„Es ist kein Streit in dem niedrigen Sinne, […] sondern es handelt sich um Dinge, die wir anerkennen müssen als einen Kampf um Weltanschauungen […].“ So beurteile der seinerzeit ehemalige Braunschweigische Volksbildungsminister Otto Grotewohl in der Sitzung des Braunschweigischen Landtages vom 13. Februar 1923 die durch seinen Schulerlass vom 18. März 1922 angestoßene Braunschweiger Schulreform, die sich zu einem „Kulturkampf“ über den Stellenwert von Religion und religiösen Ideen in Schule und Gesellschaft zwischen den gesellschaftlichen Lagern der Arbeiterbewegung und des Bürgertums im Freistaat Braunschweig entwickelt hatte. Der angesprochene Streit sollte sich bis zum Ende des republikanischen Systems von Weimar hinziehen und neben anderen Konfliktpunkten dazu beitragen, dass Arbeiterbewegung und Bürgertum in Braunschweig einander unversöhnlich gegenüberstanden. Im Verlauf dieses Disputs folgten weitere Schulerlasse des jeweils regierenden Lagers, die den jeweils zuvor erarbeiteten oppositionellen Erlass aufhoben, was zu weiteren Verhärtungen der Fronten und machtpolitischer Entfremdung von den Inhalten führte. Wie viel Aufsehen dieser Streit um religiös-gesellschaftliche Werte und kulturpolitische Ideologien im Freistaat Braunschweig erregte, zeigen vor allem die temporären politischen Debatten im Braunschweigischen Landtag, sowie die scharfzüngige mediale Diskussion der stark polarisierenden Braunschweiger Tageszeitungen.
Ziel dieser Ausarbeitung soll es sein anhand der Protokolle des Braunschweigischen Landtages und anhand ausgewählter Braunschweiger Tageszeitungen diese Diskussionen um die „religiöse“ Braunschweiger Schulreform nachzuzeichnen und im Hinblick auf die ideologische und gesellschaftliche Unvereinbarkeit von bekennendem evangelischem Bürgertum und religionskritischer Arbeiterbewegung zu interpretieren.
Die Arbeiterbewegung argumentierte in diesem Zusammenhang für ihre Einschränkung der religiösen Inhalte im Schulbetrieb vor allem gegen die alte Macht der Kirche und gegen ein reaktionäres Bürgertum, dass die Religion als zwingend sittlich bildend ansah. Dabei wurde von sozialdemokratischer Seite mit der verfassungsmäßigen Glaubens- und Gewissensfreiheit argumentiert und gegen einen religiösen Zwang. Für das Bürgertum auf der anderen Seite war diese Einschränkung ein Verstoß gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Historische Bedingungen für die Braunschweiger Schulreform nach dem Ersten Weltkrieg
2.1 Die Auswirkungen der Revolutionszeit 1918/19 in Braunschweig.
2.2 Vorgaben durch die Reichsverfassung und die Erwartung des Reichsschulgesetzes.
3 Die politische Diskussion der Schulerlasse im Braunschweigischen Landtag (1922 – 1928)
4 Die mediale Diskussion der Braunschweiger Schulreform in ausgewählten Braunschweiger Zeitungen (1922 – 1928)
4.1 Quellenkritische Anmerkungen zu den untersuchten Zeitungen….
4.2 Die Berichterstattung der „Freiheit“ (1922)…
4.3 Die Berichterstattung des „Braunschweiger Volksfreundes“ (1922 – 1928)..
4.4 Die Berichterstattung der „Braunschweigischen Landeszeitung“ (1922 – 1928)
5 Fazit
Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Es ist kein Streit in dem niedrigen Sinne, […] sondern es handelt sich um Dinge, die wir anerkennen müssen als einen Kampf um Weltanschauungen […].“[1] So beurteile der seinerzeit ehemalige Braunschweigische Volksbildungsminister Otto Grotewohl[2] in der Sitzung des Braunschweigischen Landtages vom 13. Februar 1923 die durch seinen Schulerlass vom 18. März 1922 angestoßene Braunschweiger Schulreform, die sich zu einem „Kulturkampf“ über den Stellenwert von Religion und religiösen Ideen in Schule und Gesellschaft zwischen den gesellschaftlichen Lagern der Arbeiterbewegung und des Bürgertums im Freistaat Braunschweig entwickelt hatte. Der angesprochene Streit sollte sich bis zum Ende des republikanischen Systems von Weimar hinziehen und neben anderen Konfliktpunkten dazu beitragen, dass Arbeiterbewegung und Bürgertum in Braunschweig einander unversöhnlich gegenüberstanden. Im Verlauf dieses Disputs folgten weitere Schulerlasse des jeweils regierenden Lagers, die den jeweils zuvor erarbeiteten oppositionellen Erlass aufhoben, was zu weiteren Verhärtungen der Fronten und machtpolitischer Entfremdung von den Inhalten führte. Wie viel Aufsehen dieser Streit um religiös-gesellschaftliche Werte und kulturpolitische Ideologien im Freistaat Braunschweig erregte, zeigen vor allem die temporären politischen Debatten im Braunschweigischen Landtag, sowie die scharfzüngige mediale Diskussion der stark polarisierenden Braunschweiger Tageszeitungen.
Ziel dieser Ausarbeitung soll es sein anhand der Protokolle des Braunschweigischen Landtages und anhand ausgewählter Braunschweiger Tageszeitungen diese Diskussionen um die „religiöse“ Braunschweiger Schulreform nachzuzeichnen und im Hinblick auf die ideologische und gesellschaftliche Unvereinbarkeit von bekennendem evangelischem Bürgertum und religionskritischer Arbeiterbewegung zu interpretieren.
Die Arbeiterbewegung argumentierte in diesem Zusammenhang für ihre Einschränkung der religiösen Inhalte im Schulbetrieb vor allem gegen die alte Macht der Kirche und gegen ein reaktionäres Bürgertum, dass die Religion als zwingend sittlich bildend ansah. Dabei wurde von sozialdemokratischer Seite mit der verfassungsmäßigen Glaubens- und Gewissensfreiheit argumentiert und gegen einen religiösen Zwang. Für das Bürgertum auf der anderen Seite war diese Einschränkung ein Verstoß gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Darüber hinaus hielt sie eine solche Regelung für verfassungswidrig und hoffte dringend auf verbindliche Regelungen durch ein durch das Reich zu erstellendes Reichsschulgesetz.
Der zugrunde gelegte Untersuchungszeitraum von 1922 bis 1928, der noch vor dem eigentlichen Ende der Schulreform durch den Schulerlass des nationalsozialistischen Volksbildungsministers Anton Franzen[3] vom 4. Oktober 1930 endet, ist bewusst so gewählt, damit Thesen, ob und inwiefern der zwischen bürgerlichem und sozialdemokratischen Lager schwelende Konflikt Aufstieg und Ausbreitung des Nationalsozialismus in Braunschweig begünstigt hat, außen vor bleiben. Solche in der Literatur häufig verbreiteten Thesen sind einerseits quellenmäßig kaum oder schwer belegbar, andererseits würden sie Umfang und Inhalt dieser Ausarbeitung sprengen.
2. Historische Bedingungen für die Braunschweiger Schulreform nach dem Ersten Weltkrieg
2.1 Die Auswirkungen der Revolutionszeit 1918/19 in Braunschweig
Wie jedes historische Ereignis hat auch die Braunschweiger Schulreform Ursachen und eine Vorgeschichte. Zu den Ursachen gehört zweifellos die starke Stellung der evangelischen Kirche im Land Braunschweig bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, deren Kirchenoberhaupt der Herzog war. Finanziell war die evangelische Kirche vom Staat abhängig. Hierdurch und durch die geringe Minderheit der katholischen Kirche hatte die evangelische Kirche quasi die Rechte einer Staatsreligion.[4] In diesem Zusammenhang hatte die evangelische Kirche im Herzogtum Braunschweig auch sehr viel Macht und Einfluss im Bereich der staatlichen Schulen. Das „Gesetz über die Gemeindeschulen“ vom 5. April 1913[5] legte die staatlichen Schulen auf den Status von „evangelisch-lutherischen Gemeindeschulen“[6] fest. Hieraus folgte, dass im jedem Schulvorstand ein protestantischer Kleriker vertreten sein musste, der Einfluss auf Organisation und Lehrinhalte ausüben konnte.[7] Dies bewirkte unter anderem, dass an diesen Schulen evangelische Religion unterrichtet wurde, an dem auch Anders- und Nichtgläubige an diesen Schulen teilnehmen mussten. Eine kleine Ausnahme bildeten die katholischen Privatschulen, die nach einer Sonderregelung des Gemeindeschulgesetzes von den katholischen Gemeinden privat getragen wurden.[8] Freidenker und Konfessionslose waren bis zum Ende des Ersten Weltkrieges in Braunschweig kaum vertreten.
Nach der Revolution in Braunschweig am 8. November 1918 versuchte die nun im Land Braunschweig regierende radikale USPD[9] die Trennung von Staat und Kirche zu forcieren.[10] So übernahm zunächst das Staatsministerium die Rechte als Kirchenoberhaupt. Bereits am 21. November 1918 hob die neue Volksschulkommissarin Minna Faßhauer[11] mit dem „Gesetz über die Neuordnung der Volksschulaufsicht“[12] die kirchliche Schulaufsicht zugunsten einer Volksschulaufsicht auf, in der auch zwei Elternvertreter saßen. Darüber hinaus wurde die Religionsmündigkeit auf 14 Jahre herabgesetzt, wodurch sich die Schüler auch ohne Einwilligung der Eltern vom Religionsunterricht abmelden konnten, katholische und jüdische Kinder mussten nur auf eigenen Antrag am Religionsunterricht teilnehmen. Weiterhin wurde im Januar 1919 der Kirchenaustritt erleichtert und der Religionsunterricht auf zwei Wochenstunden gekürzt.[13] Im Laufe des Jahres 1919 versuchte die Regierung der Kirche von außen eine neue Verwaltungsstruktur zu geben, was aber gerichtlich von der evangelischen Kirche verhindert werden konnte. Weiterhin traten aber Regelungen zur Trennung von staatlichem und kirchlichem Vermögen in Kraft, was die Kirche zusätzlich in finanzielle Engpässe führte, da sie aufgrund der alten gesetzlichen Vorzüge kein eigenes Grundvermögen angelegt hatte.[14] Da die Kirche durch die neuen Gesetze praktisch „mit dem Rücken zur Wand“ stand, entschied sie sich mit allen Mitteln gegen diese Regelungen und die folgenden vorzugehen. Dabei konnte sie sich der Unterstützung der konservativen bürgerlichen Kreise, sowie großen Teilen der eher liberal gesinnten Lehrerschaft sicher sein. Dem gegenüber stand die eher dissidentisch[15] gesinnte Arbeiterbewegung, die sich mit der neuen Gesetzeslage durchaus wohl fühlte. Hierdurch war abermals eine vis-a-vis Frontstellung zwischen Bürgertum und Arbeiterbewegung entstanden, wie sie seit der Begründung der Braunschweiger Sozialdemokratie 1863 immer wieder aufgekommen war.[16] Die erneute Konfrontation aber sollte entscheidend für den Verlauf der Braunschweiger Schulreform werden.
Im Juli 1919 ging die sozialdemokratische Regierung so weit, dass sie mit ihrer Landtagsmehrheit, gegen die Meinung von Bürgertum und Lehrerkollegium, beschloss, den Religionsunterricht in der Schule ersatzlos zu streichen und die Schulen somit in rein weltliche Schulen umzuwandeln. Durch das Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung am 19. August 1919 mit einem Sperrartikel zur Schulfrage, konnte dieser Beschluss jedoch nicht mehr umgesetzt werden. Um diese reichsgesetzliche Regelung umgehen zu können musste im Verlauf der Braunschweiger Schulreform mit verfassungsrechtlich umstrittenen ministeriellen Erlassen gearbeitet werden.[17]
2.2 Vorgaben durch die Reichsverfassung und die Erwartung des Reichsschulgesetzes
Ebenso wie im Land Braunschweig waren die Problematiken zwischen Kirche, Staat und Schule als politisches Konfliktfeld auf Reichsebene in die Verfassungsberatungen der Nationalversammlung eingegangen. Für eine Modernisierung des alten länderbasierenden Schulsystems wollte man nun reichseinheitliche Regelungen in der zu erstellenden Reichsverfassung schaffen. Insbesondere sollten die Schulformen und die bekenntnismäßigen Ausrichtungen der Schulen vereinheitlicht bzw. vereinfacht werden.[18]
Allerdings entwickelte sich diese Diskussion zu einem großen Politikum, da in der Nationalversammlung Parteien diverser ideologischer und. was noch wichtiger in diesem Zusammenhang ist, religiöser Ausprägung vertreten waren.[19] So forderte z.B. die SPD Schulen weltlichen Charakters, in denen kein Religionsunterricht erteilt würde, das katholische Zentrum Bekenntnis- und Konfessionsschulen, in denen Religionsunterricht entsprechend des Bekenntnisses der Schule unterrichtet würde und die DDP eine Simultanschule, in der alle Bekenntnisse zugleich unterrichtet werden sollten.[20] Der größte Teil der Lehrerschaft des Reiches stand hinter dem Konzept der SPD. Aufgrund der verschiedenen im Raum stehenden Schulkonzepte war zunächst keine Einigung in der Schulfrage ersichtlich. So kam es über Umwege und geheimen Verhandlungen zwischen SPD und Zentrumspartei 1919 zum so genannten „Weimarer Schulkompromiss“. Da beide Seiten ihrem Gegenüber teilweise sein Schulkonzept zubilligte, hatte man sich faktisch auf das Konzept der Simultanschule geeinigt. Juristisch spiegelte sich der Schulkompromiss in Art. 146 Abs. 2 der Weimarer Reichsverfassung wieder. Hiernach waren die Schulformen gleichberechtigt und allein vom Willen der Eltern abhängig. Weitere Regelungen sollten in einem zu erlassenden Reichsgesetz folgen. Bis dahin sollte es bei den bestehenden Regelungen bleiben.[21] Um die Versuche einiger Reichsländer, u. a. auch Braunschweig, die Schulen noch vor Erstellung eines Reichsschulgesetzes in weltliche Einheitsschulen umzuwandeln zu unterbinden wurde der Sperrartikel 174 der Weimarer Reichsverfassung geschaffen. Er sah vor, dass es bis zum Erlass dieses Gesetzes „bei der bestehenden Rechtslage“[22] bliebe. Simultanschulländer sollten dabei besonders berücksichtigt werden. Durch das nebeneinander der beiden Artikel 146. Abs. 2 und 174 hatte man nun aber neuerliche Modernisierungen und Umgestaltungen des Schulsystems erschwert bzw. bis zum Inkrafttreten eines Reichsschulgesetzes faktisch ausgesetzt und die in den meisten Ländern vorherrschenden Bekenntnisschulen gesichert.[23] Weitere wichtige Normen der Weimarer Reichsverfassung, die in Bezug auf die Braunschweiger Schulreform noch wichtig sind, sind vor allem Artikel 135 WRV, der allen Reichseinwohnern volle Glaubens- und Gewissensfreiheit zusicherte, wie Artikel 149 WRV, der den Religionsunterricht als ordentliches schulisches Lehrfach bestätigte, abgesehen von den weltlichen Schulen. Nach Artikel 149 Abs. 2 WRV oblag es aber den Erziehungsberechtigten, ob ihre Kinder an „religiösen Unterrichtsfächern und an kirchlichen Feiern und Handlungen“[24] teilnehmen mussten. Artikel 136 Abs. 4 regelte zusätzlich, dass niemand „zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Benutzung einer religiösen Eidesformel gezwungen werden“[25] durfte.
Für die Erarbeitung des angekündigten Reichsschulgesetzes traten 1919 der Reichsschulausschuss und 1920 die Reichschulkonferenz zusammen. So folgten bis zum Ende der Weimarer Republik diverse Entwürfe und Ansätze eines Reichsschulgesetzes, das aber in dieser Form nie verwirklicht wurde. Alle Entwürfe tendierten jedoch zur Festigung der vorherrschenden konfessionellen Schule. Ein erster Entwurf wurde bereits 1921 durch das Reichskabinett ausgearbeitet, der jedoch während der Verhandlungen scheiterte.[26] Der Entwurf des DNVP Innenministers Schiele[27] scheiterte ebenso wie der seines Parteikollegen und Nachfolgers im Amt des Reichsinnenministers Keudell[28] 1927. Keiner der Entwürfe für ein Reichsschulgesetz konnte eine parlamentarische Mehrheit auf sich vereinigen. Da hierdurch die Bekenntnisschule die Regel blieb, konnte sich die Bewegung der weltlichen Schulen reichsweit weder bei Eltern noch in der Politik durchsetzen.[29] Auch aufgrund dieser gesetzlichen Grauzone zum Charakter der staatlichen Schulen konnte es in Braunschweig zur Braunschweiger Schulreform kommen, die sich zu einem Braunschweiger „Kulturkampf“ zwischen konservativem evangelischem Bürgertum und dissidentischer Arbeiterbewegung entwickelte. Eine vermittelnde Kraft, wie das katholische Zentrum auf Reichsebene, fehlte in Braunschweig aufgrund seiner protestantischen Konfessionsstruktur.
3. Die politische Diskussion der Schulerlasse im Braunschweigischen Landtag (1922 – 1928)
Nachdem die Reichverfassung die komplette Abschaffung des Religionsunterrichts verhindert hatte, blieb es in Sachen der Schul- und Kirchenpolitik einige Zeit ruhig in Braunschweig. Aber trotz einiger Vermittlungsversuche des USPD - Ministerpräsidenten Sepp Oerter[30], der auf einige Vermittlungsversuche mit der katholischen und evangelischen Kirche hinarbeitete[31], schaffte die sozialdemokratische Koalition kurz nach dessen Rücktritt mit Beschluss vom 20. Dezember 1921 des Buß- und Bettag zum Jahr 1922 als gesetzlichen Feiertag ab. Dafür wurde der 9. November als Feiertag eingesetzt. Lehrer und Schüler wurden für Gottesdienste am Buß- und Bettag ab Anfang 1922 nicht mehr vom Unterricht freigestellt. Hiergegen liefen Kirche und Bürgertum, vor allem in der Presse, Sturm.[32]
Der eigentliche Auslöser für die Ereignisse um die Braunschweiger Schulreform und den damit verbundenen „Kulturkampf“ war der ministerielle Schulerlass des USPD - Volksbildungsministers Otto Grotewohl[33] vom 18. März 1922.[34]
Entgegen etwaigen vorherigen Vermittlungsversuchen mit der Kirche verbot dieser Erlass religiöse Lektüre, Schulandachten und Schulgebete außerhalb des Religionsunterrichtes. Darüber hinaus durften die Religionsnoten für die Versetzung nicht mehr verwendet werden.[35] Grotewohl berief sich in seinem Erlass auf die verfassungsmäßige Glaubens- und Gewissensfreiheit um den Sperrartikel 174 zu umgehen. Im gleichen Zeitraum forcierte die gesamte Arbeiterbewegung eine erfolgreiche Kirchenaustrittskampagne, die in Zusammenhang mit der Erhöhung der Kirchensteuer und einer Sympathiebekundung für den Erlass stand.[36] Als Gegeninitiative der Kirche und des Bürgertums auf beides wurde der evangelische Landeselterbund gegründet, dessen Vorstand von diversen DVP - Mitgliedern besetzt war.[37]
[...]
[1] Verhandlungen Landtag 1922/24, Bd.2, Sb. 13.2.1923, Sp. 2603.
[2] Otto Grotewohl (1894 – 1964), u. a. mehrmaliger Minister des Freistaates Braunschweig und Ministerpräsident der DDR; vgl. Camerer 1 (1996), S. 93, sowie Jarck/Scheel (1996), S. 229ff.
[3] Dr. Anton Franzen (1896 – 1969), nationalsozialistischer Jurist und Politiker;
vgl. Jarck/Scheel (1996), S. 186f.
[4] Vgl. Rother (1990), S. 142ff.
[5] Wortlaut in Geiger (1930), S. 61ff.
[6] Ebd. S. 61.
[7] Vgl. Rother (1990), S. 142ff.; Tilly (1987), S. 291.
[8] Vgl. Tilly (1987), S. 193ff.
[9] Nach der Parteienspaltung der SPD in MSPD und USPD 1917 waren in Braunschweig 2900 Parteimitglieder zur USPD übergetreten und nur 100 zur MSPD. Braunschweig bildete somit als Ausnahme das einzige Land in der die USPD stärker war und bis 1922 an der Regierung beteiligt war.
[10] Vgl. Roloff (1964), S. 35ff.
[11] Minna Faßhauer (1875 – 1949), u. a. Braunschweiger USPD Politiker und erste weibliche Kultusministerin der „Sozialistischen Republik Braunschweig“ 1918/19. vgl. Jarck/Scheel (1996), S. 173f.
[12] Wortlaut in Geiger (1930), S. 207ff.
[13] Vgl. Rother (1990), S. 142; Tilly (1987), S. 291ff.
[14] Vgl. Rother (1990), S. 143.
[15] Dissidentisch = konfessionslos, dazu gehören auch die nach dem Ersten Weltkrieg aufstrebenden Freidenkerverbände.
[16] Vgl. Ludewig/Pollmann (1994), S. 84ff.
[17] Vgl. Rother (1990), S. 142.
[18] Vgl. Führ (1970), S, 26ff.; Mommsen (2004), S. 73ff.; Tilly (1987), S 47ff.;
Ziegert (1994), S. 7ff.
[19] Vertreten waren USPD, SPD, DDP, Zentrum, Bayrische Volkspartei, DVP, DNVP und sonst.
[20] Vgl. Grünthal (1968), S. 38ff.; Heinemann (1976), S. 39ff.; Tilly (1987), S. 54ff.;
Wittwer (1980), S. 68ff.
[21] Vgl. Tilly (1987), S.56ff.
[22] Art. 175 WRV
[23] Vgl. Tilly (1987), S. 59ff.
[24] Art. 149. Abs. 2 WRV
[25] Art. 136 Abs. 4 WRV
[26] Vgl. Führ (1970), S. 31ff. Grühthal (1968), S. 105ff; Wittwer (1980), S. 102ff.
[27] Martin Schiele (1870 – 1939), Politiker der DNVP und CNBL.
[28] Walter von Keudell (1884 – 1973), Jurist und Politiker der DNVP, NSDAP und CDU.
[29] Vgl. Tilly (1987), S. 95ff.
[30] Josef „Sepp“ Oerter (1870 – 1928), 1918/19 und 1920/21 braunschweiger USPD - Minister, 1920/21 Ministerpräsident, ab 1924 erster NSDAP-Abgeordneter im braunschweiger Landtag; vgl. Camerer 1 (1996), S. 172; Rother (1990), S. 275.
[31] Vgl. Rother (1990), S. 143f.
[32] Vgl. Jarck/Schildt (2001), S.966; Ludewig/Pollmann (1994), S. 89; Rother (1990), S. 143ff.
[33] Vgl. Jodl (1997), S. 44f.; Voßke (1979), S. 59.
[34] Wortlaut in Geiger (1930), S. 70.
[35] Vgl. Jodl (1997), S. 45; Rother (1990), S. 144f.; Tilly (1987), S. 320ff.
[36] Vgl. Jodl (1997), S. 45; Rother (1990), S. 145ff.
[37] Vgl. Rother (1990), S. 145; Schelm-Spangenberg (1964), S. 100f.; Tilly (1987), S. 321ff.
- Quote paper
- Marco Kunze (Author), 2007, Die Braunschweiger Schulreform in der Weimarer Republik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133947
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