Diese Bachelorarbeit widmet sich dem schreibdidaktischen Prinzip "Autorenrunden" nach Beate Leßmann (2020) und wendet es empirisch in einer DaZ-Förderklasse (Deutsch als Zweitsprache) an.
Die Untersuchung erfolgt empirisch, indem vier SuS aus einer DaZ-Klasse an einer Unterrichtseinheit teilnehmen, in welcher das Prinzip „Autorenrunden“ angewendet wird. Zu Beginn werden theoretische Aspekte dargelegt, bei denen DaZ beziehungsweise Mehrsprachigkeit erläutert und der Schwerpunkt „Autorenrunden“ nach Beate Leßmann vorgestellt werden. Im gleichen Teil der Arbeit werden relevante Punkte bezüglich Text- bzw. Schreibkompetenz und Schreibmotivation angeführt, die im Teil der Empirie analysiert werden. Für die Analyse werden Daten der entsprechenden DaZ-SuS erhoben, die sich in schriftliche Textergebnisse, Feedbackbögen und Gesprächsaufnahmen unterteilen lassen. Allerdings konzentriert sich die Analyse in dieser Bachelorarbeit primär auf die Gespräche zwischen den SuS, da anhand zweier durchgeführten Autorenrunden keine stark sichtbaren Ergebnisse in den Textprodukten anzunehmen sind.
Dennoch geben auch die Ergebnisse der Textuntersuchung wichtige Anhaltspunkte, die zur Beantwortung der Leitfrage dienen, da die Untersuchung von Textprodukten durch die zunehmende Kompetenzorientierung eine ebenso zunehmend bedeutendere Rolle erhält. Die Gespräche zwischen den SuS werden transkribiert und als Grundlage genutzt, um die Leitfrage der Bachelorarbeit zu diskutieren und im Anschluss zu beantworten.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theorie
2.1 DaZ und Mehrsprachigkeit
2.2 Autorenrunden nach Beate Leßmann
2.2.1 Struktur und grundlegende Gesichtspunkte der Methode
2.2.2 Artefakte als unterstützende Mittel
2.3 Schreib- und Textkompetenz
2.4 Schreibmotivation
3. Empirie
3.1 Vorstellung der DaZ-SuS
3.2 Auswertung der Gespräche
3.2.1 Die erste Durchführung von „Autorenrunden“
3.2.2 Die zweite Durchführung von „Autorenrunden“
3.2.3 Zwischenfazit
3.3 Auswertung der Textergebnisse
3.3.1 Texte der SuS
3.3.2 Feedbackbögen
4. Diskussion: Mehrwert für DaZ?
5. Fazit
6. Literatur
7. Anhang
1. Einleitung
„Texte sprachlich gestalten: strukturiert, verständlich und zusammenhängend schreiben“ (KMK 2004: 12) ist ein wesentlicher Bestandteil des Beschlusses der Kultusministerkonferenz für das Fach Deutsch, der die Wichtigkeit von dem Umgang mit Texten und Textproduktion eindeutig herausstellt. Textkompetenz gilt im deutschen Bildungssystem als basale Voraussetzung, um am Schulleben und damit verbunden am gesellschaftlichen Leben aktiv teilzuhaben und mitzuwirken (vgl. Kaplan; Petersen 2019: 7). Demnach ist Textkompetenz eine der wichtigsten Teilkompetenzen, die vorausgesetzt werden, um Leistungsüberprüfungen durchzuführen (vgl. Hachmeister 2019: 79) und die den Fokus im Schulalltag darstellen. Um Textkompetenz zu erwerben, sind allerdings verschiedene Komponenten relevant, die von Lehrer:innen gefördert werden sollten und nicht als Selbstverständlichkeit anzusehen sind. Dazu zählt besonders hervorgehoben der Aspekt der Schreibmotivation.
Auch Beate Leßmann hat die Notwendigkeit der Schreibmotivation erkannt und legt in ihrer Dissertation zum Thema „Autorenrunden“ dar, wie wichtig die Förderung von Schreibmotivation ist, um die Textkompetenz bei Schüler:innen1 zu erhöhen und zeitgleich das Formulieren von Texten für SuS attraktiv zu gestalten (vgl. Leßmann 2020: 17). Leßmann setzt den Fokus ihrer Arbeit auf Grundschüler:innen. In dieser Bachelorarbeit wird nun untersucht, ob das von ihr entwickelte Prinzip „Autorenrunden“ zu einer Erhöhung der Schreibmotivation und Textkompetenz bei mehrsprachigen SuS in der Sekundarstufe I führt. Inwiefern sich die Methode „Autorenrunden“ eignet, um Schreibkompetenz und insbesondere Schreibmotivation in mehrsprachigen Lerngruppen zu fördern, ist also die Leitfrage dieser Arbeit. Weshalb „Autorenrunden“ im Kontext Deutsch als Zweitsprache2 eingesetzt und untersucht wird, lässt sich damit begründen, dass Textkompetenz im Regelunterricht vorausgesetzt wird und insbesondere SuS deren Muttersprache nicht Deutsch ist, häufig erschwerte Lernbedingungen haben und Defizite aufweisen (vgl. Mathiebe 2018: 11). Da diesen Defiziten entgegengewirkt werden soll, erweist es sich als sinnvoll, „Autorenrunden“ nun im Kontext DaZ einzusetzen und zu untersuchen.
Die Untersuchung erfolgt empirisch, indem vier SuS aus einer DaZ-Klasse an einer Unterrichtseinheit teilnehmen, in welcher das Prinzip „Autorenrunden“ angewendet wird. Die SuS erwerben DaZ und befinden sich seit weniger als zwei Jahren in Deutschland. Ich selbst unterrichte die teilnehmenden SuS im Rahmen des Mercator-Projektes der Westfälischen Wilhelms-Universität und erteile ihnen Förderunterricht im Fach Deutsch. Meine intensive Auseinandersetzung mit meinen DaZ-SuS fungiert als Motivation für die thematische Behandlung in dieser Bachelorarbeit. Da ich durch mein Engagement versuche, den Zugang zur deutschen Sprache für meine DaZ-SuS zu erleichtern, bin ich daran interessiert, sprach- und schreibdidaktische Konzepte zu finden, die das Lernen der deutschen Sprache für die mehrsprachigen SuS erleichtern.
Im Folgenden werden theoretische Aspekte dargelegt, bei denen DaZ bzw. Mehrsprachigkeit erläutert und der Schwerpunkt „Autorenrunden“ nach Beate Leßmann vorgestellt werden. Im gleichen Teil der Arbeit werden relevante Punkte bezüglich Text- bzw. Schreibkompetenz und Schreibmotivation angeführt, die im Teil der Empirie analysiert werden. Für die Analyse werden Daten der entsprechenden DaZ-SuS erhoben, die sich in schriftliche Textergebnisse, Feedbackbögen und Gesprächsaufnahmen unterteilen lassen. Allerdings konzentriert sich die Analyse in dieser Bachelorarbeit primär auf die Gespräche zwischen den SuS, da anhand zweier durchgeführten Autorenrunden keine stark sichtbaren Ergebnisse in den Textprodukten anzunehmen sind. Dennoch erweisen auch die Ergebnisse der Textuntersuchung wichtige Anhaltspunkte, die zur Beantwortung der Leitfrage dienen, da die Untersuchung von Textprodukten durch die zunehmende Kompetenzorientierung eine ebenso zunehmend bedeutendere Rolle erhält (vgl. Petersen 2019: 13). Die Gespräche zwischen den SuS werden transkribiert und als Grundlage genutzt, um die Leitfrage der Bachelorarbeit zu diskutieren und im Anschluss zu beantworten.3
Der Forschungsstand der Themen Mehrsprachigkeit und Textkompetenz ist sehr aktuell, da Mehrsprachigkeit zum festen Bestandteil des heutigen gesellschaftlichen Lebens zählt. Zudem wird Mehrsprachigkeit insbesondere seit der Flüchtlingswelle des Jahres 2015 weiter behandelt und auch zunehmend gefördert, wobei die ideale Umsetzung der Integration von Geflüchteten eine große Rolle spielt. Das fokussierte schreibdidaktische Prinzip „Autorenrunden“ wird in der Dissertation von Beate Leßmann aus dem Jahr 2020 detailliert behandelt und ist demnach sehr aktuell. Allerdings wurde noch keine Untersuchung bezüglich der Anwendung von „Autorenrunden“ in DaZ-Förderklassen durchgeführt, weshalb diese empirische Bachelorarbeit einen analytischen Blick auf einen erweiterten Forschungsgegenstand wirft. Zwar ist Sekundärliteratur ebenso für den Bereich „Schreibmotivation“ vorhanden, jedoch bloß in einem geringeren Maß. Zusammenfassend lässt sich bezüglich des Forschungsstandes sagen, dass die vorliegende Forschungsliteratur eine fundierte Basis für die Bachelorarbeit darlegt und die empirische Untersuchung in dieser Arbeit weitere Möglichkeiten für Forschung und Weiterentwicklung ermöglichen wird.
2. Theorie
2.1 DaZ und Mehrsprachigkeit
Mehrsprachigkeit meint die „Beherrschung mehrerer Sprachen“ (https://www.dwds.de/wb/ Mehrsprachigkeit, abgerufen am 03.09.2021) und das Existieren von verschiedenen Sprachen in einem Gebiet (vgl. ebd.). Des Weiteren ist Mehrsprachigkeit ein Phänomen, das häufig mit Migration und dem Vorhandensein unterschiedlichster Migrant:innen in der Gesellschaft in Verbindung gesetzt wird. Doch Mehrsprachigkeit ist auf der gesamten Welt verbreitet und stellt in Deutschland keine Ausnahme dar (vgl. Geist; Krafft 2019: 14), auch wenn durch die zunehmenden Migrationsbewegungen der letzten Jahrzehnte eine stärkere Sprachenvielfalt vorhanden ist (vgl. Schäfer 2008: 26). Insbesondere an der Institution Schule wird deutlich, dass Mehrsprachigkeit vorliegt, da immer mehr SuS vorzufinden sind, die DaZ erwerben. Diese SuS sind mehrsprachig, weil sie in ihrem alltäglichen Leben mit mindestens zwei Sprachen kommunizieren, wobei sich die Ausübung der verschiedenen Sprachen auch in unterschiedlichen Spracherwerbsstufen äußern kann (vgl. Geist; Kraft 2019: 14). DaZ- Lernende sind in der Regel SuS mit Migrationshintergrund, die die deutsche Sprache zwingend erlernen müssen, um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Dabei wird Deutsch primär in der entsprechenden Bildungsinstitution (vgl. ebd.), aber auch außerhalb der Schule erworben.
Das Lernen von DaZ ist eine „Spracherwerbsphase“ (Rösch 2017: 151) und stellt die deutschen Bildungsinstitutionen seit Jahren vor neue Herausforderungen (vgl. ebd.). Dabei stellte sich in den letzten Jahren heraus, dass eine gezielte Unterstützung und Integration von DaZ-Lernenden notwendig ist und noch immer Desiderate bezüglich geeigneter Methoden im Kontext DaZ bestehen, weshalb sich die Untersuchung von „Autorenrunden“ im Rahmen dieser Bachelorarbeit gut eignet.
Mehrsprachigkeit ist ein Begriff, der mit Zweisprachigkeit in vielen Fällen gleichgesetzt wird (vgl. Riehl 2014: 9). Außerdem wird Mehrsprachigkeit weiter zum Normalfall, da immer mehr mehrsprachige SuS in Schulen unterrichtet werden.
Allerdings wird Zweitspracherwerb als „L2-Erwerb“ (Geist; Kraft 2019: 18) bezeichnet und ist vom Fremdspracherwerb klar abzugrenzen. Ein vehementer Unterschied zwischen Zweitspracherwerb und Fremdspracherwerb ist, dass die Zweitsprache „im Zielsprachenland“ (Schmölzer-Eibinger 2010: 129) erworben und beherrscht werden muss und jener Erwerb ungesteuert erfolgt. Für Fremdsprachlerner:innen herrschen deutlich andere Umstände vor, weil Deutsch als Fremdsprache freiwillig gewählt wird und man bei Kommunikations- und Verständnisproblemen auf die Erstsprache ausweichen kann (vgl. ebd.: 131).
Mehrsprachigkeit kann zwar viele Lehrkräfte im Kontext Schule vor neue Herausforderungen stellen, hat jedoch hat auch große Vorteile für mehrsprachige SuS und Schulklassen, da individuelle Mehrsprachigkeit „kognitiv[e], lernpsychologisch[e], kreativ[e], interkulturell[e], metalinguistisch[e] und pragmatisch[e] Vorteile“ (Marx 2014: 8) aufweisen kann. Ein Beispiel dafür ist, dass sie ein „differenziertes Bewusstsein von Sprache und anderen Fertigkeiten“ (Riehl 2014: 18) besitzen. Durch die kognitive Kompetenz fällt es diesen SuS leichter, weitere Sprachkenntnisse aufzubauen und zwischen den Sprachen zu wechseln. Ferner ist die Fähigkeit, „Sprachen zu kombinieren, [.] wenn zwei oder mehr Lernende über sprachliche Mittel aus den gleichen Sprachen verfügen“ (BiSS-Trägerkonsortium 2020: 2) eine Kompetenz, die mehrsprachige SuS besonders gut in DaZ-Förderklassen erlernen können.
Jedoch werden viele Vorteile der Mehrsprachigkeit noch nicht vollständig genutzt und viele Sprachen werden „von der ganz auf Deutschkompetenz ausgerichteten Selektion“ (Schader 2012: 32-33) weder im Unterricht eingebunden noch wertgeschätzt. Vielmehr waren jene Bildungsinstitutionen bislang kulturell und sprachlich sehr einseitig ausgerichtet und haben weder für eine Einbindung der jeweiligen Erstsprachen gesorgt noch die Entstehung einer sozialen Gleichheit bewirkt (vgl. Mecheril 2004: 174). Um diesbezüglich eine Änderung zu bewirken, empfiehlt die Kultusministerkonferenz, Mehrsprachigkeit als Ressource zu nutzen (vgl. KMK 2019: 5). „Individuelle mehrsprachige Erfahrungen und Sprachkompetenzen können im Kontext der sprachlichen Bildung und Sprachförderung vielseitig aufgegriffen werden“ (KMK 2019: 7) belegt die zunehmende Einbindung von Mehrsprachigkeit im Deutschunterricht und den Zusammenhang zwischen Mehrsprachigkeit und sprachlicher Bildung.
DaZ-Förderklassen wurden errichtet, damit SuS Bildungssprache, Sprachkompetenzen und Sprachförderung erreichen. Daraus stammen die teilnehmenden SuS dieser Bachelorarbeit, mit denen der Versuch einer erfolgreichen Umsetzung von „Autorenrunden“ praktiziert wird. Im Folgenden werden theoretische Aspekte der Methode „Autorenrunden“ dargelegt.
2.2 Methode: „Autorenrunden“ nach Beate Leßmann
2.2.1 Struktur und grundlegende Gesichtspunkte der Methode
Da Schreibdidaktik darauf abzielt, SuS zum Verfassen eines adressatenorientierten, inhaltlich anspruchsvollen und verständlichen Textes zu befähigen (vgl. Becker-Mrotzek; Böttcher 2011: 15-16), eignet sich die Untersuchung des schreibdidaktischen Prinzips „Autorenrunden“ besonders gut. „Autorenrunden“ zeichnet sich durch „Sozialität, Routinen und Interaktion“ (Leßmann 2020: 17) aus, denn in einer Autorenrunde versammelt sich eine Klasse mit der jeweiligen Lehrkraft und ein:e Schüler:in liest einen selbst verfassten Text in der Autorenlesung vor. Die Methode nennt sich „Autorenrunden“, um „Wertschätzung der textproduzierenden Schüler und Schülerinnen als Autoren und Ratgebende“ (ebd.: 23) auszudrücken. „Autorenrunden“ besteht aus einem komplexen System, bei welchem eine Vielzahl von Praktiken etabliert werden, die im Folgenden vorgestellt werden (vgl. ebd.: 126). Die Struktur des schreibdidaktischen Prinzips zeichnet sich durch verschiedenen Phasen aus: Eine Versammlung im Kreis inklusive Vorleseprozess, Feedbackrunden und Textdiskussionen und weitere Schreibkonferenzen, in denen die jeweiligen Autorentexte überarbeitet werden. Autorenlesungen finden zu festen Zeit- und Ortsangaben statt (vgl. ebd.: 22) und sind mit Ritualen verbunden (vgl. ebd.: 24). In den wöchentlich stattfindenden Schreibzeiten verfügen die SuS über einen offenen Arbeitsauftrag (vgl. ebd.: 23), bei welchem sie das Thema, mit dem sie sich beschäftigen wollen, und die Textsorte selbst bestimmen können. Der offene Schreibauftrag, bei welchem die SuS selbst über das Textgenre und das Thema entscheiden können, ist allerdings eine Idealvorstellung und der Grund, weshalb in dieser Bachelorarbeit der sinnvolle Einsatz einer offenen Schreibaufgabe im DaZ-Förderunterricht diskutiert wird.
Alle SuS besitzen ein Schreibbuch, in welchem sie ihre Textergebnisse sichern können (vgl. Leßmann 2020: 22). Durch unterschiedliche Karten, die mit Symbolen versehen sind, wird die Feedbackrunde nach Vorlesen des Textes strukturiert und die Mitschüler:innen äußern, was ihnen besonders gut an dem Text gefällt, was verbesserungsfähig ist und sie diskutieren die sechs Kriterien: Roter Faden, Textsorte, Adressatin, Wirkung, Wörter und Sätze (vgl. Leßmann 2020: 127). Nach diesem Gespräch in der Autorenrunde folgt die Schreibkonferenz, in welcher der vorgetragene Text in einer Kleingruppe gemeinsam überarbeitet wird. Punkte, die aus Sicht der SuS ausgebessert werden sollten, werden dabei fokussiert und es erfolgt eine Optimierung des Textprodukts. SuS nehmen dabei die Rollen als „Textproduzierende, Ratgebende und Am-Text-Arbeitende“ (ebd.: 20) ein.
Nach Beate Leßmann sollten Autorenrunden einen festen Bestandteil im Unterricht einnehmen und Schreibzeiten wöchentlich stattfinden, um Raum und Zeit am eigenen Text zu bieten und grundsätzlich das Schreiben für SuS attraktiv zu gestalten. „Verfassen, Überarbeiten, Präsentieren und Veröffentlichen eigener Texte“ (ebd.: 22) fungieren als Basis dieser Methode und damit wird ein Raum für Interaktionen zwischen SuS eröffnet. Schreiben erhält dadurch eine persönliche Bedeutung und wird aktiv praktiziert.
Eine Besonderheit dieser schreibdidaktischen Methode ist der hohe Gesprächsanteil, der genutzt wird, um Interaktionen zwischen den SuS zu ermöglichen. Demnach sind Gespräche ein Ritual in dieser Schreibkultur (vgl. ebd.: 23). Eine herausragende Rolle spielt ebenso die „Würdigung des Gelungenen“ (ebd.: 24), da durch Nennung der positiven Aspekte des Textes ein positiver Zugang zum Schreiben erstellt werden soll.
Bezüglich der Schreibaufgabe stellt Beate Leßmann das Ideal einer freien Schreibaufgabe heraus, bei welcher die SuS einen Text frei nach ihren individuellen Wünschen und Vorstellungen schreiben können. In Leßmanns Dissertation bezieht sie sich auf die Erkenntnis von Gudrun Spitta, dass „Schreiben zwischen Motivation, Emotion und Kognition“ (ebd.: 28) verortet wird und den SuS „Freiheit des Denkens und die Möglichkeit des Ausdrucks der Persönlichkeit“ (ebd.: 29) zugesprochen wird.
Autorenrunden eröffnen einen „Raum der Produktion gesellschaftlicher Wirklichkeit“ (ebd.: 6), sie bringen eigene subjektive Erfahrungen sprachlich zur Geltung und bieten ebenfalls Raum für „Konstruktion und Vermittlung von Bedeutung“ (ebd.: 37). Zudem soll durch die regelmäßige Durchführung von Autorenrunden ein Beitrag zur Identitätsbildung geleistet werden und eine „gemeinsame Sprache des Verstandenen“ (ebd.: 340) herausgebildet werden. Dies lässt sich mit dem folgenden Aspekt in Beziehung setzen, dass Kinder und Jugendliche ein grundsätzliches Interesse für Sprache besitzen und sie motiviert sind, sich weiter mit unterschiedlichen Sprachen und Kulturen auseinanderzusetzen (vgl. Oomen-Welke 2017: 503). Außerdem bewirkt die Anwendung von „Autorenrunden“, dass Fachwissen weiter ausgebildet werden kann und bildungssprachliche Kompetenzen erhöht werden (vgl. Leßmann 2020: 340).
2.2.2 Artefakte als unterstützende Mittel
Die bereits erwähnten Karten, die mit Symbolen versehen sind und in den Feedbackrunden eingesetzt werden, werden in diesem Unterkapitel näher aufgeführt. Sie haben den Nutzen, dass mit ihnen Themen, sprachliche Mittel und Textsorten näher erarbeitet werden können (vgl. ebd.: 136). Zudem sind Artefakte als soziale Praktiken anzusehen, die sich zwischen „Routinisiertheit“ (Reckwitz 2003: 282) und einer „systematisch begründbaren Unberechenbarkeit“ (ebd.) verorten lassen, da die Handlungskontexte situativ geprägt sind. Ferner nehmen Artefakte einen vehementen Einfluss auf den „Habitus der Identitätsbildung“ (Leßmann 2020: 128).
Die didaktischen Artefakte lassen sich in eine Karte, die mit einem lächelnden Smiley versehen und auf der „Was gefällt dir an dem Text?“4 zu lesen ist, in eine weitere mit einer Sprechblase, in der „Meine Tipps für die Überarbeitung in der Schreibkonferenz“5 steht, und in ein Artefakt mit der Texthand6 unterteilen. Die Texthand dient dazu, eine Diskussion über die Besonderheiten des vorgetragenen Textes anzuregen und sie besitzt für jeden Finger einen spezifischen Aspekt: „Adressat/-in, Leser/-in“ ist am Daumen wahrzunehmen, „Ziel, Wirkung“ ist am Zeigefinger verortet, „Textmuster, Textsorte“ steht am Mittelfinger, „Wörter“ ist am Ringfinger angesetzt und „Sätze“ ist am kleinen Finger zu erkennen. Mit dieser Karte können die SuS spezifisch eine Rückmeldung auf das Gehörte geben und auf einzelne Textmerkmale achten. Zusätzlich ist auf der Karte mit der Texthand ein roter Faden wahrzunehmen, der eine besondere Rolle in dem schreibdidaktischen Prinzip „Autorenrunden“ einnimmt. Mithilfe der Texthand und des roten Fadens, der „für das gedankliche Gerüst [steht], das den inhaltlichen Zusammenhang eines Textes wiedergibt“ (Klank 2002: 12), wird die Beschaffenheit des Textes genauer betrachtet. Weiter wird diese beschrieben, diskutiert und analysiert (vgl. Leßmann 2020: 192). Hinzu kommt, dass der rote Faden die „Wegqualität des Textes“ (ebd.: 242) genauer beleuchtet und durch das Gespräch die Konzentration verstärkt auf der Qualität des Textes liegt. Mithilfe des roten Fadens wird genauer betrachtet, inwieweit der:die Rezipient:in gut durch den Text geführt wird. Des Weiteren werden die Bereiche Kohärenz, Syntax, Pragmatik und Semantik durch die Verwobenheit des roten Fadens vereint und lassen sich auf die Textualität beziehen (vgl. Leßmann 2020: 244).
2.3 Schreib- und Textkompetenz
Zunächst gilt, die Begriffe Schreib- und Textkompetenz zu erläutern und die Bedeutsamkeit dieser Kompetenzen im nächsten Schritt herauszustellen. Der Begriff Kompetenz lässt sich vom lateinischen Infinitiv competere ableiten, was „zu etwas fähig sein“ bedeutet und demnach sind Kompetenzen notwendige Fertigkeiten, die benötigt werden, um gewisse Anforderungen und Handlungskontexte erfolgreich zu bewältigen (vgl. Fix 2008: 20). Kompetenzen lassen sich auf verschiedenste Bereiche beziehen. Dazu zählt auch die Schreib- bzw. Textkompetenz.
Schreibkompetenz meint die Fähigkeit, „Texte adressatengerecht zu formulieren und, je nach Zielsetzung, präzise zu informieren, überzeugend zu argumentieren oder Sprache ästhetisch ansprechend und kreativ einzusetzen“ (Harsch, Neumann, Lehmann, Schröder 2007: 45). Zudem sind Text- und Schreibkompetenz wichtige Anhaltspunkte, da sie einen entscheidenen Einfluss auf alle Lese- und Schreibprozesse während der Schulzeit nehmen, die den jeweiligen Erfolg und beruflichen Werdegang aller SuS determinieren (vgl. Girgelsohn; Sennewald 2012: 32).
Die Wichtigkeit von Textkompetenz zeigt sich daran, dass Texte eine Basis von „schulische[m] Wissenserwerb“ (Schmölzer-Eibinger 2010: 128) darstellen und der Umgang mit ihnen durch das Lesen, Besprechen, Analysieren und Diskutieren als Grundvoraussetzung im Sprach- und Sachunterricht fungiert (vgl. ebd.: 128). Weiter äußert sich Textkompetenz nicht bloß im schriftlichen Anforderungsbereich in der Schule, sondern auch im mündlichen Bereich, weil beide Teile zum erfolgreichen „schulischen Lernen“ zählen (ebd.). Da Textkompetenz in allen Schulfächern gefordert wird, ist die Förderung des Umgangs mit Texten unverzichtbar für DaZ-SuS. Durch vorhandene Textkompetenz fällt es den SuS leichter, Sachverhalte in verschiedensten Fächern zu „verstehen, verarbeiten und selbstständig darstellen [zu] können“ (ebd.). Ferner wird dem Schreiben eine hohe Bedeutung zugeschrieben, weil durch das Schreiben Wissen reproduziert wird (vgl. ebd.: 146). Außerdem können dadurch die individuellen Gedankengänge aller SuS weiter verfeinert werden und Potenzial für einen stärker ausgebauten Wissenserwerb gefördert werden, denn „Sprache ist [.] ein Werkzeug des Denkens“ (Woerfel; Giesau 2018: 1)
Auch enthält der mündliche Austausch über Texte, was Teil der Textkompetenz ist, einen hohen Stellenwert, weil der mündliche Austausch auch die Förderung der Übernahme schriftsprachlicher Elemente in den mündlichen Sprachgebrauch impliziert (vgl. Schmölzer- Eibinger 2010: 147).
Schreiben enthält nicht bloß eine individuelle Bedeutsamkeit, sondern ist auch als „soziale Praxis“ (Sturm; Weder 2018: 112) zu verstehen. Demzufolge sollten im Schreibunterricht „sozial bedeutsame Schreibsituationen“ aufgebaut werden, die sich durch vier Komponenten auszeichnen: „die Klasse als literale Gemeinschaft verstehen; Textwirkungen erfahrbar machen; Schreiben beobachtbar machen; Passung zwischen schulischen und außerschulischen literalen Praxen herstellen“ (ebd.: 112-113). Dies zeigt, dass Textkompetenz auf dem Bereich Schreiben aufgebaut wird und eine erfolgreiche Textkompetenz stark mit Schreibmotivation in Verbindung steht. Die Tatsache, dass Schreiben anhand der vier genannten Aspekte mit Gemeinschaft und Texterfahrung zusammenhängt, ist ein interessanter Punkt, der bei der Analyse von Beate Leßmanns Methode „Autorenrunden“ zu berücksichtigen ist.
Textkompetenz ist eine Voraussetzung, die in vielen Fällen nicht weiter trainiert wird, da mit vorhandener alltagssprachlicher Fähigkeit Textkompetenz impliziert wird, obwohl die Textkompetenz eigentlich einen separaten Teil darstellt (vgl. Krumm 2007: 200). Dass Textkompetenz nicht mit alltagssprachlichen Fähigkeiten gleichzusetzen ist, liegt an der schriftsprachlichen Prägung. Schriftsprache und gesprochene Sprache unterscheiden sich vehement und beide Teilbereiche sollten demnach gleichermaßen gefördert werden. Nach Krumm ist eine reine Orientierung auf gesprochene Sprache insbesondere in schulischen Kontexten sinnlos, weil dadurch bildungssprachliche Fähigkeiten nicht weiter ausgebaut werden könnten (vgl. Krumm 2007: 200). Bildungssprachliche Fähigkeiten sind notwendig, um am Wissenserwerb in der Schule teilnehmen zu können, weil dieser auf der Basis von Texten erfolgt (vgl. Schmölzer-Eibinger 2007: 207). Daraus lässt sich folgern, dass Textkompetenz eine unabdingbare Komponente für das erfolgreiche Lernen darstellt.
Ferner meint Textkompetenz die Fähigkeit, Texte lesen und verstehen zu können und weiter mit ihnen zu kommunizieren und zu lernen (vgl. ebd.: 207). Doch genau dieser adäquate Umgang mit Texten stellt für viele Zweitsprachenlernende eine große Herausforderung und kognitive Last dar, weshalb einige von ihnen scheitern. Zudem werden die Anforderungen von Schuljahr zu Schuljahr nicht geringer, sondern immer größer, da sowohl sprachlich als auch kognitiv immer mehr von den SuS gefordert wird (vgl. Schmölzer-Eibinger 2007: 208). Vorhandene Textkompetenz äußert sich daran, dass SuS ihre Texte selbstständig überarbeiten und dabei auch unterschiedliche Strategien nutzen (vgl. ebd.: 211). Hinzu kommt, dass durch eine Entwicklung der Schreibkompetenz eine Perspektive beim Lernenden entsteht, die „auf die Sache und den Text“ (Rösch 2011: 197) gerichtet ist. Zudem wird nicht bloß ein Blick auf die Sprachlichkeit geworfen, sondern auch auf die Tiefenstruktur des Textes. Dahingegen ändern Schreiber:innen mit geringer Textkompetenz ihre Formulierungen kaum ab und fokussieren sich primär auf die Wortebene und weniger auf logische Zusammenhänge.
Des Weiteren wird der Schreibprozess von schwachen Schreiber:innen kaum geplant und sie neigen zum spontanen Schreiben (vgl. Schneider; Becker-Mrotzek 2013: 50-52). Zudem sind diese Texte weniger umfangreich, werden kaum überarbeitet und der Schreibprozess wird in vielen Fällen vor der Überarbeitungsphase vorzeitig abgebrochen (vgl. ebd.). Der Aspekt, dass Kompetenzen nicht nur kognitive Fertigkeiten beinhalten, sondern auch die „sozialen Bedingungsfaktoren“ (Wild; Schilcher 2019: 159) Motivation und Wille beim Individuum eine wichtige Rolle spielen, gibt dem Begriff Textkompetenz eine stärkere Bedeutung und stellt den Übergang zum folgenden Unterkapitel der Bachelorarbeit dar. Wie sich Schreibmotivation definieren lässt, wird im Folgenden aufgeführt.
2.4 Schreibmotivation
Schreiben ist ein Bereich, der im Schulsystem eine notwendige Basis darstellt und „kognitiv hohe Ansprüche stellt“ (Sturm; Weder 2018, 104). Dies ist auch der Grund, weshalb sich einige SuS stark herausgefordert fühlen, das Schreiben als anstrengend empfinden und in vielen Fällen keine oder geringe Schreibmotivation aufweisen können. Ferner wird das Schreiben auch mit Orthographie, formaler Korrektheit und Grammatik verbunden (vgl. ebd.). Demnach kann die Meinung vieler SuS diejenige sein, dass sie sich im schulischen Kontext z.T. unmotiviert fühlen, Texte zu schreiben, weil sie Textproduktion mit sprachlicher Korrektheit assoziieren. Dahingegen kann es ihnen spaßiger erscheinen, in ihrer Freizeit Texte zu schreiben, weil sie dabei primär auf ihre individuellen Interessen achten und nicht auf formale Korrektheit.
Da die Fähigkeit, Texte schreiben zu können eine „Schlüsselkompetenz“ (Schulze 2013: 1) ist, ist es besonders wichtig, Schreibmotivation bei allen SuS ausreichend zu fördern, um die erforderliche Schlüsselkompetenz zu erreichen und damit verbunden berufliche Selbstverwirklichung zu erlangen.
Bezüglich der Schreibmotivation lässt sich dennoch festhalten, dass damit nicht die Charaktereigenschaft eines Schülers/einer Schülerin gemeint ist (vgl. Sturm; Weder 2018: 105). Ebenso lässt sich Schreibmotivation auch nicht auf das grundsätzliche Empfinden, das bei SuS beim Schreiben ausgelöst wird, beziehen (vgl. ebd.).
Um den negativen Assoziationen, die einige SuS empfinden, entgegenzuwirken, sollte ein positiver Bezug zum Schreiben im schulischen Kontext gefördert werden und auch der Sinn des Schreibens seitens der SuS erkannt werden (vgl. ebd.: 94). Ein Ziel sollte deshalb sein, den SuS die Möglichkeit zu bieten, einen positiven Gewinn aus der Fähigkeit des Schreibens zu ziehen (vgl. ebd.). Auch wenn Schreiben und Schreibkompetenz eine Voraussetzung zur Teilnahme am Unterricht in der Sekundarstufe I und II darstellt, sollte das Schreiben attraktiv gemacht werden und mit Spaß und individueller Entfaltung verbunden werden. Schreiben ist eine Fähigkeit, die in einer Schreibentwicklung immer weiter ausgebaut wird, wobei ihr auch eine hohe Bedeutung zugesprochen wird (vgl. ebd.: 119). Wichtig ist, dass Situationen erschaffen werden, bei denen das Schreiben sinnvoll eingebunden wird.
Zudem werden Textproduktion und die Kompetenz des Schreibens von SuS in der Sek. I und II vorausgesetzt und in beinahe jeder Unterrichtssituation und in jedem Unterrichtsfach selbstverständlich vorausgesetzt. Dadurch, dass das Schreiben eines Textes mit Strukturierung, sprachlicher Gestaltung, Orthographie, Grammatik und Semantik verknüpft ist, zeigt sich, dass Textkompetenz hohe kognitive Leistungen erfordert. Die Erbringung dieser Leistungen ist nicht selbstverständlich und nicht vollständig in der Sekundarstufe I erworben. Vielmehr sollte die fortlaufende und individuelle Förderung von Schreibmotivation thematisiert werden, um erfolgreiche Textkompetenz zu sichern und den SuS zu ermöglichen, die kognitive Last zu bewältigen. Hinzu kommt, dass DaZ-Lernende „in mehrfacher Hinsicht benachteiligt [sind]“ (Günther 2017: 19) und deshalb das individuelle und fortlaufende Fördern unabdingbar sind. Da Schreibmotivation und Textkompetenz sogar für Muttersprachler:innen eine kognitive Herausforderung darstellen, ist die erhöhte Last bei DaZ-SuS offensichtlich. Dieser Last sollte durch geeignete schreibdidaktische Modelle und Bewältigungsmethoden entgegengewirkt werden, weshalb sich die empirische Untersuchung des schreibdidaktischen Modells „Autorenrunden“ als äußerst interessant erweist. Schreibmotivation wird von Beate Leßmann explizit herausgestellt und sie nimmt die mündliche und schriftliche Interaktion mit dem Medium Text stark in den Blick.
3. Empirie
3.1 Vorstellung der teilnehmenden DaZ-SuS
Die vier teilnehmenden SuS sind mehrsprachig und leben seit ungefähr anderthalb bis zwei Jahren in Deutschland. Der 15-jährige Dawud7 und die 14-jährige Amara stammen aus Syrien und sprechen Arabisch, Türkisch, Englisch und mittlerweile auch Deutsch. Dawud beherrscht sogar Kenntnisse des Griechischen, weil er während seiner Flucht aus Syrien nach Deutschland für einige Monate in Griechenland gelebt hat. Die 13-jährige Hatice ist eine aus der Türkei stammende Kurdin und Adelina ist Bulgarin und 14 Jahre alt. Sie alle haben die Gemeinsamkeit, dass sie DaZ-SuS sind und die deutsche Sprache zwingend erlernen müssen, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Dadurch, dass verschiedene Sprachen wie Türkisch, Arabisch und Bulgarisch im Klassenzimmer vertreten sind, zeigt sich das Vorhandensein der Mehrsprachigkeit.
Dawud, Adelina und Hatice befinden sich in der „Anfänger DaZ-Klasse“ und lernen mit sieben weiteren SuS Deutsch. Diese SuS habe ich bewusst nicht in die Untersuchung von „Autorenrunden“ eingeplant, weil sie sich noch teilweise in der Phase der Alphabetisierung befinden und sich nach meiner Einschätzung bei der aktiven Auseinandersetzung mit Texten überfordert gefühlt hätten.
Amara ist mittlerweile in einer Regelklasse des Gymnasiums integriert und nimmt am Unterricht der Klasse teil. Wenn die Regelklasse Latein/Französisch hat, besucht Amara mit einer weiteren DaZ-Schülerin die „fortgeschrittene DaZ-Klasse“. Die weitere fortgeschrittene Schülerin konnte allerdings wegen eines familiären Todesfalls nicht an der Durchführung von „Autorenrunden“ teilnehmen.
Die SuS kennen sich mittlerweile gut und sind vertraut miteinander, obwohl der durch Corona bedingte digitale Unterricht dafür gesorgt hat, dass sich die SuS für viele Wochen und Monate nicht getroffen haben und nicht gemeinsam lernen konnten. Dies ist ein Nachteil, der nicht unberücksichtigt bleiben sollte, und sogar in einer der durchgeführten Schreibkonferenzen von den SuS thematisiert wird.
Die Lerngruppe ist heterogen, weil sich die Muttersprachen, Persönlichkeiten und Spracherwerbsstufen zwischen den SuS unterscheiden. Adelina ist beispielsweise sehr introvertiert und schüchtern, während Amara und Hatice äußerst selbstbewusst auftreten und gerne vor anderen Leuten sprechen. Die bulgarische Schülerin beobachtet lieber und arbeitet gerne allein, anstatt sich verbal zu äußern und in Gruppenarbeiten im Vordergrund zu stehen. Dies ist ein erheblicher Unterschied zu den übrigen SuS. Ferner ist Adelina auch diejenige, die zuletzt nach Deutschland kam und sich folglich sprachlich in einer anderen Spracherwerbsstufe als Amara befindet, die bereits in einer Regelklasse integriert ist. Zudem beherrscht Adelina keine Kenntnisse des Englischen und hat auch keine Elternteile oder Geschwister, die mit dem Deutschen vertraut sind. Das unterscheidet sie ebenfalls von den übrigen SuS. Die dadurch belegte Heterogenität in dieser Lerngruppe liefert ebenfalls einen interessanten Anhaltspunkt für die Analyse von „Autorenrunden“.
Es wird aktuell geprüft, ob Dawud und Hatice das Potenzial haben, in einer Regelklasse unterrichtet zu werden. Dafür ergibt sich die Untersuchung des auf Schreibkompetenz ausgelegten Prinzips als interessante Methode.
Die SuS haben das Prinzip „Autorenrunden“ zum ersten Mal im Rahmen meiner Bachelorarbeit kennengelernt. Somit ist der erste Durchlauf, der dokumentiert wird, überhaupt der erste Versuch einer Autorenrunde in dieser DaZ-Klasse. Ein derartiges schreibdidaktisches Prinzip ist für die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler eine neuartige Lernmethode, an der sie alle sehr interessiert sind. Bevor die Unterrichtseinheit jedoch durchgeführt wurde, habe ich meinen SuS eine Einführungssitzung angeboten, in welcher ich mithilfe einer PowerPoint Präsentation das Unterrichtsvorhaben und die Methode „Autorenrunden“ geschildert und erklärt habe. Ferner wurden alle Symbolkarten vorgestellt und die für die SuS noch fremde Metapher des roten Fadens erläutert. Da dieses Prinzip und die Art von Unterricht sehr fremd für die SuS war, habe ich ihnen möglichst viel Zeit zum Verstehen dieser Methode gegeben und die Option von Rückfragen offen gehalten. Auffällig ist, dass das Verstehen des roten Fadens viel Zeit benötigt hat und die SuS sich gegenseitig versucht haben, den Aspekt der Methode zu erklären. Dies ist ein spannender Gesichtspunkt, der im weiteren Verlauf der Bachelorarbeit analysiert und diskutiert werden soll.
Im Folgenden werden die Gespräche der vorgestellten SuS aus den Autorenrunden ausgewertet und analysiert.
3.2 Auswertung der Gespräche
In diesem Teil der Bachelorarbeit werden die Gesprächsaufzeichnungen aus der durchgeführten Unterrichtseinheit „Autorenrunden“ in der DaZ-Förderklasse ausgewertet und unter Berücksichtigung der Schreibmotivation analysiert. Da zwei Durchgänge von „Autorenrunden“ in der DaZ-Klasse absolviert wurden, bezieht sich der erste Teil der Analyse auf die Autorenlesung von Adelina. Der zweite Teil behandelt die Autorenlesung von Hatice. Bei der Durchführung von „Autorenrunden“ haben die SuS die Arbeitsaufgabe erhalten „Schreibe einen Brief an deinen besten Freund/deine beste Freundin aus deinem Heimatland und erzähle ihm/ihr, wie es Dir in Deutschland gefällt und wie dein neues Leben in Deutschland ist.“8 Die Aufgabenstellung gibt den:die Adressat:in, die Textsorte und das grobe Thema an, um die SuS bei der ersten großen Schreibaufgabe im DaZ-Förderunterricht nicht zu überfordern, da eine zu freie Aufgabenstellung sowohl inhaltliche als auch sprachliche Überforderung bei ungewohnten Schreiber:innen hervorrufen kann. Inwieweit die eingegrenzte Aufgabenstellung sinnvoll für „Autorenrunden“ im DaZ-Unterricht ist, wird im Diskussionsteil weiter ausgeführt.
3.2.1 Die erste Durchführung von „Autorenrunden"
Bereits in der ersten Feedbackrunde zeigen die zuhörenden SuS großen Einsatz, der sich im folgenden Transkriptausschnitt zeigt:
[.]
Sophia Junker: So, wir haben ja jetzt den Text von Adelina gehört und zuerst seht ihr die Karte mit dem Smiley. Was gefällt dir an dem Text? Wer möchte gerne anfangen?
Dawud: Ich mag die Struktur, das ist alles sehr logisch.
Sophia Junker: Okay. Ja, Amara?
Amara: Äh, ich finde es ganz toll, dass sie alle ihre Gefühle geschrieben ha äh hat hatte hatte. Und ich finde es, also, es ist spannend, dass ähm Adelina die gleichen Gefühle wie ich hätte hättest.
Sophia Junker: Hm-hm [zustimmend].
Amara: Ja.
Sophia Junker: Vor allem was?
Amara: Ähm.
Sophia Junker: Was für Gefühle? Was ist dir da aufgefallen?
Amara: Dass die deutsche Sprache ist bisschen schwer für sie und auch dass sie viele Kinder kennengelernt von andere Länder, von verschiedene Länder und andere Sprachen.
[.]
Der Ausschnitt zeigt, dass die SuS zwar auf eine moderierende Person angewiesen sind und dass ich als Mercator-Förderlehrerin diese Rolle einnehme. Bei der Frage, was den SuS an Adelinas Text gefällt, ergreift Dawud jedoch direkt das Wort und nutzt sogar den Fachbegriff „Struktur“. Er bezieht sich eindeutig auf die Aufforderung, positive Aspekte des Textes zu äußern, indem er aus seiner eigenen Perspektive schildert, was er persönlich an dem Text gut findet.
Auch Amara nimmt Bezug zu der Frage und äußert auf einer sehr positiven Art und Weise, dass ihr der subjektive Aspekt des Textes gefällt, mit dem sie sich sogar identifizieren kann. „[...] Adelina die gleichen Gefühle wie ich [...]“ zeigt, dass Amara ein Identifikationspotenzial für sich erkennt und sie Adelinas subjektive Wahrnehmung nachempfinden kann. Der Punkt der Identitätsbildung ist auch für Beate Leßmann von Relevanz, da „Autorenrunden“ und damit verbundene literale Kompetenzen Identitäten herausbilden sollen (vgl. Leßmann, 2020: 117). In diesem Gesprächsausschnitt erläutert Amara nach meiner Nachfrage, was sie genau meint, und in dieser Aussage lässt sich eindeutig der Aspekt der Mehrsprachigkeit wahrnehmen, da Amara über die Schwierigkeiten, die sie mit der deutschen Sprache hat, spricht. Umso mehr schätzt sie, dass sie viele Kinder aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen kennengelernt hat. Nicht bloß Amara befürwortet den Aspekt der Mehrsprachigkeit, sondern auch Adelina, da dieser Teil ihres Textes ist.
[.]
Hatice: Also, ich finde ihre Text voll gut und sie hat viele Information, aber sie könnte manche Sachen so genau erklären.
Sophia Junker: Hm-hm [zustimmend].
Hatice: Und ja.
Sophia Junker: Okay, noch mehr?
Dawud: Sie hat interessantes Worte benutzt, die ich auch gerne benutzen würde.
Amara: Ja.
Hatice: Vielleicht kann sie mehr Werte Wörter wie „dann, danach“ schreiben.
Sophia Junker: Okay, hm-hm [zustimmend].
Amara: Ja. Vielleicht auch ähm mehrere Adjektive benutzen.
Sophia Junker: Ja, genau. Okay, dann wären wir jetzt sogar schon direkt bei der Karte für meine Tipps für die Überarbeitung in der Schreibkonferenz angekommen. Also, ihr meint, dass sie gerne noch mehr Adjektive benutzen sollte.
Amara: Ja.
[.]
Während der Feedbackrunde sind die SuS selbständig zu den Verbesserungsvorschlägen gelangt, ohne dass ich es vorgeben musste. Sie zeigen ihr fachliches Können im Gespräch, da sie konstruktive Vorschläge machen, die Adelinas Text aus ihrer Sicht optimieren können. Hatice äußert beispielsweise, dass manche Punkte genauer ausgeführt werden können und Amara benennt die Wichtigkeit von Adjektiven. Durch das Gespräch untereinander können die SuS ihr fachliches Wissen mündlich anwenden und sich mit einem fremden Text einer Mitschülerin aktiv auseinandersetzen (vgl. Leßmann 2020: 334).
Besonders signifikant ist die Aussage Dawuds, dass er den Wortschatz von Adelina bewundert, weil er ihre verwendeten Wörter selbst gerne in seinen Wortschatz aufnehmen möchte. Dies beweist, dass die Anwendung von „Autorenrunden“ im DaZ-Förderunterricht nicht nur zu einer Optimierung des behandelten Textes führt, sondern alle SuS einen Mehrwert daraus ziehen können, weil sie sich aktiv mit Texten und mit Sprache auseinandersetzen, sie gemeinsam interagieren und kommunizieren (vgl. ebd.: 25). Durch das Erfahren von Sprache und durch die Wahrnehmung der Wirksamkeit von Sprache lässt sich eine Erhöhung der Schreibmotivation annehmen. Dawud erkennt in dieser Situation, wie Sprache zum Ausdruck von Gedanken und Gefühlen präzise genutzt werden kann und er schätzt das Textprodukt von Adelina sehr. Durch diesen Text erhalten Dawud und auch die übrigen Schülerinnen der DaZ-Gruppe eine neue Inspirationsquelle, wobei der Wortschatz eine von vielen Komponenten darstellt.
Um den vorgetragenen Text von Adelina detailliert zu behandeln und zu verstehen, eignet sich die Texthand besonders gut, weil sie zur Diskussion von Besonderheiten des Textes anregt. Die Texthand wird von den SuS angenommen und dieser Bestandteil lässt sich bei DaZ-SuS gut anwenden.
[...]
Sophia Junker: Hm-hm [zustimmend] okay, sehr gut. Jetzt kommen wir zu der Karte mit der Hand, wo ihr die verschiedenen Kriterien seht und jetzt müsst ihr bitte einmal darüber sprechen, oder sollt besser gesagt darüber sprechen, was den Text jetzt so besonders macht. Fangen wir mal mit dem roten Faden an. Was sagt ihr zum roten Faden?
Dawud: Ja, die roten Faden sind da, weil sie hat die ganze Zeit über Deutschland gesprochen.
Sophia Junker: Genau, sehr gut. Die Aufgabenstellung wurde also klar befolgt, dass sie über das Leben in Deutschland gesprochen hat. Okay, zum ähm Leser, wer ist jetzt hier der Leser in dem Text?
Amara: Ihre Freunde und sie heißt Sviti?
Hatice: Sveti.
Amara: Sveti.
Sophia Junker: Richtig, Sveti ist die Leserin, sehr gut. Was ist das Ziel oder wie wirkt dieser Text?
Sophia Junker: Wie wirkt der Text oder was möchte Adelina mitteilen durch ihren Text?
Amara: Ähm, sie wollte ihre Freunde über Deutschland erzählen und wie das Leben in Deutschland ist. Zum Beispiel hatte sie über die Temperatur gesprochen, über die Leute, die da sind und ja, sowas.
[...]
1 Schüler:innen wird im Folgenden aus Gründen der besseren Lesbarkeit mit „SuS“ abgekürzt.
2 Deutsch als Zweitsprache wird im Folgenden aus Gründen der besseren Lesbarkeit mit „DaZ“ abgekürzt.
3 Die komplette Transkription der Autorenrunden findet sich im Anhang (8.1). Bei der Transkription der Gespräche habe ich mich an dem Stil, den man in Leßmanns Dissertation vorfindet, orientiert. Die vorliegenden Transkripte verzichten auf Konventionen einer Feintranskription, da diese für die vorliegende Arbeit keine Relevanz haben. Gesten werden in eckigen Klammern aufgeführt. Pausen, Gesprächsüberschneidungen, akzentuierte Silben und veränderte Tonhöhen bleiben unberücksichtigt, da sie für die Diskussion der Leitfrage ebenso keine Relevanz haben.
4 Die Karte ist im Anhang (8.4.1) einzusehen.
5 Die Karte ist im Anhang (8.4.3) einzusehen.
6 Die Karte ist im Anhang (8.4.2) einzusehen.
7 Die Namen aller teilnehmenden DaZ-SuS wurden geändert.
8 Die Aufgabenstellung ist im Anhang (8.5) einzusehen.
- Citation du texte
- Sophia Junker (Auteur), 2021, Autorenrunden im Förderunterricht. Schreibmotivation bei mehrsprachigen Schüler:innen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1347292
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