Wenn die Kommunen die Entscheidung treffen, Private bei der Erbringung der Daseinsvorsorge einzubeziehen, findet im Falle öffentlicher Aufträge oberhalb der Schwellenwerte das EG-Vergaberegime Anwendung. Soweit die Verträge nicht unter die beiden Vergaberichtlinien fallen, sind jedenfalls die Binnenmarktregeln zu berücksichtigen. Auch die interkommunale Zusammenarbeit muss sich an den Teckal-Kriterien messen. Bei einer privaten Beteiligung sind hier gleichfalls Ausschreibungspflichten zu beachten
Die sogenannte Daseinsvorsorge umfasst die Bereitstellung von für ein sinnvolles menschliches Dasein notwendigen Leistungen und Güter wie etwa Strom- und Gasversorgung, Müllbeseitigung, öffentlicher Personennahverkehr, Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung sowie Bildungs- und Kultureinrichtungen. Grundsätzlich besteht für die Kommunen Wahlfreiheit, in welcher Form sie diese öffentlichen Aufgaben erfüllen wollen.
Im Grünbuch über Dienstleistungen von allgemeinem Interesse aus dem Jahr 2003 betont die Europäische Kommission, dass die Grundfreiheiten des Binnenmarktes, das Wettbewerbsrecht sowie das Beihilferegime grundsätzlich auch für öffentliche Unternehmen gelten. Bereiche wie die Müllentsorgung, die Wasserversorgung oder der ÖPNV werden von der Kommission als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse eingestuft, weil für sie eine wirtschaftliche Gegenleistung etwa in Form von Gebühren erbracht wird. Die Kommunen besitzen zwar die Kompetenz zu entscheiden, in welcher Form sie die Daseinsvorsorge erbringen wollen. Wenn sie dabei jedoch Private einbeziehen, findet das europäische Wettbewerbsrecht, vor allem in der Form des EG-Vergaberegimes, Anwendung. Nach dem Weißbuch zu den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse aus dem Jahr 2004 verzichtet die Kommission zwar zunächst auf eine Rahmenrichtlinie für diese Dienstleistungen, verfolgt allerdings ihre sektorale Politik weiter.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Liberalisierung und Privatisierung
II. Formale Privatisierung
III. Funktionale Privatisierung
1. Betriebsführungsmodell
2. Betreibermodell
3. Kooperationsmodell
4. Konzessionsmodell
IV. Materielle Privatisierung
V. Ausschreibungspflichten in Bezug auf Zweckverbände
VI. Staatliche Gewährleistungsverantwortung
Resümee
Einleitung
Die sog. Daseinsvorsorge umfasst die Bereitstellung von für ein sinnvolles menschliches Dasein notwendigen Leistungen und Güter wie etwa Strom- und Gasversorgung, Müllbeseitigung, öffentlicher Personennahverkehr, Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung sowie Bildungs- und Kultureinrichtungen. Grundsätzlich besteht für die Kommunen Wahlfreiheit, in welcher Form sie diese öffentlichen Aufgaben erfüllen wollen.
Im Grünbuch über Dienstleistungen von allgemeinem Interesse aus dem Jahr 2003 betont die Europäische Kommission, dass die Grundfreiheiten des Binnenmarktes, das Wettbewerbsrecht sowie das Beihilferegime grundsätzlich auch für öffentliche Unternehmen gelten. Bereiche wie die Müllentsorgung, die Wasserversorgung oder der ÖPNV werden von der Kommission als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse eingestuft, weil für sie eine wirtschaftliche Gegenleistung etwa in Form von Gebühren erbracht wird. Die Kommunen besitzen zwar die Kompetenz zu entscheiden, in welcher Form sie die Daseinsvorsorge erbringen wollen. Wenn sie dabei jedoch Private einbeziehen, findet das europäische Wettbewerbsrecht, vor allem in der Form des EG-Vergaberegimes, Anwendung. Nach dem Weißbuch zu den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse aus dem Jahr 2004 verzichtet die Kommission zwar zunächst auf eine Rahmenrichtlinie für diese Dienstleistungen, verfolgt allerdings ihre sektorale Politik weiter.
I. Liberalisierung und Privatisierung
Bei einer Liberalisierung handelt es sich um die Einführung von Marktmechanismen in Märkte, die bislang durch den Staat monopolisiert waren. Dabei kann grundsätzlich zwischen dem Wettbewerb im Markt und dem Wettbewerb um den Markt unterschieden werden.
Von einem Wettbewerb im Markt wird gesprochen, wenn die Marktöffnung darauf abzielt, dass der Wettbewerb um den Endverbraucher gestärkt wird, indem das Gebietsmonopol aufgehoben wird und die Anbieter dieselben Leitungsnetze benutzen können, wie z.B. in der Strom- und Gaswirtschaft.
Ein Wettbewerb um den Markt findet statt, wenn die Anbieter nur im Wettbewerb um das zeitlich befristete Recht z.B. zur Trinkwasserversorgung in einem Versorgungsgebiet stehen. Das einschlägige Wettbewerbsinstrument ist in diesem Zusammenhang die Ausschreibung mit der Vergabe einer langfristigen Konzession an den obsiegenden Bieter. Die Gebietsmonopole bleiben in diesem Fall bestehen, weil die Schaffung paralleler Versorgungsnetze zu hohe Kosten verursacht und damit wirtschaftlich uninteressant ist.
Die Marktöffnung im Zuge einer Liberalisierung führt regelmäßig auf Grund des Markteintritts privater Anbieter zu einer Privatisierung. Von Interesse sollen im Folgenden jene Formen der Leistungserbringung sein, bei denen die Kommune die Privatrechtsform wählt oder einen Privaten einbezieht. In diesen Fällen kommt in unterschiedlichem Ausmaße das europäische Primär- und Sekundärrecht zum Tragen.
II. Formale Privatisierung
Bei einer formalen Privatisierung wird nur die Rechtsform des Versorgers geändert. Die Kommune erbringt die öffentliche Dienstleistung künftig in Privatrechtsform durch eine Eigengesellschaft (GmbH oder AG). Das Kapital (Gesellschaftskapital oder Aktien) bleibt wie z.B. bei der Stadtwerke Tübingen GmbH vollständig in kommunaler Hand.
Bei einer Organisationsprivatisierung, wenn das Unternehmen also zu 100 % in Besitz der Kommune ist, von ihr beherrscht wird und nur in ihrem Gebiet tätig ist, finden die EG-Vergaberegeln wegen Vorliegens eines sog. In-House-Geschäfts, das heißt Personengleichheit von Auftraggeber und Auftragnehmer, keine Anwendung.
Im Urteil Parking Brixen [1] lehnte der EuGH allerdings im Falle der Konzessionserteilung zum Betrieb von Parkplätzen an die zu 100 % im Eigentum der Stadt stehende Stadtwerke Brixen AG das Vorliegen eines In-House-Geschäfts ab. Es sei ein wettbewerbliches Verfahren notwendig, das sich nach den Grundsätzen des EG-Primärrechts wie der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz richte. Das Unternehmen unterliege nämlich nicht dem in der Teckal -Entscheidung[2] aufgestellten Kriterium der für ein In-House-Geschäft erforderlichen Weisungsgebundenheit, weil es der Stadt nicht möglich sei, sowohl auf die strategischen Ziele als auch auf die wichtigen Entscheidungen ausschlaggebenden Einfluss zu nehmen. Bei einer AG kann dies wegen der eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand nur dann der Fall sein, wenn Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge zwischen dem Unternehmen und der öffentlichen Stelle bestehen. Die Satzung der AG sah aber unter anderem vor, dass der Verwaltungsrat der Gesellschaft bis zu einem Volumen von 5 Mio. € weisungsfrei handeln konnte. Zudem berücksichtigte der EuGH die vorgeschriebene baldige Öffnung der AG für Fremdkapital sowie die Ausweitung des geografischen Tätigkeitsbereichs der Gesellschaft über die Gemeindegrenzen hinaus. Es kommt also für die Anwendbarkeit des europäischen Wettbewerbsrechts nicht nur auf die Frage der Eigentumsverhältnisse, sondern insbesondere auf die Weisungsgebundenheit und weitere einschlägige Kriterien an.
III. Funktionale Privatisierung
Bei der funktionalen Privatisierung werden Private durch den Staat in die Aufgabenerfüllung einbezogen, ohne dass jedoch ein Transfer der Aufgabenverantwortung stattfindet. Eine Auswahl des geeigneten privaten Partners findet im Wege der Ausschreibung statt. Insbesondere drei Modelle sind in der Praxis hervorzuheben.
1. Betriebsführungsmodell
Beim Betriebsführungsmodell führt ein Privater als Verwaltungshelfer im Namen der Gemeinde für mehrere Jahre im Rahmen eines Dienstleistungs- oder Managementvertrages die öffentliche Einrichtung. Die Verantwortung für die Aufgabenerfüllung verbleibt vollständig bei der Kommune. Der Betriebsführer erhält für die technische und wirtschaftliche Steuerung des Anlagenbetriebs ein Betriebsführerentgelt. Die Kommune bleibt Eigentümer der Versorgungsanlagen, baut und finanziert sie auf eigene Rechnung. Sie begründet auch unmittelbar die Benutzungsverhältnisse. Es entstehen somit keine Rechtsbeziehungen zwischen dem Betriebsführer und den Nutzern. Da hier ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag vorliegt, findet beim Überschreiten von bestimmten Schwellenwerten das EG-Vergaberecht in Form der RL 2004/18/EG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge und der RL 2004/17/EG für die Bereiche Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie Postdienste Anwendung.
Ab dem 1.1.2008 gelten neue Schwellenwerte für die europaweite Ausschreibung. Sie betragen für Liefer- und Dienstleistungsaufträge der obersten oder oberen Bundeseinrichtungen 133.000 €, für alle sonstigen öffentlichen Auftraggeber 206.000 €. Bauaufträge sind ab 5.150.000 € europaweit auszuschreiben. Die Schwellenwerte für Liefer- und Dienstleistungsaufträge im Sektorenbereich werden auf 412.000 €, für Bauaufträge im Sektorenbereich auf 5.150.000 € festgesetzt. Bei Verträgen, die nicht in den Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien fallen, sind bei der Vergabe jedenfalls die Binnenmarktregeln des EG-Vertrages zu beachten.[3]
[...]
[1] EuGHE 2005, S. I-8585 ff. – Rs. C-458/03.
[2] EuGHE 1999, S. I-8121 ff. – Rs. C-107/98.
[3] EuGHE 2001, S. I-9505 ff. – Rs. C-59/00.
- Quote paper
- Dr. Gerald G. Sander (Author), 2009, Daseinsvorsorge und europäisches Vergaberecht. Staatliche Gewährleistungsverantwortung in Bezug auf die funktionale und materielle Privatisierung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133988
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