Die spanischen Schelmenromane „La vida de Lazarillo de Tormes“ (1554), von einem unbekannten Verfasser, und „Historia de la vida del Buscón“ (1626), von Francisco de Quevedo1, sind bis in die heutige Zeit Meisterwerke der spanischen barocken Literatur des so genannten Siglo de Oro, und auch bis heute Bestseller. Besonders „La vida de Lazarillo de Tormes“ hat in den darauf folgenden Jahrhunderten nach der ersten Veröffentlichung viele Nachahmer gefunden und gilt seither als erstes Beispiel für die Gattung Pikaresker Roman, die im Deutschen gern mit Schelmenroman wiedergegeben wird. Zu den bekanntesten Werken gehören Mateo Alemáns „Guzmán de Alfarache“ (1599) oder „Rinconete y Cortadillo“ (1613) von Miguel de Cervantes. In ganz Europa wurde der Schelmenroman eine gefragte Alternative zur barocken Literatur der Schäferromane; so veröffentlicht Charles Sorel 1622/23 seinen Roman „Francion“ und auch in Deutschland erscheint mit Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausens „Der abenteuerliche Simplicissimus“ (1668) der erste Schelmenroman (Wikipedia)2.
Selbst so bekannte Werke wie Mark Twains „Die Abenteuer von Huckleberry Finn“ (1884) und Günter Grass’ „Die Blechtrommel“ (1959) haben Ähnlichkeiten mit dem Pikaresken Roman und können daher als Nachfolger gesehen werden. In der heutigen Zeit findet die Geschichte um den schelmischen Protagonisten ebenso ihr Publikum: Mit Matt Groenings Homer Simpson aus der Fernsehserie „Die Simpsons“ ist das Thema wieder aktuell und findet auch bei jüngeren Zuschauern Anklang (Wikipedia).
Im Folgenden will ich mich auf die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Romane um Lazarillo de Tormes und den Buscón konzentrieren und dann besonders auf den Buscón als einen Pikaresken Roman der anderen Art eingehen, indem ich das Thema der Neuen Christen in Quevedos Werk eingehender behandeln möchte.
Inhalt
I. Einleitung
Inhaltszusammenfassung und
Vorgehensweise
II. Hauptteil
Analyse, Vergleich der beiden Werke
- Die wichtigsten Unterschiede
- Die Cristianos Nuevos im Buscón
- Die Flucht
III. Schluss
Zusammenfassung
IV. Anhang
Bibliografie
I. Einleitung
Die spanischen Schelmenromane „La vida de Lazarillo de Tormes“ (1554), von einem unbekannten Verfasser, und „Historia de la vida del Buscón“ (1626), von Francisco de Quevedo1, sind bis in die heutige Zeit Meisterwerke der spanischen barocken Literatur des so genannten Siglo de Oro, und auch bis heute Bestseller. Besonders „La vida de Lazarillo de Tormes“ hat in den darauf folgenden Jahrhunderten nach der ersten Veröffentlichung viele Nachahmer gefunden und gilt seither als erstes Beispiel für die Gattung Pikaresker Roman, die im Deutschen gern mit Schelmenroman wiedergegeben wird. Zu den bekanntesten Werken gehören Mateo Alemáns „Guzmán de Alfarache“ (1599) oder „Rinconete y Cortadillo“ (1613) von Miguel de Cervantes. In ganz Europa wurde der Schelmenroman eine gefragte Alternative zur barocken Literatur der Schäferromane; so veröffentlicht Charles Sorel 1622/23 seinen Roman „Francion“ und auch in Deutschland erscheint mit Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausens „Der abenteuerliche Simplicissimus“ (1668) der erste Schelmenroman (Wikipedia)2.
Selbst so bekannte Werke wie Mark Twains „Die Abenteuer von Huckleberry Finn“ (1884) und Günter Grass’ „Die Blechtrommel“ (1959) haben Ähnlichkeiten mit dem Pikaresken Roman und können daher als Nachfolger gesehen werden. In der heutigen Zeit findet die Geschichte um den schelmischen Protagonisten ebenso ihr Publikum: Mit Matt Groenings Homer Simpson aus der Fernsehserie „Die Simpsons“ ist das Thema wieder aktuell und findet auch bei jüngeren Zuschauern Anklang (Wikipedia).
Im Folgenden will ich mich auf die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Romane um Lazarillo de Tormes und den Buscón konzentrieren und dann besonders auf den Buscón als einen Pikaresken Roman der anderen Art eingehen, indem ich das Thema der Neuen Christen in Quevedos Werk eingehender behandeln möchte.
II. Hauptteil
Im Roman „La vida de Lazarillo de Tormes“ (1554) wird die Geschichte des Protagonisten selbst aus der Perspektive des gealterten Ichs erzählt. Dabei wurde die Form des persönlichen Briefs an eine Vuestra Merced gewählt, um einen bestimmten caso, einen Fall, zu erklären, der dem Leser nicht näher erläutert wird. Der Erzähler, der den Großteil seines Lebens episodisch darlegt, entstammt der untersten sozialen Schicht – sein Vater ein Kleinkrimineller, seine Mutter eine Prostituierte – und hat daher den Vorteil, aus dieser Sichtweise heraus die Dinge, Personen und Zustände aufgrund seiner Ungebildetheit naiv darzustellen und dem Leser so eine vorsichtige Kritik an der Gesellschaft zu vermitteln. Dies und die Tatsache, dass es zu jener Zeit gefährlich war, solche Gedanken zu äußern, mag der Grund für den Autor gewesen sein, nicht öffentlich in Erscheinung zu treten. In den acht Kapiteln des Romans macht der Erzähler einen Wandlungsprozess durch, der darin mündet, dass er am Ende des Buches einen angesehenen Status aufweisen kann. Die Kapitel dienen aber auch dazu, nicht nur den vorliegenden caso und damit den Lebenswandel des Schelms und wie er dazu geworden ist zu schildern, sondern die Gesellschaftsschichten zu charakterisieren und somit ihre Unzulänglichkeiten aufzuzeigen. Die Kapitel, die von unterschiedlicher Länge sind, berichten von den Erfahrungen, die der Erzähler u.a. bei einem Blinden, einem Priester, einem verarmten Adligen, einem Mönch und einem Ablasshändler gemacht hat, bis er schließlich heiratet und den Beruf eines Herolds im Dienste des Königs ausübt. In den Episoden wird erzählt, wie es Lazarillo als Diener der unterschiedlichen Herren ergeht, dabei wird besonders am Klerus Kritik geübt. Ein gutes Beispiel hierfür ist das vierte Kapitel, das aufgrund seiner Kürze Anstoß zum Nachfragen gibt: Lazarillo, der sonst ausführlichste Schilderungen der Umstände gibt, deutet bestimmte Sachen nur an und es bleibt dem Leser überlassen, die Doppeldeutigkeit der Begriffe zu interpretieren. Lazarillo tritt bei einem Mönch in Dienst, bei dem er aber nicht lange bleibt, wegen verschiedener „Händelichen“ (Lazarillo, 79), die dem aufmerksamen Leser verraten, dass dieser Mönch nicht unbedingt bibelfromm gelebt haben kann und mit weltlichen Dingen beschäftigter war als mit religiösen. Dieses Kapitel zeigt, dass die Kritik an der Kirche in Person eines Mönches wahrscheinlich Anstoß beim Klerus erregt hat, denn nicht ohne Grund, oder weil der Erzähler nicht mehr berichten will, ist das Kapitel besonders kurz. Wahrscheinlich ist, dass der ursprüngliche Text hat Kürzungen hinnehmen müssen. Das zentrale Thema des Lazarillo ist der Hunger. In jedem Kapitel geht es um die Essensbeschaffung, die allerdings wohl eher ein Teil der historischen Realität war, denn irgendeiner Interpretation bedarf. Bemerkenswert ist die Taktik des Erzählers, durch seine eventuell gespielte Naivität die Dinge beim Namen zu nennen und so Kritik üben zu können. Indem er es offensichtlich unterlässt, alles zu berichten, baut der Erzähler auf die Einbildungskraft und Interpretationsfähigkeit des Lesers, die narrative Leerstelle selbst aufzufüllen. Durch die Auswahl der Herren, bei denen Lazarillo dient, aber auch durch seine unbedarfte Sichtweise von offensichtlichen Tabuthemen kann beim Leser der Gedanke der Kritik initiiert werden, der auf Suggestion beruht, jedoch nie wirklich ausgesprochen wird. Neben dem fünften Kapitel im Besonderen, in dem Lazarillo einem verarmten Ritter dient, lassen sich im gesamten Text Beispiele für die umfangreiche Sozialkritik finden, die durch die Augen eines Außenseiters geäußert wird. Das spanische Sozialsystem entsprach nicht mehr den real existierenden Verhältnissen, das Staatswesen funktionierte nicht mehr3. Lilian von der Walde Moheno bemerkt: “[. .] el sistema socioeconómico se hallaba debilitado (se recuerda la bancarrota durante el reinado de Felipe II)” (280).
Ebenso wie Lazarillo entstammt auch Pablos, der Held des Buscón der sozialen Unterschicht. „Der junge Pablos entstammt den untersten Schichten der spanischen Gesellschaft. Sein Vater ist Barbier und Beutelschneider, sein Oheim Henker in des Königs Dienst“ (Schalk, 239), während seine Mutter später der Prostitution und Hexerei angeklagt und überführt wird (durch die Heilige Inquisition) und ihre Vergehen vor ihrem Sohn auch offen gesteht. Bei ihm ist der Grund des Verfassens seiner Lebensgeschichte nicht so klar wie im Lazarillo. Er schreibt auch an eine Vuestra Merced, teilweise spricht er aber auch den Leser direkt an. Im Gegensatz zum Lazarillo ist uns der Autor des Romans bekannt und dessen Ansichten scheinen auch im Zusammenhang mit der Interpretation des Gesamtwerkes eine Rolle zu spielen, wie später noch ausführlich dargelegt werden soll. Auch Pablos erzählt seine Autobiografie anhand von Episoden, die alle in losem Zusammenhang zu einander stehen und daher unendlich erweitert werden könnten. Auch Pablos ist ein pícaro, ein Schelm, der sich aus jeder brenzligen Situation durch seine Gewand- und Gewitzheit zu entziehen vermag. Allerdings scheinen seine Taten überlegter geplant und bewusster ausgeführt als bei Lazarillo, welcher im Grunde nur Gleiches mit Gleichem vergelten will. Pablos hingegen lernt regelrecht, wie er ein noch besserer Schelm werden kann: „[. .] Pablos ha aprendido y de víctima se ha convertido en verdugo“ (Quevedo d, 23). In drei Büchern, die wiederum unterteilt sind in mehrere verschieden lange Kapitel, berichtet Pablos von seinem Leben, was ihm auf seinen Reisen begegnet und wie er letztendlich den Entschluss fasst, sein Leben zu ändern, indem er nach Amerika auswandert. Die Unterteilung der Kapitel zeigt kein gleich bleibendes Schema, wie etwa im Lazarillo die Kapitel den verschiedenen Herren entsprechen, denen er abwechselnd dient.
[...]
1 Ich werde mich bei dem Autoren des Buscón immer auf Fransisco de Quevedo, oder kurz Quevedo, beziehen, ungeachtet seiner vielen Beinamen.
2 Ich arbeite mit der gängigen MLA- Zitiermethode.
3 Ich stütze mich hierfür hauptsächlich auf Mitschriften aus dem Seminar.
- Arbeit zitieren
- Katja Buthut (Autor:in), 2005, Lazarillo, Buscón und die Neuen Christen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134728
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