Hume behauptet, der Rechtssinn sei eine künstliche Tugend und verspricht in Teil 2.1 im dritten Buch des Treatise einen Beweis dafür vorzulegen.
Ziel dieser Arbeit ist es, Humes sehr komplexe Argumentationsführung zu rekonstruieren und auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen.
Als Grundlage hierfür müssen zunächst die Begriffe künstliche und natürliche Tugend nach Hume definiert werden. Dabei sollen lediglich die wesentlichen Charakteristika und vor allem die Unterschiede zwischen den beiden Arten von Tugend herausgearbeitet werden, da nur dies für das Ziel dieser Arbeit relevant ist.
Zur Untersuchung von Humes Beweisführung erscheint es sinnvoll, zunächst die formale Argumentationsstruktur grob zu skizzieren, um einen Überblick über die Zusammenhänge der Argumentation zu gewinnen.
Im Anschluss daran sollen die einzelnen Argumente auf ihre Stichhaltigkeit hin überprüft werden. Dies schließt auch eine Untersuchung mit ein, inwiefern die logischen Verknüpfungen zwischen den Argumenten, in der Form wie Hume sie präsentiert, überzeugend sind.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Natürliche versus künstliche Tugenden
3. Skizze der Argumentationsstruktur
4. Untersuchung der einzelnen Argumente
4.1 Nur das zugrunde liegende Motiv verleiht einer Handlung ihren Wert
4.2 Das zugrunde liegende Motiv kann nicht die Rücksicht auf die Tugendhaftigkeit der Handlung selbst sein
4.3 Privatinteresse kann nicht das gesuchte Motiv sein
4.4 Rücksicht auf das öffentliche Interesse kann nicht das gesuchte Motiv sein
4.5 Allgemeines Wohlwollen der Menschheit gegenüber 4.6 Persönliches Wohlwollen kann nicht das gesuchte Motiv sein
4.7 Nach 4.3 – 4.6 gibt es kein allgemeines Motiv für den Rechtssinn außer der Redlichkeit selbst
4.8 4.7 und 4.2 ergeben einen Widerspruch – damit muss der Rechtssinn
eine künstliche Tugend sein
5. Ergebnisse
Literaturverzeichnis
1 . Einleitung
Hume behauptet, der Rechtssinn sei eine künstliche Tugend und verspricht in Teil 2.1 im dritten Buch des Treatise einen Beweis dafür vorzulegen.
Ziel dieser Arbeit ist es, Humes sehr komplexe Argumentationsführung zu rekonstruieren und auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen.
Als Grundlage hierfür müssen zunächst die Begriffe künstliche und natürliche Tugend nach Hume definiert werden. Dabei sollen lediglich die wesentlichen Charakteristika und vor allem die Unterschiede zwischen den beiden Arten von Tugend herausgearbeitet werden, da nur dies für das Ziel dieser Arbeit relevant ist.
Zur Untersuchung von Humes Beweisführung erscheint es sinnvoll, zunächst die formale Argumentationsstruktur grob zu skizzieren, um einen Überblick über die Zusammenhänge der Argumentation zu gewinnen.
Im Anschluss daran sollen die einzelnen Argumente auf ihre Stichhaltigkeit hin überprüft werden. Dies schließt auch eine Untersuchung mit ein, inwiefern die logischen Verknüpfungen zwischen den Argumenten, in der Form wie Hume sie präsentiert, überzeugend sind.
2. Natürliche versus künstliche Tugenden
Natürliche Tugenden stehen nach Hume ausschließlich in Abhängigkeit von der Beschaffenheit des menschlichen Geistes. Künstliche Tugenden hingen hingegen außerdem noch von bestimmten Umweltbedingungen und Konventionen ab. Künstliche Tugenden entstünden damit erst mit irgendeiner Form von Gesellschaft, während natürliche Tugenden dem Menschen auch in einem „gesellschaftslosen Urzustand“ eigen sein könnten. Künstliche Tugenden zeichnen sich nach Hume dadurch aus, dass bei ihnen Lust und Zustimmung erweckt wird „auf Grund einer künstlichen Veranstaltung, die aus den Lebensverhältnissen und Bedürfnissen der Menschheit entsteht.“[1] Damit entstünden sie auf Grundlage eines Übereinkommens in der Gesellschaft, zu dessen Einhaltung sich die Menschen freiwillig bereit erklärt haben.
Diese Tatsache hat einen weiteren Unterschied zwischen künstlichen und natürlichen Tugenden zur Folge. Während bei natürlichen Tugenden das Gute im einzelnen Akt Ausdruck finde, komme es bei künstlichen Tugenden mitunter erst durch das Zusammenwirken aller Menschen nach einem allgemeinen System zustande. Ein Akt, der Ausdruck einer künstlichen Tugend ist, könne demnach für die direkt Beteiligten schlecht sein, sofern er vorteilhaft für die Gesellschaft sei.[2]
3. Skizze der Argumentationsstruktur
Humes Beweis dafür, dass der Rechtssinn eine künstliche Tugend ist, lässt sich in zwei Schritte unterteilen.
Im ersten Schritt erläutert er zunächst, dass Handlungen nur aufgrund ihrer Motive gelobt oder getadelt werden.[3] Daraufhin stellt er heraus, dass ein tugendhaftes Motiv, welches einer Handlung ihren Wert verleiht, nicht die Rücksicht auf die Tugendhaftigkeit der Handlung selbst sein könne. Hume schlussfolgert, dass es ein ursprüngliches Motiv außer dem Pflichtgefühl geben müsse, das eine Handlung sittlich gut macht. Damit müsse es auch ein Motiv für Handlungen des Rechtssinns geben, das sich von der Rücksicht auf die Redlichkeit unterscheide.[4]
Im zweiten Schritt weist Hume für vier mögliche Motive nach, dass diese nicht das gesuchte Motiv sein könnten. Hierbei schließt er zunächst aus, dass Eigeninteresse das gesuchte Motiv sein könnte.[5] Anschließend widerlegt er die Annahme, dass die Rücksicht auf das öffentliche Interesse das gesuchte Motiv sei.[6] Letztlich stellt er heraus, dass weder ein allgemeines Wohlwollen der Menschheit gegenüber noch persönliches Wohlwollen das gesuchte Motiv sei.[7] Hieraus schließt Hume, „dass wir kein wirkliches und allgemeines Motiv haben für die Befolgung der Gesetze der Rechtsordnung, außer der Rechtsordnung selbst“[8].
Da er diese Möglichkeit aber bereits im ersten Schritt ausgeschlossen hatte, ergibt sich für Hume eine offenbare Sophisterei. Diese sei nur aufzulösen, wenn man entweder annehme, dass die Natur selbst Sophisterei betreibe, oder einsehe, dass der Rechtssinn nicht aus der Natur entspringe, sondern künstlich sei.[9] Da die erste Möglichkeit eigentlich nicht in Frage kommt, ist der Beweis für Hume an dieser Stelle abgeschlossen.
4. Untersuchung der einzelnen Argumente
4.1 Nur das zugrunde liegende Motiv verleiht einer Handlung ihren Wert
Diese These ist fundamental für Humes Argumentation in diesem speziellen Fall und für sein Verständnis von Tugend und Laster im Allgemeinen. Insofern ist an dieser Stelle eine schlüssige und überzeugende Begründung der These durch Hume zu erwarten.
Er räumt bei der Erläuterung der These zunächst ein, dass wir geneigt seien, unsere Aufmerksamkeit auf die Handlungen an sich als Zeichen der Motive zu lenken. Der Grund hierfür sei, dass wir die Motive selbst nicht unmittelbar erkennen könnten. Der eigentliche Gegenstand unserer Zustimmung sei aber dennoch das Motiv.
Weiterhin meint Hume, dass wir, wenn wir einen Menschen tadeln, das deshalb täten, weil er in einer bestimmten Situation ein tugendhaftes Motiv nicht hat wirken lassen.
Bis hierher befinden sich in Humes Argumentation für diese These ausschließlich weitere Behauptungen. Sein einziges wirkliches Argument für die Richtigkeit seiner Behauptungen ist folgende Überlegung bezüglich eines Menschen, den wir aus besagtem Grund tadelten:
Finden wir bei näherer Nachforschung, dass das tugendhafte Motiv in seiner Brust doch mächtig war, aber durch Umstände, die wir nicht kannten, am Wirken gehindert wurde, so ziehen wir unseren Tadel zurück und haben die selbe Achtung vor ihm, wie wenn er die Tat, die wir von ihm forderten, wirklich getan hätte.[10]
Diese Überlegung ist sehr scharf formuliert. Es ist zweifelhaft, ob wir vor der Person tatsächlich die gleiche Achtung hätten, wie wenn diese die richtige Tat ausgeführt hätte. Mit Sicherheit ist es aber so, dass diese neue Erkenntnis uns in unserem Urteil beeinflusst und wir die Tat anders bewerten. Insofern spielt das Motiv hier die entscheidende Rolle. Da Humes weitere Argumentation nur durch die Schärfe seiner These an dieser Stelle schlüssig wird, sei sie für den weiteren Verlauf der Arbeit als richtig angenommen.
[...]
[1] David Hume: Ein Traktat über die menschliche Natur (A Treatise of Human Nature). Buch I-III. Deutsch mit Anmerkungen und Register von Theodor Lipps, hrsg. von Reinhard Brandt, Hamburg 1973, S. 219
[2] Vgl. David Hume: Ein Traktat über die menschliche Natur (A Treatise of Human Nature). Buch I-III. Deutsch mit Anmerkungen und Register von Theodor Lipps, hrsg. von Reinhard Brandt, Hamburg 1973, S. 232 f.
[3] Vgl. ebd, S. 219 f.
[4] Vgl. ebd., S. 220-222
[5] Vgl. ebd., S. 222f.
[6] Vgl. ebd., S. 223
[7] Vgl. ebd., S. 224f.
[8] Hume (wie Anm. 1), S. 226
[9] Vgl. Hume (wie Anm. 2), S. 226
[10] Vgl. ebd., S. 220
- Arbeit zitieren
- Stefan Reuter (Autor:in), 2006, Der Rechtssinn als künstliche Tugend, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134391
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