Ewald Rösch schreibt in seinem Nachwort zu Franz Kafkas Erzählung ‚Die Verwandlung‘: „Sie [die Erzählung] gilt gemeinhin als Kafkas Abrechnung mit der Herzlosigkeit der Familie, nämlich der Familie Samsa, der Familie Kafka und der Familie überhaupt“. Diese Hausarbeit analysiert das Problem der Beziehung zwischen Vater und Sohn in dieser Erzählung. Anfangs wird die Figur des Gregor Samsa untersucht, wobei anhand der Entwicklung des Charakters durch die drei Teile der Erzählung die Eigenschaften des Gregor Samsa herausgearbeitet werden.
Anschließend wird die Rolle des Vaters in der Erzählung behandelt. Dies geschieht dahingehend, dass Gründe für das zwischen Vater und Sohn vorhandene Problem der Unterdrückung gesucht werden. Dazu werden das Verhalten des Vaters und die Informationen, die der Text über die Familienverhältnisse gibt, insbesondere über das Verhältnis zwischen Vater und Sohn vor der Verwandlung Gregors in ein „ungeheure[s] Ungeziefer“ (S. 7) herangezogen.
Als Abschluss der Untersuchung werden einige Passagen des ‚Briefes an den Vater‘ von Franz Kafka an seinen Vater herangezogen, wobei hier das Augenmerk auf Parallelen zwischen der Biographie Franz Kafkas und einiger Punkte in der Erzählung ‚Die Verwandlung‘ liegt.
Als Grundidee dieser Hausarbeit möge die These gelten, dass die Verwandlung in ein Ungeziefer eine Anpassung des Körpers an eine bereits vorhandene innere Einstellung ist. Dies sei nicht in der abschreckenden, ekelerregenden Erscheinung des Ungeziefers zu verstehen, sondern in der körperlichen Eigenschaft, dass ein Ungeziefer einen starken Außenpanzer hat, innen jedoch sehr weich und verletzlich ist. Jedoch gibt die Gestalt des Ungeziefers nur einen scheinbaren Schutz und ist trotzdem verletzbar, wie der Apfelwurf in der Erzählung erweist (vgl. S. 47). So zeigt auch Gregor in seinem Gefühlsleben, dass er einen kleinen schützenden Panzer um sich hat; er träumt zum Beispiel von einer Frau, wie das „Bild, dass er vor kurzem aus einer illustrierten Zeitschrift ausgeschnitten und in einem hübschen, vergoldeten Rahmen untergebracht hatte“ (S. 7), verdeutlicht. Jedoch ist er unter dem dünnen Panzer der Träume sehr verletzlich und seinem Vater unterlegen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Gregor Samsa
2.1. Erster Teil der Erzählung
2.2. Zweiter Teil der Erzählung
2.3. Dritter Teil der Erzählung
3. Der Vater
3.1. Erster Teil der Erzählung
3.2. Zweiter Teil der Erzählung
3.3. Dritter Teil der Erzählung
4. Biographische Parallelen zwischen Gregor Samsa und Franz Kafka
5. Schluss
6. Literaturverzeichnis
6.1. Primärliteratur
6.2. Sekundärliteratur
1. Einleitung
Ewald Rösch schreibt in seinem Nachwort zu Franz Kafkas Erzählung ‚Die Verwandlung‘: „Sie [die Erzählung] gilt gemeinhin als Kafkas Abrechnung mit der Herzlosigkeit der Familie, nämlich der Familie Samsa, der Familie Kafka und der Familie überhaupt“[1]. Diese Hausarbeit analysiert das Problem der Beziehung zwischen Vater und Sohn in dieser Erzählung. Anfangs wird die Figur des Gregor Samsa untersucht, wobei anhand der Entwicklung des Charakters durch die drei Teile der Erzählung die Eigenschaften des Gregor Samsa herausgearbeitet werden.
Anschließend wird die Rolle des Vaters in der Erzählung behandelt. Dies geschieht dahingehend, dass Gründe für das zwischen Vater und Sohn vorhandene Problem der Unterdrückung gesucht werden. Dazu werden das Verhalten des Vaters und die Informationen, die der Text über die Familienverhältnisse gibt, insbesondere über das Verhältnis zwischen Vater und Sohn vor der Verwandlung Gregors in ein „ungeheure[s] Ungeziefer“ (S. 7) herangezogen.
Als Abschluss der Untersuchung werden einige Passagen des ‚Briefes an den Vater‘ von Franz Kafka an seinen Vater herangezogen, wobei hier das Augenmerk auf Parallelen zwischen der Biographie Franz Kafkas und einiger Punkte in der Erzählung ‚Die Verwandlung‘ liegt.
Als Grundidee dieser Hausarbeit möge die These gelten, dass die Verwandlung in ein Ungeziefer eine Anpassung des Körpers an eine bereits vorhandene innere Einstellung ist. Dies sei nicht in der abschreckenden, ekelerregenden Erscheinung des Ungeziefers zu verstehen, sondern in der körperlichen Eigenschaft, dass ein Ungeziefer einen starken Außenpanzer hat, innen jedoch sehr weich und verletzlich ist. Jedoch gibt die Gestalt des Ungeziefers nur einen scheinbaren Schutz und ist trotzdem verletzbar, wie der Apfelwurf in der Erzählung erweist (vgl. S. 47). So zeigt auch Gregor in seinem Gefühlsleben, dass er einen kleinen schützenden Panzer um sich hat; er träumt zum Beispiel von einer Frau, wie das „Bild, dass er vor kurzem aus einer illustrierten Zeitschrift ausgeschnitten und in einem hübschen, vergoldeten Rahmen untergebracht hatte“ (S. 7), verdeutlicht. Jedoch ist er unter dem dünnen Panzer der Träume sehr verletzlich und seinem Vater unterlegen.
2. Gregor Samsa
Gregor Samsa ist der Hauptcharakter in der Erzählung ‚Die Verwandlung‘. Die ganze Erzählung – bis auf den Epilog – wird „konsequent aus der Perspektive des Helden“[2] erzählt. Dies wird durch die Feststellung „es war kein Traum“ (S. 7) bestätigt, welche die Perspektive auf die bewusste Beobachtung der Umwelt durch Gregor lenkt. Durch die drei Teile der Erzählung hinweg entwickelt sich das Wissen über den Menschen Gregor, und auch der Charakter Gregors verändert sich aufgrund der körperlichen Verwandlung.
2.1. Erster Teil der Erzählung
Im ersten Teil der Erzählung werden die Situation, das Gefühlsleben und die Ereignisse unmittelbar nach der Verwandlung Gregors und deren Entdeckung durch die Familie und den Prokuristen beschrieben. Dies ermöglicht eine vorläufige Charakterisierung Gregors. Die Verwandlung selbst nimmt Gregor Samsa gelassen und ohne Erschrecken an, wogegen sein Beruf – „Samsa war Reisender“ (S. 7) – sofort seine Gedanken beherrscht und er diesem die Schuld an seinem Unwohlsein gibt, „was für einen anstrengenden Beruf habe ich gewählt“ (S. 8). Anhang des Verhältnisses zu seinem Beruf lässt sich ermitteln, dass Gregor Samsa auch nichts anderes ist, als „eine Kreatur des Chefs“ (S. 9), wie er den Geschäftsdiener bezeichnet. Dieser Ausdruck für ein Abhängigkeitsverhältnis, ähnlich einem Verhältnis zwischen Sklavenhalter und Sklave, wird auch auf Gregor anwendbar, da er „aus Angst vor ihm [dem Chef] und dem ‚Krankenkassenarzt‘ den Gedanken an eine Krankmeldung verwirft, obwohl sein Zustand besorgniserregend ist“[3]. Gregor ärgert sich über das Misstrauen des Chefs und darüber, dass dieser gleich den Prokuristen aussendet, um sich nach seinem Versäumnis zu erkundigen und im „Widerspruch zwischen Gregors ‚rebellischen‘ Gedanken und seinem angepassten Verhalten“[4] zeigt sich ebenfalls, dass er wie der Geschäftsdiener „ohne Rückgrat und Verstand“ (S. 9) ist. So ärgert sich Gregor und fragt, ob „alle Angestellten samt und sonders Lumpen“ (S. 14) waren. Außerdem hätte er, „wenn [er] [sich] nicht wegen [s]einer Eltern zurückhielte“ (S. 8), „längst gekündigt, [er] wäre vor den Chef hingetreten und hätte ihm [s]eine Meinung von Grund des Herzens aus gesagt“ (S. 8 f.). Die Flucht des Prokuristen am Ende des ersten Teils symbolisiert wohl die endgültige Trennung Gregors von seiner Arbeitswelt. Die „‘Verfolgung‘ dieses Abgesandten der Berufswelt“[5] kann als eine „radikale Absage an die Sphäre der Arbeit“[6] gesehen werden. Somit bleibt ihm nur noch seine Familie als Stütze in seiner Notsituation.
Die Familie jedoch spielt schon vorher eine wichtige Rolle. Sie bestimmte Gregors ersten Leidensweg, seine Arbeit als Reisender, die er durch „die Schuld der Eltern“ (S. 9) aufnehmen musste, um diese bei dem Chef abzubezahlen. Schon die oben erwähnte erste Nennung der Eltern „hielte [er] [s]ich nicht wegen [s]einer Eltern zurück“ (S. 8), zeigt den Druck, unter dem Gregor Samsa von der Seite seiner Eltern steht. Dieser Druck wird durch die abzuarbeitende Schuld verdeutlicht. Die Eltern sorgen sich zwar um ihren Sohn, jedoch deshalb, weil er zu spät zur Arbeit kommt: Die Mutter fragt ihn, ob er nicht wegfahren wolle. Es sei schon dreiviertel sieben (vgl. S. 10). Jedoch benötigt die Familie im ersten Teil noch die Hilfe des Prokuristen, um Gregor zu bewegen, denn der Prokurist befiehlt ihm „im Namen [seiner] Eltern und des Chefs“ (S. 16). Allerdings nimmt schon gegen Ende des ersten Teils die Aktivität der Eltern gegenüber Gregor stark zu. Während die Eltern früher von Gregor lebten, wenden sie sich jetzt gegen seine Gestalt als Ungeziefer. Somit endet der erste Teil mit dem Ende der Kommunikation mit Gregor und mit der ersten körperlichen Verletzung Gregors durch den Vater. „Mutter, Mutter“ (S. 24) ist der letzte verstandene Hilferuf an seine Eltern, jedoch „schrie die Mutter neuerdings auf [darüber], flüchtete“ (S. 24). Der Vater treibt Gregor mit einem Stock und Zischlauten zurück ins Zimmer und mit „einem jetzt wahrhaftig erlösenden starken Stoß“ (S. 26) verletzt er Gregor und zwingt ihn in sein Zimmer. Diese harte Behandlung ist ein deutliches Zeichen für die Unterdrückung Gregors durch seinen Vater.
Interessant ist im ersten Teil auch, dass Gregor Samsa anfangs große Probleme hat, seine Beinchen zu beherrschen. So zum Beispiel „wollte er eines einmal einknicken, so war es das erste, daß es sich streckte“ (S. 11). Möglicherweise kann dies als eine Metapher für die Probleme Gregors, als Mensch sein eigenes Leben in die Hand zu nehmen, verstanden werden. Dies gelingt ihm erst in verwandelter Form – zwar nur in der gedanklichen Auseinandersetzung – aber durch die Kontrolle der Beinchen, „sie gehorchten vollkommen“ (S. 24), ist die Veränderung deutlich.
[...]
[1] Franz Kafka: Die Verwandlung. Mit einem Nachwort, einer Zeittafel zu Kafka, einem Stellenkommentar und bibliographischen Hinweisen von Ewald Rösch. Augsburg 1999, S. 102. Im weiteren Verlauf werden Zitate aus diesem Primärtext bzw. Verweise darauf durch in Klammern gesetzte Seitenzahlen bezeichnet.
[2] Karl-Heinz Fingerhut: Die Verwandlung. In: Michael Müller (Hg.): Interpretationen. Franz Kafka. Romane und Erzählungen. Stuttgart 1994 (=Universal-Bibliothek), S. 43.
[3] Martin Brück: Franz Kafka. Die Verwandlung. Das Urteil. Freising 1999 (=Interpretationshilfe Deusch), S. 24.
[4] Ebd., S. 24.
[5] Peter Beicken: Franz Kafka. Leben und Werk. Stuttgart u.a. 1997 (=Editionen für den Literaturunterricht), S. 78.
[6] Ebd., S. 78.
- Arbeit zitieren
- Christoph Höbel (Autor:in), 2003, Das Vater-Sohn-Problem in Franz Kafkas 'Die Verwandlung', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134068
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