Mit der so genannten „Bauernbefreiung“, von der im Staate Preußen ab dem Jahre 1807 die Rede war, sind im Wesentlichen die Stein-Hardenberg´schen Agrarreformen gemeint. Diese wurden im Rahmen der preußischen Reformen etappenweise in den Jahren von 1808 bis 1816 erlassen. Ob dieser positiv konnotierte Begriff sich auch ebenso für die unter Leibeigenschaft gestandenen Bauern auswirkte, ob also die Bauern wirklich befreit wurden, soll hier im Weiteren untersucht werden. Dazu wird eine antifeudale Petition der preußischen Bauern, sowie der weitere Prozess der reformerischen Gesetzgebung untersucht. So soll eine Antwort auf die Frage nach den Auswirkungen der „Bauernbefreiung“ gefunden werden. Einen weiteren Schwerpunkt wird diese Arbeit im thematischen Rahmen der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Agrarreform auf die Rolle der Junker setzen. Sie stellten schon seid dem Mittelalter in Form des privilegierten Landadels eine politisch und wirtschaftlich schwergewichtige Gruppe dar. In Preußen hatten sie sich mithilfe eines “chronisch politischen Kuhhandels“ mit dem Staat, wie ihn Hans Rosenberg treffend betitelte, großen rechtlichen und finanziellen Rückhalt gesichert. Der Staat ließ ihm auf dem Gebiet der Gutsherrschaft freie Hand. Das heißt, sie unterlagen quasi keinem Gesetz, welches sie im Bezug auf ihre Herrschaftsausübung einschränken oder maßregeln hätte können. Sie bekamen darüberhinaus sogar ihre eigene Gerichtsbarkeit zugesprochen: die Patrimonialgerichtsbarkeit. Im Gegenzug für die Ermöglichung ihrer ländlichen Herrschaft mussten sie den Staat finanziell unterstützen. Diese Konstellation führt zu der Frage, welche Rolle der Staat für das Wohlergehen und Fortbestehen der Junker spielte. War es ihre von vielen Historikern gerühmte Anpassungsgabe, oder doch eher die Retablissementsgelder des Staates?
1. Inhaltsverzeichnis
2. Einleitung
3. Ausgangssituation
Die Landwirtschaft in Deutschland
4. Rechtlichen Folgen der „Bauernbefreiung“
Eine „Bauernbefreiung“ unter junkerscher Durchführung?
5. Wirtschaftliche Folgen der „Bauernbefreiung“
Kapitalismus – Klassengesellschaft - Pauperismus
6. Soziale Folgen der „Bauernbefreiung“
Die neue Agrarelite
7. Fazit
8. Quellen- und Literaturverzeichnis
Einleitung
Mit der so genannten „Bauernbefreiung“, von der im Staate Preußen ab dem Jahre 1807 die Rede war, sind im Wesentlichen die Stein-Hardenberg´schen Agrarreformen gemeint. Diese wurden im Rahmen der preußischen Reformen etappenweise in den Jahren von 1808 bis 1816 erlassen. Ob dieser positiv konnotierte Begriff sich auch ebenso für die unter Leibeigenschaft gestandenen Bauern auswirkte, ob also die Bauern wirklich befreit wurden, soll hier im Weiteren untersucht werden. Dazu wird eine antifeudale Petition der preußischen Bauern, sowie der weitere Prozess der reformerischen Gesetzgebung untersucht. So soll eine Antwort auf die Frage nach den Auswirkungen der „Bauernbefreiung“ gefunden werden. Einen weiteren Schwerpunkt wird diese Arbeit im thematischen Rahmen der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Agrarreform auf die Rolle der Junker setzen. Sie stellten schon seid dem Mittelalter in Form des privilegierten Landadels eine politisch und wirtschaftlich schwergewichtige Gruppe dar. In Preußen hatten sie sich mithilfe eines “chronisch politischen Kuhhandels“[1] mit dem Staat, wie ihn Hans Rosenberg treffend betitelte, großen rechtlichen und finanziellen Rückhalt gesichert. Der Staat ließ ihm auf dem Gebiet der Gutsherrschaft freie Hand. Das heißt, sie unterlagen quasi keinem Gesetz, welches sie im Bezug auf ihre Herrschaftsausübung einschränken oder maßregeln hätte können. Sie bekamen darüberhinaus sogar ihre eigene Gerichtsbarkeit zugesprochen: die Patrimonialgerichtsbarkeit. Im Gegenzug für die Ermöglichung ihrer ländlichen Herrschaft mussten sie den Staat finanziell unterstützen. Diese Konstellation führt zu der Frage, welche Rolle der Staat für das Wohlergehen und Fortbestehen der Junker spielte. War es ihre von vielen Historikern gerühmte Anpassungsgabe, oder doch eher die Retablissementsgelder des Staates, die das Überleben des Landadels sicherten?
Die große Mehrheit des Adels war gegenüber der preußischen Reformzeit, die seine Existenz zu bedrohen schien, konservativ, oder sogar reaktionär eingestellt. Fritz Hartung beschreibt den Adel in seiner Verfassungsgeschichte wie folgt: „Er kämpft gegen alles, was seine wirtschaftliche Herrenstellung auf dem Lande bedroht, und begnügt sich dabei nicht mit der Abwehr unmittelbarer Eingriffe in den Bereich seines Rittergutes, sondern wendet sich überhaupt gegen die Tendenzen der Reform, wie aller späteren Anläufe, die Preußens politische und soziale Verfassung weiterbilden wollten.“[2] Die preußischen Könige des 19. Jahrhunderts hielten an dem eben erwähnten „Bündnis mit dem Adel fest, ohne zu erkennen, daß die Führung in diesem Bund immer mehr an den Adel überging.“[3] An dem Einfluss des Adels auf die Politik und damit auf die Reformen ist also nicht zu zweifeln. Auf die Frage ob, oder in welchem Maße die Junker es schafften, die Reform zu verhindern, wird an passender Stelle eingegangen werden. Dazu wird ein Blick auf den königlich-adligen Briefverkehr, sowie auf die Ergebnisse eines Berliner Landtages des Jahres 1811 geworfen werden.
Durch die Darlegung der rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen der „Bauernbefreiung“, sowie der inhaltlich vorangestellten Erklärungen zur landwirtschaftlichen Ausgangssituation Deutschlands, soll ein ausreichend umfangreiches Bild des Falles vermittelt werden. Die Betrachtung des Kontextes, in dem die Reformen stattfanden, ist hier besonders wichtig, da sich die zu behandelnden Fragen eher durch die Hintergründe und Ergebnisse, als aus den konkreten Reformmaßnahmen beantworten lassen.
Die Quellen- und Literaturlage zu diesen Themen ist recht ergiebig. Ein Großteil der Literatur behandelt das Thema der „Bauernbefreiung“ im historisch weiten Kontext. Für den Autor war es deshalb schwierig, Material zu finden, welches sich auf spezielle Ereignisse des Zeitraum von 1807 bis 1816 konzentriert. Eine große Herausforderung lag bei der Zusammenfassung und Gegenüberstellung der unterschiedlichen Thesen der jeweiligen Autoren. Die korrekte Einordnung und Interpretation der besonders aussagekräftigen, oder besser gesagt, extremen Thesen und Quellen ist nur möglich, wenn die politische Richtung der jeweiligen Verfasser berücksichtig werden. Darstellungen über den historischen Weiter- bzw. Gesamtverlauf der Reformen sind in sofern ebenso wichtig und lassen sich deswegen auch im Literaturreportoire des Autors finden.
Ausgangssituation:
Die Landwirtschaft in Deutschland
Zu einer realistischen Einschätzung der Agrarwirtschaft in Deutschland muss sich zu aller erst vor Augen geführt werden, dass es im 18. Jahrhundert „noch keine deutsche Agrargeschichte, nicht mal eine einzelstaatliche Agrargeschichte“[4] gab. Die Heterogenität der deutschen Einzelstaatenmosaiks lies eine solche Entwicklung nicht zu. Aufgrund dessen zieht H.-U. Wehler „ungefähr entlang der Elbe“[5] eine imaginäre Grenze, welche zwei Strukturgebiete voneinander trennt. Auf der westlichen Hälfte herrschte die Grundherrschaft, auf der östlichen die Gutsherrschaft vor. Die Grundherrschaft stellt eine abgemilderte Form des Feudalismus dar. Sie hatte vor allem die ökonomische Sicherung der adligen Lebensführung anhand von Naturalabgaben und Rentenzahlungen neben anderen „lästigen Diensten“[6] zum Ziel. Allerdings schaffte sie es nicht, eine umfassende Grund-, Leib- und Gerichtsherrschaft zu etablieren. Dies war östlich der Elbe anders. Dort basierte die landwirtschaftliche Betriebs- und Arbeitsstruktur auf dem Zwang in Form der grundsätzlichen und traditionellen bäuerlichen Abhängigkeit gegenüber dem Adel.
In “Ostelbien“ gab sich der Großteil des Adels nicht damit zufrieden, durch Rentenzahlungen arbeitsfrei zu leben und sich eher auf politisch/militärische Angelegenheiten zu konzentrieren. Hier bildete sich ein frühes landwirtschaftliches Unternehmertum heraus, welches den eigenen Hof auf Kosten der Bauern zu unterhalten pflegte. Die ostdeutsche Großproduktion erzeugte nicht vorrangig für den, zugegeben kleinen Binnenmarkt. Sie übernahm immer mehr „die Aufgabe des Getreideproduzenten für Zuschußgebiete“[7] Westeuropas. Laut dem preußischen Statistiker Krug[8], wurde um 1800 auf 53% der gesamten Landfläche Getreide angebaut. Der Bauer, welcher den hauptsächlichen Erwirtschafter des genannten Anteils darstellte, konnte zusätzlich zu seinem meist verstreuten und eher minderwertigen Besitz die sog. Allmende voll mitbenutzen. Dies waren gemeineigene Wiesen und Wälder, welche später durch die Mediatisierung umverteilt und nutzbarer gemacht wurden.
Innerhalb des bäuerlichen Standes wurden die sozialen Schichten der Bauern, der unterbäuerlichen Kleinbesitzern und der landlosen Arbeitskräfte unterschieden. Krug schätzte den Anteil der Bauern pro Dorf auf etwa 37,5%. Die Mehrheit der ostdeutschen Gutsbauern stellten wahrscheinlich die erblichen Lassiten dar. Dieser besitzrechtliche Typ wurde so genannt, da er zwar das Erbrecht besaß, jedoch durch die Macht seiner Herren, welchen der Boden, die Gebäude und das Inventar gehörten stark eingeschränkt gewesen ist. Daneben gab es aber auch eine große Anzahl von “unerblichen“ Lassiten. Sie waren Adelsbauern, dessen Nutzungsrecht des Ackerlandes auf ihre Lebenszeit beschränkt war. So stellt das Erbrecht einen großen Vorteil für die erblichen Lassiten dar.
Bei genauer Betrachtung, wird jedoch schnell klar, dass das Erbrecht größtenteils als Erbzwang oder auch Schollenzwang gesehen werden muss. Darüberhinaus machte die Polizeigewalt und die Patrimonialgerichtsbarkeit der Gutsherren, ebenso wie das Verbot einen gewerblichen Beruf anzunehmen, ein Entkommen aus der Abhängigkeit unmöglich. Offiziell sprach man von “Erbuntertänigkeit“. Die Rücksichtslosigkeit, mit der dieses System durchgesetzt wurde „ließ die Zeitgenossen bis ins 19. Jahrhundert unverschnörkelt von Leibeigenschaft reden“.[9]
Rechtliche Folgen der „Bauernbefreiung“
Eine Bauernbefreiung unter junkerscher Durchführung?
Der Prozess der „Bauernbefreiung“ fand seinen Anfang im Oktoberedikt vom neunten Oktober 1807. Die von Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein begonnene, und später von Karl August Freiherr von Hardenberg fortgeführte Reform, hatte die „Ankurbelung und Rationalisierung der Landwirtschaft“[10] zum Ziel.
Friedrich Wilhelm der Dritte, damaliger König von Preußen, verordnet in dem „Edikt den erleichterten Besitz und den freien Gebrauch des Grundeigentums so wie die persönlichen Verhältnisse der Land-Bewohner betreffend“, dass es keine ständischen Berufsschranken mehr geben[11], die Erbuntertänigkeit abgeschafft[12] und der freie Güterverkehr eingeführt werden solle[13]. Die Rechtsstellung eines Großteils der Bevölkerung sollte nun auf lange Sicht geändert werden. Die Erbuntertänigkeit für alle besitzrechtlich gutgestellten Bauern wurde mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Ausgeschlossen wurden hierbei jedoch der Großteil der Gutsbauern, welche eben nicht besitzrechtlich gutgestellt waren. Zu dieser Gruppe gehörten auch die schon erwähnten „Lassiten“ oder Laßbauern. Ihnen wurde die “Freiheit“ innerhalb der nächsten drei Jahre versprochen. Ungeklärt blieb allerdings weiterhin, wie es mit den bäuerlichen Abgaben und Diensten weitergehen sollte.
[...]
[1] Rosenberg, Machteliten und Wirtschaftskinjunkturen: Studien zur neueren deutschen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Göttingen, 1978, S.74.
[2] Hartung, Fritz, Deutsche Verfassungsgeschichte vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Stuttgart , 1959, S. 102.
[3] Ebd.
[4] Wehler, Hans-Ulrich, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, erster Band, München, 1987, S. 71.
[5] ebd.
[6] Wehler, Hans-Ulrich, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, erster Band, München, 1987, S. 72.
[7] Ebd., S. 73.
[8] Ebd., S. 160.
[9] Wehler, Hans-Ulrich, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, erster Band, München, 1987, S. 162.
[10] Fehrenbach, Elisabeth, Vom Ancient Régime zum Wiener Kongress, 5. Auflage, München 2008, S. 116.
[11] Wilhelm, Friedrich III., Edikt, den erleichterten Besitz und den freien Gebrauch des Grundeigentums sowie die persönlichen Verhältnisse der Landbewohner betreffend, Memel, 1807, in: Conze, Werner, Geschichte der deutschen Bauernbefreiung, Berlin/Frankfurt, 1957, §2.
[12] Ebd. §10, §11, §12.
[13] Ebd. §1.
- Arbeit zitieren
- Patrick Jost (Autor:in), 2008, Für die Macht geboren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133770
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.