In der Ankündigung zum Seminar fesselte mich der Satz: Identität ist kein Ding.
Was Identität denn sei, fragte ich mich, und fand nach der Lektüre von Lacans
Text über das Spiegelstadium, dass es sich dabei wirklich keineswegs um ein Ding,
sondern vielmehr um eine Fiktion handeln muss. Lacan beschreibt in seinem Text,
wie sich das Subjekt über sein Spiegelbild konstituiert und dabei einer Täuschung
unterliegt. Das Kleinkind antizipiert sich auf ein Ideal hin und nimmt eine Macht
vorweg, die es nie haben wird - schon gar nicht in diesem frühen Stadium seiner
Entwicklung, in dem es motorisch unterentwickelt und abhängig von elterlicher
Pflege und Fürsorge ist. Gerade diese Bedürftigkeit des Menschen als Nicht-Tier,
seine vorzeitige Geburt, schafft die Not und Notwendigkeit eines überhöhten
Ideal-Ich. Was aber zunächst hilfreiche Verdeckung eines Mangels ist, kann sich
zu einem Panzer verhärten, in dem es für das Subjekt keine Entwicklungsmöglichkeiten
und Spielräume mehr gibt. Das Subjekt hängt dann an seinem
Ideal-Ich, es klebt daran fest, wird davon eingeengt. Dieses Verhaftetsein im
Imaginären des Spiegelstadiums muss aufgelöst werden; bei Lacan geschieht das
über die Vorbildfunktion des Vaters, beziehungsweise eines Dritten, der die
narzißtische Versagung erträglich macht, indem er sie versprachlicht und damit ins
Symbolische einschreibt. Wie in Freuds Geschichte eines kleinen Jungen, der im
Spiel mit einer Garnspule das Weggehen und Wiederkommen seiner Mutter
repräsentiert, ermöglicht auch die Sprache das Spiel von An- und Abwesenheit.
Identität ist in diesem Zusammenhang meines Erachtens auch als ein Spiel zu
begreifen, als Rollenspiel, dem allerdings bestimmte Regeln zugrunde liegen - wie
jedem Spiel. Diese Regeln sind die jeweiligen kulturellen Gesetzmäßigkeiten und
die damit verbundenen Bilder, beziehungsweise Vorbilder. Elisabeth Bronfen
fordert dazu auf, sie als das zu erkennen, was sie sind: „Symbolische Fiktionen,
die zwar notwendig aber nicht allumfassend und ausschließlich sind, und mit
deren Regeln man demzufolge am besten spielerisch umgehen sollte“.1 [...]
1 Bronfen, E.: Eurydikes starke Schwestern. Gedanken zur Krise der Männlichkeit im
Hollywoodkino der 90er Jahre. Online-Text:
http://www.gingko.ch/cdrom/Bronfen_20Elisabeth.asp
Inhaltsverzeichnis
- In der Ankündigung zum Seminar fesselte mich der Satz: Identität ist kein Ding.
- Einen ersten Zugang zur Frage der Identitätsbildung wird Lacans Theorie über das Spiegelstadium bieten.
- Der Mensch ist ein Nicht-Tier
- Ödipales Drama und Kastrationsdrohung
- Kritik der psychoanalytischen Theorien der Ich-Bildung
- Das sinnentlehrte (Spiegel-) Bild
- Jenseits der Identifikation
- Resumée
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit „Die Konstruktion des Ich bei Freud und Lacan: Identität und Ideal“ befasst sich mit der Frage der Ich-Bildung in der Psychoanalyse. Sie analysiert die Theorien von Sigmund Freud und Jacques Lacan, um die Entstehung und Entwicklung von Identität im Kontext der psychoanalytischen Theorie zu beleuchten.
- Das Spiegelstadium und die Entstehung von Identität
- Die Rolle des Vaters und der Sprache im Symbolischen
- Kritik der psychoanalytischen Theorien der Ich-Bildung
- Die Bedeutung des Bildes und der visuellen Kultur für die Identitätsbildung
- Jenseits der Identifikation: Vielheit und das Spiel des Begehrens
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Autorin führt in die Thematik der Ich-Bildung ein und stellt die These auf, dass Identität kein Ding, sondern ein Prozess ist. Sie präsentiert Lacans Theorie des Spiegelstadiums als Ausgangspunkt für die Analyse der Ich-Bildung.
- Lacans Theorie des Spiegelstadiums wird ausführlich dargestellt. Die Autorin erläutert, wie das Kleinkind sich über sein Spiegelbild konstituiert und dabei einer Täuschung unterliegt. Sie betont die Rolle des Imaginären und des Symbolischen in der Entwicklung des Subjekts.
- Die Autorin untersucht die Rolle des Dritten, insbesondere des Vaters, in der Auflösung des narzisstischen Verhaftetseins im Imaginären. Sie bezieht sich dabei auf Freuds Konzept des Ödipalen Dramas und die Bedeutung der Sprache für die symbolische Ordnung.
- Die Autorin kritisiert die psychoanalytischen Theorien der Ich-Bildung, insbesondere die Reduktion der gesellschaftlichen Zustände auf ein Subjekt-Objekt-Verhältnis. Sie bezieht sich dabei auf die Arbeiten von Robert Bösch und Michel Foucault, die die Psychoanalyse als Ausdruck einer bürgerlichen Ideologie deuten.
- Die Autorin analysiert die Rolle des Bildes in der Identitätsbildung. Sie bezieht sich dabei auf die Filmtheorie und die Arbeiten von Laura Mulvey, Annette Brauerhoch und Richard Dyer. Sie zeigt, wie das Bild sowohl identitätsstiftend als auch zugleich Ausdruck einer konstruierten Macht und Ohnmacht sein kann.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Konstruktion des Ich, die Identitätsbildung, das Spiegelstadium, die Psychoanalyse, Freud, Lacan, das Symbolische, das Imaginäre, das Ödipale Drama, die Kastrationsangst, die Kritik der psychoanalytischen Theorien, das Bild, die Filmtheorie und die Rolle der visuellen Kultur in der Identitätsbildung.
- Arbeit zitieren
- Ann-Kathrin Keller (Autor:in), 2003, Identität und Ideal. Zur Ich-Bildung in der Psychoanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13373
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.