carmina firmus ac patiens subinde iactabat in ciuitate libera linguam mentemque liberas esse debere; […] atque haec eo notabiliora erant, quod ipse in appellandis uenerandisque et singulis et uniuersis prope excesserat humanitatis modum.1
iam primum publica negotia et privatorum maxima apud patres tractabantur, dabaturque primoribus disserere et in adulationem lapsos cohibebat ipse; […].2
Die beiden hier aufgeführten Zitate von Sueton und Tacitus fassen die ersten Jahre des tiberischen Principats zusammen.3 Es wird aus ihnen ersichtlich, dass eine freie politische Mitwirkung der Senatoren am Staate, seitens des Princeps, erwünscht war und dass die imago antiquitatis, in dieser Zeit, „nach außen hin durchaus realistische Züge“4 besaß.
Bei Hinzuziehung folgender Aussage des Senators Cn. Piso: quo […] loco censebis, Caesar? si primus, habebo quod sequar; si post omnes, vereor ne imprudens dissentiam, macht jedoch deutlich, dass die libertas der Senatoren, an der Macht des Princeps endete und sie demzufolge auf dessen Gewährung angewiesen war. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Tiberius' Vorhaben der Republikanisierung des Principats zwar durchaus ernst gemeint war, die Verfassungswirklichkkeit dem aber entgegenstand. Die Äußerung des S. Crispus verdeutlicht dies: neve Tiberius vim principatus resolveret cunta ad senatum vocando.5
Diese Hausarbeit will ergründen warum Tiberius' republikanischen Maßnahmen letztlich (zwangsläufig) zum Scheitern verurteilt waren. Dazu ist es fürs erste notwendig, die von Tiberius' Vorgänger Augustus geschaffene Machtverteilung, innerhalb der res publica restituita zu untersuchen. Danach widmet sich diese Seminararbeit den konkreten Maßnahmen, die Tiberius unternahm um das entscheidende Gremium der alten res publica, den Senat, zu stärken. In diesem Zusammenhang muss geklärt werden, ob seinen Maßnahmen restaurative oder andere Motive zu Grunde lagen. Außerdem sollen die tiberischen Republikanisierungsmaßnahmen einer eingehenden Bewertung unterzogen werden sowie ergründet werden, inwieweit das Principat und seine wichtigsten Protagonisten, also Princeps und Senat bzw. Senatoren, zum Scheitern dieser Maßnahmen beitrugen.
1 Tib. Suet. 28f.
2 Tac. ann. 4,6,2.
3 Die inhaltliche Übereinstimmung zu Cassius Dio (Vgl. Dio 57,7-57,11) und die ansonsten kritische Einstellung beider Quellenautoren gegenüber Tiberius bürgen für den Wahrheitsgehalt de
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Erbe des Augustus
3. Tiberius' Maßnahmen zur Republikanisierung des Principats
4. Bewertung der Maßnahmen zur Republikanisierung des Principats
6. Nachwort
7. Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
sed et aduersus conuicia malosque rumores et famosa de se ac suis carmina firmus ac patiens subinde iactabat in ciuitate libera linguam mentemque liberas esse debere; [...] atque haec eo notabiliora erant, quod ipse in appellandis uenerandisque et singulis et uniuersis prope excesserat humanitatis modum.1
iam primum publica negotia et privatorum maxima apud patres tractabantur, dabaturque primoribus disserere et in adulationem lapsos cohibebat ipse; [...].2
Die beiden hier aufgeführten Zitate von Sueton und Tacitus fassen die ersten Jahre des tiberischen Principats zusammen.3 Es wird aus ihnen ersichtlich, dass eine freie politische Mitwirkung der Senatoren am Staate, seitens des Princeps, erwünscht war und dass die i mago antiquitatis, in dieser Zeit, „nach außen hin durchaus realistische Züge“4 besaß.
Bei Hinzuziehung folgender Aussage des Senators Cn. Piso: quo [...] loco censebis, Caesar? si primus, habebo quod sequar; si post omnes, vereor ne imprudens dissentiam, macht jedoch deutlich, dass die libertas der Senatoren, an der Macht des Princeps endete und sie demzufolge auf dessen Gewährung angewiesen war. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Tiberius' Vorhaben der Republikanisierung des Principats zwar durchaus ernst gemeint war, die Verfassungswirklichkkeit dem aber entgegenstand. Die Äußerung des S. Crispus verdeutlicht dies: neve Tiberius vim principatus resolveret cunta ad senatum vocando.5
Diese Hausarbeit will ergründen warum Tiberius' republikanischen Maßnahmen letztlich (zwangsläufig) zum Scheitern verurteilt waren. Dazu ist es fürs erste notwendig, die von Tiberius' Vorgänger Augustus geschaffene Machtverteilung, innerhalb der res publica restituita zu untersuchen. Danach widmet sich diese Seminararbeit den konkreten Maßnahmen, die Tiberius unternahm um das entscheidende Gremium der alten res publica, den Senat, zu stärken. In diesem Zusammenhang muss geklärt werden, ob seinen Maßnahmen restaurative oder andere Motive zu Grunde lagen. Außerdem sollen die tiberischen Republikanisierungsmaßnahmen einer eingehenden Bewertung unterzogen werden sowie ergründet werden, inwieweit das Principat und seine wichtigsten Protagonisten, also Princeps und Senat bzw. Senatoren, zum Scheitern dieser Maßnahmen beitrugen.
2. Das Erbe des Augustus
Das Principat, bzw. die res publica restituita, war eine von Augustus geschaffene und auf seine Person zugeschnittene Staatsform, die den Regulierungsmechanismen der römischen Gesellschaft (leges und mos maiorum) Rechnung trug, indem sie „die autoritäre Gewalt einer monarchischen Staatsführung in die alten Formen republikanischer Vorstellung kleidete“.6 Exemplarisch hierfür steht die offizielle Bezeichnung des römischen Kaisers als Princeps, der sich als primus inter pares verstand und somit auf die vom Gleichheitsgrundsatz durchdrungene Schicht der nobiles Rücksicht nahm.
Die Machtbefugnisse des Princeps umfassten ein Bündel von Rechtstiteln, welche in ihrer Mehrzahl republikanischen Ämtern und Amtsgewalten entstammten.7 Das wichtigste Recht, das imperium proconsulare maius, ließ sich Octavian, mit der „Niederlegung der usurpierten Macht“8 am 13. Januar 27 v. Chr., uno actu vom Senat auf Lebenszeit herantragen. Für den Princeps bedeutete dies, über das Clientel-Verhältnis zu seinen Soldaten hinaus, die Rechtsgewalt über die vom Heer besetzten Provinzen. Damit wurde die Armee, als neuer und wichtigster Machtfaktor, mit der alten Tradition versöhnt.9 Ein anderer unverzichtbarer Rechtstitel war die tribunica potestas. Sie erlaubte dem Patrizier Augustus - im vollem Umfang seit 23 v. Chr. - mit den Machtmitteln des Volkstribunats, in Rom politisch aktiv zu werden. Das Interzessionsrecht gegenüber den Magistraten und das Recht die consilia plebis und den Senat einzuberufen sowie beiden Gremien Anträge vorzulegen, waren nun dem Princeps vorbehalten. Darüber hinaus nahm er die sacrosanctitas der Volkstribunen für sich in Ansspruch.10 Die tribunica potestas ermöglichte es Augustus demnach, „beinahe jede politische Initiative von Rechts wegen zu ergreifen, und die sacrosanctitas schützte seine Person vor Angriffen und hob sie aus dem Kreis der Beamten heraus“.11 Darüber hinaus wird aus der tribunica potestas das wesentliche Charakteristikum des Kaiserrechts ersichtlich: Die Trennung von Amt und Amtsgewalt. Ferner sind Teilgewalten bzw. Einzelrechte, die aus bereits bestehenden Ämtern ausgegliedert oder sogar ohne jegliche republikanische Rechtstradition neu geschaffen wurden, zu erwähnen. Beispiele hierfür waren das ius relationis, die nominatio und die commendatio.12
Die Bündelung der Rechtsgewalten führte letztendlich zur Unterminierung der traditionellen Machtbefugnisse des Senats und darüber hinaus zu dessen Klientelisierung.13 Im Zusammenhang mit den Reformen von 18 v. Chr. spricht Maria Dettenhofer sogar vom Beginn einer „totalitäre[n] Phase der augusteischen Herrschaft“.14 Und tatsächlich griff Augustus, vor allem durch die Ehegesetzgebung, massiv in den Machtbereich der patria potestas ein: Die lex J ulia et Papia15 führten zum Denunziantentum und waren deshalb ein effektives und noch dazu profitables Instrument, insbesondere die Senatoren zu kontrollieren, auszuspionieren und gegebenenfalls zu ruinieren.16 Auf die Solidarität der vermögenden Schichten und somit auch auf den ordo senatorius, hatte dies verheerende Auswirkungen: multorumque excisi status. Et terror omnibus intentabatur.17 Nach mehrfacher Reinigung des Senats18 und der Einrichtung des consilium principis19, im Rahmen der lex J ulia de senatu habendo20 hatte Augustus, ab etwa 8 n. Chr., die oberste Institution der alten res publica weitestgehend entmachtet und seiner Kontrolle unterworfen.21 Demzufolge hinterließ er seinem Nachfolger Tiberius einen Senat, indem weder Redefreiheit herrschte,22 noch mit eigenständigen Initiativen der Senatoren zu rechnen war.23
In seinem Tatenbericht, den Res gestae divi Augusti, berichtet Augustus über seine Stellung im Staate: post id tempus auctoritate omnibus praestiti, potestatis autem nihilo amplius habui quam ceteri, qui mihi quoque in magistratu conlegae fuerunt.24 Augustus führt hier den Begriff der auctoritas ein.25 Sie war eine unmittelbar an die Person gebundene nicht institutionalisierte soziale Macht, die vor allem auf den Leistungen des nobilis für den Staat und seine clientes, fußte. Dies bedeutete, dass die auctoritas zwar kein Rechtsmittel war, jedoch lag „in der Grenzenlosigkeit ihrer Möglichkeiten [...] die Ursache dafür, [...] daß der Kaiser seine Macht über die durch die Rechtsordnung ihm gegebenen Möglichkeiten hinaus ausdehnen konnte“26 Und genau das tat Augustus, dessen clientes sowie wirtschaftlichen Ressourcen und damit seine auctoritas, die aller anderen nobiles um ein Vielfaches überragte. Er verlagerte die bestimmende Macht der r es publica auf das von ihm monopolisierte (Heeres)clientel27, welches unmittelbar zur domus Augusti gehörte.28 Dies „bedeutete eine totale Verschiebung der Konkurrenz um die politische Macht“.29 Die offiziellen Institutionen in Gestalt des Senats und der Magistrate wurden durch die von Augustus betriebene dauerhafte Akkumulierung verschiedener Amtsgewalten, und den zunehmenden Einsatz eigenen Personals unterhöhlt.30 Tacitus bringt diesen Widerspruch zwischen offizieller Staatsform (res publica restituita) und inoffizieller Regierungsform (Kaiserherrschaft) auf folgende prägnante Formel: domi res tranquillae, eadem magistratuum vocabula.31
Maria Dettenhofer konstatiert schließlich: „Augustus hatte es [...] geschafft, die res publica auf eine Stufe mit seiner domus zu stellen, ja ihr Verhältnis zueinander sogar umzukehren und ein Abhängigkeitsverhältnis herzustellen [...].“32 Die öffentliche Verlautbarung Augustus', die Adoption Tiberius', im Jahre 4 n. Chr., rei publicae causa zu unternehmen, verdeutlicht dies.33 Seitdem war Tiberius Mitglied der gens Iulia und außerdem als collega imperii Inhaber eines imperium proconsulare und der tribunica potestas. Das imperium proconsulare maius folgte im Jahre 13 n. Chr.34 Mit dem Tod seines Adoptivvaters, am 19. August 14 n. Chr., wurde der Claudier dann auch – wie testamentarisch festgelegt – das Oberhaupt der domus Augusta.35 Tiberius' aristokratisch-republikanische Herkunft36 und seine militärischen Erfolge37 verliehen ihm darüber hinaus einen ausgezeichneten Ruf38 und Rückhalt bei den Soldaten. Um den Widerspruch des Principats zwischen Ideologie und Verfassungswirklichkeit überdecken zu können, war es allerdings ebenso notwendig, dass Tiberius sich seine eigene auctoritas aufzubauen wußte. Vor diesem Hintergrund war die komplizierte Persönlichkeit des Princepsnachfolgers von hoher politischer Relevanz.
[...]
1 Tib. Suet. 28f.
2 Tac. ann. 4,6,2.
3 Die inhaltliche Übereinstimmung zu Cassius Dio (Vgl. Dio 57,7-57,11) und die ansonsten kritische Einstellung beider Quellenautoren gegenüber Tiberius bürgen für den Wahrheitsgehalt der Zitate.
4 SCHRÖMBGES, Paul: Tiberius und die Res Publica Romana. Untersuchungen zur Institutionalisierung des frühen römischen Principats, Bonn 1986, S. 128.
5 Tac. ann. 1,6,3.
6 DULCKEIT, Gerhard/SCHWARZ, Fritz/WALDSTEIN, Wolfgang: Römische Rechtsgeschichte. Ein Studienbuch, München 1981, S. 169.
7 Auf diese Weise erlangte Augustus eine monarchische Stellung, ohne die vorliegende Rechtstradition in einem unerträglichen Maße zu beugen; vgl. hierzu: BLEICKEN, Jochen: Verfassungs- und Sozialgeschichte des Römischen Kaiserreichs, Bd. 1, Paderborn/München/Wien/u.a. 19893, S. 26f.
8 BLEICKEN (wie Anm. 7), S. 25.
9 Vgl. ebd., S. 28.
10 Vgl. ebd., S. 29f.
11 Ebd., S. 30.
12 Vgl. BLEICKEN (wie Anm. 7), S. 32-35.
13 Beschleunigt wurde dieser Prozeß durch das Aussterben und die Verarmung vieler nobiles während der Bürgerkriege; vgl. hierzu: DETTENHOFER, Maria H.: Herrschaft und Widerstand im Augusteischen Principat. Die Konkurrenz zwischen Res publica und domus Augusta (Historia. Einzelschriften, Heft 140), Stuttgart 2000, S. 206f.
14 Ebd., S. 211.
15 Zum Inhalt der lex J ulia et Papia, vgl. Dio 54,16; 55,2; 56,1-10; 57,15; Tac. ann. 3,25; Suet. Aug. 34.
16 Vgl. Tac. ann. 3,28,3; vgl. hierzu auch: DETTENHOFER (wie Anm. 13), S. 202.
17 Tac. ann. 3,28,4.
18 Vgl. Dio 54,26; 54,35; 55,13.
19 Vgl. Suet. Aug. 35,3; Dio 53,21,4; 56,28,2; DETTENHOFER (wie Anm. 13), S. 157; Cassius Dio datiert die Einrichtung des consilium principis bereits auf das Jahr 27 v. Chr. (Dio 53,21,4).
20 Vgl. Dio 55,3; DETTENHOFER (wie Anm. 13), S. 156.
21 Vgl. DETTENHOFER (wie Anm. 13), S. 202.
22 Vgl. Suet. Aug. 54.
23 Vgl. BLEICKEN, Jochen: Prinzipat und Republik. Überlegungen zum Charakter des römischen Kaisertums, Stuttgart 1991, S. 89.
24 RG 34.
25 Zur Definition des Begriffs auctoritas, vgl. BLEICKEN (wie Anm. 7), S. 44f.
26 BLEICKEN (wie Anm. 7), S. 45.
27 Augustus tat gut daran dies nicht explizit in den Res Gestae zu erwähnen. Wird dadurch doch ersichtlich, dass seine herausragende Stellung in erster Linie auf seinem Imperium proconsulare maius beruhte; d.h. also auf dem Heer, mit dem die libertas des römischem Volks und des Senats unterdrückt werden konnte; vgl. BRINGMANN, Klaus: „Von der res publica amissa zur res publica restituita. Zu zwei Schlagworten aus der Zeit zwischen Republik und Monarchie“, in: SPIELVOGEL, Jörg (Hg.): Res publica reperta. Zur Verfassung und Gesellschaft der römischen Republik und des frühen Prinzipats. Festschrift für Jochen Bleicken zum 75. Geburtstag, Stuttgart 2002, S. 122.
28 Vgl. DETTENHOFER (wie Anm. 13), S. 215; vgl. hierzu auch: BLEICKEN (wie Anm. 7), S. 44f.
29 DETTENHOFER (wie Anm. 13), S. 215.
30 Vgl. ebd., S. 215.
31 Tac. ann. 1,3,7.
32 DETTENHOFER (wie Anm. 13), S. 216.
33 Vgl. Suet. Tib. 21,3.
34 Vgl. CHRIST, Karl: Geschichte der römischen Kaiserzeit. Von Augustus bis zu Konstantin, München 20055, S. 182.
35 Vgl. DETTENHOFER (wie Anm. 13), S. 204.
36 Vgl. Suet. Tib. 1,2: deinceps procedente tempore duodetriginta consulatus, dictaturas quinque, censuras septem, triumphos sex, duas ouationes adepta est.
37 Vgl. CHRIST (wie Anm. 34), S. 179.
38 Vgl. Tac. ann, 6,51,3: egregium vita famaque.
- Arbeit zitieren
- Friedrich Moldenhauer (Autor:in), 2009, Tiberius Versuch der Republikanisierung des Principats, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134760
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