Glas, Stahl, Beton, das Ganze kubisch mit Flachdach arrangiert und weiß getüncht. Das ist das Bild, das der durchschnittlich Architekturbewanderte mit dem Funktionalismus des sog. Neuen Bauens der 1920/30er Jahre verbindet. Dass dieses Bild der avantgardistischen Architektur sehr verkürzt und zum Teil falsch ist, ist die eine Sache; dass es nur eine der vielen möglichen Perspektiven auf die Architektur der 20er Jahre ist, ist die andere. Denn die ästhetische Betrachtungsweise der Architektur des Neuen Bauens vermag es z.B. nur schwerlich, auch die phantastisch-utopischen Formen der frühen Bauten der Architekten des Neuen Bauens zu ‚erklären’. Eine kulturgeschichtliche Perspektive auf das Neue Bauen möchte demgegenüber hinter die Beton-Kulissen schauen und die kulturellen ‚Fundamente’ freilegen, auf denen diese Architektur errichtet wurde. Gerade die teilweise harschen v.a. publizistisch geführten Auseinandersetzungen zwischen „Traditionalisten“ und „Modernen“ verweisen nämlich darauf, dass Kunst incl. Architektur stets in Interaktion mit Gesellschaft, Kultur und damit auch Wertvorstellungen entsteht: Die Debatten um das Neue Bauen wurden weniger darüber geführt, ob Flachdächer hübscher als Walmdächer sind, sondern darüber, ob Flachdächer weniger deutsch als Walmdächer sind, ob sie nicht stattdessen bolschewistische Dächer und damit schädlich für Volksgesundheit, Volksgeist usw. sind. Die Argumentationen waren somit v.a. ideologische, nicht ästhetische.
Die ‚Idee’, als deren gebauter Ausdruck sowohl die ganz zu Beginn repetierten Klischees als auch die erwähnte utopisch-phantastische Architektur direkt nach dem ersten Weltkrieg verstanden werden kann, ist der sog. soziale Gedanke des Neuen Bauens. Er ist die Konstante, die dem Wirken der Architekten des Neuen Bauens innewohnt.
Ziel der Arbeit soll also sein, zunächst die Entstehung des sozialen Gedankens aus den spezifischen Bedingungen der Kriegs- und Nachkriegszeit zu erläutern, danach zu versuchen, den erwähnten stilistischen Umschwung der Architekten des Neuen Bauens hin zum rationalen Funktionalismus als Neuinterpretation des sozialen Gedankens unter dem Einfluss des sozialen Wohnungsbaus und dem allgemeinen Rationalisierungsenthusiasmus zu beschreiben und abschließend die Konsequenzen darzustellen, welche die Architekten des Neuen Bauens im Zuge dieser Neuinterpretation für ihr gestalterisches Schaffen zogen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Revolutionäre Utopie und Entstehung des sozialen Gedankens
- Die ,geistige Revolution' nach dem ersten Weltkrieg
- Kunst als realitätsverändernde Kraft
- Die Notwendigkeit neuer Formen
- Der soziale Gedanke
- Die Neuinterpretation des sozialen
- Die Konsequenzen der Neuinterpretation: Architektur als Organisation
- Schluss
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit befasst sich mit der Entstehung und Entwicklung des sozialen Gedankens in der Architektur des Neuen Bauens in der Weimarer Republik. Sie analysiert, wie sich dieser Gedanke aus den spezifischen Bedingungen der Kriegs- und Nachkriegszeit entwickelte und wie er im Kontext des sozialen Wohnungsbaus und des allgemeinen Rationalisierungsenthusiasmus neu interpretiert wurde. Die Arbeit untersucht die Konsequenzen dieser Neuinterpretation für die Gestaltungsprinzipien des Neuen Bauens und beleuchtet die Bedeutung der Architektur als Ausdruck und Gestaltungsmittel der Kultur und Gesellschaft.
- Die Entstehung des sozialen Gedankens im Kontext der „geistigen Revolution" nach dem Ersten Weltkrieg
- Die Rolle der Kunst als realitätsverändernde Kraft
- Die Neuinterpretation des sozialen Gedankens im Kontext des sozialen Wohnungsbaus und der Rationalisierung
- Die Konsequenzen der Neuinterpretation für die Architektur und Gestaltungsprinzipien des Neuen Bauens
- Die Architektur als Ausdruck und Gestaltungsmittel der Kultur und Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema ein und erläutert die Zielsetzung der Arbeit. Sie stellt die Bedeutung des sozialen Gedankens für das Neue Bauen heraus und skizziert die verschiedenen Perspektiven auf die Architektur der 1920er Jahre.
Das zweite Kapitel befasst sich mit der Entstehung des sozialen Gedankens aus den spezifischen Bedingungen der Kriegs- und Nachkriegszeit. Es analysiert die „geistige Revolution" nach dem Ersten Weltkrieg, die Rolle der Kunst als realitätsverändernde Kraft und die Notwendigkeit neuer Formen in der Architektur. Das Kapitel zeigt, wie die Architekten des Neuen Bauens ihre sozialen Ideale in utopischen Bauvorhaben zum Ausdruck brachten.
Das dritte Kapitel beschreibt die Neuinterpretation des sozialen Gedankens im Kontext des sozialen Wohnungsbaus und des allgemeinen Rationalisierungsenthusiasmus. Es beleuchtet die Ursachen für die Abkehr von visionär-utopischer Phantasie-Architektur und die Hinwendung zu Rationalisierung, Typisierung und Funktionalismus. Das Kapitel analysiert die Bedeutung der „Kleinstwohnung" als Ausdruck der neuen Sachlichkeit und die Rolle der Rationalisierung als „gemeinschaftsstiftendes Prinzip".
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den sozialen Gedanken, das Neue Bauen, die Weimarer Republik, den Ersten Weltkrieg, die „geistige Revolution", die Kunst als realitätsverändernde Kraft, die Notwendigkeit neuer Formen, der soziale Wohnungsbau, die Rationalisierung, die Neue Sachlichkeit, die Kleinstwohnung, die Architektur als Organisation und die Architektur als Ausdruck und Gestaltungsmittel der Kultur und Gesellschaft.
- Arbeit zitieren
- Felix Frey (Autor:in), 2003, Von der 'Friedens-Stadt' zur 'Kleinstwohnung' - Der soziale Gedanke als roter Faden des 'Neuen Bauens', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13443
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