Unter „Identität“ wird im Allgemeinen eine Übereinstimmung mit sich selbst verstanden. Dieses Selbstverständnis von Menschen im Hinblick auf die eigene Individualität, Lebenssituation und soziale Zugehörigkeit bildet sich im Prozess der Sozialisation. Sich identisch mit sich selbst zu fühlen liefert die Grundlage für psychische und physische Gesundheit. Die Identität einer Person kann jedoch gefährdet werden durch Diskontinuitäten wie zum Beispiel Arbeitslosigkeit, Wohnortswechsel oder Trennung vom Partner, woraus Identitätskrisen entstehen können. In diesen Fällen ist der Mensch gezwungen, seine Identität neu zu arrangieren.
Eine der extremsten Identitätskrisen, die einen Identitätsverlust nicht ausschließen kann, erfährt ein Mensch, wenn er in eine psychiatrische Heilanstalt eingeliefert wird. Von solch einem Fallbeispiel handelt diese Arbeit. Es soll versucht werden eine Antwort auf die Frage zu geben, wie es den Insassen psychiatrischer Anstalten gelingen kann, eine Identität, oder zumindest Teile davon, zu bewahren.
Als Grundlage dienen zwei Werke des aus Kanada stammenden Soziologen Erving Goffman (1922 – 1982), dessen Analysen zum Problem der Identität neben den Untersuchungen von George H. Mead (1863 – 1931) und Erik H. Erikson (1902 – 1994) zu den wichtigsten in den Sozialwissenschaften zählen. Es handelt sich dabei um die Bücher „Stigma“ und „Asyle“, von denen das später veröffentlichte „Stigma“ hier den theoretischen und begrifflichen Ausgangspunkt für die anschließende Darstellung der Bewältigungsstrategien psychiatrischer Insassen in „Asyle“ bilden soll. Ein weiterer Unterschied besteht in der für den „Stigma“-Begriff notwendigen Konfrontation zwischen den sogenannten „Normalen“ und den „Stigmatisierten“, wobei das „Stigma“ in der sozialen Situation einer psychiatrischen Anstalt nur eine untergeordnete Rolle spielen kann.
Diese Arbeit liefert keine gegenwartsbezogenen Ergebnisse über die Verhältnisse in totalen Institutionen, zu denen die psychiatrische Anstalt gehört. Goffmans teilnehmende Beobachtung fand in den 50er-Jahren in den USA statt, und auch wenn der Klappentext von „Asyle“ auf eine weit reichende Diskussion um diese Arbeit und daraus folgender neuer praktischer Experimente hinweist , so ist doch auch hier das Auflagedatum (1973) zu berücksichtigen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Stigma – Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identität
- 2.1 Definition Stigma
- 2.2 Soziale Identität und moralischer Werdegang
- 2.3 Persönliche Identität und Informationsmanagement
- 2.4 Ich-Identität und Verhaltenskodizes
- 3 Asyle - Über die soziale Situation psychiatrischer Patienten und anderer Insassen
- 3.1 Totale Institutionen
- 3.2 Stigmatisierung und vorklinische Phase
- 3.3 Identitätsbeschädigungen in der klinischen Phase
- 3.4 Bewältigungstechniken einer beschädigten Identität in der psychiatrischen Anstalt
- 3.5 Sekundäre Anpassung im Central Hospital
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht, wie Insassen psychiatrischer Anstalten ihre Identität bewahren können, ausgehend von Erving Goffmans Werken „Stigma“ und „Asyle“. Die Arbeit analysiert Goffmans Konzepte der sozialen, persönlichen und Ich-Identität im Kontext von Stigmatisierung und den daraus resultierenden Bewältigungsstrategien.
- Identitätsbegriff und -konstruktion
- Goffmans Stigma-Konzept und seine drei Typen
- Soziale Identität und moralischer Werdegang
- Bewältigungsstrategien in totalen Institutionen
- Identitätsverlust und -wiederherstellung in psychiatrischen Anstalten
Zusammenfassung der Kapitel
1 Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der Identitätskrisen ein und erläutert, wie diese durch Diskontinuitäten im Leben entstehen können. Sie betont die extreme Identitätskrise, die mit der Einweisung in eine psychiatrische Anstalt einhergeht und benennt Goffmans „Stigma“ und „Asyle“ als theoretische Grundlage der Arbeit. Der Fokus liegt auf der Frage, wie Insassen ihre Identität in solchen Institutionen bewahren.
2 Stigma – Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identität: Dieses Kapitel untersucht Goffmans Identitätskonzepte (soziale, persönliche und Ich-Identität) im Kontext der Stigmatisierung. Es beginnt mit einer Definition von „Stigma“ nach Goffman, unterscheidet zwischen abstoßenden Körpermerkmalen, individuellen Charakterfehlern und phylogenetischen Merkmalen als Stigmatisierungsgründe. Das Kapitel analysiert den Unterschied zwischen „Normalen“ und „Stigmatisierten“ und hebt die Bedeutung der sozialen Identität und des moralischen Werdegangs für die Stigmatisierung hervor. Es wird zwischen diskreditierten und diskreditierbaren Stigma-Trägern unterschieden und verschiedene Reaktionsmöglichkeiten der Betroffenen auf ihre Situation beleuchtet.
Häufig gestellte Fragen zu: Goffman's "Stigma" und "Asyle" - Identitätsbewältigung in psychiatrischen Anstalten
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht, wie Insassen psychiatrischer Anstalten ihre Identität bewahren, basierend auf Erving Goffmans Werken "Stigma" und "Asyle". Der Fokus liegt auf der Analyse von Goffmans Konzepten der sozialen, persönlichen und Ich-Identität im Kontext von Stigmatisierung und den daraus resultierenden Bewältigungsstrategien.
Welche Themen werden im Einzelnen behandelt?
Die Arbeit behandelt zentrale Themen wie den Identitätsbegriff und dessen Konstruktion, Goffmans Stigma-Konzept mit seinen drei Typen (abstoßende Körpermerkmale, individuelle Charakterfehler, phylogenetische Merkmale), die soziale Identität und den moralischen Werdegang, Bewältigungsstrategien in totalen Institutionen und den Identitätsverlust und die -wiederherstellung in psychiatrischen Anstalten.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit und worum geht es in ihnen?
Die Arbeit gliedert sich in mehrere Kapitel: Kapitel 1 (Einleitung) führt in die Thematik der Identitätskrisen und die extreme Krise durch die Einweisung in eine psychiatrische Anstalt ein. Kapitel 2 ("Stigma") untersucht Goffmans Identitätskonzepte im Kontext der Stigmatisierung, definiert "Stigma" und analysiert die Reaktionen von Stigmatisierten. Kapitel 3 ("Asyle") befasst sich mit der sozialen Situation psychiatrischer Patienten in totalen Institutionen und den Bewältigungsmechanismen einer beschädigten Identität in diesem Kontext.
Welche theoretische Grundlage verwendet die Arbeit?
Die Arbeit basiert auf Erving Goffmans Werken "Stigma: Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identität" und "Asyle: Über die soziale Situation psychiatrischer Patienten und anderer Insassen".
Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, die Bewältigungsmechanismen von psychiatrischen Patienten im Umgang mit Stigmatisierung und Identitätsverlust in totalen Institutionen zu analysieren und zu verstehen, wie sie ihre Identität in diesen herausfordernden Umgebungen bewahren können.
Welche Schlüsselbegriffe sind relevant für das Verständnis der Arbeit?
Wichtige Schlüsselbegriffe sind: Stigma, soziale Identität, persönliche Identität, Ich-Identität, totale Institutionen, Identitätsverlust, Identitätsbewältigung, Bewältigungsstrategien, moralische Karriere, diskretitiert/diskreditierbar.
- Citation du texte
- Diplom Sozialwissenschaftler Tammo Grabbert (Auteur), 2004, Erving Goffmans 'Stigma' und 'Asyle', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133827