Anhand dieser Bachelorarbeit soll die Forschungsfrage beantwortet werden: Wie nehmen schulische Fachkräfte sowie Eltern den sozialen und den beruflichen Status von Schulbegleitungen im Kontext von Leistungsanforderungen und nicht vorhandener beruflicher Professionalisierung wahr? Grundlage für diese Fragestellung ist die steigende Zahl von förderbedürftigen Kindern im allgemeinen Schulsystem, welche zunehmend von Schulassistenzen begleitet werden. Durch eine fehlende Professionalisierung in diesem Bereich sind die Leistungsanforderungen an die Begleitungen nicht definiert. Dies erschwert die Kooperation und führt zu individuellen Anforderungen der Zusammenarbeitenden, die nur selten ausreichend kommuniziert werden.
Diese Form der Zusammenarbeit bestimmt im weiteren Verlauf das Ansehen der Begleitung. Da es über den gesellschaftlichen Status von Schulbegleitungen kaum Studien gibt, wird in dieser Arbeit eine qualitative Studie in Form von drei ExpertInneninterviews durchgeführt. Das Ergebnis zeigt, dass Schulbegleitungen ungeachtet fehlender Fachlichkeit ein hohes Ansehen durch ihre persönlichen Eigenschaften sowie ihren Arbeitseinsatz erlangen können. Die Befragten wünschen sich jedoch Fachlichkeit für diesen Beruf. Zukünftige Studien können Bedarfe für ein Curriculum abfragen, um einen dreijährigen Ausbildungsberuf zu konzipieren.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Schulbegleitung - Integrationsassistenz - SchulhelferIn
2.1 Gemengelage der Begrifflichkeiten
2.2 Was ist Schulbegleitung?
2.3 Die Qualifizierung für Schulbegleitungen
2.4 Empirische Studien zum Thema Fachlichkeit von Schulbegleitungen
2.5 Die Entwicklung von schulischer Inklusion
3. Spannungsfelder
3.1 Spannungsfeld Zusammenarbeit
3.2 Rollendiffusion
3.3 Professionalisierung als Spannungsfeld
3.3.1 Soziologisches Verständnis von Beruf und Profession
3.3.2 Sozialer Status - Beruflicher Status
4. Wahrnehmung der Handlungsbeteiligten
4.1 Die Datenerhebungsmethode
4.1.1 Die Auswahl der ExpertInnen
4.1.2 Der Leitfaden
4.2 Aufbereitung und Auswertung
4.3 Die qualitative Inhaltsanalyse und die qualitativen Gütekriterien nach Mayring
4.4 Die Forschungsergebnisse
4.4.1 Die Leistungsanforderungen
4.4.2 Die Professionalisierung
4.4.3 Der berufliche Status
4.4.4 Der Verdienst
4.4.5 Der soziale Status
5. Interpretation der Ergebnisse
5.1 Erkenntnisse aus den Interviews
5.2 Auswertung der Ergebnisse
5.2.1 Das Anforderungsprofil
5.2.2 Die Statusattribution
5.3 Erkenntnisse außerhalb der Forschungsfrage
5.4 Methodenkritik
6. Fazit
Literatur- und Quellenverzeichnis
Anhangsverzeichnis
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Personen bedanken, die maßgeblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben.
Mein besonderer Dank gilt meinem Betreuer Prof. Dr. Fabian van Essen für die kontinuierliche Begleitung, die investierte Zeit bei all meinen Fragen und das offene Ohr bei allen Problemen und Unsicherheiten.
Ein großes Dankeschön geht an die ExpertInnen, die sich für die Befragung zur Verfügung gestellt haben.
Ebenfalls bedanke ich mich bei Andreas Lennartz für das Korrekturlesen sowie bei Judith Iwunna und Anja Pethke für das Lektorat und die konstruktive Kritik, die mir geholfen hat, meine Arbeit zu vollenden.
Von Herzen danke ich meiner Familie, die in dieser Zeit immer für mich da war und mich emotional unterstützt hat. Im Besonderen danke ich Bastian Lennartz für die fortwährenden hilfreichen Rückmeldungen zu meiner Arbeit.
Vielen Dank euch allen!
Abstract
Anhand der vorliegenden Bachelorarbeit soll die Forschungsfrage beantwortet werden: Wie nehmen schulische Fachkräfte sowie Eltern den sozialen und den beruflichen Status von Schulbegleitungen im Kontext von Leistungsanforderungen und nicht vorhandener beruflicher Professionalisierung wahr? Grundlage für diese Fragestellung ist die steigende Zahl von förderbedürftigen Kindern im allgemeinen Schulsystem, welche zunehmend von Schulassistenzen begleitet werden. Durch eine fehlende Professionalisierung in diesem Bereich sind die Leistungsanforderungen an die Begleitungen nicht definiert. Dies erschwert die Kooperation und führt zu individuellen Anforderungen der Zusammenarbeitenden, die nur selten ausreichend kommuniziert werden. Diese Form der Zusammenarbeit bestimmt im weiteren Verlauf das Ansehen der Begleitung. Da es über den gesellschaftlichen Status von Schulbegleitungen kaum Studien gibt, wird in dieser Arbeit eine qualitative Studie in Form von drei ExpertInneninterviews durchgeführt. Das Ergebnis zeigt, dass Schulbegleitungen ungeachtet fehlender Fachlichkeit ein hohes Ansehen durch ihre persönlichen Eigenschaften sowie ihren Arbeitseinsatz erlangen können. Die Befragten wünschen sich jedoch Fachlichkeit für diesen Beruf. Zukünftige Studien können Bedarfe für ein Curriculum abfragen, um einen dreijährigen Ausbildungsberuf zu konzipieren.
Schlüsselwörter: Schulbegleitung, Leistungsanforderung, Professionalisierung, Status, Kinder mit Förderbedarf
Abstract English
This bachelor thesis aims to answer the research question: How do school professionals and parents perceive the social and professional status of teaching assistents in the context of performance requirements and non-existent professionalisation? The basis for this question is the increasing number of children with special needs in the regular school system, who are increasingly accompanied by teaching assistents. Due to a lack of professionalisation in this area, the performance requirements for the accompanists are not defined. This makes cooperation more difficult and leads to individual requirements of those working together, which are rarely sufficiently discussed. This form of cooperation determines the reputation of accompaniment in the further course. Since there are hardly any studies on the social reputation of teaching assistents, a qualitative study in form of three expert interviews was conducted in this study. The results show that teaching assistents can achieve a higher status based on their personality and their work commitment in spite of a lack of professionalism. However, the respondents would like to see professional competence in this profession. Future studies could take a look on needs for a curriculum in order to design a profession based on a three-year training.
Keywords: teaching assistents, performance requirement, professionalisation, status, children with special needs
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Seit Inkrafttreten der Behindertenrechtskonvention (BRK) im Jahr 2009 stehen die deutschen Bundesländer vor der Herausforderung, die nötigen Voraussetzungen bezüglich der gemeinsamen Beschulung von SchülerInnen mit und ohne Förderbedarfen in das allgemeine Schulsystem zu implementieren (BRK, 2009, Art. 24; Laubner et al., 2022, S. 7-8). Zukünftig soll das Förderschulsystem abgeschafft und durch eine gemeinsame individuelle Beschulung abgelöst werden (Helbig et al., 2021, S. 2-6). Durch die rechtlichen Grundlagen einer gemeinsamen Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Förderbedarf sowie eine momentan stagnierende inklusive Schulentwicklung steigt zunehmend der Bedarf an Unterstützungsleistungen im Regelschulsystem (Badstieber, 2017, S. 201-203; Dworschak & Lindmeier, 2022, S. 153; Thiel, 2022, S. 30). Um das Fehlen von heil- und sonderpädagogischem Personal auszugleichen, wächst die Nachfrage an SchulassistentInnen, um eine inklusive Regelbeschulung zu ermöglichen (Arndt et al., 2017, S. 225-237; Ziemen, 2017, S. 101-102). Lehrkräfte erleben eine zunehmende Überforderung bei der Beschulung von SchülerInnen mit Förderbedarfen, da im Lehramtsstudium keine sonderpädagogischen Fachkenntnisse vermittelt werden (Reich, 2014, S. 63-67). Daher fehlt es ihnen an Fertigkeiten in der Beschulung bezüglich der speziellen Bedürfnisse von eingeschränkten Kindern und Jugendlichen sowie an der Sensibilität im Umgang mit SchülerInnen mit Förderbedarfen (Laubner et al., 2022, S. 7-8). Aus diesem Grund macht sich das Sozialsystem die Unterstützungsleistung in Form von Schulbegleitungen zu Nutze. Als ein Modell der gesetzlich geregelten Eingliederungshilfe werden Schulbegleitungen in den Schulen eingesetzt, um Kinder mit Förderbedarfen im schulischen Alltag zu unterstützen. Angesichts der steigenden Zahlen von SchülerInnen mit Förderbedarfen, die an Regelschulen unterrichtet werden, steigt auch die Anzahl von Schulbegleitungen im Schulkontext (KMK, 2020, S. 20; Lübeck & Demmer, 2022, S. 13-16). Jedoch herrschen bundesweit keine einheitlichen Vorgaben, die die Ausübung dieser Beschäftigung betreffen, da es sich bisher um kein bestätigtes Berufsbild handelt (Dworschak & Markowetz, 2019, S. 195-207). Die Einstellungsvoraussetzungen für Schulbegleitungen fangen bei ungelernten Kräften an und hören bei pädagogischen Fachkräften auf. Da selbst pädagogische Fachkräfte in den speziell benötigten Förderbereichen keine gesonderte Fachkenntnis besitzen, werden auch diese, wie die ungelernten Kräfte, als Assistenzen eingestuft und im Niedriglohnsektor bezahlt. Es handelt sich um eine Beschäftigung, für die es keine Ausbildung und kein Studium gibt. Sie dient als Ressource auf dem Weg in ein inklusives Bildungssystem, bei der die MitarbeiterInnen, trotz fehlender Professionalisierung, über eine hohe Fachkompetenz und Feinfühligkeit im Umgang mit eingeschränkten Kindern und Jugendlichen verfügen sollen (Laubner et al., 2022, S. 7-8; Lübeck & Heinrich, 2019, S. 5-27). Dieses Anforderungsprofil ist als hochkomplex einzustufen. Jedoch mangelt es durch die fehlende Professionalisierung an einer differenzierten Rollenzuweisung der beschäftigten SchulbegleiterInnen. Daher ist kritisch zu hinterfragen, ob die Schulbegleitung ein Werkzeug für eine gelingende inklusive Schulentwicklung darstellt und ob so die rechtliche Grundlage eines jeden Kindes auf Beschulung im Regelschulsystem sinnvoll umgesetzt werden kann. Durch die nicht vorhandene Professionalisierung fehlen ebenfalls klar definierte Leistungsanforderungen. Ein feststehendes Kompetenzprofil bildet jedoch die Grundlage für eine gelingende multiprofessionelle Zusammenarbeit im Schulgefüge (Dworschak & Markowetz, 2019, S. 195-207). Das unklare Anforderungsprofil und die nicht definierte berufliche Rolle führen zu einer Überforderung der Beteiligten innerhalb der Zusammenarbeit zwischen Begleitungen, Lehrenden und Eltern. Dies bringt Irritationen und Schwierigkeiten mit sich und die Inklusion von SchülerInnen in das Regelschulsystem wird dadurch erschwert. Darüber hinaus führt dies zu einer Verunsicherung der Begleitungen selbst (Meyer et al., 2022, S. 77-88). Wie fühlt es sich an, eine nicht klar definierte Arbeitsleistung erbringen zu wollen und auch zu sollen, jedoch in diesem Berufsbild gar nicht oder nur unzureichend geschult zu sein? Mit dieser Ausgangslage bleibt weiterhin völlig unklar, ob ein förderbedürftiges Kind eine adäquate Hilfeleistung für die Eingliederung in das inklusive Schulsystem erhalten kann. Die Begleitung befindet sich in einer Diskrepanz der Kompetenzlage. Diese Diskrepanz führt zu einer nicht zuzuordnenden Rolle im Team der Zusammenarbeitenden (ebd.). Aus gesellschaftlicher und historischer Sicht definieren sich Menschen seit Generationen über ihre berufliche Stellung und den Beruf mit seiner erworbenen Fach- lichkeit selbst (Abels, 2018, S. 281-283; Schäfers, 2019, S. 111). Eine differenzierte und lang andauernde Berufsausbildung sorgt für spezielle Fertigkeiten in einem einzelnen beruflichen Gebiet. Die besondere Beruflichkeit ist die Professionalität in diesem bestimmten Bereich, welche durch Wissen und Können gekennzeichnet ist (Nittel, 2002, S. 256). Diese Fachlichkeit, erworben durch eine Qualifizierung beruflicher Fertigkeiten, sorgt für ein entsprechendes finanzielles Auskommen und ein dementsprechendes Ansehen in der Gesellschaft (Abels, 2018, S. 281-311). Über diese beruflichen Fertigkeiten erfolgt eine gesellschaftliche Statuszuschreibung. Fraglich ist somit, welchen Status Schulbegleitungen ohne klar definiertes Berufsbild zugeschrieben bekommen und wie sie bei den Zusammenarbeitenden sowie in der Gesellschaft angesehen werden (Koepper, 2020, S. 85). Die vorliegende Bachelorarbeit untersucht das Anforderungsprofil, welches an Schulbegleitungen gestellt wird sowie die dazugehörenden rechtlichen Rahmenbedingungen der Maßnahme Schulbegleitung. Des Weiteren wird die Möglichkeit und die Sinnhaftigkeit einer Professionalisierung von Schulbegleitung diskutiert. Mithilfe soziologischer Grundlagen wird der berufliche und der soziale Status der Schulbegleitung in der Gesellschaft erläutert und weiterführend die Form der Zusammenarbeit im Schulkontext beleuchtet. Da es über das gesellschaftliche Ansehen von Schulbegleitungen keine direkten Studien gibt, wird im letzten Teil der Arbeit eine qualitative Studie in Form von ExpertInneninterviews durchgeführt. Befragt werden drei Personen, eine Lehrerin, ein Schulbegleiter und eine Mutter, deren Sohn seit der Einschulung begleitet wird. Die Auswertung dieser Interviews erfolgt mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse, um im Anschluss im Rahmen der recherchierten Literatur und den Ergebnissen dieser Studie die Frage zu beantworten:
Wie nehmen schulische Fachkräfte sowie Eltern den sozialen und den beruflichen Status von Schulbegleitungen im Kontext von Leistungsanforderungen und nicht vorhandener beruflicher Professionalisierung wahr?
2. Schulbegleitung - Integrationsassistenz - SchulhelferIn
2.1 Gemengelage der Begrifflichkeiten
Aus historischer Sicht ist die Begleitung von Kindern mit Förderbedarfen auf die 1980er Jahre zurückzuführen (Knuf, 2013, S. 93). Als zusätzliches, nicht lehrendes Personal im Klassengefüge verhelfen erwachsene Personen, durch Übernahme von pflegerischen Tätigkeiten, eingeschränkten Kindern und Jugendlichen zu einer Unterrichtsteilnahme. Angesichts der Zunahme förderbedürftiger Kinder im Schulbetrieb wird dieser Unterstützungsbereich im Rahmen der Kinder und Jugendhilfe in den 1990er Jahren ausgeweitet. Im Kontext dieser ansteigenden Entwicklung von SchülerInnen mit Förderbedarfen an Regelschulen werden weitere Unterstützungsleistungen in der Schule erforderlich (Lübeck & Demmer, 2022, S. 13-16). Da die Schulen keine ausreichenden inklusiven Ressourcen besitzen, um Kinder und Jugendliche mit Einschränkungen sachgerecht bedienen zu können, wird den Erziehungsberechtigten eine Assistenzkraft für ihr förderbedürftiges Kind empfohlen. In der Praxis sowie in der Forschung werden für die Assistenzleistung innerhalb der Schule unterschiedliche Begriffe genutzt (Demmer et al., 2017, S. 14). Diese Vielfältigkeit in den Begrifflichkeiten sorgt für Verwirrung. Gebraucht werden Bezeichnungen wie: Schulassistenz, Schulbegleitung, Integrationskraft oder Integrationsassistenz sowie SchulhelferIn (ebd., S. 33-34). Den Erziehungsberechtigten stellt sich hier die Frage, wo genau die Unterschiede liegen und welche Assistenzkraft für ihr Kind die Richtige ist. Gibt es überhaupt Unterschiede oder verbirgt sich hinter den Begriffen dasselbe? Entstanden sind die vielen Bezeichnungen durch das Auftreten von „Nicht-Lehrkräften“ innerhalb der Schule. Kompliziert wird es, wenn die Begrifflichkeiten in Bezug zum schulischen Kontext und vor allem in Bezug zur nun entstehenden inklusiven Schulentwicklung gesetzt werden (ebd.). Schulassistenz wirkt doppeldeutig, denn wie genau definiert sich die Assistenzleistung und wer bekommt diese? Selbiges gilt bei dem Begriff SchulhelferIn. Fraglich ist, wer an dieser Stelle einer Hilfeleistung bedarf, die Schule auf dem Weg in ein inklusives Schulsystem oder förderbedürftige SchülerInnen mit Unterstützungsbedarf bezüglich der Teilnahme am Unterricht in einer Regelschule. Von juristischer Seite bietet die gesetzliche Grundlage des Sozialgesetzbuches (SGB) keine formal benannte Bezeichnung für diesen Beruf. Zudem werden auf rechtlicher Basis durch föderalistisch bedingte kommunale Unterschiede abweichende Erklärungen vorgenommen von dem, was die Assistenzleistung bedeutet. Alle entstandenen Begrifflichkeiten implizieren versteckte Ambivalenzen und Fehldeutungen (ebd.). Da es zum jetzigen Zeitpunkt keinen offiziellen Terminus gibt, werden in dieser Arbeit die Begriffe Schulbegleitung, Begleitung sowie Schulassistenz verwendet. Diese Begriffe wirken im Kontext der Arbeit passend, da es bis heute keine eindeutige Klärung gibt, wer tatsächlich einer Hilfeleistung bedarf, unterstützungsbedürftige eingeschränkte SchülerInnen oder Regelschulen auf dem Weg zur inklusiven Schule (Lübeck & Heinrich, 2019, S. 9).
2.2 Was ist Schulbegleitung?
Dworschak definiert die Unterstützungsleistung in Form von Schulbegleitung wie folgt: „Ein/e Schul- begleiter/in bzw. ein/e Integrationshelfer/in begleitet Kinder und Jugendliche, die auf Grund besonderer Bedürfnisse im Kontext Lernen, Verhalten, Kommunikation, medizinischer Versorgung und/oder Alltagsbewältigung der besonderen und individuellen Unterstützung bei der Verrichtung unterrichtlicher und außerunterrichtlicher Tätigkeiten bedürfen“ (Dworschak, 2012, S. 6). Dworschaks Definition zeigt, dass es keine ausdifferenzierte Definition ist, die besagt, was eine Begleitung in ihrem Tätigkeitfeld genau für Aufgaben übernimmt. Wie genau stellt sich diese Begleitung im schulischen Alltag dar? Um diese Frage zu beantworten, werden zunächst die rechtlichen Grundlagen, die als Voraussetzung zur Schulbegleitung dienen betrachtet.
Rechtliche Grundlagen
Die rechtlichen Grundlagen zur Bewilligung von Schulbegleitung basieren auf der 2009 von Deutschland ratifizierten Behindertenrechtskonvention (BRK, 2009, Art. 24). Im deutschen Recht finden sich die entsprechenden Paragrafen im SGB in den Büchern VIII „Kinder und Jugendhilfe“ und IX „Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung“ (Laubner et al., 2022, S. 7-8). Hier definiert der Gesetzgeber die Form, den Umfang sowie die Ziele der Leistung (Thiel, 2022, S. 30-35). Unterschieden werden die Leistungsträger nach Art der vorhandenen Einschränkung des zu fördernden Kindes. Bedarfe aus dem Bereich der seelisch behinderten oder von Behinderung bedrohten SchülerInnen werden nach Paragraf 35a SGB VIII über die Jugendhilfe bewilligt. Alle Bedarfe im Rahmen einer geistigen, körperlichen oder mehrfachen Einschränkung werden auf Grundlage des Paragrafen 112 SGB IX abgewickelt. Bundesweit gibt es im Bewilligungsverfahren keine Vereinheitlichung (SGB IX § 94). Im Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) z.B. werden letztere über die Sozialhilfe abgewickelt (ebd.). Die Assistenzleistung in Form von Schulbegleitung ist nach dem Gesetzgeber eine nachrangige Leistung zur Teilhabe am Bildungssystem (SGB IX § 91). Sie kommt erst zum Tragen, wenn alle anderen eingesetzten Maßnahmen in der Unterstützung des zu fördernden Kindes erfolglos bleiben (BASS, 2016, § 14; Thiel, 2022, S. 30-35). Ein attestierter sonderpädagogischer Förderbedarf führt somit nicht in jedem Fall zu einer Bewilligung der begleitenden Assistenz. Entscheidend im Beantragungsverfahren ist, dass gleichzeitig mehrere Wege von Schule und Eltern bzw. gesetzlich Vertretenden gegangen werden müssen, um Schulassistenz zu erhalten. Der festgestellte sonderpädagogische Förderbedarf wird auf Grundlage der Schulgesetzgebung erlassen, die Schulassistenz im speziellen wird jedoch von der gesetzlichen Eingliederungshilfe bewilligt. Diese unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen vereint keine gemeinsame Definition von Behinderung, Bedarfen, Unterstützungsleistungen sowie der Form von Hilfe und Teilhabe eingeschränkter SchülerInnen (ebd.). Der Ablauf des Beantragungsverfahrens, um eine Schulbegleitung zu erhalten, ist in der nachstehenden Abbildung dargestellt:
Abb. 1: Das Beantragungsverfahren einer Schulbegleitung
Eltern stellen formlosen Antrag auf Schulbegleitung beim Jugend- oder Sozialamt
Jugend- bzw. Sozialamt führt Gespräche mit der Familie und ggf. mit der Schule Diagnostische Gutachten werden in Auftrag gegeben Schulbericht über den benötigten Hilfebedarf wird angefordert
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Beantragungsverfahren einer Schulbegleitung eigene Darstellung (in Anlehnung an Lübeck, 2019, S. 10)
Um Schulbegleitung zu erhalten, stellen die gesetzlich Vertretenden zunächst einen formlosen Antrag beim zuständigen Kostenträger (Jugend- oder Sozialhilfe) (Thiel, 2022, S. 35). Miteinzureichen sind ärztliche und/ oder psychiatrisch diagnostische Gutachten, in welchen bestätigt wird, dass eine seelische, geistige oder körperliche Behinderung oder eine entstehende Behinderung vorliegt sowie ein Bericht der Schule mit einer differenzierten Beschreibung der benötigten Hilfeleistung und einer Begründung, warum die Ressourcen der Schule in diesem Fall für die Beschulung nicht ausreichen. Im Antragsverfahren wird aufgrund der vorliegenden Diagnosen auf die „Beeinträchtigung im schulischen Kontext“ weiter spezifiziert, um herauszufinden, welche Form der Hilfe- bzw.
Teilhabeleistung in dem speziellen Einzelfall angemessen ist. Die entsprechende Teilhabeleistung wird in Form eines Bewilligungsbescheides (Kostenzusage) von der zuständigen Behörde ausgestellt und umfasst die Art, die Dauer und den Umfang der Gesamt- bzw. Hilfeplanung. Die Art der Teilhabeleistung ist in diesem Fall die Schulbegleitung (ebd.). Mit diesem Bescheid haben Eltern die Möglichkeit eine Schulbegleitung über einen sozialen Leistungserbringer zu beauftragen. Nach einem Kennenlerngespräch und ggf. Hospitationen in der Schule erhält die Begleitung nach Zusage der Eltern einen entsprechenden Arbeitsvertrag für den bewilligten Zeitraum der Betreuung. Die Dauer der Unterstützungsleistung umfasst in der Regel ein Schulhalbjahr oder ein Schuljahr (Thiel, 2022, S. 30-35). Der Umfang mit den dazugehörenden Zielen beruht auf den rechtlichen Grundlagen des SGB sowie auf den speziell durch die Behinderung ausgelösten Erfordernissen. Diese Ziele werden schriftlich festgelegt. In rhythmisch wiederkehrenden Hilfeplangesprächen, an welchen alle Zusammenarbeitenden teilnehmen, werden diese sowie die dazugehörende Zielerreichung neu besprochen, so dass der vorhandene und neu entstehende Bedarf angepasst werden kann (ebd.).
Aufgaben und Ziele
Die Aufgaben, die eine Schulbegleitung übernimmt, werden aus formal juristischer Sicht durch den Kostenträger im Hilfeplangespräch fixiert. Grundsätzlich handelt es sich bei dem Phänomen Schulbegleitung um ein endliches Konstrukt (Lübeck & Heinrich, 2019, S. 25-27). Eine Schulbegleitung soll lediglich als Hilfe zur Selbsthilfe angeboten werden, damit für die begleiteten SchülerInnen in der Zukunft alleiniges selbstbestimmtes Leben ermöglicht wird. Im Idealfall kann die Assistenzleistung im Laufe der Zeit minimiert werden, bis sie sich überflüssig macht. Das begleitete Kind wird nun selbstständig, ohne Assistenz, die Schule besuchen. Aus diesem Grund erfolgt die Bewilligung seitens des Kostenträgers nur für maximal ein Jahr (Thiel, 2022, S. 30-35). Eine Schulbegleitung ebnet bestenfalls den Weg innerhalb der Regelschule. Dadurch verhindert sie Schulabbrüche und hilft Schulabschlüsse anzustreben (Demmer et al., 2017, S. 37). Sie ermöglicht selbstbestimmte Teilhabe und unterstützt die Verwirklichung einer inklusiven Schulentwicklung. Eine konkrete Umsetzungsbeschreibung zur Erreichung dieses Ziels gibt es jedoch nicht. Die entsprechend zu leistenden Aufgaben im Kontext Schule orientieren sich jeweils an den Anforderungen des Kostenträgers, des sozialen Trägers, der Lehrenden und der Eltern, die diese als individuelle Vorstellung an die Begleitung richten. Es wird zwischen verschiedenen Formen in der Art der Betreuung unterschieden (ebd.).
Modelle von Schulbegleitung
Die am weitesten verbreitete Form der Schulbegleitung ist die sogenannte 1:1 Betreuung (Thiel, 2022, S. 30-38). Aufgrund des vorliegenden Bewilligungsbescheides des zuständigen Kostenträgers sowie der Ausübung des Wunsch- und Wahlrechts der Eltern wird eine Schulbegleitung über einen Vermittler, in der Regel ein sozialer Träger, der Schulbegleitungen in seinem Team beschäftigt, für ein zu begleitendes Kind beauftragt. Die Auswahl erfolgt meist über ein Kennenlerngespräch und/ oder einer Hospitation der möglichen Begleitung in der Schule (ebd.). Andere Möglichkeiten, wie z.B. selbstständige Assistenzen, oder Finanzierung einer Schulbegleitung über das „Persönliche 6
Budget“ (SGB IX § 29), sind eher selten und werden daher in dieser Arbeit vernachlässigt. Schulen, die einen großen Bedarf der personellen Ressource Schulbegleitung aufweisen, nutzen das sogenannte Poolmodell (Thiel, 2022, S. 30-38). Im Poolmodell betreut eine Assistenz mehrere Kinder einer Klasse oder innerhalb einer Schule. Diese Zusammenarbeit wird ausgeweitet durch ein personell aufgestelltes Team von Begleitenden, die flexibel innerhalb dieser einen Schule eingesetzt werden. So werden anspruchsberechtigte Kinder in der Betreuung gebündelt. Vorteilhaft an diesem Modell ist, dass im Krankheitsfall eine Betreuung durch das Team von Begleitungen abgedeckt ist und alle Kinder weiterhin beschult werden können. Die multiprofessionelle Zusammenarbeit wächst durch beständig anwesendes Personal und eine größere Möglichkeit sich im Team mit den Lehrenden sowie den Erziehungsberechtigten auszutauschen. Die Anzahl der anwesenden Erwachsenen im Klassengefüge wird reduziert (ebd.). Durch eine nicht vorhandene individuelle Zuweisung der Betreuung zu einem einzelnen Kind werden Stigmatisierungen und Ausgrenzungen vorab unterbunden (Demmer et al., 2017, S. 24). Nachteilig ist, dass für die Eltern das Wunsch- und Wahlrecht sowie die Möglichkeit einen Individualanspruch geltend zu machen entfällt (Thiel, 2022, S. 35-36). Eltern müssen sich mit einer Gruppenbetreuung einverstanden erklären. Die Grundlage für diesen Verzicht auf individuelle Betreuung ist jedoch freiwillig. Es handelt sich hierbei um eine Gesamtleistung, die von einem sozialen Anbieter in Kooperation mit der Schule erbracht wird. Diese Form der Kooperation bedarf einer engmaschigen Zusammenarbeit zwischen Schulleitung, sozialem Anbieter und Kostenträger. Nur so ist zu gewährleisten, dass die vom Kostenträger beauftragten Leistungsvereinbarungen sowie die dazu gehörenden Aufgaben der Assistenz klar beschrieben sind und umgesetzt werden (ebd.). Fehlen diese differenzierten Beschreibungen und Zuweisungen für die begleitende Kraft, verschwimmen die Grenzen von bedarfsgerechter Unterstützung zur Hilfs- bzw. NachhilfelehrerInnen innerhalb einer Kleingruppenbetreuung (Demmer et al., 2017, S. 23-25).
Leistungsanforderungen an Schulbegleitungen
Angesichts dieser fehlenden Definition ergeben sich individuelle Anforderungsvorstellungen der Zusammenarbeitenden. Diese individuellen Vorstellungen beinhalten Unterschiede wie auch Gemeinsamkeiten (Billerbeck, 2022, S. 55-56). Gemeinsamkeiten im Anforderungsdenken sind z.B., dass die Begleitung je nach Bedarf zusätzlich zur Betreuung innerhalb der Schule auch die Betreuung auf dem Schulweg übernimmt. Auch Klassenfahrten, Pausenzeiten, Arbeitsgemeinschaften und der Besuch der Ganztagsschule können mitbewilligt werden. Die Betreuung umfasst allgemeine pflegerische Tätigkeiten, wie z.B. das Bewegen eines Rollstuhls im Schulgebäude, Hilfe beim An- und Auskleiden im Sport- und Schwimmunterricht sowie Hilfestellungen bei der Nahrungsaufnahme und Toilettengängen (Billerbeck et al., 2022, S. 180). Sie beinhaltet soziale und emotionale Unterstützung, wie z.B. die Orientierung auf dem Schulgelände, Kommunikationshilfen und Anleitung im Sozialverhalten in der Einhaltung von Regeln, der Wahrnehmung und der Interaktion zwischen den SchülerInnen. Die Begleitung vermittelt Kontinuität, Vertrauen und Sicherheit, um ggf. die Frustrationstoleranz des begleiteten Kindes zu erhöhen, um deeskalierend oder beruhigend in stressbelasteten Situationen einzugreifen. Im Anforderungsprofil finden sich auch Aufgaben, die ausschließlich nur für eine Profession, wie z.B. den sozialen Träger, der als Arbeitgeber fungiert, erfüllt werden müssen. Hierbei handelt es sich um Anforderungen, die nicht direkt in der Interaktion mit dem zu betreuenden Kind liegen, sondern im Anschluss an den Schulalltag durchgeführt werden. Dazu gehört u.a. die monatliche Erstellung eines Entwicklungsberichtes, der als Grundlage für eine Weiterbewilligung oder die Beendigung der Bewilligung des Kostenträgers dient, die Teilnahme an Elternabenden in der Schule oder die Teilnahme an Hilfeplangesprächen mit dem Kostenträger (ebd.). Die Leistungsanforderungen und Aufgaben sind in der nachfolgenden Abbildung detailliert dargestellt:
Abb. 2: Leistungsanforderungen an Schulbegleitungen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Mindmap Leistungsanforderungen an Schulbegleitungen, eigene Darstellung in Anlehnung an die Zusammenstellung von Eva-Maria Geist (Billerbeck et al., 2022, S. 180).
Die Abbildung zeigt analog zu Dworschaks Definition der Schulbegleitung, dass es sich um ein breitgefächertes Tätigkeitsspektrum, bezogen auf pflegerische, pädagogische, lehrtätige sowie organisatorische Aspekte, die im Kontext Schule bei beeinträchtigten SchülerInnen in jedweden Bereichen durch die Begleitungen ausgeführt werden, handelt (Dworschak, 2012, S. 18-21). Dieses umfassende Anforderungsprofil und die dazugehörenden, jeweils individuell durch die unterschiedlichen Parteien zugewiesenen Rollen im berufsbedingten Kontext, birgt eine große Gefahr für Spannungsfelder zwischen den Zusammenarbeitenden (Billerbeck et al., 2022, S. 180; Demmer et al., 2017, S. 38). Anforderungen an Schulassistenzen in den Bereichen Kommunikation und sozioemotional herausfordernde Verhaltensweisen erfordern in der Regel pädagogisch ausgebildetes Fachpersonal. Dieses verfügt über eine mehrjährige Ausbildung oder Studium, um so komplexe Situationen aus der Interaktion im Schulgefüge zu erfassen und Handlungsabläufe, die z.B. durch traumatische Erfahrungen ausgelöst werden, zu verstehen und diese durch fachbezogene Kompetenz pädagogisch aufzulösen (Billerbeck, 2022, S. 53-66; Demmer et al., 2017, S. 59-65). Deutschlandweit gibt es keine Vereinheitlichung im Anforderungsprofil an eine Schulbegleitung. Jedes Bundesland regelt dies regional bzw. kommunal individuell. Die einzig nennenswerte Gemeinsamkeit im deutschlandweiten Anforderungsprofil für Schulassistenzen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist die Darbietung eines polizeilichen Führungszeugnisses (Demmer et al., 2017, S. 60). Aus diesem Grund entsteht ein heterogenes Bild des beschäftigten Personals in diesem Bereich. Eingesetzt werden pädagogische und medizinische Fachkräfte, ErzieherInnen, Hausfrauen und Hausmänner, Absolvierende des Bundesfreiwilligendienstes, Studierende oder auch Hartz-IV-EmpfängerInnen zur Wiedereingliederung in das Arbeitsleben (Lindemann & Schlarmann, 2016, S. 265). Aufgrund dieser nicht näher definierten Standards in der Qualifikation, ist auch die Bezahlung dieser Arbeitskräfte nicht einheitlich geregelt. Überwiegend sind sie daher im Niedriglohnsektor angesiedelt. In Nordrhein-Westfalen werden die genannten Personengruppen an soziale Träger vermittelt, die entsprechende Qualifizierungskurse mit Grundkenntnissen zum Thema Inklusion und Menschen mit Behinderung anbieten (AWO-EN, 2018; BMBF, o. J.; G.I.B., 2022).
2.3 Die Qualifizierung für Schulbegleitungen
Eine Qualifizierung in dieser Form ist dennoch keine zwingende Voraussetzung, um in diesem Beruf zu arbeiten (Lübeck & Demmer, 2022, S. 14-16). Die formal rechtliche Grundlage basiert auf dem Fachkräftegebot § 72 SGB VIII sowie § 97 SGB IX (Billerbeck, 2022, S. 53-54). Aufgrund des hohen Personal- und Fachkräftemangels wird den Kommunen jedoch ein Entscheidungsspielraum gewährt. Je nach Bundesland wird hierbei unterschieden: Im Raum Hannover benötigt eine eingesetzte Schulbegleitung bspw. nach Bewilligung auf Grundlage des Paragrafen 35a SGB VIII eine zweijährige pädagogische Ausbildung. In NRW hingegen ist eine etwaige Qualifizierung für diesen Beruf nicht näher definiert. Soziale Träger sowie Arbeitsvermittlungsagenturen bieten für den Einstieg in den Beruf eine „Fortbildung“ an (AWO-EN, 2018, 2022). Diese Fortbildungen unterliegen keinem allgemeingültigen Curriculum (Carle, 2017, S. 37-39). Gelehrt werden in der Regel pädagogische Grundkenntnisse aus dem Erziehungs- sowie Heilerziehungspflegebereich sowie rechtliche und pflegerische Grundkenntnisse. Die Arbeiterwohlfahrt im Ennepe-Ruhr-Kreis (AWO-EN) bietet z.B. eine Qualifizierung über nahezu drei Monate an, mit einem Umfang von 390 Unterrichtsstunden inklusive eines zweiwöchigen Praktikums (AWO-EN, 2018, 2022). Die Inhalte werden aufgrund der Kürze der Fortbildung nur oberflächlich vermittelt, sodass eine Qualifizierung mit dieser Fortbildung zwar hilfreich ist, um jedoch in diesem Beruf zu arbeiten keine anerkannte fachliche Eignung darstellt (Böing, 2017, S. 191-192). Das bayrische Kultus- und Staatsministerium für Unterricht hält eine berufliche Qualifizierung im pädagogisch-erzieherischen sowie im pflegerischen Bereich für die Ausübung von Schulbegleitung für nicht erforderlich, da es sich um eine Einzelfallhilfe handelt (Dworschak, 2012, S. 5-26; Dworschak & Markowetz, 2019, S. 195-207). Eine pauschale Qualifikation kann daher nicht zugrunde gelegt werden. Das benötigte Tätigkeitsfeld wird demnach aus dem entsprechenden Einzelbedarf abgeleitet. Es gibt kein überregionales Übereinkommen dazu, wie und wozu Schulbegleitungen in der Regelschule eingesetzt werden sollen und wie ein Tätigkeitsprofil allgemeingültig und bundesweit definiert werden könnte, damit aus dieser Definition eine Qualifikation entstehen kann. Ungeklärt bleibt somit, ob es sich bei Schulbegleitung um eine aus der Behindertenhilfe entstandene Assistenzleistung oder um eine Assistenz- bzw. Zweitlehrkraft in der Regelschule handelt (Lübeck & Demmer, 2022, S. 16-19). Um jedoch die Schulbegleitung autonom in ihrem Tätigkeitsfeld zu betrachten und diese von der Lehrkraft abzugrenzen, haben Dworschak und Markowetz den Versuch unternommen, für das Bundesland Bayern ein Curriculum für den Beruf Schulbegleitung zu entwickeln (s. Anhang B, Tab. 4). Bei dem vorgestellten Konzept handelt es sich um eine berufsbegleitende Qualifizierung, die aus sieben Modulen im Umfang von 250 Zeitstunden besteht (Dworschak & Markowetz, 2019, S. 195-207). Diese werden über ein Schuljahr verteilt unterrichtet. Als Abschlussprüfung sind eine Thesis sowie eine Kolloquiumsprüfung vorgesehen. Dieses Curriculum gewährleistet eine Professionalisierung aufgrund der Inhalte. Gelehrt werden sollen Kenntnisse über das System Schule, juristische, medizinisch-pflegerische, pädagogische, kommunikative, organisatorische und didaktische Aspekte sowie auch diagnostische und datenschutzrechtliche Fakten. Des Weiteren sollen Kenntnisse über Förderkonzepte, Reflexion, Supervision, Classroom-Management, Netzwerkarbeit, Teamarbeit und die unterschiedlichen Möglichkeiten innerhalb der Begleitung (Pool / 1:1) vermittelt werden (ebd.). Dworschak und Markowetz fordern über diese Grundqualifikation hinaus, dass Schulbegleitungen ihr Wissen im Anschluss durch Weiterbildungen und Spezialisierungen vertiefen. Sie verdeutlichen, dass in diesem Bereich ein dringender politischer Handlungsbedarf vorliegt, da eine Professionalisierung ein entscheidender Faktor für die Kooperation der Handlungsbeteiligten in der inklusiven Schulentwicklung ist (ebd.). Auch in Bezug auf verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche sowie bei einer vorhandenen Autismus-Spektrum-Störung werden Fachkenntnisse von den zusammenarbeitenden Professionen gewünscht, jedoch wird die persönliche Eignung, in diesem Beruf zu arbeiten, teilweise weit höher eingestuft als die fachliche Eignung (Billerbeck, 2022, S. 53-66). Persönliche Eigenschaften die als günstig für eine erfolgreiche Maßnahme von Schulbegleitung gewertet werden sind: „Humor, Fachwissen über die Einschränkung, Einfühlungsvermögen, Belastbarkeit, Freundlichkeit, Konsequenz, Zuverlässigkeit, Unkompliziertheit, Aufgeschlossenheit, Geduld, Führungsvermögen“ (Zauner & Zwosta, 2014, S. 12). Des Weiteren sind Flexibilität, reflexive Fähigkeiten und eine empathische Akzeptanz von Diversität und Heterogenität in allen sozialen, ethischen und gesellschaftlichen Bereichen hilfreich (Billerbeck, 2022, S. 56). Diese Auflistung von persönlichen und fachlichen Kompetenzen zeigt die Diskrepanz zwischen den benötigten Anforderungen der breitgefächerten gewünschten Qualitätsstandards, die durch fehlende Professionalisierung sowie eine fehlende Anerkennung sichtbar und durch schlechte Arbeitsbedingungen als Hilfskräfte sowie eine Bezahlung im Niedriglohnsektor gekennzeichnet sind (Lindemann & Schlarmann, 2016, S. 265). Hier zeigt sich der Widerspruch, dass Lehrende und Eltern sich eine möglichst weitreichend qualifizierte Begleitung wünschen, es aber keine vollumfängliche Ausbildung gibt. Dies belegt bereits eine Studie von Dworschak aus dem Jahr 2012 (Dworschak, 2012, S. 5-26).
2.4 Empirische Studien zum Thema Fachlichkeit von Schulbegleitungen
Dworschak untersucht in seiner Studie am Beispiel des Bundeslandes Bayern, wie das Tätigkeitsfeld der eingesetzten Begleitungen aussieht und wie zufrieden die Beteiligten mit der Maßnahme Schulbegleitung sind. Befragt wurden alle derzeit angestellten Schulassistenzen der Lebenshilfe in Bayern. Die Studie ermittelte einen 5-fachen Anstieg von Schulassistenzen innerhalb von drei Schuljahren. In der Auswertung stellt sich heraus, dass die Zufriedenheit im Hinblick auf die Integration in den Klassenverband durch die Unterstützungsleistung der Schulbegleitungen bei 95% liegt. Dennoch bezeichnet die zuständige Landesregierung die Schulbegleitung als „mittelfristiges Instrument“ zur gelingenden inklusiven Schulentwicklung, um Teilhabe im Regelschulbetrieb zu ermöglichen (ebd.). Die Studie zeigt weiterhin, dass bereits zum Zeitpunkt der Durchführung die Begleitungen einen Tätigkeitsbereich von alltagspraktischer bis hin zu pädagogischer Betreuung absolvieren. Eine vorhandene pädagogische Ausbildung ist jedoch keine Voraussetzung in diesem Arbeitsbereich. Die heterogenen Erfordernisse der individuellen Bedarfe in der Förderung beeinträchtigter SchülerInnen unterstreichen die Notwendigkeit einer fachbezogenen Qualifizierung in diesem Bereich (ebd.). Eine Studie aus dem Jahr 2016 im Raum Niedersachsen, durchgeführt an allen Oldenburger Schulen, in welchen Schulbegleitungen zum Einsatz kommen, ermittelte die Tätigkeitsfelder, in welchen die Begleitungen eingesetzt werden, um daraus mögliche verbindliche Qualitätsstandards für dieses Tätigkeitsfeld zu entwickeln (Lindemann & Schlarmann, 2016, S. 264-279). Befragt wurden 55 Begleitungen und 50 Lehrkräfte. Diese bestätigen, dass Schulbegleitungen ein heterogenes Arbeitsfeld abdecken. Der Prozentsatz von Begleitungen mit pädagogischer oder pflegerischer Vorkenntnis liegt in dieser Studie jedoch deutlich unter den Ergebnissen aus vorhergehenden Studien. Dies lässt sich u.a. auf eine Zunahme von benötigtem, aber nicht vorhandenem heil- bzw. sonderpädagogischen Fachpersonal zurückführen (Billerbeck, 2022, S. 65). Um die fehlenden Heil- und SonderpädagogInnen zu kompensieren, kann auf die evtl. benötigte Fachkenntnis im Assistenzbereich nur wenig Rücksicht genommen werden. Wichtiger ist hierbei, dass eine Ressource, die nicht über finanzielle Mittel der Schule bestritten wird, eine kostengünstige Alternative darstellt (ebd.). Die Studie von Czempiel und Kracke aus dem Raum Thüringen im Jahr 2019 befasst sich mit dem Thema Qualifizierung von Schulbegleitungen, den dazugehörenden Anforderungen und der Zusammenarbeit mit dem Lehrpersonal (Czempiel & Kracke, 2019, S. 1-16). 67 Schulbegleitungen in allgemeinen Schulen wurden zu ihrem Tätigkeitsfeld unter Einbezug ihrer fachlichen Vorbildung befragt. Die Forschenden kommen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass nicht genau definiert ist, welchem Aufgabenbereich Begleitungen nachgehen. Trotz einer in nahezu 50% der Fälle vorliegenden pädagogischen, medizinischen oder pflegerischen Qualifikation, zeigte sich überraschender Weise, dass diese qualifizierten Begleitungen hauptsächlich in alltagspraktischen und lebenspraktischen Unterstützungsbereichen agieren, in denen eine fachliche Eignung als eher zweitrangig eingestuft werden kann. Wohingegen die Kräfte ohne fachspezifischen Hintergrund hauptsächlich im Bereich der Emotions- und Verhaltensregulation sowie in didaktischer Lehrhilfe interagieren, obwohl dies eher pädagogische Fachkenntnis bzw. Kompetenzen der Heil- und Sonderpädagogik bedürfte (ebd.). Durch dieses heterogene Bild der Zuständigkeiten kann kritisch angemerkt werden, ob eine bereits vorhandene Professionalisierung im medizinisch-pflegerischen Bereich im Gegensatz zur ungelernten Kraft überhaupt Vorteile bringt, da die vorhandenen Kenntnisse nicht abgefragt werden. Somit ist fraglich, ob die als Fachkraft bezeichnete Begleitung auch als Fachkraft im Bereich der Schulbegleitung bezeichnet werden kann, denn durch die Art der Arbeit und wie die Person im Bereich der Begleitung eingesetzt wird, entwickelt sich somit eine Deprofessionalisierung dieser Kräfte. Somit wird Fach- lichkeit und Kompetenz im heil- und sonderpädagogischen Bereich unerlässlich (ebd.). Czempiel und Kracke weisen auf den weitaus größeren Aspekt hin, dass alle im Team Schule einer Weiterentwicklung zur inklusiven Schule bedürfen. Dadurch besteht die Möglichkeit, dass durch eine entsprechende Qualifizierung aus einer nicht professionalisierten Assistenz eine systemische Begleitung mit fachlich-pädagogischen Kompetenzen wird (ebd.). Eine der aktuellsten Studien zum Thema Qualifizierung von Schulbegleitungen ist die Veröffentlichung von Limburg, Frings und Kißgen aus dem Jahr 2020 (Limburg et al., 2020, S. 180-188). Im Unterschied zu den bereits genannten Studien wurden hier keine Lehrkräfte, Eltern oder Schulbegleitungen befragt, sondern 95 Mitarbeiter der sechs größten Leistungsträger in NRW, die die Einstellung von Schulbegleitungen zu verantworten haben. Die Befragung bezog sich auf die vorhandene Vorbildung sowie die persönlichen Kompetenzen ihrer schulbegleitenden MitarbeiterInnen (ebd.). Als wichtigste Einstellungsvoraussetzung wurde die soziale Kompetenz (26,8%) genannt. Im Anschluss folgt die Empathiefähigkeit (16,9%) und auf Platz drei die berufliche Qualifikation (16%). Dies zeigt, dass die Anforderungen an schulbegleitendes Personal bezogen auf die persönlichen Kompetenzen, wie z.B. Zuverlässigkeit, Freundlichkeit oder Kooperationsfähigkeit, höher angesiedelt werden als die fachlichen Anforderungen. Diese werden als eher weniger wichtig gewertet. Für fast ein Drittel der befragten Leistungsanbieter (30,5%) ist ein Schulabschluss keine Einstellungsvoraussetzung, um in diesem Beruf zu arbeiten. Genauso wenig wird eine zuvor abgeschlossene Berufsausbildung erwartet (67,3%). In Anbetracht dieser Ergebnisse äußern sich die Befragten zudem, dass sie mehr finanzielle Mittel (27,5%) benötigen, um das eingestellte Personal im Anschluss selbst zu qualifizieren. 28,3% wünschen und fordern fachgerechtes qualifiziertes Personal in diesem Bereich (ebd.). Die mannigfaltigen Ergebnisse bezüglich der Fachlichkeit der Schulbegleitungen bilden deutschlandweit heterogene Unterschiede ab. Alle benannten Studien sind auf Bundesländer oder Regionen begrenzt. Die individuellen Ergebnisse auf alle Bundesländer zu übertragen ist aufgrund der unterschiedlichen Handhabungen nicht möglich (ebd.). Weiterführende Studien in diesem Bereich liegen bisher nicht vor. Jedoch lassen sich aus Statistiken zum Thema Inklusion, weitere Rückschlüsse ziehen, warum deutschlandweit ein steigender Trend an Schulbegleitungen entsteht (Hess et al., 2019, S. 14; KMK, 2020, S. 20, 2022, S. 21).
2.5 Die Entwicklung von schulischer Inklusion
Statistische Zahlen belegen, dass sich die inklusive Schule seit Inkrafttreten der BRK 2009 kaum weiterentwickelt hat, obwohl die Anzahl von SchülerInnen mit Förderbedarfen in allgemeinen Schulen kontinuierlich angestiegen ist (KMK, 2020, S. 20, 2022, S. 21). Von 2009 bis zum Jahr 2020 hat sich der Anteil in dieser Bedarfsgruppe von 95.475 SchülerInnen mit Förderbedarf auf 254.465 erhöht. Werden die Förderschulen miteinbezogen, gibt es im Jahr 2020 einen Gesamtbedarf an zu fördernden SchülerInnen von insgesamt 582.400 SchülerInnen. Im Jahr 2019 wurden bundesweit 1.545 Personen ab 18 Jahren, mit und ohne persönliche Inklusionserfahrung, zum Thema gelingende Umsetzung schulischer Inklusion befragt (Hess et al., 2019, S. 14). In dieser Umfrage zeigt sich, dass 40% der Befragten zehn Jahre nach Inkrafttreten der BRK nicht glauben, dass Lehrende die Herausforderungen von inklusiver Beschulung bewältigen. Laut der Studie denken 68%, dass es nicht genügend qualifiziertes Lehrpersonal im Bereich Inklusion an allgemeinen Schulen gibt. Weiterhin ist 55% der Befragten auch bekannt, dass das Fachpersonal im Bereich von Sozial- und Sonderpädagogik sowie Schulpsychologie fehlt (ebd.). Als Rückschluss lässt sich daraus ableiten, dass sich durch fehlendes Fachpersonal keine adäquate Umsetzung von inklusiver Beschulung durchführen lässt, so dass sich das System Schule durch die fremdfinanzierte Ressource Schulbegleitung zumindest teilweise einer unterstützenden Hilfeleistung bedient, um den Mangel an Fachpersonal zu überbrücken (Billerbeck, 2022, S. 65). Durch ansteigende Zahlen von SchülerInnen mit Förderbedarfen an allgemeinen Schulen und einer fehlenden inklusiven Schulentwicklung steigt analog der Bedarf an Schulbegleitungen (Dworschak & Lindmeier, 2022, S. 153). Die ausgewählten Studien wurden zusammengestellt, um den Entwicklungsverlauf der inklusiven Schule und den dadurch bedingten Bedarf von Schulbegleitungen seit Inkrafttreten der BRK darzulegen (Czempiel & Kracke, 2019, S. 1-16; Dworschak, 2012, S. 5-26; Hess et al., 2019, S. 14; KMK, 2020, S. 20, 2022, S. 21; Limburg et al., 2020, S. 180-188; Lindemann & Schlarmann, 2016, S. 264-279). Die Entwicklung zeigt eine Zunahme von förderbedürftigen SchülerInnen, jedoch gleichbleibende Gegebenheiten in der inklusiven Schulentwicklung. Das einst als Übergangslösung titulierte „mittelfristige Element Schulbegleitung“ hat sich somit mehr als zehn Jahre nach Ratifizierung der BRK zu einer festen Größe im stagnierenden inklusiven deutschen Schulsystem entwickelt (ebd.). Die Befragung der Leistungsanbieter aus dem Jahr 2020 zeigt, dass die geforderten persönlichen und sozialen Anforderungen an das gesuchte Personal sehr hoch sind, dies jedoch in keiner Relation zu der vorhandenen Schul- oder Berufsausbildung steht (Limburg et al., 2020, S. 180-188). Warum die fachliche Eignung niedriger als die persönliche Eignung angesetzt wird, geht aus der Studie nicht hervor. Jedoch ist auch hier anzunehmen, dass aufgrund von fehlender Qualifizierung in diesem Bereich, den Leistungsanbietern keine andere Wahl bleibt, als die fachliche Eignung zu vernachlässigen. Der Bedarf für qualifiziertes Personal ist so hoch, dass die Leistungsträger ihr Personal im Anschluss an die Einstellung selbst qualifizieren müssen (ebd.). Der dadurch entstandene feste Bestandteil von Schulbegleitungen ohne bzw. mit nicht standardisierter Qualifikation in diesem Bereich, führt zu einer nicht ausgestalteten Rolle eines weiteren Erwachsenen im Klassenzimmer, ohne konkret definierten Aufgabenbereich. Diese fehlende Professionalisierung und die damit einhergehenden Probleme, welche Formen der Unterstützungsleistung genau erwartet werden, kann zu Spannungen in der Zusammenarbeit führen (Lübeck, 2022, S. 69; Meyer et al., 2022, S. 85-88).
3. Spannungsfelder
Schulbegleitungen arbeiten somit unprofessionalisiert im Zuge der inklusiven Schulentwicklung mit einem multiprofessionellen Team (Schulleitung, Lehrende, Heil- und SonderpädagogInnen, sonstige pädagogische Fachkräfte im Ganztag usw.) innerhalb der Schule sowie außerhalb der Schule mit den Erziehungsberechtigten, dem sozialen Träger und dem Kostenträger zusammen (Demmer et al., 2017, S. 66-69; Widmer-Wolf, 2018, S. 299-305). Jede der benannten Parteien hat aus beruflich definierter Sicht eine zugeschriebene Rolle durch eine Ausbildung oder ein Studium mit dem dazu gehörenden sozialen Status (Koepper, 2020, S. 85). Die Erziehungsberechtigten treten als Experten bezüglich der Bedürfnisse ihrer Kinder auf. Doch wo steht die Schulbegleitung in der Zusammenarbeit in diesem Team?
3.1 Spannungsfeld Zusammenarbeit
Die Schulassistenz ist immer nah an dem zu betreuenden Kind und somit auch nah an den engsten Beteiligten, wie Lehrende, Eltern und KlassenkameradInnen (Demmer et al., 2017, S. 66-69). Sie bildet sozusagen das Bindeglied. Die Nähe zum Kind zeigt die große Möglichkeit ihrer Einflussnahme. Diese ist größer als die der anderen Beteiligten im Team. In der Bedeutsamkeit der Zusammenarbeit im Kontext Schule steht die Begleitung dadurch in der Akteursgruppe ganz oben. Aus beruflich hierarchischer Sicht steht sie als Hilfskraft jedoch bezogen auf ihren beruflichen Status ganz unten (Schäfers, 2019, S. 111). Durch die nicht vorhandene Professionalisierung und ein somit nicht definiertes Anforderungsprofil gestaltet sich die Zusammenarbeit schwierig, denn die Erwartungen an den Beruf Schulbegleitung sind genauso individuell wie die benötigten Voraussetzungen, die eine Begleitung von förderbedürftigen SchülerInnen mit sich bringt (Demmer et al., 2017, S. 6669).
Die Zusammenarbeit mit Lehrkräften
Aufgrund der nicht vorhandenen Professionalisierung sowie der zu Beginn der Zusammenarbeit unbekannten persönlichen Eignung der Begleitung ist ein ständiger Austausch zwischen Lehrenden und Schulbegleitung existenziell (ebd., S. 70-72). Die Begleitungen werden so in den Schulkontext, in die Lernziele sowie die sozialen Interaktionen des Klassengefüges integriert. Die Lehrenden erfahren durch die Nähe der Begleitung zum Kind wie genau die Bedarfe der förderbedürftigen SchülerIn abgedeckt werden können. Ein fortwährendes Kooperieren und Austauschen ermöglicht somit die Kompensation der nicht vorhandenen Professionalisierung (ebd.). In dieser idealtypischen Vorstellung arbeitet die Begleitung mit den Lehrkräften im Team auf Augenhöhe. Mit jemanden auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten bedeutet, trotz unterschiedlicher Ausgangsvoraussetzungen in einem gemeinsam abgesteckten Gebiet mit gemeinsamen Zielen, Absichten und Interessen zu agieren und im besten Fall zu kooperieren (Foitzik, 2015, S. 14). Durch die unklar definierten Arbeitsbereiche entstehen jedoch im Konfliktfall erhebliche Irritationen auf beiden Seiten (Demmer et al., 2017, S. 70-72). Ein fortwährend bedarfsgerechter Austausch ist während des laufenden Unterrichts kaum möglich, da die Begleitungen in ihrem Arbeitsverhältnis von einem Erziehungsberechtigten beauftragt, durch einen sozialen Träger beschäftigt als externe Mitarbeiter an die Schulen kommen und somit in der Regel im Anschluss an den Unterricht aufgrund ihres Arbeitsvertrages nicht mehr zur Verfügung stehen (Lübeck, 2022, S. 69-75). Außerhalb des Stundenplans werden sie nicht bezahlt, dadurch sind sie meist nach Schulschluss gar nicht oder nur auf Anfrage verfügbar. So entsteht ein Verständigungsdilemma, aus welchem sich auf beiden Seiten erhebliche Handlungsunsicherheiten entwickeln (Demmer et al., 2017, S. 70-72). Auf dem Weg in ein inklusives Bildungssystem leidet das deutsche Schulsystem nicht nur an einem Lehrkräftemangel, sondern auch an einem großen Mangel an unterstützenden SonderpädagogInnen (ebd., S. 15-16). Dies führt zu einer indirekten Rollenzuweisung der Schulbegleitung bezogen auf sozial- und sonderpädagogische Tätigkeitsbereiche, wohingegen die Lehrkraft die expliziten unterrichts-didaktischen Bereiche bedient. Daraus lässt sich ableiten, dass die Didaktik im Unterricht einer Fachkraft bedarf, der sozial- bzw. sonderpädagogische Bereich jedoch nicht (ebd., S. 70-72). Die professionelle pädagogische Arbeit wird somit abgewertet, aufgrund des Fachkräftemangels entspricht dies jedoch der momentanen Realität. Im Zuge der tradierten Frontalbeschulung der letzten Jahrzehnte ist es für Lehrende gewöhnungsbedürftig plötzlich einen weiteren Erwachsenen im Klassenraum vorzufinden. Viele Lehrkörper erachten diesen fremden Erwachsenen als Bedrohung ihrer Autorität (Lübeck, 2022, S. 69-75). Zudem gehören sie nicht dem System Schule an, sondern sind externe Mitarbeiter ohne Qualifikation. Dies führt zu einer fehlenden Basis und ein Arbeiten auf Augenhöhe wird erschwert. Ein entspannte Arbeitsatmosphäre kann so kaum entstehen. Die fehlende formale Zugehörigkeit zum System Schule sorgt für ein Hemmnis in der kollektiven Zusammenarbeit, bedingt durch die fehlende Professionalisierung und Wertschätzung des Berufes Schulbegleitung (ebd.). Eine Qualifikation aller Beteiligten erleichtert die Zusammenarbeit, da ein klar vorhandener Erwartungshorizont bedient wird. Die fehlende Professionalisierung führt jedoch dazu, dass Lehrkräfte zunehmend glauben, sie seien der begleitenden Person gegenüber in einer Führungsverantwortung. Diese als Ressource eingesetzte Person, die nicht dem System Schule angehört, kann aufgrund der fehlenden Qualifikation schnell zu einer Belastung werden (ebd.). Teamarbeit auf Augenhöhe kann nur gelingen, wenn die Schulbegleitungen in das Schulteam aufgenommen werden, was impliziert, dass eine Zusammenarbeit von allen Seiten gewollt und gewünscht ist (Demmer et al., 2017, S. 70-72). Als Orientierungsmöglichkeit für eine gut funktionierende Zusammenarbeit ist eine angenehme Arbeitsatmosphäre, ein definiertes Aufgabenprofil, Konfliktprävention sowie ein klar kommunizierter Qualifizierungsstatus der Begleitung notwendig, um einen Inklusionserfolg zu erreichen (Lübeck, 2022, S. 69-75). Die Anerkennung der Schulbegleitung - bezogen auf das zu fördernde Kind - lässt das Bedürfnis entstehen, die Begleitung in alle pädagogisch schulisch planerischen Betrachtungen sowie Besprechungen miteinzubeziehen. In der Zusammenarbeit auf Augenhöhe entsteht so ein gemeinsamer pädagogischer Umriss, an dem alle beteiligten Parteien anknüpfen können. Die Schulbegleitung fühlt sich miteingebunden und kann über den engen Kontakt zum betreuenden Kind wertvolle ergänzende Beiträge an Informationen beisteuern, um schulische sowie sozioemotionale Be- darfe abzudecken (ebd.). Bei der hier beschriebenen Form von Zusammenarbeit handelt es sich um eine Idealvorstellung, die wünschenswert ist (Meyer et al., 2022, S. 77-88). Die wenigen wissenschaftlichen Studien, die die Realität abbilden, spiegeln dieses Idealbild jedoch nicht wider. Ein weiteres kontroverses Anforderungsprofil an die Begleitung schaffen die Erziehungsberechtigten, die als Experte über ihr Kind mit Förderbedarf eine klare Vorstellung mit sich bringen, in welcher Form die Begleitung zu erfolgen hat (Demmer et al., 2017, S. 77-81).
Die Zusammenarbeit mit Eltern
Eine Begleitung für ihr Kind wählen Eltern häufiger, wenn sie befürchten, dass ihr Kind von Ausgrenzungen bedroht ist, da sie das örtlich ansässige Schulsystem für wenig inklusiv halten. So entsteht die schwierige Aufgabe bei der Begleitung einerseits den Anforderungen im System Schule gerecht zu werden sowie andererseits die Sorgen und Befürchtungen der Eltern, um ihr zu betreuendes Kind ernst zu nehmen und Vertrauen in die Bewältigung zu schaffen (ebd.). Hier werden zum Teil nicht nur pädagogische, sondern auch therapeutische Fähigkeiten gefordert. Zudem sorgt das nicht vorhandene Vertrauen in das nicht ausgereifte inklusive Schulsystem für das Dilemma, dass die Begleitung oftmals als Puffer zwischen Schule und Eltern genutzt wird, um indirekt über das Mittel der Schulbegleitung Einfluss auf schulische Belange zu nehmen. Die Begleitungen werden als Sprachrohr der Eltern funktionalisiert, die so kontroverse Diskussionen über die Art und Weise wie das betreute Kind zu beschulen oder zu fördern sei, umgehen (ebd.). Wird die Schulassistenz in derartige divergierende Konstrukte involviert, entstehen daraus ggf. Komplikationen in der Zusammenarbeit, entweder mit den Lehrenden oder, falls die Begleitung eine derartige Involvierung als Vermittler ablehnt, mit den Eltern. Die nicht ausgereifte inklusive Schulentwicklung sorgt für ein inkohärentes Interdependenzmanagement in der Dreiecksbeziehung der Beteiligten. Die Schulassistenz, ohne fachliche Qualifizierung, wird so zum schwächsten Glied in der Kette. Sie steht unter dem Druck, allen Akteuren gerecht zu werden und der enormen Erwartungshaltung der restlichen Beteiligten zu entsprechen (ebd.).
3.2 Rollendiffusion
Die Begleitung, als weiterer Erwachsener im Klassengefüge, muss sich und ihre Präsenz legitimieren. Unklarheiten, welche Position und welche Funktion sie einnimmt, erschweren die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten (ebd., S. 83-89). Oftmals wird jedoch in der wissenschaftlichen Literatur darauf hingewiesen, welche Rollen Schulbegleitungen nicht einnehmen sollen und welche Rollen sie wegen fehlender fachlicher Eignung nicht einnehmen dürfen. Sie sind weder Lehrende noch Nachhilfelehrkräfte, auch keine HausaufgabenbetreuerInnen oder Zweitlehrkräfte. Des Weiteren übernehmen sie keinerlei didaktische Verantwortung in der Vermittlung von Lehrstoff und haben keinerlei heil- bzw. sonderpädagogische Verantwortung oder Befugnis. So zeigt sich die Schwierigkeit zu definieren, welches Tätigkeitsspektrum einer Schulbegleitung zukommt, damit sie einen festen Platz mit einer festgelegten beruflichen Rolle, die von allen beteiligten Akteuren anerkannt wird, zu eigen hat und deren Sinnhaftigkeit sich von allen anderen Akteuren im Kontext Schule unterscheidet. Diese diffuse Rolle innerhalb des Klassenkontextes entsteht durch die fehlende Professionalisierung und durch die fortwährenden Situationen der Überforderung (ebd.). Um als „Nicht-Professionelle“ fachkundig zu arbeiten und zu interagieren, gilt es zuerst die Frage zu beantworten, was genau unter den Begriffen Arbeit, Beruf und Profession verstanden wird.
3.3 Professionalisierung als Spannungsfeld
Der Begriff Arbeit lässt sich als eine bewusst ausgerichtete Betätigung mit dem Ziel der Existenzsicherung definieren (Schäfers, 2019, S. 108-109). Die Grundlage ist die Ausdifferenzierung des menschlichen Zusammenlebens und der dazugehörenden gesellschaftlichen Rangordnung, durch speziell erworbene Eigentumsverhältnisse zur individuellen Bedürfnisbefriedigung. Der Beruf ist eine speziell ausgerichtete schöpferische Arbeit, auf Grundlage von Bildungsprozessen und sich entwickelnder speziell fachlicher Fähigkeiten und Beschäftigungen (ebd., S. 111). Differenziert wird innerhalb des Berufes zusätzlich nach dem Tätigkeits- und dem Verantwortungsbereich (Hoffmeyer- Zlotnik & Geis, 2003, S. 133). So entsteht eine Hierarchie von den Ungelernten über die Fachangestellten bis hin zu den Führungsverantwortlichen. Die Profession wird als individuelle Ausübung beruflichen Agierens definiert, die sich vom alltäglichen Handeln abhebt und durch das Erreichen notwendiger Standards in die „Verberuflichung“ mündet (Müller, 2012, S. 955-956; Schmeiser, 2006, S. 301). Profession beschreibt das Besondere im arbeitstechnischen oder beruflichen Handeln. Der Lernende erwirbt die für diesen Beruf notwendige theoretische und praktische Fachkenntnis und Erfahrung. Er erreicht dadurch Professionalität in diesem speziellen Bereich. Dies setzt jedoch eine differenzierte, fachlich fundierte Qualifikationsphase, in welcher auch ethische Komponenten vermittelt werden, voraus (Schmeiser, 2006, S. 301). Profession hebt sich weiterhin durch den exklusiven Anspruch ab, diesen Beruf ausüben zu dürfen und setzt voraus, dass die Ausübenden ihr Wissen im Sinne des Allgemeinwohls einsetzen. Die Ausübung einer Profession ist durch Dritte wie z.B. Berufsverbände (staatlich beauftragt) sowie kollegial-kooperativ kontrollierbar. Dies bedeutet, dass Fachkompetenz, Güte sowie Verstöße überwacht werden dürfen. Die Ausübung einer Profession wird im Hinblick auf die Fachkompetenz sowie die sozial-gemeinschaftliche Ausrichtung gesondert entlohnt und ist aufgrund dieser Merkmale gesellschaftlich hoch angesehen (ebd.). Fehlende Professionalisierung, wie im Bereich der Schulbegleitungen, bedeutet somit das Gegenteil. Gestützt durch die unterschiedlich geforderten Arbeitsvoraussetzungen der Bundesländer in diesem hoch komplexen Anforderungsprofil, werden ungelernte Hilfskräfte gedrängt, durch implizites Wissen sowie durch habitualisierte Methodiken, lebenspraktisch stressbelastete Situationen mit herausfordernden Kindern und Jugendlichen aufzulösen (Demmer et al., 2017, S. 38, 59-65). Ihnen wird eine berufliche Rolle zugewiesen, in welcher qualitativ hochwertige und sensible pädagogische Arbeit verlangt wird, jedoch in den meisten Fällen keinerlei pädagogische Fachkenntnis vorliegt (Demmer et al., 2017, S. 59-65; Lübeck & Demmer, 2022, S. 19-20). Das zu bedienende Tätigkeitsfeld ist hochgradig komplex. Es vereint medizinische, psychologische, pädagogische und organisatorische Anforderungen. Diese zeigen den Anspruch sowie das Besondere, das hier gefragt ist, jedoch fehlt die geforderte Ausbildung und dadurch die entsprechende Entlohnung. Dieses Dilemma führt sogar zu einer gegenteiligen Entlohnung im Niedriglohnbereich. Setzt man eine soziologische Sichtweise als Grundlage für eine Professionalisierung in diesem Bereich an, müsste diese, aufgrund des breitgefächerten Anforderungsprofils, über einen Ausbildungsberuf hinaus in einer Akademisierung münden (Müller, 2012, S. 955-959).
3.3.1 Soziologisches Verständnis von Beruf und Profession
Das heterogene Tätigkeitsfeld im Bereich der Schulbegleitung lässt somit vermuten, dass für die Ausübung dieses Berufes ein hochkomplexes Studium notwendig ist. Zurzeit bedarf es aber in der Regel keiner differenzierten Ausbildung in diesem Bereich. Somit ist fraglich, ob es sich bei Schulbegleitung überhaupt um einen Beruf handelt. Müller beschreibt Beruf wie folgt: „Unter Beruf wird gewöhnlich eine bezahlte Tätigkeit verstanden, für die man spezifisch qualifiziert sein muss - nicht jeder Job, der bezahlt wird, ist schon ein Beruf, genauso wenig wie ein Hobby, das hohe Qualifikationen verlangt“ (ebd.). Die Weiterentwicklung des Berufes ist die Profession, sie ist eine besonders angesehene Klasse innerhalb der Berufe. Vor der Neuzeit wurden die Menschen in den gesellschaftlichen Stand und damit auch in ihren Beruf hineingeboren, heutzutage werden sich die beruflichen Fertigkeiten angeeignet. Dadurch ist die sozioökonomische Ausgangslage keine zwingende Voraussetzung für das Ausbleiben beruflichen Erfolges (ebd.). Aus historischer Sicht werden besonders hohe Anforderungen an die Bereiche des Lebens gestellt, die mit dem Körper, der Gesundheit und dessen Gefährdung einhergehen. Dazu gehören alle Gebiete bezüglich der persönlichen Rechte des Menschen sowie die Bereiche, die die menschliche Seele bedrohen. Aus diesen historischen Professions-Zuweisungen heraus werden die Berufe der MedizinerInnen, der JuristInnen sowie der Geistlichen am höchsten angesehen. Hier wird vorausgesetzt, dass Professionelle aus diesen Bereichen ein besonderes differenziertes, wissenschaftlich fundiertes Wissen vorweisen können, dass sie in einer langandauernden und anspruchsvollen Ausbildungsphase erlernt haben (ebd.). Jedoch gibt es im schulbegleitenden Bereich bis heute keine Professionalisierung. Aus soziologischer Sicht lässt sich feststellen, dass trotz des hohen Anforderungsprofils und trotz des passenden Arbeitsbereiches, in welchem einer Gefährdung der kindlichen Entwicklung entgegengewirkt werden soll, der Beruf der Schulbegleitung nicht mit einer Profession wie z.B. ÄrztInnen gleichgesetzt wird. ÄrztInnen und RechtsanwältInnen genießen aus dieser historisch gewachsenen Ausgangssituation bis heute einen sehr hohen gesellschaftlichen Status. Den Schulbegleitungen, die momentan bei den Hilfskräften eingruppiert sind, wird hingegen ein eher niedriger gesellschaftlicher Status zugewiesen (ebd.). Aber wie entsteht eine derartige Statuszuweisung?
3.3.2 Sozialer Status - Beruflicher Status
Der soziale Status einer Person definiert sich über die objektive Stellung dieser Person in der Gesellschaft (Abels, 2018, S. 281-289). Diese Stellung unterzieht sich paradoxer Weise einer individuell subjektiven Bewertung bezüglich der sozialen Gruppe, in der sich die Person aufhält, sowie in der Gesellschaft allgemein. Die indirekt angewendeten sozialen Bewertungsmaßstäbe, die hierbei individuell einfließen, sind u.a. Alter, Geschlecht, Bildung, sozioökonomischer Status, Einkommen sowie der durch Geburt erworbene Status, z.B. durch einen Adelstitel. Auf Grundlage dieser Faktoren entstehen charakteristische Bilder des jeweiligen Gegenübers in der sozialen Gemeinschaft. Diese Bilder und die individuell zugeschriebenen Bewertungen sind wertschätzend oder abwertend und führen so zu konkreten Vorstellungen und einer Bemessungsgrundlage über den Status. Mithilfe dieser zugeschriebenen Kriterien wird die Stellung des Einzelnen in der Gesellschaft festgelegt (ebd.). Im alltäglichen Geschehen entwickelt sich der soziale Status nicht zwingend in der direkten menschlichen Interaktion, sondern darüber hinaus auch über Ferneinschätzungen, z.B. mithilfe zwischenmenschlichen Geredes über das „was man so hört und was doch jeder weiß“ (ebd., S. 281). Der soziale Status ist gesellschaftlich gesehen eng verknüpft mit dem ausgeübten Beruf. Er ist die Weiterentwicklung von Arbeit mit wirtschaftlichen Funktionen zur Befriedigung von Bedürfnissen und dem Erhalt von finanziellen Einkünften. Der Beruf ist das hochrangigste soziale Statuskriterium, er bestimmt den sozialen Rang einer Person innerhalb der Gesellschaft (Sailmann, 2018, S. 203; Schäfers, 2019, S. 111). ÄrztInnen oder ManagerInnen genießen einen anderen sozialen Status als eine Aushilfe oder Reinigungskraft. Die Bilder, die in den Köpfen bezogen auf die berufliche Kompetenz entstehen, sind umrahmt von spezieller Kleidung, wie ÄrztInnenkittel, medizinischen Werkzeugen oder teuren Anzügen (Abels, 2018, S. 281). Diese Berufe verknüpfen eine Vorstellung von Anerkennung im sozialen, gesellschaftlichen sowie finanziellen Bereich. Wohingegen die Reinigungskraft mit Schmutz und die Hilfskraft als fachlich nicht qualifiziertes Personal, welches angeleitet werden muss, assoziiert wird. Eine Kategorisierung hinsichtlich des sozialen Status erfolgt über diese Bilder hinaus, hin zu gewissen Lebensgewohnheiten, kulturellen Interaktionen sowie Freizeitaktivitäten und einem vorausgesetzten Bildungsniveau (ebd., S. 282). Das Konstrukt sozialer Status funktioniert ausschließlich in einer Gruppe auf der Grundlage normativer Bestrebungen und hierarchischen Gegenüberstellungen (ebd., S. 290). Ohne eine differenzierte Kenntnis entscheidet der zugeschriebene soziale Status z.B. über das vermeintliche Einkommen und das gesellschaftliche Ansehen. Diese Vorstellungen sorgen für eine beständige Ordnung innerhalb des sozialen Gefüges in der Gesellschaft (ebd., S. 281). Durch dieses implizit entstehende Personenmuster mit den entsprechenden unausgesprochenen Klassifizierungen ist ein beruflich entstandener Status leicht zu kategorisieren (ebd., S. 282-284). Die Bilder im Kopf, bestärkt durch visuelle, auditive und erlebte Reize, begünstigen die Zuschreibung eines sozial angesiedelten niedrigen oder hohen Status. Die dadurch entstehenden individuellen und doch allgemeinen Statuskriterien sind historisch gewachsen und in jedem Menschen verankert. Sie sorgen für das Bedürfnis einen sozialen Platz in der Gemeinschaft zu besitzen oder diesen zu erwerben. Die Berufswahl steuert indirekt den zugeschriebenen sowie den erworbenen Status. Ein sozial hoch angesehener Status ist eng verknüpft mit dem Wunsch nach Anerkennung in der Gesellschaft. Die erworbene Bildung und die Berufswahl sowie Alter, Geschlecht und Herkunft beeinflussen das gesellschaftliche Ansehen (ebd.). Kindern aus höheren Bildungsschichten wird in der Regel auch eine höhere Bildung zu Teil, wohingegen es Kindern aus niedrigen Bildungsschichten mit einem niedrigen Bildungsniveau deutlich schwerer haben einen gesellschaftlich sowie beruflich höher angesiedelten sozialen Status zu erreichen. Aus beruflicher Sicht erlangen Ältere mit mehr Dienstjahren einen höheren Status innerhalb ihrer Berufsgruppe. Dies bedingt sich durch den langen Zeitraum der Berufsausübung und die damit erworbene Fachkompetenz. Daraus entsteht ein beruflich höherer Status (ebd., S. 287). Ein erworbener beruflicher sowie dadurch entstandener sozialer Status ist somit ein Prozess (ebd., S. 311). Bezogen auf das nicht professionalisierte Kompetenzfeld Schulbegleitung schaffen diese empirischen Erkenntnisse jedoch keine Klarheit. Die Schulbegleitung wird in der Regel als Hilfskraft eingestuft. Eine Hilfskraft verfügt über keine oder nur wenig Fachkenntnis (Thiel, 2022, S. 34). Aufgrund dessen wird sie nur im Niedriglohnsektor entlohnt. Diese Fakten sprechen daher auch für einen niedrig angesiedelten sozialen Status. Erstaunlicherweise arbeiten in diesem Beruf jedoch nicht nur ungelernte Hilfskräfte, sondern auch teilweise medizinisch oder pädagogisch ausgebildete Fachkräfte sowie Studierende der speziellen und der allgemeinen Pädagogik (Lindemann & Schlarmann, 2016, S. 265). Aufgrund dessen gestaltet sich eine Schlussfolgerung auf den sozialen Status schwierig, da alle Bildungsschichten vertreten zu sein scheinen und eine Statusbemessung nur schwer erfolgen kann. Der gesellschaftlich zugeschriebene soziale Status in dieser Berufssparte lässt sich weder im Kontext der sozialen Gruppe der Zusammenarbeitenden noch allgemeingültig anhand der empirischen Erkenntnisse eindeutig ermitteln (Abels, 2018, S. 281-289; Müller, 2012, S. 955-957; Schäfers, 2019, S. 111). Fraglich ist, ob der berufliche Status nur durch fachgerechte Ausbildung, Kompetenz, Arbeitserfahrung oder lange Dienstjahre entsteht oder ob die Schulbegleitung die Möglichkeit hat, trotz unterschiedlicher Ausgangsvoraussetzungen, berufliches Ansehen, z.B. über die individuelle Leistungsbereitschaft, zu erwerben (ebd.). Ein allgemeingültiger Erwerb oder eine Zuschreibung von Status gibt es in diesem Beruf nicht. Das komplexe Anforderungsprofil, die individuelle Ausgangslage der Begleitungen sowie die persönlich erworbenen (Fach-) Kompetenzen lassen keine eindeutige Klassifizierung dieser Beschäftigung durch die klassischen Statuskriterien zu (ebd.). Um herauszufinden, wo der Beruf der Schulbegleitung bezogen auf den beruflichen und den sozialen Status angesiedelt ist, bedarf es einer näheren Untersuchung der sozialen Gruppe der Zusammenarbeitenden. Differenzierte empirische Studien, in welchen die Themen Professionalisierung und Status vereint werden, liegen zum Tätigkeitfeld der Schulbegleitung bis heute nicht vor. Somit wird für die Beantwortung der Forschungsfrage: „Wie nehmen schulische Fachkräfte sowie Eltern den sozialen und den beruflichen Status von Schulbegleitungen im Kontext von Leistungsanforderungen und nicht vorhandener beruflicher Professionalisierung wahr“, im Folgenden ein qualitatives Forschungsdesign vorgelegt.
4. Wahrnehmung der Handlungsbeteiligten
4.1 Die Datenerhebungsmethode
Die gestellte Forschungsfrage beinhaltet mehrere Aspekte, die die Wahrnehmung der beteiligten Akteure betreffend in dieser Arbeit diskutiert und dargestellt werden sollen. Die zu beantwortende Forschungsfrage zielt auf die fehlende Professionalisierung und die undefinierten Leistungsanforderungen sowie das soziale und das berufliche Ansehen der Schulbegleitungen bei schulischen Fachkräften und Eltern ab. Hinter dem Begriff schulische Fachkräfte werden die Lehrkräfte, SonderpädagogInnen und die Schulbegleitung selbst verstanden. Schulbegleitungen stellen im aktuellen Praxisgeschehen einen neuen wichtigen Bestandteil der inklusiven Schule dar. Aus diesem Grund werden sie im Rahmen dieser Arbeit, trotz fehlender Qualifikation, mit unter dem Begriff der schulischen Fachkräfte geführt. Methodologisch lässt sich die Thematik durch qualitative Erhebungsmethoden, wie durch das ExpertInneninterview einordnen, umso die Forschungsfrage zu beantworten (Gläser & Laudel, 2010, S. 11-13). ExpertInnen sind Personen, die in einem gesonderten Bereich über Spezialwissen verfügen, welches durch die Methodik des Interviews herausgefiltert wird. Entscheidend für die Beantwortung der Forschungsfrage sind die Wahrnehmungen der beteiligten Akteure im Kontext der Zusammenarbeit und der Leistungsanforderungen. Aus diesem Grund werden quantitative Erhebungen, die auf theoriegeleiteten, präzisen und statistischen Werten beruhen in dieser Forschung nicht berücksichtigt (Schweer, 2017, S. 28). Um Wahrnehmungen herauszufiltern, eignet sich als methodologisches Verfahren besonders gut das leitfadengestützte ExpertInneninterview (Helfferich, 2019, S. 669-670). Der Leitfaden ist ein strukturiertes Element für eine vorab gestaltete Abfolge von speziell ausgewählten Fragen zur zielgerichteten Datengewinnung. Der Leitfaden stellt sicher, dass die Aufmerksamkeit der Befragten in die richtige Richtung gelenkt wird. Die richtige Richtung dient in diesem Fall der Beantwortung der Forschungsfrage. Daher wird konkret, strukturiert und prägnant gefragt und z.B. auf Erzählaufforderungen mit persönlichen Aspekten wie bei narrativen Interviews verzichtet (ebd., S. 682). Die ausgewählte Methode ist das qualitative ExpertInneninterview, weil zur Beantwortung der Forschungsfrage eine systematische Analyse des Themenfeldes notwendig ist und es nicht ausreicht, generalisierte Ergebnisse hervorzubringen (Kaiser, 2021, S. 84). Das ExpertInneninterview ermöglicht über die Zielgruppe der ExpertInnen, besondere Kenntnisse in Form von ExpertInnenwissen zur Beantwortung der Forschungsfrage heranzuziehen (Helfferich, 2019, S. 670).
4.1.1 Die Auswahl der ExpertInnen
Die ExpertInnen im Kontext Schulbegleitung werden nach inhaltlichen Aspekten hinsichtlich der zu beantwortenden Forschungsfrage ausgewählt (Kaiser, 2021, S. 84-85). Das Forschungsdesign basiert auf Transparenz, Reichweite und Intersubjektivität (Kallweit, 2017, S. 161 -165). Bei der Auswahl der ExpertInnen wird darauf geachtet, dass die Befragten über ausreichend bedeutsame Informationen zum Thema Schulbegleitung verfügen und somit eine intersubjektive Nachvollziehbarkeit gegeben ist. Sie sind in der Lage präzise Aussagen zum Thema Schulbegleitung zu formulieren und sie sind freiwillig, bereit und verfügbar, um diese Informationen zu äußern (Kaiser, 2021, S. 84-85). Die Befragung soll nicht personenbezogenes Faktenwissen zum Thema Schulbegleitung herausarbeiten. Der ExpertInnenstatus vermittelt den Interviewten Rahmenbedingungen der Anerkennung über die Expertise durch Sonderwissen. Dieses ist übertragbar auf ähnliche zusammenhängende Situationen und lässt die Schlussfolgerung zu, dass anderweitig befragte ExpertInnen in einer gleichartigen Forschung ähnliche Ergebnisse erzielen können. Dadurch ist die benötigte Reichweite einer qualitativen Forschung gegeben (ebd.). Das Sampling ist bewusst ausgewählt, so wird das spezielle Wissen, bezogen auf die Zusammenarbeit der Beteiligten in diesem Tätigkeitsfeld, transparent dargestellt, dokumentiert und analysiert, um die Forschungsfrage zu beantworten (Schnapp & Bock, 2020, S. 214-215). Die Stichprobe besteht aus einer befragten Lehrerin mit akademischem Abschluss und zwölf Jahren Berufserfahrung, im Folgenden R. genannt (R., Z. 4-21). Sie verfügt über langjährige Arbeitserfahrung in der Zusammenarbeit mit Schulbegleitungen im 1:1 Betreuungsbereich sowie in der Poolbetreuung. Das zweite Interview findet mit einem Schulbegleiter statt, der fünf Jahre Arbeitserfahrung an unterschiedlichen Schulformen im Bereich der 1:1 Betreuung hat, selbst jedoch über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, im Folgenden Y. genannt (Y., Z. 4-10). Des Weiteren wird eine Mutter eines 12-jährigen Schülers befragt, die seit sechs Jahren Erfahrung mit unterschiedlichen Schulassistenzen ihres förderbedürftigen Sohnes hat, im Folgenden B. genannt (B., Z. 14-16). Die befragten Akteure leben in NRW und Schleswig-Holstein und sind sich untereinander nicht persönlich bekannt. Als ExpertInnen werden die Beteiligten gewertet, da sie jeweils über langjährige Erfahrungswerte in Bezug auf die berufliche Zusammenarbeit, das Anforderungsprofil und Einschätzungen darüber, was zum Aufgabenfeld einer Schulbegleitung gehört, verfügen (Helfferich, 2019, S. 669-671). Hinsichtlich der Auswahl der Teilnehmenden erhofft sich die Forscherin ein heterogenes, kontrastreiches Ergebnis bezüglich der Beantwortung der Forschungsfrage. Für eine strukturiert ablaufende Interviewsituation ist der Leitfaden das gewählte Instrument für diese Form der Datengenerierung.
4.1.2 Der Leitfaden
Der Leitfaden ist eine vorab erstellte, strukturierte, möglichst offene Fragenvorlage zur Gestaltung einer Interviewsituation (ebd. 670). Für ein leitfadengestütztes ExpertInneninterview bedarf es einer 22 Übersetzung der Forschungsfrage in konkretisierte, strukturierte, zielgerichtete, aber dennoch offene Fragestellungen, die durch die ExpertInnen beantwortbar sind (Gläser & Laudel, 2010, S. 4042, 111; Kaiser, 2021, S. 64). Für die Datenerhebung werden vorab aus der Forschungsfrage nachvollziehbare Schlüsselwörter gebildet, die die Fragen thematisch einordnen (Mayring, 2016, S. 114121). Diese Schlüsselwörter zielen auf das für die Auswertung ausgewählte Analysesystem, in welchem Kategorien als Eckpunkte der Forschungsfrage gebildet werden, um benötigte Inhalte aus den Interviews herauszufiltern. Bei den ermittelten Schlüsselwörtern, die später als Kategorien dienen sollen, handelt es sich um die Leistungsanforderungen an Schulbegleitungen, das berufliche und das soziale Ansehen der Schulbegleitungen sowie ihre fehlende Professionalisierung. Der Leitfaden für die Interviewsituation wird so gestaltet, dass Handlungsweisen, Interaktionen, Beobachtungen und Wissen auf ExpertInnenbasis abgefragt werden (Gläser & Laudel, 2010, S. 42-43). Daher eignen sich einzeln geführte, nicht standardisierte Interviews. Nicht standardisiert bedeutet, dass die Befragten zum selben Thema durch einen Leitfaden gestützt auf sie zugeschnittene Fragen gestellt bekommen. Somit kann die Forscherin sicherstellen, dass sie über vorbereitete, strukturierte Fragestellungen gezielte Informationen zur Beantwortung der Forschungsfrage über die benötigten sozialen Sachverhalte auf ExpertInnenbasis erhält. Daher besteht das leitfadengestützte ExpertInneninterview im Rahmen dieser kleinen Studie aus drei Befragungen mit nicht identischen Interviewbögen (s. Anhang A, Tab. 1-3) (ebd.). Drei komplett identische Leitfäden sind in diesem Fall nicht möglich, da die Zusammenarbeit der Befragten nicht auf demselben Terrain erfolgt (Kaiser, 2021, S. 65-66). LehrerInnen und Schulbegleitungen interagieren in direktem Schulkontext während des Unterrichts miteinander. Schulbegleitungen und Eltern, sowie Eltern und LehrerInnen interagieren außerhalb dieses Terrains, z.B. online oder am Telefon, in manchen Fällen auch persönlich, jedoch immer außerhalb des Schulunterrichts miteinander. Aufgrund dessen gibt es nur wenige gemeinsam relevante Fragen aller drei beteiligten Akteure (ebd.). Vorrangig wird versucht sich auf die ausgearbeiteten Fragestellungen zu beschränken. Jedoch wird die Möglichkeit des Nachfragens nicht komplett ausgeschlossen, dadurch wird der Grundsatz der Offenheit gewahrt, denn das Wichtigste ist die Beantwortung der Forschungsfrage herauszuarbeiten. Die Fragestellungen werden einfach, klar und sachlich ausformuliert (Gläser & Laudel, 2010, S. 122). Für die Gestaltung der Interviewleitfäden wird die komplex formulierte Forschungsfrage aufgesplittet in differenzierte Kategorien, die den sozialen Kontext im Forschungsfeld Schulbegleitung erkennen lassen, um dadurch Hinweise für die Beantwortung der Forschungsfrage zu erhalten. Diesen Prozess bezeichnet man als Operationalisierung (Kaiser, 2021, S. 68). Die Operationalisierung wird unterteilt in die konzeptionelle und die instrumentelle Operationalisierung. Dies bedeutet die Aufspaltung der Forschungsfrage in geeignete beantwortbare Fragestellungen für den Interviewleitfaden durch Konkretisieren (konzeptionell) und die Beachtung der Form der Fragestellungen (instrumentell), damit zielgerichtete Antworten zu erwarten sind. Um einen einfachen Einstieg in das Interview zu ermöglichen, wird das Gespräch an einem von der interviewten Person ausgesuchten Ort geführt und mit einer Einführung begonnen (ebd., S. 76-77). Dieser Start zeigt der Interviewerin, ob das zu besprechende Thema richtig erfasst wurde. Die Erkenntnis darüber hilft, dass Interview in die richtige Richtung zu steuern. Die Fragen im Leitfaden sind nicht nach den vorab entwickelten Kategorien sortiert. Eine derartig stringente Vorgehensweise wird als kontraproduktiv für die Ergebnisgewinnung gewertet. Manche Fragestellungen beinhalten die Möglichkeit, dass durch die gegebene Antwort mehr als eine Kategorie abgedeckt wird. Daher wird eine Strukturierung des Leitfadens durch Kategorienblöcke als für nicht sinnvoll erachtet. Die Forscherin kann im Leitfaden falls nötig springen, so dass an bereits getroffene Aussagen angeknüpft werden kann (Helfferich, 2019, S. 682). Das Forschungsinteresse liegt hauptsächlich auf praktischem, erfahrungsbezogenem Wissen. Im Leitfaden finden sich daher strukturierende, direkte, indirekte, spezifizierende sowie interpretierende Fragestellungen (Kaiser, 2021, S. 78-80). Die strukturierenden Fragestellungen helfen das Interview zielgerichtet mit Blick auf die Forschungsfrage zu steuern. Ohne dass das Interview zu einem Frage-Antwort-Spiel wird, lassen sich abschweifende Exkurse der ExpertInnen in Richtung der zu beantwortenden Forschungsfrage zurücklenken. Prägnant formulierte direkte Fragestellungen werden für den unverzichtbaren Anteil der Befragung genutzt, um die gewünschten Informationen zu erhalten, die inhaltlich zur Beantwortung der Forschungsfrage führen. Indirekte Fragestellungen ermöglichen den ExpertInnen Einschätzungen über die involvierten Beteiligten und deren Positionen und Verhaltensweisen untereinander zu geben (ebd.). Spezifizierende Fragestellungen eignen sich, wenn sich in der Interviewsituation neue unbekannte Fakten eröffnen. Eine derartige Situation ist vorab nicht einschätzbar, jedoch ergibt sich für die Forscherin die Möglichkeit der spontanen spezifizierten Nachfrage, falls dies in ihrem Forschungsinteresse liegt. Interpretierende Fragestellungen zielen auf Paradigmen und ethische Werte der Befragten ab (ebd.). Weiterhin unterstützen sie die ExpertInnen in der Beurteilung der fortschreitenden, zukünftig vorliegenden Entwicklung der Gesamtsituation. Diese Frageform erleichtert im Anschluss die richtige Einordnung der Daten. Mit diesen Fragetechniken werden Schulroutinen der Zusammenarbeit, Abläufe und Zusammenhänge sowie implizites Wissen in einer Problemsituation abgefragt, um eine Kommentierung aus ExpertInnensicht mit Lösungsansatz bezogen auf Fachkompetenz und Ansehen zu generieren (ebd.). Auf Grundlage der vielen subjektiven sozialen Erfahrungswerte in der Zusammenarbeit der beteiligten Personen kann jedoch nicht erwartet werden, dass das Ergebnis einen objektiven Charakter hat (Helfferich, 2019, S. 671-672). Dennoch empfinden die ExpertInnen das von ihnen Gesagte als ihre objektive Wirklichkeit. Die Beteiligten berichten von ihrer subjektiven Einschätzung einer sich entwickelnden Zusammenarbeit mit MitarbeiterInnen des nicht professionalisierten Berufes der Schulbegleitung sowie aus der Sicht einer Schulbegleitung selbst (ebd.). Alle Interviews werden unter Berücksichtigung forschungsethischer Aspekte wie folgt geführt: Keinem der beteiligten Personen entsteht ein Schaden durch die Befragung, die Teilnahme ist freiwillig und wird durch eine Einverständniserklärung untermauert (Gläser & Laudel, 2010, S. 50-51). Alle Daten werden unter Einhaltung der Datenschutzverordnung anonymisiert. Die Personen werden aufgrund ihrer Arbeitserfahrung in diesem Bereich mit dem dazu gehörenden ExpertInnenwissen ausgewählt. Alter, Geschlecht, Ethnie etc. sind für die Befragung irrelevant, so entsteht keinerlei Benachteiligung. Die erzielten Ergebnisse sind durch die Beteiligten einsehbar (ebd.), denn die Interviews werden einzeln geführt und aufgezeichnet.
4.2 Aufbereitung und Auswertung
Die Methode der Aufzeichnung wird gewählt, weil eine handschriftliche Protokollierung zu Informationseinbußen führt und ein Gedächtnisprotoll inhaltliche Veränderungen bewirken kann (ebd., S. 157). Um die erhaltenen Rohdaten aufzubereiten, werden die aufgezeichneten Interviewprotokolle wortwörtlich transkribiert, auf die Niederschrift von Lauten, Gestik und Mimik wird verzichtet (ebd., S. 193-195). Die Transkription wird in Zeilen nummeriert und die befragten Akteure, die der Datenschutzvereinbarung zugestimmt haben, anonymisiert (s. Anhang A, Transkription 1-3). Zu diesem Zeitpunkt ist unklar, ob überhaupt und wenn ja, wie viele relevante Daten aus den Interviews gewonnen werden können (ebd., S. 43). Dies garantiert das Prinzip der Offenheit in der qualitativen Sozialforschung, denn noch ist nicht klar, ob evtl. sogar irrelevante oder widersprüchliche Daten, die somit schwierig zu interpretieren sind, vorliegen. Ein Interview unterscheidet sich deutlich von täglich geführter Alltagskommunikation (ebd., S. 121). Eine freie Interpretation des Gesagten ist in der Auswertung der Daten nicht zielführend. Die Rollen in der Interviewsituation sind klar verteilt und es liegt ein begrenzter Zeitrahmen für das Interview vor. Für die Auswertung der Daten wird die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring gewählt und im folgenden Kapitel vorgestellt (Mayring, 2016, S. 114121).
4.3 Die qualitative Inhaltsanalyse und die qualitativen Gütekriterien nach Mayring
Die qualitative Inhaltsanalyse eignet sich als Auswertungsverfahren für ExpertInneninterviews, da die Vorgehensweise in der Analyse eher deskriptive und darstellend-zusammenfassende Ergebnisse erzielt. Für die Analyse stehen drei Grundformen zur Verfügung: Die Zusammenfassung, die Explikation und die Strukturierung (Mayring, 2016, S. 116). Hierbei handelt es sich um drei unabhängige Auswertungsformen (Mayring, 2015, S. 67). Für dieses Forschungsprojekt eignet sich die Methode der Strukturierung, da mit der strukturierten qualitativen Inhaltsanalyse die inhaltlichen sowie die formalen Gesichtspunkte des Themas extrahiert werden können (Mayring, 2015, S. 97-103, 2016, S. 118-121). Diese strukturierte Auswertung erfolgt in drei Schritten: Der Kategoriendefinition, der Darstellung durch Ankerbeispiele und der Kodierung mittels Kodierregeln. Das Kategoriensystem wird exakt definiert, so dass eine passgenaue differenzierte Zuweisung der generierten Daten ermöglicht wird. Für diese Zuteilung in die definierten Kategorien werden Regeln aufgestellt, so dass die Textabschnitte eindeutig klassifiziert werden können (ebd.). Spezielle Inhalte einer Kategorie in Beispielform sind sogenannte Ankerbeispiele. Sie gelten als Prototyp für diese Kategorie. Um die entwickelten Kategorien abzugrenzen, wird mit farblichen Unterstreichungen gearbeitet. Auf computerbasierte Auswertungen wird verzichtet, alle Farbmarkierungen werden per Hand vorgenommen. Mithilfe der verschiedenen Farben lassen sich die Kategorien herausarbeiten und mögliche Ankerbeispiele herausfiltern (s. Anhang A, Kodierung der Transkription Abb. 3-6). Jegliche Form der Forschung, so auch die qualitative Inhaltsanalyse unterliegt Gütekriterien (Mayring, 2015, S. 12325 129). Diese Gütekriterien sind Maßstäbe, anhand welcher die Forschungsergebnisse gemessen werden (Mayring, 2016, S. 144-148). Mayring stellte fest, dass die Güterkriterien methodenspezifisch zur Vorgehensweise und zur Auswertung passend sein müssen. Aufgrund dessen stellte er sechs Güterkriterien für die qualitative Forschung vor. Die Verfahrensdokumentation, die argumentative Interpretationsabsicherung, die Regelgeleitetheit, die Nähe zum Gegenstand, die kommunikative Validierung sowie die Triangulation. Untersucht wird in diesem Forschungsdesign ein sozialer Prozess innerhalb der inklusiven Schulentwicklung, welcher eine gesellschaftliche Veränderung durch die gemeinsame Beschulung von Kindern mit und ohne Förderbedarf sowie die berufliche Entwicklung von Schulbegleitungen nach sich zieht. Hier kommt das Gütekriterium der Nähe zum Gegenstand zur Anwendung. Die Befragung setzt in der direkten Lebenswelt der beteiligten Akteure an. Die Zusammenarbeit zwischen Lehrenden, Begleitungen und Eltern als beteiligte Akteure filtert das benötigte Wissen heraus, so dass die Forscherin lebensnahe Bezüge zur Forschungsfrage herstellen kann (ebd.). Das Prinzip der Inhaltsanalyse beruht auf der Erstellung eines Kategoriensystems. Das Spezialwissen der ExpertInnen wird mithilfe der bereits im Leitfaden gebildeten und eingesetzten Kategorien systematisch methodisch analysiert. Diese Analyse beruht auf dem Güterkriterium der Regelgeleitetheit durch die kleinschrittige Zergliederung und Bearbeitung der Inhalte sowie auf der Nachvollziehbarkeit durch eine transparente, intersubjektive Dokumentation (Mayring, 2015, S. 50-65, 2016, S. 144-148). Die Intersubjektivität wird gewährleistet durch das Gütekriterium der argumentativen Interpretationsabsicherung. Interpretationen werden durch begründetes schlüssiges ExpertInnenwissen untermauert, welches durch Argumente transparent herausgearbeitet wird. Das Gütekriterium der Verfahrensdokumentation, dargestellt u.a. durch das Kategoriensystem und den entsprechenden Kodierleitfaden ist grundlegend, um die Analyse der Inhalte differenziert und für andere nachvollziehbar zu gestalten. Das Kategoriensystem, basierend auf einer vorab entwickelten deduktiven Kategorienbildung, steht im Zentrum der Ausführung, denn die wichtigsten Aspekte, um die Forschungsfrage zu beantworten, werden durch eine deduktive Vorgehensweise herausgefiltert (Mayring, 2015, S. 97-111). Relevant für die Beantwortung der Forschungsfrage sind alle Angaben in den Interviews, die zu den Themenbereichen Status, jedwede Anforderungen an Schulbegleitungen sowie die Form der vorhandenen oder nicht vorhandenen Qualifizierung. So kann ein möglicher Professionalisierungsbedarf ermittelt werden. Die Fragen im Leitfaden sind basierend auf dieser deduktiv angesetzten Kategorienbildung entwickelt worden. Daraus ergeben sich die folgenden Hauptkategorien: Die Leistungsanforderungen, die Professionalisierung sowie der soziale und der berufliche Status. Eine anschließende induktive Vorgehensweise, welche zu weiteren Kategorien führen kann, wird nicht ausgeschlossen. Die im Prozess der Auswertung entstehenden neuen Kategorien, die zur Beantwortung der Forschungsfrage beitragen, werden mit in die Auswertung aufgenommen. Das generierte Material wird schrittweise bearbeitet und den Themen der einzelnen Kategorien zugeordnet (ebd.). Die qualitative Inhaltsanalyse zielt so auf die Zerlegung der Forschungsfrage anhand von passgenauen Kategorien durch ein kodiertes Auswertungssystem ab (ebd.). Diese Vorgehensweise stellt differenziert die Sichtweisen der beteiligten Akteure mittels ihrer persönlichen und beruflichen Ausgangslage dar. So kommt das Güterkriterium der Triangulation zur Anwendung (Mayring, 2016, S. 144-148). Alle erzielten und dokumentierten Ergebnisse sind einsehbar und weitere Einschätzungen der Befragten sind wünschenswert, um das Thema voranzutreiben sowie die Aussagekraft der Inhalte zu ermessen. Das Vorlegen der erzielten Ergebnisse und deren Einordnung entsprechen dem Güterkriterium der kommunikativen Validierung (ebd.). Aufgrund des kleinen Rahmens der Anzahl der Befragten erhebt das Ergebnis weder Anspruch auf Vollständigkeit noch ist es generalisierungsfähig. Es präsentiert lediglich ein tendenzielles Stimmungsbild in einem noch nicht vollständig erforschten Bereich. Durch die unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen zeigt sich in der Befragung das Zustandekommen von Ansprüchen, Wünschen und Ansichten bezogen auf die Zusammenarbeit und das Ansehen von Schulassistenzen sowie auf den Beruf der Schulbegleitung selbst (ebd.).
[...]
- Citar trabajo
- Susi Lennartz (Autor), 2022, Das gesellschaftliche Ansehen des nicht professionalisierten Berufes Schulbegleitung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1337218
-
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X.