In österreichischen Unternehmen nimmt Supply Chain Management eine immer
bedeutendere Rolle ein.1 Das Logistikbild hat sich in den vergangenen vier
Jahrzehnten stark verändert. Früher konzentrierte man sich hauptsächlich auf
logistische Abläufe, die im Bereich Marketing als physische Distribution gesehen
werden konnten. Später setzte sich das „Betriebswirtschaftliche Logistikkonzept“
durch, wobei es als Management des gesamten Waren- und dazugehörigen
Informationsflusses innerhalb eines Unternehmens, zwischen dem Unternehmen und
dessen Lieferanten bzw. dessen Kunden definiert wurde.2
Seit Mitte der 80er Jahre hat sich Supply Chain Management im Spannungsfeld
zwischen neuen betriebswirtschaftlichen Herausforderungen und technologischen
Neuerungen zu einem komplexen Forschungsgebiet der Betriebswirtschaftslehre
weiterentwickelt.3
Bis zum Anfang der 90er Jahre gab es durchschnittlich fünf Publikationen im
Praxisumfeld des Supply Chain Managements pro Jahr. Danach kam es zu einem
rasanten Anstieg an allgemeinen Publikationen bis man mit 400 publizierten
Arbeiten im Jahr 1999 den Höchststand erreichte. Aktuell erscheinen
durchschnittlich 250 bis 300 Werke pro Jahr. Anders sieht es bei den
wissenschaftlichen Arbeiten aus. Lediglich zwischen 150 und 200 Arbeiten wurden
in der Vergangenheit pro Jahr zu diesem Thema veröffentlicht. Des Weiteren bleibt
zu erwähnen, dass sich nur weniger als zehn Prozent der wissenschaftlichen Arbeiten
mit empirischen Untersuchungen zum Thema Supply Chain Management
beschäftigen. Derzeit liegen ungefähr 90 empirische Arbeiten vor, die verschiedene
Facetten des SCM beleuchten.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung und Problemstellung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Forschungsfrage
1.3 Struktur der Arbeit
2 Entstehung und Entwicklung von SCM
2.1 Historie des Supply Chain Managements
2.2 Entwicklungsstufen der Logistik
2.3 Begriffsdefinition des SCM
2.4 Denkschulen des Supply Chain Managements
3 Bezugsrahmen des Supply Chain Managements
3.1 Konzeptualisierung nach Handfield und Nichols
3.2 Motive für SCM
3.2.1 Steigende Dynamik und Komplexität
3.2.2 Total Cost of Ownership
3.2.3 Bullwhip-Effekt
3.2.4 Transaktionskosten
3.3 Grundprinzipen des SCM
3.4 Ziele des Supply Chain Managements
3.5 Referenzmodelle des Supply Chain Managements
3.5.1 Referenzmodelle im Allgemeinen
3.5.2 Modell von Bowersox
3.5.3 Modell von Cooper / Lambert / Pagh
3.5.4 Modell von Mentzer et al
3.5.5 Modell von Bechtel und Jayaram
3.5.6 Supply Chain Operations Reference-Modell
3.5.7 Kernelemente der dargestellten Modelle
3.6 Supply Chain Management-Reifegrade
3.7 Umsetzungsgrad von SCM
4 Die Studie von Kotzab et al. (2006)
4.1 Theoretische Grundlage der empirischen Erhebung
4.2 Analyse Erkenntnisse
4.3 Replikationsstudie
4.3.1 Allgemeines
4.3.2 Typen von Replikationen
4.3.3 Problematik der Replikationsstudie
5 Untersuchungsdesign
5.1 Fragebogendesign
5.2 Schriftliche Befragung
5.2.1 Definition der Grundgesamtheit
5.2.2 Ablauf der schriftlichen Befragung
5.2.3 Rücklaufquote
6 Empirische Untersuchung
6.1 Daten der empirische Erhebung
6.1.1 Statistische Unternehmensdaten
6.1.2 Datenbasis für die weiterführenden Analysen
6.2 Faktorenanalyse
6.2.1 Allgemein
6.2.2 Ablauf der Faktorenanalyse
6.2.3 Variablenauswahl und Errechnung der Korrelationsmatrix
6.2.4 Ergebnis der Signifikanzniveaus der Korrelation
6.2.5 Ergebnis der Anti-Image-Korrelation
6.2.6 Weiterer Ablauf der Analyse
6.2.7 Reliabilitätsanalyse
6.3 Regressionsanalyse
6.3.1 Allgemein
6.3.2 Ablauf der Regressionsanalyse
6.3.3 Ergebniss der Regressionsanalyse
7 Conclusio
8 Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Anzahl der Veröffentlichungen zum Thema "Supply Chain Management" (Quelle: Fettke (2007) S. 419) 2
Abbildung 2: Struktur der Arbeit
Abbildung 3: Entwicklungsstufen des Supply Chain Managements (Quelle: Werner (2008) S. 15)
Abbildung 4: Entwicklungsstufen der Logistik (Quelle: Weber/Dehler (1999) S. 35)
Abbildung 5: Definitionen von Supply Chain Management in alphabetischer Reihenfolge (Quelle: eigene Zusammenstellung in Anlehnung an Jehl (2005) S. 37)
Abbildung 6: Die fünf Dimensionen des Supply Chain Managements (Quelle: Grünauer (2001) S. 19)
Abbildung 7: Definitionsvergleich (Quelle: eigene Zusammenstellung in Anlehnung an Grünauer (2001) S. 20)
Abbildung 8: Denkschulen des Supply Chain Managements (Quelle: Bechtel/Jayaram (1997) S. 19)
Abbildung 9: Bezugsrahmen zum Supply Chain Management (Quelle: Fettke (2007) S. 422)
Abbildung 10: Basisstrategien zum Umgang mit Komplexität und Dynamik (Quelle: Beckmann (2004) S. 6)
Abbildung 11: Bullwhip-Effekt in der Supply Chain (Quelle: Unzugängliche Original- abbildung von Otto/Kotzab (1999), entnommen aus Otto (2002) S. 162)
Abbildung 12: Allgemeine Prinzipien des Supply Chain Managements (Quelle: Otto/Kotzab (2001) S. 166)
Abbildung 13: Mehrstufiges SCM-Zielsystem nach Heusler (Quelle: eigene Darstellung nach Heusler (2004) S. 16-18)
Abbildung 14: Zielsetzung von Supply Chain Management (Quelle: Staberhofer/Rohrhofer (2007) S. 41)
Abbildung 15: Ziele des Supply Chain Managements in der Praxis (Quelle: Fettke (2007) S. 428)
Abbildung 16: Bezugsrahmen für SCM nach Bowersox (Quelle: nach Corsten/Gössinger (2008) S. 136; Closs/Mollenkopf (2004) S 38)
Abbildung 17: Elemente des SCM nach Cooper/Lambert/Pagh (Quelle: Cooper/Lambert/Pagh (1997) S. 6)
Abbildung 18: SCM-Geschäftsprozesse nach Cooper/Lambert/Pagh (Quelle: Mit geringfügigen Veränderungen übernommen aus Cooper/Lambert/Pagh (1998) S. 2)
Abbildung 19: Managementkomponenten nach Cooper/Lambert/Pagh (Quelle: Lambert et al. (1998) S. 12)
Abbildung 20:Voraussetzungen für eine Supply Chain Orientierung (Quelle: Heusler (2004) S. 92)
Abbildung 21: Supply Chain Management Modell nach Mentzer et al. (Quelle: Mentzer et al. (2001) S. 19)
Abbildung 22: Supply Chain Management Modell nach Bechtel und Jayaram (Quelle: Bechtel/Jayaram (1997) S. 21)
Abbildung 23: Die vier Ebenen des SCOR-Modells (Quelle: Supply-Chain Council (2007) S. 6)
Abbildung 24: SCOR-Modell (Quelle: Supply-Chain Council (2007) S. 9)
Abbildung 25: Drei SCM-Reifegrade (Quelle: Staberhofer/Rohrhofer (2007) S 43)
Abbildung 26: Entwicklungsstand und Entwicklungspotenziale der Logistik (Quelle: Weber/Dehler (1999) S. 37)
Abbildung 27: Branchenvergleich der Logistikentwicklungsstufen (Quelle: Weber/Dehler (1999) S. 36)
Abbildung 28: Verbreitung von Supply Chain Management in der Praxis (Quelle: Fettke (2007) S. 426)
Abbildung 29: Modell zur Messung des Entwicklungsgrades von SCM in Unternehmen (Quelle: Kotzab/Friis/Busk (2006) S. 92)
Abbildung 30: Ergebnisse Dänemark (Quelle: Kotzab/Friis/Busk (2006) S 101)
Abbildung 31: Barrieren gegen Replikationen (Quelle: in Anlehnung Baumgarth/Evanschitzky (2005) S. 256)
Abbildung 32: Einstellungsskala
Abbildung 33: Rücklaufquote
Abbildung 34: Methodischer Steckbrief
Abbildung 35: Branchenstruktur teilgenommenen Unternehmen
Abbildung 36: Branchenstruktur kontaktierten Unternehmen
Abbildung 37: Position in der Supply Chain
Abbildung 38: Zeitraum der partnerschaftlichen Beziehung
Abbildung 39: Deskriptive Analyse der internen SCM-Voraussetzungen
Abbildung 40: Deskriptive Analyse der gemeinsamen SCM-Voraussetzungen
Abbildung 41: Deskriptive Analyse der SCM-Aktivitäten
Abbildung 42: Deskriptive Analyse der SCM-Implementierung
Abbildung 43: Ablauf einer Faktorenanalyse nach Backhaus (Quelle: Backhaus et. al. (2006) S. 269)
Abbildung 44: Zusammenfassung der überprüften Gruppen
Abbildung 45: Cronbach´s Alpha-Werte der Faktoren
Abbildung 46: Ergebnisdarstellung Faktorenanalyse
Abbildung 47: Ergebnisdarstellung der Regressionsanalyse
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung und Problemstellung
1.1 Problemstellung
In österreichischen Unternehmen nimmt Supply Chain Management eine immer bedeutendere Rolle ein.1 Das Logistikbild hat sich in den vergangenen vier Jahrzehnten stark verändert. Früher konzentrierte man sich hauptsächlich auf logistische Abläufe, die im Bereich Marketing als physische Distribution gesehen werden konnten. Später setzte sich das „Betriebswirtschaftliche Logistikkonzept“ durch, wobei es als Management des gesamten Waren- und dazugehörigen Informationsflusses innerhalb eines Unternehmens, zwischen dem Unternehmen und dessen Lieferanten bzw. dessen Kunden definiert wurde.2
Seit Mitte der 80er Jahre hat sich Supply Chain Management im Spannungsfeld zwischen neuen betriebswirtschaftlichen Herausforderungen und technologischen Neuerungen zu einem komplexen Forschungsgebiet der Betriebswirtschaftslehre weiterentwickelt.3
Bis zum Anfang der 90er Jahre gab es durchschnittlich fünf Publikationen im Praxisumfeld des Supply Chain Managements pro Jahr. Danach kam es zu einem rasanten Anstieg an allgemeinen Publikationen bis man mit 400 publizierten Arbeiten im Jahr 1999 den Höchststand erreichte. Aktuell erscheinen durchschnittlich 250 bis 300 Werke pro Jahr. Anders sieht es bei den wissenschaftlichen Arbeiten aus. Lediglich zwischen 150 und 200 Arbeiten wurden in der Vergangenheit pro Jahr zu diesem Thema veröffentlicht. Des Weiteren bleibt zu erwähnen, dass sich nur weniger als zehn Prozent der wissenschaftlichen Arbeiten mit empirischen Untersuchungen zum Thema Supply Chain Management beschäftigen. Derzeit liegen ungefähr 90 empirische Arbeiten vor, die verschiedene Facetten des SCM beleuchten. (vgl. Abbildung 1)4
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Anzahl der Veröffentlichungen zum Thema "Supply Chain Management" (Quelle: Fettke (2007) S. 419)
Wie aus Abbildung 1 ersichtlich ist, wurde die Thematik des Supply Chain Managements sowohl in der betriebswirtschaftlichen Praxis als auch in der wissenschaftlichen Forschung erst vor ca. einem Jahrzehnt verstärkt aufgegriffen, wobei die Zahl der jährlichen Publikationen in den letzen zehn Jahren um beinahe 200 Prozent gestiegen ist.
1.2 Zielsetzung und Forschungsfrage
Im Rahmen dieser Arbeit wird im theoretischen Teil primär die deutschsprachige Literatur zum Thema Supply Chain Management betrachtet. In der in dieser Arbeit enthalten empirischen Erhebung soll untersucht werden, wie hoch der Entwicklungsgrad von SCM in österreichischen Unternehmen ist und welche Elemente die Umsetzung von Supply Chain Management in den untersuchten Unternehmen beeinflussen. Hierzu wird eine Replikationsstudie basierend auf den Untersuchungen von Kotzab, Friis und Busk (2006) durchgeführt.
Im Speziellen soll diese Arbeit Erkenntnisse über die SCM-Bedingungen und SCM-Aktivitäten liefern. Ziel ist es den Einfluss dieser Komponenten auf den SCM- Entwicklungsgrad herauszufinden. Diese Erkenntnisse sollen mit Hilfe der Faktorenanalyse und Regressionsanalyse gewonnen werden und grafisch dargestellt werden.
Diese Arbeit soll somit folgende Forschungsfragen beantworten:
- Wie können die SCM-Bedingungen und SCM-Aktivitäten auf spezifische SCM-Faktoren, die den Entwicklungsgrad von SCM in der Organisation darstellen, zusammengefasst werden?
- Wie beeinflussen diese Faktoren die Implementierung von SCM?
- Wo liegen die Unterschiede zur der in Dänemark durchgeführten Untersuchung?
1.3 Struktur der Arbeit
Die Kapitel 2 und 3 stellen den theoretischen Rahmen der Diplomarbeit dar, wohingegen sich Kapitel 4 mit der der Replikationsstudie zugrundeliegenden Basisstudie von Kotzab, Friis und Busk (2006) beschäftigt. Die Kapitel 5 und 6 gehen auf die empirische Erhebung an sich und auf die Ergebnisse derselben ein. Kapitel 7 stellt eine abschließende Zusammenfassung der Erkenntnisse dar. (vgl. Abbildung 2)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Struktur der Arbeit
Kapitel 2 betrachtet die Entstehung und Entwicklung von Supply Chain Management. Zunächst wird ein Überblick über die historische Entwicklung von Supply Chain Management gegeben. Danach werden ausgewählte Definitionen des deutschsprachigen Raumes dargestellt und mit Hilfe eines Untersuchungsrasters auf deren inhaltliche Kernelemente hin verglichen.
In Kapitel 3 wird näher auf den Bezugsrahmen des Supply Chain Managements eingegangen. Zu Beginn wird die Konzeptualisierung des Supply Chain Managements nach Handfield und Nichols vorgestellt sowie Motive für Supply Chain Management näher beleuchtet. In weiterer Folge werden sowohl die Grundprinzipien als auch die Ziele des Supply Chain Managements dargestellt und unterschiedliche SCM-Referenzmodelle vorgestellt. Abschließend wird der in der Literatur dargestellte Entwicklungsgrad von Supply Chain Management in Unternehmen näher beleuchtet.
Kapitel 4 bietet eine überblicksmäßige Darstellung der Studie von Kotzab, Friis und Busk (2006), die die Grundlage der vorliegenden Replikationsstudie darstellt. Weiters wird noch die Replikationsstudie als Forschungsmethode beschrieben.
In Kapitel 5 wird das Untersuchungsdesign der vorliegenden empirischen Erhebung dargestellt. Es wird der Aufbau des Fragebogens erläutert und näher auf die methodische Vorgehensweise bei der schriftlichen Befragung eingegangen.
In Kapitel 6 werden die Daten, die für die nachfolgenden Untersuchungen gewonnen wurden, vorgestellt. Danach beschäftigt man sich mit der Durchführung und Darstellung der Faktorenanalyse und der Regressionsanalye. Dieses Kapitel beinhaltet die Ergebnisse der Untersuchungen.
Den Abschluss dieser Arbeit bildet Kapitel 7, das einen Überblick über die Forschungsergebnisse gibt, Erkenntnisse aus der vorliegenden Untersuchung aufzeigt, einen Vergleich mit den Ergebnissen der Initialstudie bringt und einen kurzen Ausblick auf neue Forschungsfelder beinhaltet.
2 Entstehung und Entwicklung von SCM
2.1 Historie des Supply Chain Managements
In der Wirtschaft kommt es zu einer immer stärkeren Verlagerung vom Wettbewerb zwischen einzelnen Unternehmen hin zu einem Wettbewerb zwischen gesamten Wertschöpfungsketten. Lokale, auf das eigene Unternehmen ausgerichtete Optimierungen treten in den Hintergrund und eine unternehmensübergreifende Ausrichtung entlang der Supply Chain, sowie die Optimierung derselben, tritt in den Fokus der Betrachtung. In diesem Wettbewerb stellen effiziente Logistikketten den entscheidenden Differenzierungsfaktor dar, zumal heutzutage speziell im Handel kaum mehr eine Differenzierung über das Produkt möglich ist, da es zu einer immer stärkeren Substituierbarkeit des jeweiligen Produktes kommt.5
Ein dabei in Supply Chains schon häufig beobachtetes Phänomen ist, dass „ ... die Summe lokaler Optima häufig kein globales Optimum ergibt ...“6 und somit ein einzelnes Unternehmen durch Supply-Chain-orientierte Optimierungen oft schlechter gestellt werden kann, als es bei einer rein auf das eigene Unternehmen ausgerichteten Optimierung der Fall gewesen wäre. Somit ergibt sich die Notwendigkeit, dass aus dem Supply Chain Management generierte Vorteile auf alle Akteure der Supply Chain verteilt werden müssen und nicht nur bei einem Unternehmen hängen bleiben dürfen.7
Bedingt durch die Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kam es in den letzen vier Jahrzehnten zu einer starken Veränderung des Logistikverständnisses. In den 60er-Jahren lag der Fokus vor allem auf der Lager- und Transportoptimierung, während es in den 70er- und 80er- Jahren zu einer Ausdehnung des Begriffes auf „Business Logistics“ kam, welche als eigenständige akademische Disziplin verstanden wurde. Somit kam es zu einem Umdenken, weg von einem einzelunternehmensorientierten Logistikkonzept, hin zu einer integrierten Betrachtung der gesamten Supply Chain. Die Wurzeln des Supply Chain Managements liegen in den USA, wo Burbidge und Forrester in den 60er-Jahren die Bedeutung unternehmensübergreifender Logistikkonzepte erkannten.8
Im deutschsprachigen Raum hingegen etablierte sich Supply Chain Management erst Mitte der 90er Jahre.9 Historisch betrachtet lässt sich der Entwicklungspfad von Supply Chain Management in vier Entwicklungsstufen unterteilen (vgl. Abbildung 3).10
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Entwicklungsstufen des Supply Chain Managements
(Quelle: Werner (2008) S. 15)
Im Detail stellen sich diese wie folgt dar:11
- Integration der Funktionen interner Supply Chains (Stufe 1): In dieser Stufe beschäftigen sich Unternehmen vor allem mit der Aufgabe, die unternehmensinternen Funktionsbereiche, wie beispielsweise den Einkauf, den Vertrieb und die Produktion, zu verbinden. Die unternehmensinterne Prozessorientierung steht in dieser Stufe im Vordergrund.
- Informationsaustausch zwischen Kunden, Lieferanten und Dienstleistern (Stufe 2): Durch den Einsatz moderner IT-Systeme steht auf der zweiten Stufe der intensive Informationsaustausch zwischen Kunden, Lieferanten und Dienstleistern im Fokus der Betrachtung. Auf dieser Stufe entstehen erste Wertschöpfungsallianzen zur Ausnutzung synergetischer Potenziale.
- Kollaboratives Management komplexer Netzwerke (Stufe 3): Im Gegensatz zur zweiten Entwicklungsstufe, in der nur das eigene Unternehmen und die unmittelbar angrenzenden Partner betrachtet werden, wird auf der dritten Stufe der Fokus auf die gesamte Supply Chain ausgedehnt. Im Mittelpunkt steht die Weiterleitung von Informationen an alle Partner der Supply Chain in Echtzeit.
- Synchronisation und Reduzierung interner wie externer Supply Chains (Stufe 4): In einer visionären vierten Entwicklungsstufe des Supply Chain Managements steht die Synchronisierung der Prozesse über das Supply Network hinweg sowie ein Abbau von internen und externen Prozesse im Mittelpunkt, wobei dem E-Business in dieser Stufe eine zunehmend größere Bedeutung zugeschrieben wird.
2.2 Entwicklungsstufen der Logistik
In der Wissenschaft hat sich weitgehend die Meinung durchgesetzt, dass sich die Entwicklung der Logistik in drei beziehungsweise vier Stufen unterteilen lässt, wobei das Supply Chain Management derzeit die höchste Entwicklungsstufe der Logistik dargestellt (vgl. Abbildung 4).12
Wie Abbildung 4 sehr gut zeigt, kommt es bei den Entwicklungsstufen der Logistik nicht zu einem „klassischen“ Stufenbau, in dem die jeweils übergelagerte Stufe dort beginnt wo die vorhergegangene Stufe endet, sondern zu einer Parallelität im zeitlichen Entwicklungsablauf und zu einer Überschneidung der aufeinanderfolgenden Stufen im Bezug auf deren Grad der Flussorientierung. Dies führt dazu, dass eine exakte Abgrenzung der unterschiedlichen Entwicklungsstufen nicht möglich ist.13
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Entwicklungsstufen der Logistik (Quelle: Weber/Dehler (1999) S. 35)
Im Detail können die unterschiedlichen Entwicklungsphasen wie folgt charakterisiert werden:14
- Funktionale Spezialisierung: Die funktionale Spezialisierung stellt die erste Entwicklungsstufe der Logistik dar. Die Logistik wird als eigenständige Funk-tion gesehen, die neben den bereits bestehenden Funktionen des Unternehmens, wie zum Beispiel Entwicklung, Einkauf, Produktion und Absatz, besteht. In dieser Stufe liegt das Ziel der Logistik darin, einen Spezialisierungsvorteil im Bereich Material- und Warenfluss zu schaffen, sowie die durch die Erfahrungskurve entstehenden Potentiale auszuschöpfen.
- Koordinationsfunktion der Logistik: Der Übertritt in diese Entwicklungsstufe erfolgt nach Ausschöpfung der waren- und materialflussbezogenen Spezialisierungsvorteile innerhalb der unterschiedlichen Funktionsbereiche. Die einzelnen Funktionsbereiche wurden jedoch bis jetzt ausschließlich isoliert betrachtet wodurch eventuelle Abhängigkeiten zwischen den Bereichen unberücksichtigt blieben. Genau diese Abhängigkeiten bergen noch große Effizienzsteigerungspotentiale, die durch eine übergeordnete Planung ausgeschöpft werden können. Durch die Erweiterung des Aufgabenfeldes der Logistik um material- und warenflussbezogen Koordinationsaufgaben kommt es zu einer Neudefinition der Logistikziele. Die Hauptaufgabe der Logistik liegt somit in der Bildung einer funktionsübergreifenden Logistikkette, um eine optimale Koordination der zwischenfunktionalen Material- und Warenflüsse zu gewährleisten. In einer weiteren Entwicklungsphase wird der Koordinationsgedanke über die Grenzen des Unternehmens hinweg ausgedehnt. Ein Beispiel hierfür ist die Bildung von Just-in-time-Kooperationen zwischen Zuliefer- und Montagebetrieben.
- Fluss- bzw. Prozessorientierung: In dieser Stufe kommt es zu einer Weiterentwicklung der Logistik zu einer Führungsfunktion bzw. zu einem Managementsystem, dessen zentrales Ziel darin besteht eine Fluss- bzw. Prozessorientierung im Unternehmen durchzusetzen. Durch den steigenden Wettbewerbsdruck müssen Unternehmen oft Differenzierungen mit Kostensenkungen verbinden. Da dies in auf Funktionsspezialisierung aufgebauten Unternehmen nicht möglich ist, kommt es zu dieser Neuausrichtung, die ein logistikorientiertes Denken und Handeln aller Unternehmensbereiche umfasst.
- Supply Chain Management: Die letze Entwicklungsstufe wird durch das Supply Chain Management dargestellt. Hierbei kommt es zu einer Ausweitung der Gestaltungsfunktion der Logistik auf die gesamte Wertschöpfungskette. Die Aufgabe der Logistik liegt nunmehr im Aufbau und in der Gestaltung unternehmensübergreifender Prozesse. Diese Gestaltungsaufgabe bezieht sich nicht nur auf die vor- und nachgelagerte Stufe der Supply Chain, sondern auf alle Mitglieder der Wertschöpfungskette.
2.3 Begriffsdefinition des SCM
Die Tatsache, dass es in der Literatur an einer allgemein anerkannten Definition für Supply Chain Management mangelt, ist darin zu sehen, dass dieses Konzept nicht aus der betriebswirtschaftlichen Theorie stammt, sondern direkt in der unternehmerischen Praxis entwickelt wurde.15
Ein weiteres Argument für diese Vielfalt an Definitionen kann auch im Bedeutungswandel gesehen werden, dem der Begriff Supply Chain Management im Laufe der Zeit unterlegen ist. Zu Beginn wurde der Begriff Supply Chain Management oft als ein geeignetes Mittel zur Reduktion von Lagerbeständen entlang der gesamten Logistikkette interpretiert, wohingegen er später immer mehr als Instrument der Unternehmenssteuerung verstanden wurde.16
Abbildung 5 gibt einen Überblick ausgewählter Supply Chain Management-Definitionen des deutschsprachigen Raums ab dem Jahre 2000.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Definitionen von Supply Chain Management in alphabetischer Reihenfolge (Quelle: eigene Zusammenstellung in Anlehnung an Jehl (2005) S. 37)
17181920212223242526272829
Um die zuvor dargestellten Definitionen in einem einheitlichen Raster abbilden zu können, wurden die folgenden Dimensionen festgelegt: „interorganisatorischer Aspekt des SCM“, „Fokussierung auf Planungs- und Ausführungsprozesse“, „Einsatz von IS/IT Lösungen“, „Flussorientierung“ und „Zielorientierung“ (vgl. Abbildung 6).30
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Die fünf Dimensionen des Supply Chain Managements
(Quelle: Grünauer (2001) S. 19)
Diese Dimensionen lassen sich im Detail wie folgt darstellen:
- Interorganisatorischer Aspekt: Hier wird der geschäftseinheitenübergreifende Aspekt betont. Die Versorgungskette umfasst ein Netzwerk, welches aus der unmittelbar betrachteten Geschäftseinheit, beschaffungsseitig aus deren Liefer-anten und Lieferanten dieser Lieferanten, sowie absatzseitig aus den Kunden der betrachteten Geschäftseinheit, sowie den Kunden dieser Kunden bis hin zum Endverbraucher besteht.31
- Prozessorientierung: Dabei steht die Abstimmung des Leistungsaustausches jener Schlüsselprozesse der Geschäftseinheiten im Fokus, die einen unternehmensübergreifenden Planungs- und Ausführungscharakter aufweisen. Dazu zählen die Prozesse der Kundenbetreuung, Bedarfsermittlung, Auftragsabwicklung, Kapazitätsbelegung, Beschaffung, Produktentwicklung und Produktrückführung.32
- SCM-Werkzeuge: Darunter versteht man Informationssysteme innerhalb der Versorgungskette. Dies sind Transaktions- oder Planungssysteme, welche, wie im Fall der SCP-Systeme, den Verantwortlichen den notwendigen Überblick über das Netzwerk geben und einen geschäftseinheitenübergreifenden Austausch von Informationen ermöglichen.33
- Flussorientierung: Es wird genau auf die Prinzipien der Gestaltung der Güter-, Informations- und Geldflüsse in der Versorgungskette geachtet. Flussorientierung bedeutet die Verankerung des flussorientierten Denkens, die Definition flussorientierter Zielsysteme, die Verwendung flussorientierter Informationssysteme und die flussorientierte Ausrichtung von Anreizsystemen.34
- Zielorientierung: Die Schaffung von Kundennutzen steht als Ziel des Supply Chain Managements an erster Stelle. Einzelziele der beteiligten Akteure, wie beispielsweise die Optimierung des lokalen Return on Assets, werden der Forderung nach Verbesserung der Leistungsfähigkeit der gesamten Supply Chain untergeordnet.35
Vergleicht man die zuvor dargestellten Definitionen des Supply Chain Managements anhand dieser Dimensionen, ergibt sich der in Abbildung 7 dargestellte Raster.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Definitionsvergleich
(Quelle: eigene Zusammenstellung in Anlehnung an Grünauer (2001) S. 20)
Aus dem in Abbildung 7 dargestellten Raster lässt sich erkennen, dass in den ausgewählten Definitionen die Flussorientierung, mit 9 von 13 möglichen Nennungen, die am häufigsten angeführte Dimension des Supply Chain Managements ist. Die Prozessorientierung und der interorganisatorische Aspekt werden in 8 von 13 Fällen auch in den Definitionen angesprochen und sind somit die am zweithäufigsten verwendeten Kriterien. Des Weiteren ist anzumerken, dass keiner der ausgewählten Autoren in seiner Definition auf die Dimension der SCM-Werkzeuge eingegangen ist.
2.4 Denkschulen des Supply Chain Managements
Aufgrund der Vielfalt von Supply Chain Management-Definitionen arbeiteten Bechtel und Jayaram (1997) übergeordnete Denkschulen des Supply Chain Managements (vgl. Abbildung 8) heraus, die sich wie folgt darstellen lassen:36
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8: Denkschulen des Supply Chain Managements
(Quelle: Bechtel/Jayaram (1997) S. 19)
- (Functional) Chain Awareness School: Es wird das Vorhandensein einer Kette, bestehend aus einzelnen funktionalen Teilbereichen, vorausgesetzt sowie erkannt, dass ein durchgängiger Materialfluss zwischen ihnen besteht. Somit umfasst das Netzwerk sämtliche Bereich von der Rohstoffgewinnung bis hin zum Konsumenten.37
- Linkage / Logistics School: Wird bei der (Functional) Chain Awareness School nur ein durchgängiger Materialfluss erkannt, so wird bei der Linkage / Logistics School versucht eine durchgängige Harmonisierung der Aktivitäten, die sequentiell erfolgen, zu erreichen, um die Lagerbestände entlang der gesamten Supply Chain zu reduzieren.38.
- Information School: Im Zentrum dieser Denkschule steht ein in beide Richtungen fungierender Informationsfluss, dessen Hauptaufgabe nicht nur in der Weiterleitung von Informationen an die nächste Stufe besteht, sondern vor allem in der Rückmeldung von vom Kunden wahrgenommenen Supply-Chain-Leistungen an untergeordnete Stufen.
- Integration / Process School: Bei diesem Ansatz steht die Integration der unternehmensübergreifenden Geschäftsprozesse im Mittelpunkt der Überlegungen. Im Gegensatz zur Linkage / Logistics School wird von einer sequentiellen Reihenfolge der Aktivitäten Abstand genommen, und man orientiert sich ausschließlich am Konsumentennutzen.
- Future School: Im Fokus dieser Denkschule steht das Beziehungsmanagement zu anderen Akteuren der Supply Chain mit dem Ziel der Errichtung strategischer Allianzen. Sie kritisiert, dass die Bezeichnung Supply Chain Management nicht sehr glücklich gewählt wurde, weil dies eher auf eine Push-Orientierung als auf eine Kundenorientierung schließen lässt. Es wird daher vorgeschlagen die Bezeichnung „Seamless demand pipeline“ zu verwenden.
Dieses Kapitel gab einen Überblick über die Entstehung von Supply Chain Management und zeigte die in der Literatur zu findende Definitionsvielfalt auf, wodurch ein erster Einblick in den Themenbereich des Supply Chain Managements gewährt werden sollte, bevor in Kapitel 3 näher auf den Bezugsrahmen von Supply Chain Management eingegangen wird.
3 Bezugsrahmen des Supply Chain Managements
3.1 Konzeptualisierung nach Handfield und Nichols
In der Literatur haben sich parallel zu den unterschiedlichen Definitionen von Supply Chain Management verschieden Bezugsrahmen zur Konzeptualisierung des SCM entwickelt, von denen sich bis dato noch keiner als „Standard“ durchsetzen konnte.
Ein sehr fortschrittliches Konzept stammt von Handfield und Nichols (1999). Es umfasst die drei Facetten Management der Kooperation, Management des Material- flusses und Management des Informationsflusses, die das Supply Chain Management beschreiben und damit das Themenfeld SCM umfassend abstecken (vgl. Abbildung 9).39
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 9: Bezugsrahmen zum Supply Chain Management
(Quelle: Fettke (2007) S. 422)
Im Detail lassen sich diese drei Facetten wie folgt darstellen:40
- Management der Kooperation: Ein wesentliches Element des Supply Chain Managements ist die Integration und Synchronisation sämtlicher Geschäftsprozesse eines Unternehmens mit denen anderer Unternehmen. Derartige Kooperationen gilt es systematisch zu planen, zu steuern und zu überwachen.
- Management des Materialflusses: Ein wesentlicher Bestandteil des Themenfeldes ist weiterhin die Gestaltung des Materialflusses in der Supply Chain. Dabei ist es wichtig, den Materialfluss über sämtliche Stufen einer Supply Chain hinsichtlich der angestrebten Zielsetzungen abzustimmen. Neben den unmittelbaren Lieferanten und Kunden sind gleichermaßen die Lieferanten der Lieferanten sowie die Kunden der Kunden et cetera zu berücksichtigen.
- Management des Informationsflusses: Bereits bei der Gestaltung innerbetrieblicher Aufgaben ist die bedarfsgerechte Informationsversorgung aller Akteure von entscheidender Bedeutung. Dies gilt umso mehr für zwischen-und überbetriebliche Aufgaben. Um einen bedarfsgerechten Informationsfluss zu gewährleisten, sind geeignete Informationstechnologien auszuwählen und einzusetzen.
Die in der Konzeptualisierung dargestellte Trennung der Aspekte Management der Kooperation, Management des Materialflusses und Management des Informationsflusses bedeutet nicht, dass diese unabhängig von einander sind. Vielmehr ist es charakteristisch diese Aspekte gemeinsam zu betrachten und zu bearbeiten.41
3.2 Motive für SCM
Die Gründe für die Entstehung von Supply Chain Management lassen sich auf die im folgenden näher dargestellten Motive der steigenden Dynamik und Komplexität der Märkte (vgl. Kapitel 3.2.1), des Total Cost of Ownership-Ansatzes (vgl. Kapitel 3.2.2, des Bullwhip-Effekts (vgl. Kapitel 3.2.3) und der Transaktionskostentheorie (vgl. Kapitel 3.2.4) zurückführen.
3.2.1 Steigende Dynamik und Komplexität
In der modernen Wirtschaft sehen sich Unternehmen mit einer stark steigenden Komplexität (z.B. stärkere Individualisierung der Produkte und höhere Lieferantenvielzahl) und einer immer stärker werdenden Dynamik der Anforderungen (z.B. kürzere Lieferzeiten und kürzere Produktlebenszyklen) konfrontiert. Durch die höhere Komplexität steigt auch die benötigte Zeit für Reaktionen auf Veränderungen im unternehmerischen Umfeld. Gleichzeitig jedoch sinkt die zur Verfügung stehende Zeit aufgrund der zunehmenden Dynamik der Anforderungen.42
Um unter diesen Bedingungen zu bestehen, lassen sich drei Basisstrategien identifizieren:43
I. Reduktion der benötigten Reaktionszeit
II. Erhöhung der verfügbaren Reaktionszeit
III. Reduktion der Komplexität und Dynamik
Abbildung 10 stellt die drei Basisstrategien sowie die Ansatzpunkte zum Umgang mit Komplexität und Dynamik der jeweiligen Strategien überblicksmäßig dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 10: Basisstrategien zum Umgang mit Komplexität und Dynamik
(Quelle: Beckmann (2004) S. 6)
Die in Abbildung 10 dargestellten Ansatzpunkte dieser drei Basisstrategien werden durch Supply Chain Management zu einem Gesamtkonzept zusammengefasst, in welchem eine Anpassung der Wertschöpfungskette an die sich ständig verändernden Umfeldbedingungen durch eine inhaltlich flexible Zusammenarbeit über Unternehmensgrenzen hinweg ermöglicht wird.44
3.2.2 Total Cost of Ownership
Beim Total Cost of Ownership Ansatz vergleichen Unternehmen nicht länger nur die eigentlichen Anschaffungskosten eines Produktes sondern auch alle mit dem Kauf des Produktes verbundenen Neben- und Folgekosten. Dieser Ansatz bietet der Geschäftsführung eine ausgezeichnete Grundlage für Kaufentscheidungen, da die gesamten Kosten des Produktlebenszykluses betrachtet werden und somit das - über den gesamten Lebenszyklus betrachtet - günstigste Produkt ausgewählt werden kann. Durch Supply Chain Management wird versucht die Total Cost of Ownership möglichst gering zu halten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Eine Erweiterung dieses Konzeptes stellt der Total Benefit of Ownership Ansatz dar, bei dem der Gesamtnutzen einer Investition über ihren gesamten Lebenszyklus betrachtet wird, indem neben den Kosten auch die mit dem Produkt verbundenen Erlöse miteinbezogen werden.45
3.2.3 Bullwhip-Effekt
Hauptproblem von unternehmensübergreifenden, mehrstufigen Supply Chains ist, dass im Zuge des Informationsflusses vom Kunden über den Einzel- und Großhändler bis zum eigentlichen Hersteller Daten verzögert, verändert oder in vielen Fällen falsch interpretiert werden. Der daraus entstehende Bullwhip-Effekt wurde bereits 1958 von Forrester entdeckt und wird in der Literatur auch oftmals als Whiplash-, Whipsaw-Effekt bzw. Peitschenschlageffekt bezeichnet. Der Bullwhip-Effekt bringt zum Ausdruck, dass unter den Rahmenbedingungen von regional begrenzten Informationen und lokaler Entscheidungsfindung kleine Schwankungen der Kundennachfrage durch jede weitere Stufe der Supply Chain verstärkt werden. Das bedeutet: „Eine kleine Schwankung der Kundennachfrage führt zu einem überproportionalen und verzögerten Anstieg der Bestellmenge des Einzelhändlers. Diese höhere Nachfrage schaukelt sich entlang der Logistikkette weiter fort.“46 So ist es möglich, dass sich leichte Konsumschwankungen des Endverbrauchers von 3 bis 5 Prozent über die gesamte Supply Chain hinweg bis hin zum Rohstofflieferanten zu Bedarfsschwankungen von 30 bis 50 Prozent aufschaukeln (vgl. Abbildung 11). Die Ursache für den Peitschenschlageffekt ist in der mangelnden Koordination der Unternehmen der Supply Chain zu sehen.47
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 11: Bullwhip-Effekt in der Supply Chain (Quelle: Unzugängliche Original- abbildung von Otto/Kotzab (1999), entnommen aus Otto (2002) S. 162)
In der Vergangenheit wurde der Bullwhip-Effekt oft auf Faktoren zurückgeführt, die durch die einzelnen Unternehmen nicht beeinflusst werden können. Forrester war der Erste, der sich gegen die Auffassung aussprach, dass diese Schwankungen unvermeidbar sind. Mit Hilfe eines vierstufigen dynamischen Modells zeigte er, dass systemimmanente Bedingungen und keine exogenen Faktoren, für den Bullwhip-Effektes verantwortlich sind.48
Im Detail ist der Bullwhip-Effekt u.a. auf folgende Ursachen zurückzuführen:49
- Verzerrung der Nachfrage: Da Hersteller, Lieferanten und Kunden nicht miteinander synchronisiert sind, verhalten sich Konsum- und Produktionsverläufe nur ansatzweise deckungsgleich. Die hieraus folgenden Schwankungen im Bestellverlauf führen dazu, dass sich Unternehmen innerhalb der Supply Chain dazu gezwungen sehen Sicherheitsbestände aufzubauen. Dadurch ist der Bedarf nicht länger auf die Bedarfsforderungen des vorgelagerten Kunden sondern auf den eigenen Lagerbestand ausgerichtet. Dies wiederum führt zu einer zeitlichen und quantitativen Bedarfs- und Nachfrageverzerrung entlang der Supply Chain.
- Fehlende Bedarfstransparenz: Unternehmensintern ausgerichtete EDV-Systeme zur Auftragsabwicklung sind nicht in der Lage, die Bestands- und Nachfrage-situation der gesamten Supply Chain in die kurzfristige Dispositionsarbeit einfließen zu lassen. Daraus folgen Fehldispositionen, die in einer Über- bzw. Unterversorgung resultieren.
[...]
1 vgl. Haring: online
2 Kotzab (2000) S. 23
3 vgl. Fettke (2007) S. 417
4 vgl. Fettke (2007) S. 418-419
5 vgl. Corsten/Gabriel (2004) S. 4
6 Knolmayer/Mertens/Zeier (2000) S. 15
7 vgl. Corsten/Gössinger (2001) S. 84-85
8 vgl. Otto/Kotzab (2001) S. 159, Corsten/Gabriel (2004) S. 6
9 vgl. Werner (2008) S. 3
10 vgl. Baumgarten (2004) S. 54-59
11 vgl. Werner (2008) S. 13-15, Baumgarten (2004) S. 55-59
12 vgl. Weber/Dehler (1999) S. 35
13 vgl. Weber (2001) S. 4 nach Rendl (2003) S. 8-9
14 vgl. Weber/Dehler (1999) S. 35
15 vgl. Corsten/Gössinger (2001) S. 97
16 vgl. Kotzab (2000) S. 27
17 Corsten/Gössinger (2006) S. 269
18 Göpfert (2002) S. 32
19 Hahn (2000) S. 12-13
20 Kiesel (2003) S. 252
21 Klaus (2007) S. 38
22 Kotzab/Teller (2003) S. 85
23 Kuhn/Hellingrath (2002) S. 12-13
24 Lawrenz (2001) S. 41
25 Schönsleben (2002) S. 12-13
26 Staberhofer/Rohrhofer (2007) S. 38
27 Werner (2008) S. 6
28 Wildemann (2000) S. 143
29 Wohlgemuth/Hess (2001) S. 72
30 vgl. Schary/Skjott-Larsen (1995) S 20f
31 vgl. Grünauer (2001) S. 19
32 vgl. Grünauer (2001) S. 19
33 vgl. Grünauer (2001) S. 20
34 vgl. Grünauer (2001) S. 20
35 vgl. Grünauer (2001) S. 20
36 vgl. Kotzab (2000) S. 24-27
37 vgl. Kotzab (2000) S. 25; Werner (2008) S. 10
38 vgl. Kotzab (2000) S. 25-26; Corsten/Gössinger (2008) S. 109
39 vgl. Fettke (2007) S. 421
40 vgl. Fettke (2007) S. 421
41 vgl. Fettke (2007) S. 422
42 vgl. Beckmann (2004) S. 5
43 vgl. Beckmann (1996) S. 175
44 vgl. Beckmann (2004) S. 5-6
45 vgl. Werner H. (2008) S. 29-33
46 Zäpfel/Wasner (1999) S. 301-302
47 vgl. Corsten/Gössinger (2001) S. 85-86; Corsten/Gabriel (2004) S. 9-10
48 vgl. Keller/Krol (2004) S. 109
49 vgl. Heusler (2004) S. 26-27; Otto/Kotzab (2002) S. 131-132; Beckmann (2004) S. 6-9;
- Quote paper
- Matthias Keusch (Author), 2008, Entwicklungsgrad von Supply Chain Management in Österreich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134724
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