Eine Besonderheit in der politischen Essayistik der Bundesrepublik ist in den Katastrophen von 1914 bis 1918 und 1933 bis 1945 zu sehen. Die Revolution von 1918 in Deutschland schuf einen gesellschaftlich nicht anerkannten Staat, welcher den Essayisten und Literaten ein weites und umkämpftes Feld eröffnete, das keine Regeln kannte. Der Verfassungsschutzapparat der Weimarer Republik war in seiner Funktion und Ausprägung nicht mit der Bundesrepublik Deutschland zu vergleichen. Dazu kam die nationalsozialistische Diktatur von 1933-1945 mit dem darausfolgenden Weltkrieg, welche einen solchen Eindruck hinterließ, daß nunmehr die Essayisten im „neuen“ Deutschland der Bundesrepublik sich gezwungen sahen, eine abermalige Entwicklung in die Katastrophen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern. Forciert wurde dies durch die Entdeckung von ehemaligen Nationalsozialisten in ranghohen Positionen der Bundesrepublik Deutschland.
Zwei Literaten stechen vor dem Hintergrund dieser Historie hervor. Der eine ist Thomas Mann, welcher nach dem Attentat auf Reichsaußenminister Walter Rathenau im Jahre 1922 versuchte, die junge Deutsche Republik mit seinen Aufrufen und Bekenntnissen zu stabilisieren. Bei Mann handelte es sich eigentlich um einen Anhänger des Kaiserreiches und Gegner der Weimarer Republik, der aber, für viele überraschend, die kriselnde junge Republik zu verteidigen und stützen suchte. Als sich der rasante Aufstieg der NSDAP abzeichnete, appellierte Mann in einer Rede 1930 öffentlich an die Vernunft der deutschen Bürger und warnte die Wähler vor einer Eskalation in der politischen Landschaft der Weimarer Republik. Während des gesamten Zweiten Weltkrieges richtete er aus dem US-amerikanischen Exil regel-mäßige Radioansprachen an die deutsche Bevölkerung, um Einfluß auf die Entwicklung in Deutschland zu nehmen. Wie wichtig Manns Rolle war, zeigt u. a. da-ran, daß Mann als erster Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland im Gespräch war.
Der andere hervorstechende Literat ist Kurt Sontheimer. Er erlebte den Weimarer Niedergang zwar nur in frühen Kindertagen, doch der nachfolgende Nationalsozialismus und die folgende deutsche Katastrophe traumatisierte ihn zutiefst, ein lebenslanges und -begleitendes Trauma. War es für Mann das Jahr 1922, so war für Sontheimer das Jahr 1949 prägend, als die Bundesrepublik gegründet wurde und er ehemalige Nationalsozialisten in wichtigen Positionen wiederentdeckte.
Inhalt
1. Einleitung
1.1. Aufbau und Gliederung
1.2. Forschungsstand
2. Eine biographische Annäherung
2.1. Thomas Mann
2.2. Kurt Sontheimer
3. Das Deutschlandbild bei Thomas Mann
3.1. Die Jahre bis Kriegsende
3.2. Thomas Mann in Weimar
3.3. Die Jahre nach 1933
4. Das Deutschlandbild bei Kurt Sontheimer
4.1. Weimar als Trauma
4.2. Sontheimer und die 68er
4.3. Sontheimer als „politischer Professor“
5. Thomas Mann und Kurt Sontheimer – Ein Vergleich
6. Fazit und Ausblick
7. Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Nicht erst im 20. Jahrhundert äußerten sich Literaten, Philosophen, Gelehrte, Profes-soren, Künstler u. a. zu politischen Themen und lösten damit gesellschaftsübergrei-fende Debatten und Kontroversen aus, die auch in richtungsweisenden Situationen einer Gesellschaft oder eines Staates Impulse setzen konnten.
In der beginnenden Neuzeit, dem Mittelalter und ja sogar in der Antike lassen sich hierfür immer wieder hervorstechende Beispiele finden, die beweisen, daß diese es-sayistische und literarische Tätigkeit, wenn auch nicht mit der modernen, schnellebi-gen Medienwelt vergleichbar, in ihrer Wirkung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.
Eine Besonderheit in der politischen Essayistik der Bundesrepublik ist in den Ka-tastrophen von 1914 bis 1918 und 1933 bis 1945 zu sehen. Die Revolution von 1918 in Deutschland schuf einen gesellschaftlich nicht anerkannten Staat, welcher den Essayisten und Literaten ein weites und umkämpftes Feld eröffnete, das keine Re-geln kannte. Der Verfassungsschutzapparat der Weimarer Republik war in seiner Funktion und Ausprägung nicht mit der Bundesrepublik Deutschland zu vergleichen. Dazu kam die nationalsozialistische Diktatur von 1933-1945 mit dem darausfolgenden Weltkrieg, welche einen solchen Eindruck hinterließ, daß nunmehr die Essayisten im „neuen“ Deutschland der Bundesrepublik sich gezwungen sahen, eine abermalige Entwicklung in die Katastrophen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern. Forciert wurde dies durch die Entdeckung von ehemaligen Na-tionalsozialisten in ranghohen Positionen der Bundesrepublik Deutschland.
Zwei Literaten stechen vor dem Hintergrund dieser Historie hervor. Der eine ist Thomas Mann, welcher nach dem Attentat auf Reichsaußenminister Walter Rathe-nau im Jahre 1922 versuchte, die junge Deutsche Republik mit seinen Aufrufen und Bekenntnissen zu stabilisieren. Bei Mann handelte es sich eigentlich um einen An-hänger des Kaiserreiches und Gegner der Weimarer Republik, der aber, für viele überraschend, die kriselnde junge Republik zu verteidigen und stützen suchte. Als sich der rasante Aufstieg der NSDAP abzeichnete, appellierte Mann in einer Rede 1930 öffentlich an die Vernunft der deutschen Bürger und warnte die Wähler vor ei-ner Eskalation in der politischen Landschaft der Weimarer Republik. Während des gesamten Zweiten Weltkrieges richtete er aus dem US-amerikanischen Exil regel-mäßige Radioansprachen an die deutsche Bevölkerung, um Einfluß auf die Entwicklung in Deutschland zu nehmen. Wie wichtig Manns Rolle war, zeigt u. a. da-ran, daß Mann als erster Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland im Ge-spräch war.
Der andere hervorstechende Literat ist Kurt Sontheimer. Er erlebte den Weimarer Niedergang zwar nur in frühen Kindertagen, doch der nachfolgende Nationalsozia-lismus und die folgende deutsche Katastrophe traumatisierte ihn zutiefst, ein lebens-langes und -begleitendes Trauma. War es für Mann das Jahr 1922, so war für Son-theimer das Jahr 1949 prägend, als die Bundesrepublik gegründet wurde und er ehemalige Nationalsozialisten in wichtigen Positionen wiederentdeckte. Dies forderte ihn heraus und trieb in an, schon während seines Studiums. Sontheimer sah seine Aufgabe darin, die Bundesrepublik zu verteidigen, zu verändern und zu verbessern, vor allem aber gegen eine neuerliche Katastrophe zu immunisieren. Dabei wirkte er mit seinen Aufsätzen häufig auch als gesellschaftliches Korrektiv und Pendant zur aktuellen Tendenz des Diskurses. In Zeiten des Wirtschaftswunders und der Zufrie-den- und Verschwiegenheit in der Bundesrepublik thematisierte Sontheimer gegen alle Widerstände die nationalsozialistische Vergangenheit. Als er die Ausuferung der linken Gewalt der 1970er Jahre erlebte, schrieb er gegen die 68er Generation und als zur Jahrtausendwende sich in der Öffentlichkeit eine Perspektivlosigkeit breit machte, die Arbeitslosenzahlen waren konstant hoch und die New-Economy-Blase an der Börse geplatzt, da veröffentlichte er ein Werk, in dem er seine Zufriedenheit und Versöhnung mit der Bundesrepublik zeigte.
1.1. Aufbau und Gliederung
Begonnen werden soll in dieser Arbeit im zweiten Kapitel mit einer biographischen Annäherung an Thomas Mann und Kurt Sontheimer, dabei werden die wichtigsten Stationen des Leben und Wirkens dargestellt und auch wichtige, prägende Elemente dargestellt. Im dritten Kapitel wird dann der Versuch unternommen, das Deutsch-landbild bei Thomas Mann im Einzelnen zu analysieren und darzustellen. Dabei sol-len wichtige Punkte auch im Hinblick auf den Vergleich mit Thomas Mann herausge-arbeitet werden. Besonderer Fokus liegt hierbei auf den Veränderungen und dem abschließenden Bild, welches am Ende des Lebens bestand. In Kapitel vier soll ähnliches, wie für Thomas Mann im dritten Kapitel erarbeitet wurde, auch für Kurt Sontheimer vorgenommen werden.
Das fünfte Kapitel soll dann dem Vergleich Manns und Sontheimers dienen. So-wohl literarische als auch biographische Elemente finden hierbei Beachtung, um ein möglichst vollständiges Bild der beiden Autoren im Vergleich zu zeichnen. Die Arbeit schließt mit einem Fazit und Ausblick auf mögliche Nachfolger und die politische Es-sayistik und den Einfluß von Literaten und Essayisten in der Bundesrepublik.
Nachfolgend sollen noch einmal die zentralen Fragen zusammengefaßt werden, denen in dieser Arbeit nachgegangen wird:
- Wie standen Thomas Mann und Kurt Sontheimer zu dem Deutschland Ihrer Zeit am Anfang Ihrer literarischen Tätigkeit?
- Wie hat sich das Deutschlandbild bei den beiden Autoren im Laufe ihres Wir-kens entwickelt?
- Wie unterscheiden sich Thomas Mann und Kurt Sontheimer in ihrem Deutsch-landbild?
1.2. Forschungsstand
Das vorstehende Thema der Arbeit ist innerhalb der Literatur, zumindest in Form ei-nes Vergleichs, kaum kommentiert worden. Kurt Sontheimer selbst hat ein Werk zu Manns Verhältnis zu den Deutschen verfaßt, allerdings nicht reflexiv auf seine eigene Person. In der aktuellen Literatur lassen sich eine Vielzahl von Biographien[1] zu Thomas Mann finden, häufig aber auch mit dem Fokus auf die schriftstellerische Tä-tigkeit Manns[2] als Romanautor. Einige wenige Werke gehen auch auf die Rolle Manns während der Weimarer Republik und vor allem während des Exils im Zweiten Weltkrieg ein, Verbindungen zu Kurt Sontheimer existieren hier jedoch nicht.
Kurt Sontheimer wurde bis dato noch nicht die Ehre zuteil, Gegenstand einer Bio-graphie zu sein, jedoch spricht eine Vielzahl seiner oftmals sehr politischen Werke[3] für sich selbst. Sontheimer selbst führte Thomas Mann in den Diskurs mit ein[4], ver-zichtete jedoch auch auf einen Vergleich mit seiner eigenen Person. Insofern fehlen auch hier weitere Verbindungen.
Die fortwährende Aufarbeitung von Archiven stellt in Aussicht, daß sowohl über beide Personen noch weitere Werke unterschiedlicher Blickwinkel erscheinen wer-den, aber auch, dass weitere Vergleiche der Deutschlandbilder führender Intellektu-eller der Weimarer Republik, der Bundesrepublik wie auch der DDR, erscheinen können.
2. Eine biographische Annäherung
Nachfolgend werden die Werdegänge von Thomas Mann und Kurt Sontheimer im kleinen Rahmen nachgezeichnet. Eine biographische Auseinandersetzung ist vor allem deshalb nötig, weil sowohl Person als auch literarisches Wirken untrennbar miteinander verbunden sind. In beiden Fällen haben zudem besondere Ereignisse zu einer besonderen politischen Aktivität und Partizipation geführt.
2.1. Thomas Mann
Geboren wurde Paul Thomas Mann am 06.06.1875 in der Hansestadt Lübeck. Sein literarisches Debüt gab Mann nach seinem Umzug nach München 1894, bevor er in den folgenden zwei Jahren regelmäßig für die Zeitschrift „Das zwanzigste Jahrhun-dert“ schrieb.[5] Die Zeitschrift hatte einen konservativen bis nationalkonservativen Ruf und wurde in jener Zeit von seinem Bruder Heinrich geleitet. Aufgrund aufkeimender antisemitischer Tendenzen verließ Thomas Mann „Das zwanzigste Jahrhundert“ je-doch recht schnell im Jahr 1896.[6] Er wechselte 1898 zur Satirezeitschrift „Simplicissimus“[7], der er bis zu seiner Einberufung vom Militärdienst 1900 verbunden blieb.[8]
1903 erlangte Thomas Mann mit dem Roman „Buddenbrooks“ Bekanntheit in der breiten Öffentlichkeit und erhielt hierfür 1929 den Literaturnobelpreis.[9]
Seine Zustimmung zum Ersten Weltkrieg führte zum Bruch mit seinem Bruder Heinrich, der diesen kategorisch ablehnte. Thomas Mann hingegen stimmte dem deutschen Waffengang als Erfordernis zu, motiviert auch durch eine Abneigung ge-genüber dem Zarismus. Nachdem er bereits 1914 mit „Gedanken im Kriege“ seine kriegbefürwortende Haltung öffentlich gemacht hatte[10], folgte mit „Betrachtungen ei-nes Unpolitischen“ 1918 ein weitreichendes Werk. Mann legte damit ein eher ideen-geschichtlich-philosophisches Werk vor denn einen Kommentar zu den Kriegsjahren, wie der Titel vermuten ließe. Er begründet hier jedoch einen Trend, dem vor allem Carl Schmitt und Ernst Jünger in den kommenden Jahren nachfolgten: In den Betrachtungen eines Unpolitischen formuliert Thomas Mann eine ideologische Nähe zu einer geistesgeschichtlichen Strömung, die später die „Konservative Revolution“ propagieren sollte und in der heutigen Zeit als „Neo-Konservatismus“ firmiert. In Hin-blick auf die aufkommende Deutsche Republik forderte Mann ein „drittes Reich“ und einen deutschen Sonderweg zwischen den vorhandenen Ideologien, die der deut-schen Sonderstellung Rechnung tragen würde.[11] Es kann hier eine gewisse Nähe zum Nationalsozialismus entdeckt werden, betont doch auch Mann die besondere Rolle des Volkes. Später distanzierte sich Thomas Mann von diesem Werk ausdrück-lich.
Mann gehörte dieser geistigen Richtung bis zum 1922 an, welches für ihn und seine politischen Überzeugungen einen Wendepunkt darstellte, als der liberale Reich-außenminister Walter Rathenau von rechtsradikalen Verschwörern auf offener Stra-ße erschossen wurde. In dieser politisch gespannten Situation gab Mann seine Vor-behalte gegenüber der jungen Republik auf, trat offen in der Rede „Von deutscher Republik“ für die Weimarer Republik und die damit verbundenen politischen Über-zeugungen wie Demokratie und Humanität ein. Wie zum Beweis trat Mann auch in die Partei Rathenaus, die Deutsche Demokratische Partei ein. Und in der Tat stabili-sierte sich die Weimarer Republik wirtschaftlich und politisch nach der schweren Kri-se von 1923 – Putsch durch Nationalisten um Hitler und Hyperinflation – bis zur Weltwirtschaftkrise 1929/30. Thomas Mann war in dieser Zeit eher Literat denn Essayist, doch gab er sein politisches Engagement nicht auf.[12]
Als die Weimarer Republik 1930 wirtschaftlich und politisch immer tiefer in die Kri-se geriet und durch die NSDAP überrannt zu werden drohte, richtete Mann im Berliner Beethovensaal „ein[en] Appell an die Vernunft“. Inhalt der „Deutschen Anspra-che“ war eine ausdrückliche Warnung vor dem Nationalsozialismus und dessen Fol-gen. Die eindringlichen Warnungen vor der NSDAP wiederholte Mann in diversen Interviews mit der Presse.[13] Die Appelle verfehlten jedoch ihre Wirkung in Deutschland und konnten die Machtergreifung im Januar 1933 nicht verhindern. Seine offene Stellung gegen die Nationalsozialisten verschaffte Mann im Ausland eine hervorra- gende Reputation. Die „Machergreifung“ erlebte Mann nicht in Deutschland, sondern auf einer Vortragsreise durch Europa, von der er nicht ins Deutsche Reich zurückkehrte, sondern in die Schweiz ins Exil ging. Während er zwar von Bücherver-brennung im Mai selben Jahres verschont blieb[14], wurde ihm jedoch als Reaktion die deutsche Staatsgehörigkeit aberkannt. Bis 1938 reiste Mann mehrfach in die USA und nach Ungarn. Die USA waren sehr daran interessiert, Mann als prominenten Exilanten zu gewinnen, während Ungarn Mann eine Publikationsplattform bot. So veröffentlichte er 1935 in der deutschsprachigen Zeitung „Pester Lloyd“ den Aufsatz „Achtung Europa!“, eine weitere essayistische Warnung vor einer Eskalation in Euro-pa.[15] 1938 siedelte Thomas Mann schließlich doch in die USA über, denn er fühlte sich aufgrund des nahenden Anschlusses Österreichs in der benachbarten Schweiz nicht mehr sicher, gleichzeitig erhielt er an der Universität von Princeton eine Gast-professur. In den USA engagierte sich Mann in Organisationen, die die Emigration aus dem Deutschen Reich unterstützten und förderten.[16]
Von 1940 bis 1945 produzierte Mann monatlich mehrminütige Radioansprachen für die BBC, die auch im Deutschen Reich zu empfangen waren. Sie verfehlten je-doch ihre beabsichtigte Wirkung, inneren Widerstand im Deutschen Reich zu erzeu-gen und das NS-Regime zu Fall zu bringen.[17] Mann wurde 1944 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft verliehen.[18] Nach dem Krieg verlegte Thomas Mann seinen Wohnsitz wider erwarten nicht zurück nach Deutschland, obwohl er so-gar als erster Bundespräsident im Gespräch war, besuchte Deutschland ab 1949 jedoch regelmäßig. Nachdem Mann 1951 während des aufkeimenden Antikommu-nismus in den Vereinigten Staaten öffentlich als Unterstützer Stalins bezeichnet wur-de, verließ Thomas Mann die USA und kehrte in die Schweiz zurück. Hier starb Mann 1955 im Alter von 80 Jahren.[19]
2.2. Kurt Sontheimer
Geboren wurde Kurt Sontheimer am 31.07.1928 in Gernsbach.Nachdem seine Ju-gend vom Ende der Weimarer Republik, dem Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg geprägt gewesen war, begann Sontheimer 1949 zunächst ein Jura-Studium an der Universität Freiburg. Er wechselte jedoch sehr bald die Fachrichtung und studierte fortan Geschichte, Politik und Soziologie. Sein Studium endete 1953 an der Universität Freiburg mit der Promotion Dr. phil. Im Anschluß daran war Sonthei-mer drei Jahre Assistent bei seinem Doktorvater Arnold Bergstraesser, der ihn stark beeinflußte. In den Jahren 1957 bis 1959 blieb Sontheimer Mitarbeiter der Universität Freiburg und forschte im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte über das antidemo-kratische Denken in der Weimarer Republik. 1960 habilitierte sich Sontheimer mit der Arbeit „Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik“, zu der ihn Bergstraesser ermutigt hatte. Die Arbeit verfehlte ihre Wirkung nicht und löste vor allem im akademischen Milieu heftige Reaktionen aus. Sontheimer hatte in seiner Arbeit die These aufgestellt, daß die Weimarer Republik vor allem an den Intellektu-ellen und Akademikern ihrer Zeit gescheitert wäre. Die Arbeit als solche stellte für ihre Zeit einen Skandal dar und so kam für Sontheimer der Ruf an die Pädagogische Hochschule Osnabrück zur rechten Zeit. Er konnte auf diese Weise den Anfeindun-gen vor allem an der Universität Freiburg entgehen; zeitlebens sollte er auch nicht mehr in akademischer Funktion an die Universität Freiburg zurückkehren.[20]
1962 folgte er dem Ruf ans Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin, wo er eine Professur für Politikwissenschaften übernahm. Die FU Berlin wurde in den Fol-gejahren Heimstatt und Ausgangspunkt der 68er-Bewegung, mit der Sontheimer zu-nächst sympathisierte. Nach der Besetzung seines Instituts durch Studenten distan-zierte er sich aber und lehnte die zunehmende Radikalisierung in ganzem Umfang ab. Dadurch geriet Sontheimer auch mit der linken Protestbewegung in Konflikt und versöhnte sich zeitlebens nicht mehr ihr. Sein Werk „Das Elend unserer Intellektuel-len“ aus dem Jahr 1976 machte dies deutlich. 1969 wechselte er an das Geschwis-ter-Scholl-Institut der Universität München. Im gleichen Jahr engagierte sich Son-theimer für die SPD im Wahlkampf und sprach sich zusammen mit Günther Grass für die Wahl Willy Brandts zum Bundeskanzler aus.
[...]
[1] Harpprecht, Klaus: Thomas Mann. Eine Biographie, Reinbek 1995; Kurzke, Hermann: Thomas Mann. Das Leben als Kunstwerk, München 1999; Mendelssohn, Peter de: Der Zauberer. Das Le-ben des deutschen Schriftstellers Thomas Mann, Frankfurt/Main 1997; Prater, Donald A.: Thomas Mann – Deutscher und Weltbürger. Eine Biographie, München/Wien 1995; Reents, Edo: Thomas Mann, München 2001.
[2] Lukacs, Georg: Thomas Mann, Berlin 1949.
[3] Sontheimer, Kurt: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, in:
Eschenburg, Theodor: Der Weg in die Diktatur. 1918-1933, München 1962, S. 47-71.; ders.: Deutschland zwischen Demokratie und Antidemokratie, München 1971; ders.: Grundzüge des poli-tischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, München 1971; ders.: Das Elend unserer Intel-lektuellen, München 1976; ders..: Die verunsicherte Republik. Die Bundesrepublik nach 30 Jahren, München 1979; ders. / Bleek, Wilhelm: Grundzüge des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, München 1984; ders.: Deutschlands politische Kultur, München 1990; ders.: Die Adenauer-Ära: Grundlegung der Bundesrepublik, München 1991; ders.: Von Deutschlands Republik: politische Essays, Stuttgart 1991; ders.: So war Deutschland nie. Anmerkungen zur politischen Kultur der Bundesrepublik, München 1999.
[4] Ders.: Thomas Mann und die Deutschen, München 1961.
[5] Prater: Thomas Mann, S. 29f.
[6] Harpprecht: Thomas Mann, S. 70ff.
[7] Ebd., S. 112.
[8] Prater: Thomas Mann, S. 55f.
[9] Harpprecht: Thomas Mann, S. 180ff.
[10] Ebd, S. 371ff.
[11] Mann, Thomas: Aufsätze, Reden, Essays, Band 2, Berlin/Weimar 1983, S. 164ff.; Harpprecht: Thomas Mann, S. 426ff.
[12] Ebd., S. 499ff.
[13] Prater: Thomas Mann, S. 255f.
[14] Ebd., S. 277ff.
[15] Harpprecht: Thomas Mann, S. 887ff.
[16] Prater: Thomas Mann, S. 375ff.
[17] Ebd., S. 430ff.
[18] Harpprecht: Thomas Mann, S. 1411ff.
[19] Prater: Thomas Mann, S. 556ff.
[20] Es existiert bis dato keine Biographie Kurt Sontheimers, aus diesem Grunde wurde bei den Re-cherchen auf Nachrufe, Enzyklopädien und Internetquellen zurückgegriffen.
- Arbeit zitieren
- Christopher Scheele (Autor:in), 2008, Das Deutschlandbild bei Thomas Mann und Kurt Sontheimer im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134621
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