Gerade in Phasen akuter, kriegerischer Konflikte, wie der Zeit der Kreuzzüge, zu deren Zeit der Pfaffe Konrad die deutsche Fassung des Rolandslieds verfasste, ist die Bedeutung der negativen Identität im Vergleich zu Friedenszeiten erhöht. Die Wahrnehmung des Gegenüber wird dann zum reinen Feindbild reduziert. Man selbst grenzt sich ganz entschieden von diesem ab. Solche Auseinandersetzungen rufen also voneinander abhängige Selbst- und Feindbilder hervor.
Diese Bilder verfestigen sich so, dass sie über längere Zeit hinweg stabil bleiben und sich nur schwer ändern. Beim Feindbild handelt es sich um handlungsleitende Eigenschaften des Gegners, über dessen langfristige Absichten und Fähigkeiten, das Selbstbild hegt jede Seite von sich selbst, wobei das sowieso schon strahlende, ideale Bild oft verherrlicht wird. Diese Wahrnehmungsmuster sind hierbei jedoch nicht der Grund für den Konflikt, sondern eine logische Folge der Grundauseinandersetzung. Die Gegnerwahrnehmung wird im Laufe der Zeit sogar noch dauernd verstärkt und erneuert. Dadurch werden die Feindbilder noch verstärkt und nähren den Konflikt immer wieder aufs Neue.
Auch im Rolandslied ist das Selbst- und Feindbild klar definiert: Als Selbstbild beschreibt Konrad die unfehlbaren Christen, die todesmutig für Gott in den Kreuzzug gegen alle Gegner ihres Glauben ziehen, das Feindbild zeigt die frevelhaften, feigen Heiden, von deren Verhalten sich die Gottesritter deutlich abgrenzen. Die offensichtlichsten Unterschiede werden von Konrad also in Bezug der Heiden und Christen auf ihre Götter bzw. Gott aufgezeichnet. Darauf soll nun hier genauer eingegangen werden.
GLIEDERUNG
A Gegenseitige Abhängigkeit von Selbstbild und Feindbild
B Selbstbild und Feindbild im Rolandslied des Pfaffen Konrad
1. Grund des Einsatzes in der Schlacht Christen gegen Heiden
a) Gottesdienst als Gottes Auftrag: Die Christen als Werkzeug Gottes
b) Das verkehrte Verhältnis der Heiden zu ihren Göttern: vergeblicher Götterdienst
2. Motivation und Belohnung für den Einsatz im Kampf
a) Verbindung von „ûzen“ und „innen“, körperlichem und geistlichem Gottesdienst
b) Äußerer Prunk als Widerspruch zur Wirksamkeit der Heidengötter
3. Tod und Leid im Rolandslied
a) Tod im Kampf als Weg zum ewigen Seelenheil, Leid als Gefahr der Abweichung
vom christlichen Weg
b) unwürdiges Sterben, völlige Hingabe an das Leid durch die Heiden
4. Die Rolle des Teufels
a) Der „innereTeufel“ als Gefahr für das ewige Seelenheil der Christen
b) Kein personales Verständnis des Teufels, formelhafte Wendungen als Ausdruck der teuflischen Taten der Heiden
C Resultat und Zweck der Selbstbild-Feindbild-Konstruktion Konrads
VERWENDETE LITERATUR
Primärliteratur:
Sekundärliteratur:
A Gegenseitige Abhängigkeit von Selbstbild und Feindbild
Gerade in Phasen akuter, kriegerischer Konflikte, wie der Zeit der Kreuzzüge, zu deren Zeit der Pfaffe Konrad die deutsche Fassung des Rolandslieds verfasste, ist die Bedeutung der negativen Identität im Vergleich zu Friedenszeiten erhöht. Die Wahrnehmung des Gegenüber wird dann zum reinen Feindbild reduziert. Man selbst grenzt sich ganz entschieden von diesem ab. Solche Auseinandersetzungen rufen also voneinander abhängige Selbst- und Feindbilder hervor.[1]
Diese Bilder verfestigen sich so, dass sie über längere Zeit hinweg stabil bleiben und sich nur schwer ändern. Beim Feindbild handelt es sich um handlungsleitende Eigenschaften des Gegners, über dessen langfristige Absichten und Fähigkeiten, das Selbstbild hegt jede Seite von sich selbst, wobei das sowieso schon strahlende, ideale Bild oft verherrlicht wird. Diese Wahrnehmungsmuster sind hierbei jedoch nicht der Grund für den Konflikt, sondern eine logische Folge der Grundauseinandersetzung. Die Gegnerwahrnehmung wird im Laufe der Zeit sogar noch dauernd verstärkt und erneuert. Dadurch werden die Feindbilder noch verstärkt und nähren den Konflikt immer wieder aufs Neue.[2]
Auch im Rolandslied ist das Selbst- und Feindbild klar definiert: Als Selbstbild beschreibt Konrad die unfehlbaren Christen, die todesmutig für Gott in den Kreuzzug gegen alle Gegner ihres Glauben ziehen, das Feindbild zeigt die frevelhaften, feigen Heiden, von deren Verhalten sich die Gottesritter deutlich abgrenzen. Die offensichtlichsten Unterschiede werden von Konrad also in Bezug der Heiden und Christen auf ihre Götter bzw. Gott aufgezeichnet. Darauf soll nun hier genauer eingegangen werden
B Selbstbild und Feindbild im Rolandslied des Pfaffen Konrad
1. Grund des Einsatzes in der Schlacht Christen gegen Heiden
a) Gottesdienst als Gottes Auftrag: Die Christen als Werkzeug Gottes
Im „Rolandslied“ des Pfaffen Konrad muss der Gottesdienst als aktiver Dienst des christlichen Ritters an Gott gesehen werden. Konrad hat eine ganz besondere Vorstellung vom Auftrag Gottes: Der Engel Gabriel erscheint Karl mit einem Auftrag zur Heidenbekämpfung, wozu Roland wohl durch den Schluss der Chanson de Roland angeregt wurde:
„dô sach er mit flaisclîchen ougen/ den engel von himele./ er sprach zuo dem künige:/ Karl, gotes dienestman,/ île in Yspaniam!/ got hât dich erhœret, daz liut wirdet bekêret./ die dir aber wider sint,/ die heizent des tiuveles kint/ unt sint allesamt verlorn.“ (V.52-61)
Es handelt sich hier um ein traditionelles Schema, das sich in der geistigen Literatur zwischen 1050 und 1150 immer wieder findet. Hierbei wird das Zustandekommen des Auftrags in einem Dreierschritt dargestellt. Zunächst befindet sich der Held in Klage, Gebet oder in einer verzweifelten Lage, was von Gott erhört wird und weshalb er einen Engel vom Himmel schickt. Durch diesen erfährt der in Not geratene Trost durch Stärkung und das Gebot, mit Gottes Hilfe die Krise zu überwinden.
Im „Rolandslied“ wird diese Tradition um etwas grundsätzlich Neues ergänzt, wofür es in der Literatur bis zu diesem Zeitpunkt keine Entsprechung gab: Gott scheint sich selbst an die Spitze der Christen zu stellen, um für die Durchführung seines Auftrags zu sorgen. Dies zeigt sich dadurch, dass im Indikativ geredet wird, Gott ist Subjekt, er hat im Grunde den Auftrag bereits ausgeführt. Karl macht durch seinen Krieg das Werk Gottes nur noch sichtbar, er wird von Konrad nur als Werkzeug Gottes gesehen, wird „scalc“, „unter tan“ (vgl. V.6503 f.) oder „cnecht“ (vgl. V.7004) Gottes genannt. Im Gegensatz dazu kommt im „Chanson de Roland“ Gott Karl nur zur Hilfe. Es wird klar, dass es sich beim Gottesauftrag um einen durchgestalteten Grundgedanken des „Rolandlieds“ handelt, Gott gebietet hier nicht nur, sondern er schafft bereits selbst, was er gebietet.[3]
Gott ist also oberster Dienst- und Feldherr der Christen. Selbst dem großen Karl, der mit Salomon („sît Salomon erstarp,/ sô ne wart sô grôz hêrschapht/ noch newirdet niemer mêre.“ (V.671-73)) und David verglichen wird, kommt es auf dessen entscheidendes Wirken bei der Ausführung seines Auftrags an. Im Gegensatz zur Quelle wird bei Konrad auch Roland direkt von Gott beauftragt: „der gebôt mir diese hervart“ (V.6884). Er denkt also wesentlich theozentrischer als die Chanson-Dichter, was sich auch im Hintergrund, zum Beispiel durch formelhafte Wendungen wie „durch got“ oder durch den Heiligen Geist, der in wichtigen Situationen durch den Mund eines christlichen Helden spricht, bemerkbar macht. Der Begriff „einmuote“, der einige Male vorkommt, sollte dementsprechend nicht so sehr auf das Verhältnis der Christen untereinander, sondern vor allem auf ihre Bezogenheit auf Gott gedeutet werden. Alle Christen sind also in ihrer Entscheidung nicht selbstständig, sondern erscheinen als stets von Gottes Beschluss und Auftrag abhängig: „jâ ne suoche ich nicht mêre,/ wan daz wir sô gedingen,/ daz wir gotes hulde gewinnen.“ (V. 908-10).[4]
Es ist die Verpflichtung des Menschen, der Aufgabe seines Lebens, dem Gottesdienst, nachzukommen, sein ganzes Dasein will Konrad als Gut verstanden wissen, welches allein zum Dienst an Gott verwendet werden soll. Das geht aus der Rede Karls hervor, mit der er sein Vorhaben begründet: „wol ir helde guote,/ jâ hât iu got hie gegeben/ ein vil volleclîchz leben./ daz hât er umbe daz getân,/sîn dienest wil er dâ von hân.“ (V.90-94). Dabei stellt sich für die Christen gar nicht erst die Frage, ob der Plan Gottes annehmbar sei, sondern nur die Frage, ob sich tatsächlich jemand weigern könnte, den bereits als notwendig anerkannten Dienst zu leisten. Die Dringlichkeit des Feldzugs wird in der Chanson mit der Eigenart Karls begründet, bei Konrad dagegen geht es nur um die Erfüllung von Gottes Auftrag, dessen vorgezeichneter Weg eingehalten werden muss („ich huop mich ûz in gotes namen.“ (V.1074)). Die Notwenigkeit konsequenter Befolgung des Auftrags geht auch aus der Antwort Rolands auf die Frage Turpins hervor, wer die herannahenden Heiden seien: Es gehe nicht um die Heiden selbst, sondern nur um die Aufgabe, sie niederzuschlagen, also radikal tätigen Gottesdienst zu leisten[5]:
„lieber gotes friunt Turpîn,/ nune ruoche wir, wer si sîn./ si wellent gemarteret werden./ ouch scule wir ersterben./ der sêle phlege mîn trechtîn./ en ruochet, wer die wîzenære sîn,/ sine kument ouch niemer hinne.“ (vgl. V.6356-62)
Durch den Dienst an Gott wird auch der Glaube gestärkt. Es ist nicht möglich das geistliche Moment vom weltlichen Kampf gegen die Heiden zu trennen, bei Konrad sind diese beiden Aspekte eng miteinander verbunden. Denn durch den körperlich-tätigen Gottesdienst halten die Christen ein, was sie bei der Taufe versprochen haben:
„… die vil wol ûzerwelten,/ die al daz wol erherten,/ daz si gote gehiezen./ wie wâr si daz liezen!/ daz heilige criuze si êrten,/ want si daz zaichen an in fuorten.“ (V.4975-80)
Darauf soll in Punkt 2.a) genauer eingegangen werden.
Jeder Christ hat ein ganz persönliches Gottesverhältnis mit dem Ziel des persönlichen Seelenheils:
„In der wârheit sage wir iu daz,/ vor gote birt ir enbunten/ von allen werltlîchen sünden/ sam ain niuborn westebarn./ Swaz ir der haiden hiute müget erslân,/ daz seitze ich iu ze buoze.“ (V. 3930-35)
Es wird als Gottes Auftrag angesehen, so viele Heiden wie möglich zu töten, dadurch tun die Christen Buße für ihre Sünden, wodurch sie sich Eingang ins Himmelreich und damit ewiges Leben erhoffen können. Deswegen wird von „mort“ auch nur bei der Tötung von Christen durch Heiden gesprochen, mit der Begründung, dass es den Christen nicht in erster Linie um den Akt der Tötung geht, sondern um die Erlangung ihres Heils durch tätigen Einsatz für Gott. Der Gegner als solcher interessiert nicht, die Heiden sind nur Hindernis auf dem Weg zur Sündenreinigung. Dadurch verliert die Auseinandersetzung den Charakter eines Kräftemessens zwischen Christen und Heiden.[6]
b) Das verkehrte Verhältnis der Heiden zu ihren Göttern: vergeblicher Götterdienst
Die wichtigesten Heidengötter, die im Rolandslied genannt werden, sind Mahomet, Apollo und Tervagant („dem got Apollen unt Machmet, sînem gesellen“ (V.308 f.)). Dieses Trio erinnert auf den ersten Blick an die christliche Trinität aus Gott, Jesus und dem Heiligen Geist, doch sind diese nicht zu vergleichen, da sie nicht als Einheit auftreten. Außerdem gibt es auch noch eine Vielzahl anderer Götter, ganz im Gegensatz zum monotheistischen Christentum: „dâ wâren siben hundert apgot, Machmet was der hêrest unter in.“ (3492 f.). Doch es sind nur Trugbilder, die ihren Gläubigen nicht im Kampf gegen die Christen und deren allmächtigen christlichen Gott helfen.
Nach der Niederlage der Heiden in der ersten Schlacht zerstören diese voller Wut ihre Götterbilder:
„si îlten sâ/ diu apgothûs nider brechen./ die gote hiezen siwerven/ under die hunde,/ etlîche in des wâges grunde./ Apollon unt Machmeten,/ mit den füezen hiezen si dar ûf treten./ si sprâchen: „ôwi Tervagant,/ wâ ist mînes hêrren hant?/ daz wir unsich an iuh verliezen,/ dô ir uns sigenunft gehiezet!/ ir birt alle trügenære,/ iuwer geverte ist mir iemer ummære.““ (V.7135-47)
Doch eigentlich beschreibt Konrad die Heidengötter so, als ob sie von Anfang an nicht Ernst zu nehmen sind, es handelt sich bei der Erzählung der Zerstörung also nicht um eine Folge des verlorenen Kampfes. Die Heidengötter können von Beginn an nicht mit Gott konkurrieren. Im ganzen Rolandslied werden sie immer wieder verspottet und ihre Wirksamkeit immer wieder ironisch angezweifelt. Die Beziehung zwischen den Heiden und ihren Göttern ist also keine Parallele zu dem Verhältnis zwischen Gott und seinen Rittern, sondern ein Kontrast. So flehen die Heiden ihre Götzen um Hilfe an, was ihren Untergang bedeutet:
„si getrûweten in ze verre,/ des gelâgen si alle dâ nidere./ der gote ne kom nie nehain widere./ die gote wurden alle zeslagen,/ in bruoch unt in graben/ wurden si geworfen./ sine machten in selben nichtes gehelfen.“ (V.3524-30)
[...]
[1] vgl. FEISTNER, EDITH: Selbstbild, Feindbild, Metabild. Spiegelungen von Identität in präskriptiven und narrativen Deutschordenstexten des Mittelalters. In: Forschungen zur deutschen Literatur des Spätmittelalters. FS für Johannes Janota, hrsg. von H. Brunner. Tübingen 2003. S.141
[2] vgl. FREI, DANIEL: Wie Feindbilder entstehen. Drei Elemente der gegenseitigen Einschätzung. In: Feindbild. Geschichte - Dokumentation - Problematik, hrsg. von G. Wagenlehner. Frankfurt/Main 1989. S.222-226
[3] vgl. NÖTHER, INGO: Die geistigen Grundgedanken im Rolandslied und in der Kaiserchronik. Hamburg 1970, S.33-39
[4] ebd. S.39-46
[5] vgl. NÖTHER, INGO: Die geistigen Grundgedanken im Rolandslied und in der Kaiserchronik. Hamburg 1970, S.46-49
[6] ebd. S.153
- Arbeit zitieren
- Magistra Angelika Zahn (Autor:in), 2006, Selbstbild und Feindbild im "Rolandslied" des Pfaffen Konrad, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134578
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