Diese Seminararbeit behandelt die theoretische Modellierung von Bank Runs sowie einen Vergleich zu neueren Entwicklungen im Lichte des Bank Runs auf den britischen Hypothekenfinanzierer Northern Rock im Jahre 2007.
Die theoretische Modellierung erfolgt anhand des bekannten Aufsatzes der beiden US-amerikanischen Ökonomen Douglas W. Diamond und Philip H. Dybvig aus dem Jahre 1983. In Kapitel 2 wird zunächst gezeigt, dass Banken eine zentrale ökonomische Funktion erfüllen, indem sie illiquide Aktiva in liquide Passiva (Depositen) transformieren. Durch diese Fristentransformation kann eine Bank jedoch auch leicht in Liquiditätsschwierigkeiten geraten, wenn zu viele Anleger zur
gleichen Zeit versuchen ihre Einlagen abzuheben. Dieses Szenario wird als Bank Run bezeichnet. Es wird gezeigt, dass der Bank Run im Diamond-Dybvig-Modell durch sich selbst erfüllende Erwartungen der Einleger entsteht. In Abschnitt 2.5 erfolgt dann eine Darstellung der von Diamond und Dybvig vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verhinderung eines Bank Runs. In Kapitel 3 wird der Bank Run auf den seit Februar 2008 vorübergehend verstaatlichten Hypothekenfinanzierer Northern Rock analysiert. Shin (2009) dient dabei als Grundlage für die Erklärung der Besonderheiten dieses Bank Runs im Zuge der Subprime-Krise im Jahre 2007. Es wird gezeigt, dass der Run auf Northern Rock kein typischer Einleger-Bank Run im Sinne Diamond und Dybvigs war, sondern im Zusammenhang mit der Subprime-Krise und den Entwicklungen auf den Kapitalmärkten betrachtet werden muss. Durch den hohen Verschuldungsgrad und die hohe Abhängigkeit von kurzfristigen Wholesale-Finanzierungen geriet die Bank in
Liquiditätsschwierigkeiten, als die institutionellen Investoren nicht mehr bereit waren Northern Rock die Anschlussfinanzierung zu gewähren.
Inhaltsverzeichnis
Symbolverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Modell von Diamond und Dybvig (1983)
2.1. Autarkie ohne Bank und Versicherung
2.2. Pareto-effiziente Konsumallokation und Versicherungskontrakt
2.3. Einführung einer Bank
2.4. Der Bank Run als Nash-Gleichgewicht
2.5. Maßnahmen gegen Bank Runs
3. Neuere Evidenz: Der Bank Run auf Northern Rock
3.1. Das Geschäftsmodell von Northern Rock
3.2. Die Rolle der kurzfristigen Wholesale-Finanzierungen
3.3. Der Run der institutionellen Investoren
3.4. Maximaler Verschuldungsgrad und Fristeninkongruenz
4. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Diese Seminararbeit behandelt die theoretische Modellierung von Bank Runs sowie einen Vergleich zu neueren Entwicklungen im Lichte des Bank Runs auf den briti-schen Hypothekenfinanzierer Northern Rock im Jahre 2007.
Die theoretische Modellierung erfolgt anhand des bekannten Aufsatzes der beiden US-amerikanischen Ökonomen Douglas W. Diamond und Philip H. Dybvig aus dem Jahre 1983. In Kapitel 2 wird zunächst gezeigt, dass Banken eine zentrale ökonomische Funktion erfüllen, indem sie illiquide Aktiva in liquide Passiva (Depositen) transformieren. Durch diese Fristentransformation kann eine Bank je-doch auch leicht in Liquiditätsschwierigkeiten geraten, wenn zu viele Anleger zur gleichen Zeit versuchen ihre Einlagen abzuheben. Dieses Szenario wird als Bank Run bezeichnet. Es wird gezeigt, dass der Bank Run im Diamond-Dybvig-Modell durch sich selbst erfüllende Erwartungen der Einleger entsteht. In Abschnitt 2.5 er-folgt dann eine Darstellung der von Diamond und Dybvig vorgeschlagenen Maß-nahmen zur Verhinderung eines Bank Runs.
In Kapitel 3 wird der Bank Run auf den seit Februar 2008 vorübergehend verstaatlichten Hypothekenfinanzierer Northern Rock analysiert. Shin (2009) dient dabei als Grundlage für die Erklärung der Besonderheiten dieses Bank Runs im Zuge der Subprime-Krise im Jahre 2007. Es wird gezeigt, dass der Run auf Northern Rock kein typischer Einleger-Bank Run im Sinne Diamond und Dybvigs war, sondern im Zusammenhang mit der Subprime-Krise und den Entwicklungen auf den Kapital-märkten betrachtet werden muss. Durch den hohen Verschuldungsgrad und die hohe Abhängigkeit von kurzfristigen Wholesale-Finanzierungen geriet die Bank in Liquiditätsschwierigkeiten, als die institutionellen Investoren nicht mehr bereit waren Northern Rock die Anschlussfinanzierung zu gewähren.
2. Das Modell von Diamond und Dybvig (1983)
Betrachtet wird eine Ökonomie mit drei Zeitpunkten (T= 0,1,2) und einem Kontinuum von zwei Konsumententypen, die in T =0 mit einer Einheit eines homo-genen Konsumgutes ausgestattet sind. Dieses Gut kann jeder Konsumententyp in T =0 in zwei Anlagemöglichkeiten investieren, die jeweils unterschiedliche Erträge abwerfen. Die kurzfristige Anlage ist eine renditelose Lagerung von T =0 nach T =1, welche auch von T =1 nach T =2 verfügbar ist. Die langfristige Anlagemöglichkeit ist eine Produktionstechnologie, die in T =2 einen Ertrag von R mit R> 1 für eine Einheit des Konsumguts abwirft. Wird die langfristige Investition vorzeitig in T=1 liquidiert kann nur der ursprüngliche Input zurückgewonnen werden. Damit wird dem Um-stand Rechnung getragen, dass langfristige Investitionen teilweise irreversibel sind. Alternativ können auch Transaktionskosten, die durch den vorzeitigen Verkauf von Bankaktiva entstehen, zur Erklärung herangezogen werden.1 Die Rendite aus der vorzeitigen Liquidierung der Investition beträgt somit L=1. Die Investitionsmöglich-keiten sind in folgender Grafik zusammengefasst:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 2.1: Schematische Darstellung der Investitionsmöglichkeiten (Eigene Darstellung nach Eichberger und Harper 1997: 202)
Negative Zahlen bezeichnen den Preis, den ein Konsument für eine Einheit der jeweiligen Investition zahlen muss und positive Zahlen bezeichnen den Ertrag pro investierte Einheit, den ein Konsument erhält.
Typ 1 –Konsumenten interessieren sich nur für Konsum in T =1. Typ 2-Konsumenten hingegen sind geduldig und ziehen Nutzen ausschließlich aus dem Konsum in T =2. Erhält ein Typ 2-Konsument Konsumgüter in T =1, lagert er sie bis T =2, um sie dann zu konsumieren. Genauer gesagt erleiden Typ 1-Konsumenten einen Liquiditäts-schock in T =1 und Typ 2-Konsumenten in T =2. Die Nutzenfunktion für „frühe“ Konsumenten lautet u(C1) und für „späte“ Konsumenten pu(C2). Die Konsumenten sind risikoavers, daher ist u konkav. CT steht für den Konsum in Periode T, p<1 be-zeichnet den Diskontierunfaktor. Der Konsumbedarf der Konsumenten ist in T =0 noch nicht bekannt, erst in T =1 erfahren die Konsumenten von welchem Typ sie sind. Auf diese Weise wird Unsicherheit bezüglich zukünftiger Konsum- und Liquiditätsschocks modelliert. Während die Typenangehörigkeit nach Aufdeckung in T=1 private Information ist, sind die Anteile von frühen Konsumenten (a-) und späten Konsumenten (1- a-) in T =0 öffentlich bekannt. Der Anteil a- stellt gleichzeitig auch die Wahrscheinlichkeit aus Sicht des individuellen Konsumenten dar, ein Typ 1-Konsument zu sein. Ex ante lautet die erwartete Nutzenfunktion für alle Indivi-duen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten2
2.1 Autarkie ohne Bank und Versicherung
In der autarken Welt existieren weder Bank noch Versicherung. In T =0 treffen die Konsumenten auf Basis ihrer erwarteten Nutzenfunktion (2.1) ihre Investitions-entscheidung. Da der Konsument durch vorzeitige Liquidierung keinen Verlust gegenüber der Lagerung erleidet, investieren alle Konsumenten ihre Güter vollständig in das langfristige Investitionsprojekt. Falls ein Konsument in T =1 Liquidität benötigt, das heißt, wenn er von Typ 1 ist, liquidiert er seine Investition und konsumiert C 1 =1 in T =1. Falls er erst in T =2 Liquidität benötigt, das heißt, wenn er von Typ 2 ist, wartet er und erhält [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] . Sei [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] der Konsum von Typ i in Periode T. Aus R>L=1 folgt [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. Da in T =2 ein höherer Konsum möglich ist haben Typ 2-Konsumenten einen Anreiz bis T =2 zu warten, um zu konsumieren. Typ 1-Konsumenten hingegen unterbrechen die Investition immer, da sie in T=1 konsumieren müssen. Die Konsumenten wählen daher [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]3
Ist ein Konsument von Typ 1, unterliegt er dem Risiko keine Verzinsung seines In-putgutes zu erhalten, falls er frühzeitig liquidieren muss. Da die Konsumenten jedoch risikoavers sind, erhöht es ihren erwarteten Nutzen, wenn sie ein für beide Fälle gleichartigeres Konsumniveau erreichen (Vgl. Hartmann-Wendels, Pfingsten und Weber 2007: 211). Diese pareto-effiziente Konsumallokation kann durch einen Versicherungskontrakt hergestellt werden, wie im nächsten Abschnitt gezeigt wird.
2.2 Paretoeffiziente Konsumallokation und Versicherungskontrakt
Wenn in T =1 die Konsumenten ihren Typ erfahren, geschieht dies als private Information. Ist hingegen die Typenangehörigkeit öffentlich beobachtbar, können sich die Konsumenten ex ante, also in T =0, gegen das Risiko ein Typ 1-Konsument zu sein versichern (Vgl. Diamond und Dybvig 1983: 406). Die Konsumenten sind bereit eine Versicherungsprämie zu zahlen gegen die Unsicherheit das langfristige illiquide Investment vorzeitig in T =1 liquidieren zu müssen. In T =0 vereinbaren sie in einem optimalen Versicherungskontrakt, dass nach Aufdeckung der Typenangehörigkeit in T =1 Typ 2-Konsumenten einigen Konsum aufgeben, um Typ 1-Konsumenten in T= 1einen höheren Konsum zu ermöglichen.4
Die pareto-effiziente Konsumallokation maximiert den erwarteten Nutzen der Kon-sumenten unter der Nebenbedingung der Realisierbarkeit. Die Nebenbedingung wird wie folgt hergeleitet. Sämtlicher Konsum, der Typ 2- Konsumenten in T =2 zur Ver-fügung steht [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] wird aus Rückflüssen aus der Investition finanziert. In T =1 erhalten die Typ 1-Konsumenten [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. Die restlichen Konsumgüter [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] bleiben bis T =2 im Investitionsprojekt und erwirtschaften einen Ertrag von R. Der Gesamtertrag der Restgüter wird an die verbleibenden Konsumenten [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] verteilt. Daraus ergibt sich:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Unter dieser Nebenbedingung wird der erwartete Nutzen mithilfe des Lagrange-Verfahrens maximiert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Bedingungen erster Ordnung lauten:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
und
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Durch Einsetzen von 2.8 in 2.6 wird folgende Optimalitätsbedingung hergestellt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten5
Gleichung 2.9 zeigt, dass die Autarkielösung mit [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. = 1 und C = R nicht pareto-optimal ist, da aufgrund des abnehmenden Grenznutzens des Konsums und der Annahme pR > 1 gilt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten6
Die Autarkielösung kann verbessert werden, indem [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. erhöht wird und C gesenkt wird. Daraus ergeben sich die optimalen Konsummengen [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten].. > [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. = 1 und C. < C = R. Durch einen in T=0 erstellten optimalen Versicherungskontrakt können die Konsumenten sich gegen das Risiko versichern, die Investition vorzeitig liquidieren zu müssen.7 Typ 1 – Konsumenten werden somit teilweise an den Erträgen der langfristigen Investition beteiligt. Daher ist ein Konsument ex ante in T=0 bereit einen Versicherungsvertrag zu schließen, für den er ex post eine Prämie von [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. zahlt, falls er Typ 2-Konsument ist.
Unter der restriktiven Annahme der öffentlichen Verifizierbarkeit der Typenangehörigkeit erreichen die Konsumenten durch die Versicherungsver-einbarung ex ante ein höheres erwartetes Konsumniveau und somit ein höheres Nutzenniveau. Da individuelle Liquiditätsschocks jedoch private Information sind und nicht öffentlich überprüft werden können, ist es nicht möglich Verträge auf die beiden Konsumententypen zu konditionieren. Daher kann der optimale Versicherungsvertrag nicht durch einen einfachen Markt implementiert werden.8
2.3 Einführung einer Bank
Diamond und Dybvig (1983: 407-408) gehen davon aus, dass ein Finanzintermediär in der Lage ist, die optimale Liquiditätsversicherung aus Abschnitt 2.2 anzubieten, indem er Konsumenten, die vor Fälligkeit liquidieren mit einer angemessenen Rendite versorgt. Die Konsumenten investieren nun nicht mehr direkt in das Investitionsprojekt, sondern legen ihre Konsumgüter in Form eines Depositenvertrages bei einer Bank an. Die Bank sammelt in T=0 die Konsumgutaustattungen der Konsumenten ein und investiert sie in die illiquide Investition. Sie garantiert den Einlegern für jede in T=0 angelegte Gütereinheit eine feste Auszahlung von [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten], wenn sie in T=1 abheben. Der Depositenvertrag unterliegt dabei einer „sequential service constraint“. Das bedeutet, dass die Rückzahlung an die Anleger in einer zufälligen Reihenfolge nach dem first-comefirst- serve-Prinzip erfolgt, bis alle Aktiva der Bank erschöpft sind.
[...]
1 Vgl. Diamond und Dybvig 1983: 405 und Birchl er und Butler 2007: 191
2 Vgl. Diamond und Dybvig 1983: 405-406
3 Vgl. Diamond und Dybvig 1983: 406 und Asching er 2001: 77
4 Vgl. Diamond und Dybvig 1983: 406-407 und Birchl er und Butler 2007: 194
5 Vgl. Diamond und Dybvig 1983: 407 und Hartmann-W end els, Pfingst en und Weber 2007: 211
6 Vgl. Freixas und Roch et 1997: 22, 47-48 und 194
7 Vgl. Diamond und Dybvig 1983: 406-407 und Fr eixas und Roch et 1997: 22
8 Vgl. Diamond und Dybvig 1983: 407 und Hartmann-W end els, Pfingst en und Weber 2007: 214
- Quote paper
- Michel Figusch (Author), 2009, Theoretische Modellierung und neuere Evidenz des Bank Runs, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134747
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